- Dass in einem Verkaufsprospekt, der der Bestellung eines Neuwagens zugrunde liegt, ein auf „Auto“ positionierter Lichtschalter abgebildet ist, rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme, dass eine automatische Fahrlichtsteuerung zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehöre.
- Für eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB genügt eine einseitige Beschreibung der Kaufsache durch den Verkäufer, auf die der Käufer nicht wenigstens konkludent eingegangen ist, nicht.
LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2010 – 21 O 390/09
(nachfolgend: OLG Stuttgart, Urteil vom 17.04.2012 – 6 U 178/10)
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags in Anspruch.
Er bestellte bei der Beklagten am 17.04.2009 einen neuen Audi A3 zum Preis von 27.400 €. Nachdem die Beklagte die Bestellung mit Mit Auftragsbestätigung vom 27.04.2009 angenommen und der Kläger den Kaufpreis gezahlt hatte, wurde ihm der Neuwagen am 01.07.2009 von dem Mitarbeiter H der Beklagten übergeben.
Mit Schreiben an die Beklagte vom gleichen Tage rügte der Kläger, dass das Fahrzeug entgegen dem Verkaufsprospekt nicht über eine Fernbedienung zur Steuerung des elektrischen Schiebedaches („Komfortschließung“) verfüge. Überdies – und ebenfalls abweichend vom Verkaufsprospekt – sei der Hintergrund des Radiodisplays nicht schwarz, sondern rot gestaltet. Schließlich fehle auch die gemäß dem Verkaufsprospekt geschuldete automatische Fahrlichtsteuerung.
Mit Telefax vom 08.07.2009 begehrte der Kläger deshalb gegenüber der Beklagten die „Wandlung“ des Kaufvertrages.
Am 22.07.2009 stellte er den Audi A3 auf dem Betriebsgelände der Beklagten ab. Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte er die Beklagte auf, ihm bis zum 30.07.2009 den Kaufpreis zurückzuzahlen.
Die Beklagte setzte den Kläger mit Schreiben vom 20.07. und vom 24.07.2009 davon in Kenntnis, dass die „Komfortschließung“ des Schiebedachs in Kürze nachgerüstet werden könne. Im Übrigen wies sie das Begehren des Klägers zurück. Zudem forderte sie den Kläger mit Anwaltsschreiben vom 03.08.2009 auf, sein Fahrzeug wieder abzuholen.
Mit Anwaltsschreiben vom 06.08.2009 erklärte der Kläger erneut den mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag.
Er hat geltend gemacht, dass der Audi A3 mangelhaft sei, weil er nicht über eine Fernbedienung zur Steuerung des elektrischen Schiebedaches verfüge. Überdies sei das Schiebedach nicht mit einem Einklemmschutz ausgestattet. Darüber hinaus stelle es einen zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel dar, dass dem Fahrzeug – anders als im Verkaufsprospekt versprochen – eine automatische Fahrlichtsteuerung fehle. Im Prospekt sei auf Seite 64 ein auf der Position „Auto“ stehender Lichtschalter abgebildet; die Beklagte habe deshalb die Lieferung eines Fahrzeugs mit einer dieser Schalterposition zugrunde liegende Funktion (Lichtautomatik) geschuldet sei. Schließlich habe die Beklagte die Lieferung eines Fahrzeugs geschuldet, bei dem das Hintergrunddisplay des Autoradios schwarz ausgestaltet sei. Geliefert habe sie indes einen Pkw, bei dessen Autoradio der Displayhintergrund dunkelrot sei. Alle diese Mängel – so hat der Kläger behauptet – seien schon bei der Übergabe des Fahrzeugs am 01.07.2009 vorhanden gewesen. Der Kläger ist der Ansicht, dass jeder Mangel schon für sich genommen nicht i. S. von § 323 V 2 BGB geringfügig sei; jedenfalls aber überschritten die Mängel in ihrer Gesamtheit die Erheblichkeitsschwelle.
Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat sich der Kläger, gestützt auf ein in diesem Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten, auf den Standpunkt gestellt, dass das Schiebedach seines Fahrzeugs zwar über einen Einklemmschutz verfüge. Dieser sei jedoch seinerseits insoweit mangelhaft, als die der Schließkraft entgegenzusetzende Kraft, die erforderlich sei, um die Rückwärtsbewegung des Schiebedachs auszulösen, teilweise wesentlich über denjenigen Werten liege, die in der maßgeblichen EU-Richtlinie hierfür angesetzt werden.
Die Beklagte hat geltend gemacht, dass der Rücktritt des Klägers unwirksam sei, weil der Audi A3 nicht mangelhaft sei. Das Schiebedach des Fahrzeugs habe bei der Übergabe über einen funktionierenden Einklemmschutz verfügt. Diese sei auch nicht seinerseits mangelhaft. Die automatische Fahrlichtsteuerung sei eine Sonderausstattung, die lediglich zusammen mit einem automatisch abblendenden Innenspiegel angeboten werde. Diese Sonderausstattung habe der Kläger nicht bestellt; sie sei deshalb in seinem Fahrzeug nicht vorhanden. Allein der Umstand, dass im Verkaufsprospekt ein auf „Auto“ positionierter Lichtschalter abgebildet sei, rechtfertige nicht den Schluss, dass sie – die Beklagte – dem Kläger ein Fahrzeug mit Lichtautomatik hätte liefern müssen. Sie habe schließlich auch weder im Verkaufsprospekt noch in sonstiger Weise versprochen, dass das Hintergrunddisplay des Radios in schwarz gehalten sei.
Hinsichtlich der Rüge des Klägers, dass bei dem Audi A3 eine „Komfortschließung“ des Schiebedachs nicht möglich sei, habe sie – die Beklagte – mehrfach erklärt, dass in Kürze ein Update zur Verfügung stehe, mit dem diese Funktion eingerichtet werden könne. Insofern habe sie dem Kläger eine Nachbesserung angeboten, und zwar insbesondere mit Schreiben vom 20.07. und vom 24.07.2009 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2010. Eine Nachfüllung habe der Kläger jedoch stets abgelehnt.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 BGB nicht zu.
Gemäß § 434 I 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Nach § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr mit Übergabe der verkauften Sache über.
Die Beschaffenheit muss mithin vereinbart sein. Dies setzte beiderseitige, zumindest schlüssige Willenserklärungen beider Parteien voraus. Eine einseitige Beschreibung seitens des Verkäufers, auf die der Käufer nicht wenigstens schlüssig eingegangen ist, ist insoweit nicht genügend.
1. Hiernach stellt es keinen Sachmangel dar, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mit einer automatischen Fahrlichtschaltung ausgestaltet ist. Ausweislich der Angaben des Zeugen H in seiner Vernehmung vom 20.01.2010 – auf die sich das Gericht trotz eines zum 03.08.2010 erfolgten Richterwechsels stützt, da es lediglich auf die protokollierte Aussage des Zeugen abstellt, deren Glaubhaftigkeit insoweit nicht bestritten wird und an der zu zweifeln kein Anlass besteht – sowie der vom Kläger beigereichten Auftragsbestätigung hat dieser eine solche Sonderausstattung nicht bestellt. Sie war demzufolge von der Beklagten auch nicht geschuldet.
Allein der Umstand, dass der Verkaufsprospekt (S. 64) einen Drehschalter in der Position „Auto“ abbildet, rechtfertigt nicht den Schluss, dass der Beklagte deshalb die dieser Schalterposition zugrunde liegende Funktion „automatische Fahrlichtschaltung“ vertraglich schuldet. Denn zum einen wird in dem gesamten Kontext der vorbezeichneten Abbildung, insbesondere in deren Erläuterung, nicht auf die Sonderausstattung „automatische Fahrlichtschaltung“ hingewiesen bzw. Bezug genommen. Insoweit dient die Abbildung – wie die Inaugenscheinnahme des Verkaufsprospekts im Termin vom 25.08.2010 zur Überzeugung des Gerichts ergeben hat – lediglich der Illustration der auf Seite 64 ff. des Verkaufsprospekts beschriebenen „Styleguides“. Angaben über die Sonderausstattung „automatische Fahrlichtschaltung“ finden sich folgerichtig nicht an dieser Stelle des Prospekts, sondern auf den Seiten 70 f., auf denen Angaben zu „Licht und Spiegel“ erfolgen. An dieser Stelle ist die „automatische Fahrlichtschaltung“ thematisch zutreffend verortet. Ferner wird auf Seite 71 (li. Sp.) klar erläutert, dass die automatische Fahrlichtschaltung lediglich als Paket gemeinsam mit weiteren, unter anderem das Fahrlicht betreffenden Funktionen wie Licht- und Regensensoren sowie automatisch abblendenden Innenspiegeln erhältlich ist. Überdies wird durch farbliche Unterlegung und deren entsprechende Erläuterung (S. 70 u.) deutlich darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Paket um eine Sonderausstattung handelt. Schließlich wird auf der letzten Umschlagseite des Verkaufsprospekts ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in dem Prospekt abgebildeten Fahrzeuge teilweise mit Sonderausstattungen gegen Mehrpreis ausgerüstet sind und dass Abweichungen in Farbe und Form von den Abbildungen sowie Irrtümer und Druckfehler vorbehalten bleiben.
2. Auch der Umstand, dass das Hintergrunddisplay des Autoradios in dem von dem Kläger gekauften Fahrzeug dunkelrot erscheint, stellt keinen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB dar.
Weder im Verkaufsprospekt noch im Verlauf der Vertragsverhandlungen findet sich ein Hinweis darauf, dass die Beklagte eine Erklärung des Inhalts abgeben wollte, ein schwarzes Display zu schulden. Der Abbildung auf Seite 81 des Prospekts kann eine solche Erklärung nicht entnommen werden. Denn der Prospekt beabsichtigt weder an dieser Stelle noch irgendwo sonst Angaben zu der farblichen Gestaltung des Hintergrunddisplays. Überdies gelten auch insoweit die Ausführungen zu den auf der vierten Umschlagseite des Prospekts befindlichen Hinweisen bezüglich Ausstattung, Form und – insbesondere – Farbe.
3. Dass das vom Beklagten gekaufte Fahrzeug über einen Einklemmschutz an dem elektrischen Schiebedach verfügt, folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. D und ist mittlerweile zwischen den Parteien auch unstreitig.
4. Dieser Einklemmschutz ist seinerseits nicht in einer zum Rücktritt berechtigenden Weise mangelhaft.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 01.06.2010, denen sich das Gericht nach eigenverantwortlicher Prüfung vollumfänglich anschließt, ist der Einklemmschutz voll funktionstüchtig. Bei Einwirkung einer der Schließbewegung des Dachs entgegenwirkenden Kraft wird diese Bewegung umgekehrt und das Dach öffnet sich wieder. Die vom Sachverständigen festgestellte und vom Kläger beanstandete Abweichung dieser Gegenkraft von einem auf der Richtlinie 2001/85/EG (ECE R 21)basierenden Wert von 100 N, bei dem die Bewegungsrichtung umkehren muss, ist für die Feststellung der Mangelfreiheit des elektrischen Schiebedachs unbeachtlich. Denn bei abwägender Berücksichtigung aller maßgeblichen Kriterien sorgt der Einklemmschutz wirksam dafür, dass Personen, insbesondere Kinder, die Körperteile durch die Öffnung des Schiebedachs halten, vor dem Eingeklemmtwerden geschützt sind. Dies gilt – so steht zur Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aller realistisch in Betracht kommenden Lebenssituationen fest – auch bei Zugrundelegung der von dem Sachverständigen festgestellten Abweichungen der Messwerte von dem in der Richtlinie 2001/85/EG (ECE R 21) bestimmten Wert von 100 N. Denn diese Abweichung ist – sowohl als arithmetisches Mittel der Messreihe als auch bei jeweils einzelner Betrachtung der Werte – so gering, dass schlechterdings nicht ersichtlich ist, inwieweit gerade diese Abweichung bei realistisch in Betracht kommenden Lebenssituationen zu einer Gefahrbegründung bzw. -erhöhung führen soll.
Schließlich hat die Beklagte auch keine Erklärung des Inhalts abgegeben, dass der Einklemmschutz des elektrischen Schiebdachs gerade so konzipiert ist, dass die der Schließkraft entgegenzusetzende Kraft den Wert von 100 N in keinem Fall auch nur geringfügig überschreitet.
Im Übrigen fehlt es bezüglich dieses Umstands an der gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 I BGB erforderlichen angemessenen Fristsetzung bzw. einer hierauf gestützten Rücktrittserklärung überhaupt. Denn der vorbezeichnete Umstand war dem Kläger erst nach dem Sachverständigengutachten vom 01.06.2010 bekannt. Die vorangegangene Rücktrittserklärung konnte daher auf diesen Umstand noch nicht gestützt werden.
5. Das Fahrzeug verfügte bei Gefahrübergang unstreitig nicht über eine Fernbedienung zur Betätigung des Schiebedachs (sog. Komfortschließung). Gemäß der Auftragsbestätigung schuldete die Beklagte bei der bestellten Sonderausstattung „Glas-Schiebe-/Ausstelldach“ eine solche Fernbedienung.
Es bedarf jedoch keiner Entscheidung, ob es sich hierbei um einen Mangel i. S. des § 434 I BGB handelt, da dieser Umstand den Kläger jedenfalls nicht dazu berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Denn infolge der Nachrangigkeit des Rücktrittsrechts gegenüber einem eventuellen Nacherfüllungsanspruch des Käufers (§ 437 Nr. 1 und Nr. 2 BGB) steht dem Kläger ein Rücktrittsrecht bereits deshalb nicht zu, weil die Beklagte mehrfach Nacherfüllung angeboten hat, diese jedoch vom Kläger nicht akzeptiert bzw. angenommen wurde.
Die Beklagte hat den Kläger mehrfach darauf hingewiesen, dass die „Komfortschließung“ nachrüstbar ist. So hat sie bereits mit Schreiben vom 20.07. und vom 24.07.2009 angeboten, dass diese Funktion in Kürze im Wege eines Updates eingerichtet werden kann. Eine solche Vorgehensweise ist im Rahmen der § 437 Nr. 1, § 439 I BGB für den Käufer in jeder Hinsicht zumutbar. Diese Art der Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 1 BGB lehnte der Kläger jedoch bereits mit Schreiben vom 20.07.2009 und weiteren Erklärungen ab. Ein weiteres Angebot zur Nacherfüllung seitens der Beklagten vom 28.07.2009 lehnte er mit Schreiben vom 31.07.2009 ebenfalls ab. Vielmehr erklärte er spätestens mit Anwaltsschreiben vom 06.08.2009 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Überdies fehlt es auch bezüglich dieses behaupteten Mangels an der für die Ausübung des Rücktrittsrechts gemäß § 323 I BGB erforderlichen erfolglosen Setzung einer angemessen Frist zur Nacherfüllung. Diese kann weder in den Schreiben des Klägers vom 08.07., vom 11.07. und vom 13.07.2009 noch in der Verbringung, des Pkw auf den Hof der Beklagten am 22.07.2009 in Verbindung mit dem Begleitschreiben vom gleichen Tage gesehen werden.
Anhaltspunkte für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung sind nicht ersichtlich.
II. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger nicht zu, weil die Beklagte sich nicht in Verzug befand. …
Hinweis: Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 17.04.2012 – 6 U 178/10 – zurückgewiesen.