Unterlaufen einem Kfz-Fachbetrieb bei der Reparatur besonders gravierende, elementare Ausführungs- und Beratungsfehler, kann das eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich machen.
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.05.2010 – 5 U 290/10
Sachverhalt: Der Kläger erteilte dem Beklagten am 27.09.2006 den Auftrag, die gebrochene Hinterachse seines Pkw auszutauschen. Daraufhin wurde am 10.10.2006 vereinbarungsgemäß ein gebrauchtes Ersatzstück eingesetzt. Die an diesem Tag erstellte Rechnung des Beklagten enthält den Hinweis, dass das Automatikgetriebe defekt sei.
Nachfolgend hatte der Kläger Probleme beim Schalten. Er ließ deshalb am 22.01.2007 – seiner Darstellung nach für 2.276,56 € – ein neues Getriebe einbauen, ohne dass dadurch eine Abhilfe erreicht wurde. Eine Überprüfung, die nicht weiter zielführend war, verursachte Aufwendungen von 99,96 €. Am 19.03.2007 entstanden, bedingt durch die Untersuchung der Hinterachse, Kosten von 50 €. Anschließend wurde das Steuergerät für 424,25 € ausgewechselt. Die Probleme waren schließlich erst am 02.05.2007 mit dem Einbau einer neuen Hinterachse zum Preis von 2.232,08 € beseitigt.
Nach Ansicht des Klägers war die Werkleistung des Beklagten mangelhaft, weil die Getriebeübersetzung auf die Hinterachse nicht gestimmt habe, sodass das Getriebe und das Steuergerät Schaden genommen hätten. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger eine Ersatzforderung von 5.834,25 € (inkl. 751,40 € Nutzungsausfall) nebst Zinsen geltend gemacht. Der Beklagte hat einen Fehler auf seiner Seite geleugnet und vorsorglich eingewandt, dass ihm keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben worden sei.
Das LG Bad Kreuznach (Urt. v. 12.02.2010 – 2 O 312/07) hat den Kläger und einen Zeugen zum Geschehen gehört und einen Sachverständigen zur Schadensverantwortlichkeit des Beklagten befragt. Der Sachverständige hat dem Beklagten zunächst eine ordnungsgemäße Arbeit attestiert, ist aber dann nach näheren Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Differential der von dem Beklagten eingesetzten Hinterachse keine hinreichenden Impulse an die Getriebesteuerung gegeben habe. Daraufhin hat das Landgericht die Klage im Umfang von 1.329,92 € nebst Zinsen zugesprochen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und erstrebt die vollständige Abweisung der Klage. Er meint, dass die Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme nicht vorlägen, da er weder hinreichend zu einer Nachbesserung gemahnt worden sei noch sich geweigert habe, sie vorzunehmen. Der Senat beabsichtigt, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Aus den Gründen: Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte dem Kläger aus dem am 27.09.2006 geschlossenen Werkvertrag auf Ersatz der Kosten haftet, die die Überprüfung des am 22.01.2007 neu eingebauten Automatikgetriebes und der von ihm eingesetzten Hinterachse sowie der Austausch dieser Hinterachse unter Anrechnung der damit verbundenen Wertverbesserungen (Abzug neu für alt) verursacht hat. Deren Höhe ergibt sich aus den von dem Kläger vorgelegten Rechnungen sowie den Darlegungen des Sachverständigen S und wird von der Berufung nicht infrage gestellt.
Die Rechtsmittelangriffe sind gegen den Entscheidungsansatz des Landgerichts gerichtet, die Schadensverantwortlichkeit dem Grunde nach zu bejahen. Dieser Ansatz hält indessen einer Nachprüfung stand. Die Einstandspflicht des Beklagten beruht auf § 634 Nr. 4, § 280 I BGB.
a) Nach den Feststellungen des Sachverständigen S war die Werkleistung des Beklagten mangelhaft. Er hat ausgeführt, „dass das Steuergerät des Automatikgetriebes“, mit dem das Auto des Klägers modelltypisch ausgerüstet ist, „die Raddrehzahl über einen Sensor erfasst und dieses Signal verarbeitet“. Der Sensor muss sich, um wirksame Impulse setzen zu können, im Differentialgehäuse der Hinterachse befinden. Das war bei der von dem Beklagten eingebauten Hinterachse, die eine andere Getriebeübersetzung als das ursprünglich vorhandene Teil hatte, nicht der Fall. Zusammenfassend hat der Sachverständige S bemerkt, „dass das von dem Beklagten eingebaute Hinterachsdifferential für das hier streitgegenständliche Fahrzeug nicht geeignet ist“.
Dass dieses Manko für den Beklagten als Fachmann nicht zu erkennen gewesen wäre, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich. Man musste in seiner Werkstatt umso mehr gewarnt sein, als der Achsaustausch zum Einsatz eines Differentials mit – im Vergleich zum Ausgangszustand – veränderten Eigenschaften führte.
b) Die daraus entspringende Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gemäß § 280 I BGB lässt sich nicht mit dem Einwand ausräumen, dass die Voraussetzungen des § 281 BGB nicht gegeben seien. Allerdings ist eine Mahnung zur Nacherfüllung unter Fristsetzung (§ 281 I 1 BGB) nicht zu ersehen, und auch eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung durch den Beklagten (§ 281 II BGB) lässt sich schwerlich erkennen. Das hebt die Berufung zutreffend hervor. Indessen kommt es darauf nicht entscheidend an. § 636 BGB eröffnet dem Kläger nämlich unabhängig von § 281 BGB einen Schadensersatzanspruch bereits dann, wenn ihm die Nacherfüllung durch den Beklagten unzumutbar war. Eben darauf hat schon das Landgericht abgestellt, und daran knüpft auch der Senat an.
Die vom Kläger geltend gemachten Kosten sind sämtlich angefallen, als ein Getriebeaustausch erfolgt war und die Schaltschwierigkeiten gleichwohl noch anhielten. In dieser Situation konnte dem Kläger nicht mehr abverlangt werden, auf die Kompetenz des Beklagten zu vertrauen und die Mängelbeseitigung in seine Hand zu legen. Der Beklagte hatte ihm nämlich fälschlich suggeriert, dass die vorhandenen Probleme weniger mit dem Hinterachseinbau als vielmehr mit einem Defekt im Getriebe zusammenhingen und sich daher dessen Austausch empfehle. Das folgt aus den Feststellungen des Landgerichts, die keinen rechterheblichen Zweifeln begegnen (§ 529 I Nr. 1 ZPO).
aa) Die Feststellungen werden bereits durch die protokollierte Aussage des Zeugen H getragen, der bekundet hat (Sitzungsniederschrift vom 15.01.2010):
„Nach Austausch der Hinterachse war es dann so, dass das Fahrzeug sich nicht mehr schalten ließ. Wie ich bereits sagte, es fuhr noch in einem eingestellten Gang. Das von mir geschilderte Telefonat zwischen dem Beklagten und dem Kläger … fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Hinterachse bereits ausgetauscht war und wir festgestellt hatten, dass das Getriebe nicht mehr schaltet“.
Der Einwand, die Zeugenaussage … sei falsch protokolliert worden, verbietet sich. Er könnte nur greifen, wenn es zu einer Protokollfälschung gekommen wäre (§ 165 Satz 2 ZPO). Dafür fehlt jedoch jedweder Anhalt, und das behauptet auch der Beklagte nicht.
bb) Neben die Bekundungen des Zeugen H tritt die Sachverhaltsschilderung, die der Kläger im Rahmen seiner Anhörung gemacht hat (Sitzungsniederschrift vom 15.01.2010):
„Als ich das Fahrzeug nach Einbau der Hinterachse abgeholt habe, wurde mir erklärt, dass das Fahrzeug die Gänge nicht nehmen würde. Es lasse sich nicht schalten. Der Mann von der Werkstatt hat mir vorgeschlagen, ein neues Getriebe einbauen zu lassen. Ich habe dann dagegen vorgeschlagen, eine andere Hinterachse einzubauen. Ich hatte nämlich gelesen, dass es für mein Fahrzeugmodell verschiedene Hinterachsen gibt mit verschiedenen Übersetzungen. Das wäre preisgünstiger gewesen. Die Werkstatt wollte aber das Getriebe austauschen. Der Mann von der Werkstatt beharrte aber darauf, dass das Getriebe fehlerhaft sei. So stand es auch auf der Rechnung. Deswegen habe ich dann auch zunächst das Getriebe austauschen lassen“.
Es gibt keinen ernsthaften Grund zur Annahme, dass dies wahrheitswidrig sein könnte. Noch lange vor Einleitung des hiesigen Rechtsstreits und der dadurch vermittelten Erkenntnisse schrieb der Kläger im Grundtenor gleichlautend an den Beklagten (Schreiben vom 23.03.2007):
„Nach Einbau der Hinterachse haben Sie festgestellt, dass das Automatikgetriebe defekt ist. Ich habe vorgeschlagen, eine neue Hinterachse einzubauen … Sie waren fest entschlossen, dass das Automatikgetriebe defekt ist“.
Diesen Standpunkt des Beklagten vermittelt auch dessen Rechnung vom 10.10.2006. Dort heißt es, dass das „Automatikgetriebe defekt ist“.
cc) Durch die Situationsbeurteilung des Beklagten wurde der Kläger auf einen Weg gelenkt, der verfehlt war. Der Sachverständige S hat dazu geäußert (Sitzungsniederschrift vom 15.01.2010:
„… ist darauf hinzuweisen, dass das technisch absolut unüblich ist, dass die Firmen später zunächst einmal ein teures Automatikgetriebe in das Kraftfahrzeug des Klägers eingebaut haben, bevor dann letztlich noch mal das wesentlich billigere Teil, nämlich die Hinterachse, ausgetauscht wurde … Es ist aus meiner Sicht ferner darauf hinzuweisen, dass die Reparaturen, die in der Folge an dem Kraftfahrzeug vorgenommen wurden, in keinem Verhältnis zum Wert des Pkw stehen“.
Von daher hatte der Kläger, nachdem sich der von dem Beklagten angeratene kostenträchtige Getriebeaustausch als untauglich herausgestellt hatte, keine Veranlassung mehr, in der Werkstatt des Beklagten um Abhilfe nachzusuchen. Dies von ihm zu fordern, hätte im Hinblick auf die augenscheinlich verfehlten Aufwendungen, die er im Vertrauen auf das Urteil des Beklagte getätigt hatte, die in § 636 BGB gezogene Zumutbarkeitsgrenze überschritten (vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 5. Aufl., § 636 Rn. 23) …