Die 1 %-Regelung begegnet insbesondere im Hinblick auf die dem Steuerpflichtigen zur Wahl gestellte Möglichkeit, den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil auch nach der sogenannten Fahrtenbuchmethode zu ermitteln und zu bewerten, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
BFH, Urteil vom 13.12.2012 – VI R 51/11
Sachverhalt: Streitig ist, ob die Bewertung der privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlassenen Dienstwagens nach der 1 %-Regelung noch insoweit verfassungsgemäß ist, als der Nutzungswert nach dem inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.
Die Kläger, zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erzielten im Streitjahr (2009) neben anderen Einkünften jeweils auch Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Kläger war als Geschäftsführer der M-GmbH tätig. Er hatte einen von seinem Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch für Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Der Arbeitgeber hatte den erstmals am 27.08.2004 zugelassenen Dienstwagen vom Typ BMW 730d als Gebrauchtfahrzeug mit einer Fahrleistung von 58.000 km ab 05.03.2008 für drei Jahre mit einer monatlichen Leasingrate von 722,57 € geleast. Zu Beginn des Leasingzeitraums betrug der Gebrauchtwagenwert des Dienstwagens 31.990 €; im Zeitpunkt der Erstzulassung betrug dessen Brutto-Listenneupreis 81.400 €.
Der Beklagte – das Finanzamt – setzte die private Nutzung des Dienstwagens, für den der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte, mit der 1 %-Regelung auf Basis des Brutto-Listenneupreises an (§ 8 II 2 EStG i. V. mit § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG). Auf dieser Grundlage wurde im hier streitigen Einkommensteuerbescheid dem Kläger ein geldwerter zu versteuernder Vorteil in Höhe von 814 € monatlich zugerechnet und bei dessen Lohneinkünften angesetzt.
Dagegen machten die Kläger mit seinem im Ergebnis erfolglosen Einspruch geltend, dass bei der Berechnung des anzusetzenden geldwerten Vorteils nicht der Listenneupreis, sondern der Gebrauchtwagenwert zugrunde zu legen sei.
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Verfassungsrechts rügen, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: [10] II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 II FGO). Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass der Vorteil des Klägers aus der Überlassung des Dienstwagens zu auch privaten Zwecken im Streitfall nach § 8 II 2 EStG i. V. mit § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten ist. Gegen die 1 %-Regelung mit Ansatz des Brutto-Neuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 I GG kommt daher nicht in Betracht.
[11] Es entspricht mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung, dass die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu Lohnzufluss führt (BFH, Urt. v. 06.10.2011 – VI R 56/10, BFHE 235, 383 = BStBl II 2012, 362). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach § 8 II 2 bis 5 EStG i. V. mit § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch, wie im Streitfall, nicht geführt, ist der Vorteil mit der 1 %-Regelung zu bewerten.
[12] a) Nach der 1 %-Regelung (§ 8 II Satz 2 EStG i. V. mit § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG) ist dieser Nutzungsvorteil für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (st. Rspr.; BFH, Urt. v. 13.02.2003 – X R 23/01, BFHE 201, 499 = BStBl II 2003, 472; Urt. v. 07.11.2006 – VI R 19/05, BFHE 215, 256 = BStBl II 2007, 116; jeweils m. w. Nachw.). Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwerts. Dementsprechend erhöht etwa der nachträgliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung (BFH, Urt. v. 13.10.2010 – VI R 12/09, BFHE 231, 540 = BStBl II 2011, 361). Weiter bleibt im Rahmen der Anwendung der 1 %-Regelung der inländische Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage, wenn der Arbeitgeber das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte (vgl. BFH, Urt. v. 01.03.2001 – IV R 27/00, BFHE 195, 200 = BStBl II 2001, 403; Beschl. v. 18.12.2007 – XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562 m. w. Nachw.) oder wenn schon ein Großteil der Anschaffungskosten des Fahrzeugs als Betriebsausgaben (AfA) geltend gemacht worden war (BFH, Urt. v. 24.02.2000 – III R 59/98, BFHE 191, 286 = BStBl II 2000, 273).
[13] Im Ergebnis entspricht der Ansatz des Listenpreises statt der tatsächlichen Anschaffungskosten gerade dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zukommt (so schon BFH, Urt. v. 25.05.1992 – VI R 146/88, BFHE 168, 194 = BStBl II 1992, 700).
[14] b) Die typisierende Erfassung des Nutzungsvorteils durch die 1 %-Regelung war im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des BFH; die Regelung wurde dabei im Ergebnis jeweils als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt (BFH, Urt. v. 24.02.2000 – III R 59/98, BFHE 191, 286 = BStBl II 2000, 273; Urt. v. 01.03.2001 – IV R 27/00, BFHE 195, 200 = BStBl II 2001, 403; Urt. v. 13.02.2003 – X R 23/01, BFHE 201, 499 = BStBl II 2003, 472; Urt. v. 19.03.2009 – IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617; Beschl. v. 16.09.2004 – VI B 5/04, BFH/NV 2005, 336; jeweils m. w. Nachw.). Denn nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Senate des BFH nutzt der Gesetzgeber mit der 1 %-Regelung den ihm insbesondere im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und private Kfz-Nutzung typisierend und pauschalierend erfasst. Die BFH-Rechtsprechung stützt sich insoweit auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Geltungsgrund und zu den Gestaltungsgrenzen der Typisierung und Pauschalierung im Steuerrecht durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschl. v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [6]; Urt. v. 07.12.1999 – 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 = BStBl II 2000, 162 m. w. Nachw.).
[15] c) Die Bewertung des Vorteils mittels der 1 %-Regelung ist mit dem Ansatz eines Nutzungsvorteils in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises je Monat zwar eine nur grob typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil indessen nach Maßgabe der konkret entstandenen Kosten (§ 8 II 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht („Escape-Klausel“) beurteilt die bisherige Rechtsprechung des BFH die Typisierungsregelung in § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH, Urt. v. 24.02.2000 – III R 59/98, BFHE 191, 286 = BStBl II 2000, 273).
[16] Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts und eine daran anknüpfende Besteuerung wählen kann, ist er durch eine ihm lediglich zusätzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im konkreten Fall nachteilig wirkt. Angesichts dessen können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile regelmäßig Rabatte einräume, also der Brutto-Listenneupreis nicht einmal mehr typisierend den Verkaufspreis für Neufahrzeuge darstelle. Denn der Gesetzgeber unterliegt entgegen der Auffassung der Kläger gegenwärtig diesbezüglich keinem Anpassungszwang.
[17] aa) Die Kläger verkennen insoweit die Funktion, die der Gesetzgeber der Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung, dem Bruttolistenneupreis, einräumt. Die Anwendung der 1 %-Regelung in Verbindung mit § 8 II 2 EStG bezweckt, den beim Arbeitnehmer entstandenen Vorteil der Nutzungsüberlassung eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil umfasst mithin nicht nur das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst, sondern auch die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur- und Wartungskosten sowie insbesondere der Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im Bruttolistenneupreis noch in den tatsächlichen Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar abbilden. Die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage des Brutto-Listenneupreises bezweckt also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der Brutto-Listenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs selbst. Denn der tatsächliche geldwerte Vorteil entspricht dem Betrag, der von einem Arbeitnehmer für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (so schon Senat, Urt. v. 10.02.1961 – VI 89/60 U, BFHE 72, 376 = BStBl III 1961, 139; Urt. v. 21.06.1963 – VI 306/61 U, BFHE 77, 191 = BStBl III 1963, 387).
[18] Angesichts dieser alternativen und nur grob typisierenden Bemessungsgrundlage ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dem Zweck, den Nutzungsvorteil insgesamt zu erfassen, verfassungskonform nur dadurch entspricht, dass er als Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Neuanschaffungskosten statt des Bruttolistenneupreises wählt. Die Einschätzung der Kläger, dass der tatsächliche Kaufpreis aus der Buchführung jedenfalls genauso leicht zu ermitteln sei wie die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, ändert daran nichts.
[19] bb) Schließlich können sich die Kläger für ihre Auffassung auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen, nach der die unverbindliche Preisempfehlung keine geeignete Grundlage zur Bemessung des lohnsteuerrechtlichen Vorteils eines Mitarbeiterrabatts im Rahmen von Jahreswagenkäufen darstellt (Senat, Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl II 2010, 67). Denn in diesen Fällen war der aus dem Mitarbeiterrabatt zufließende Vorteil nicht auf Grundlage einer grob typisierenden Regelung, sondern nach Maßgabe des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts konkret zu ermitteln und zu besteuern. Diese Möglichkeit hat der Arbeitnehmer, wie dargelegt, auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung eines Dienstwagens, wenn er den Vorteil nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. In diesem Fall gehen dann in die Bemessungsgrundlage neben sämtlichen übrigen Kraftfahrzeugkosten auch die konkreten Anschaffungskosten statt eines typisierenden Bruttolistenneupreises ein.