- Ein Rücktritt von einem Pkw-Kaufvertrag wegen eines Sachmangels ist grundsätzlich nur wirksam, wenn der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder mindestens zwei Nachbesserungsversuche fehlgeschlagen sind (vgl. § 440 Satz 1 BGB). Erforderlich ist außerdem, dass der gerügte Mangel bei Abgabe der Rücktrittserklärung noch vorhanden ist.
- Nimmt ein Kfz-Händler bei Abschluss eines Kaufvertrags über ein Neufahrzeug einen Gebrauchtwagen des Käufers in der Weise in Zahlung, dass er den für den Gebrauchtwagen noch laufenden Kredit ablöst, liegt regelmäßig kein gesonderter Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen, sondern ein einheitlicher Kaufvertrag vor.
OLG Koblenz, Beschluss vom 01.04.2010 – 2 U 1120/09
(nachfolgend: OLG Koblenz, Beschluss vom 29.04.2010 – 2 U 1120/09)
Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Neufahrzeug.
Am 16.03.2007 bestellte der Kläger bei der beklagten VW-Vertragshändlerin einen VW Touareg V10 TDI zum Preis von 94.758,97 €. Zugleich bot er der Beklagten sein typengleiches Altfahrzeug zum Preis von 45.000 € zum Kauf an. Das Neufahrzeug wurde dem Kläger, der sein Altfahrzeug der Beklagten überließ, am 05.06.2007 übergeben und am gleichen Tag in Rechnung gestellt.
Ab Ende 2007 sprang wiederholt der Motor des VW Touareg nicht an, sodass das Fahrzeug abgeschleppt werden musste. Am 05.11.2007 wurde es zur Werkstatt der Beklagten geschleppt, wo ein Defekt des Drehzahlmessers festgestellt wurde. Das Gerät wurde ohne Kosten für den Kläger ersetzt. Am 25.01.2008, als die Beklagte fällige Wartungsarbeiten („Intervall-Service“) an dem VW Touareg durchfürte, sprang dessen Motor abermals nicht an, woraufhin die Beklagte die Steckerkontakte des Drehzahlmessers nacharbeitete.
Nachdem der Kläger am 06.05.2008 beim Autohaus T, einem VW/Audi-Vertragshändler, eine Motordiagnose hatte vornehmen lassen, wurde sein Fahrzeug am 25.06.2008 erneut in die Werkstatt der Beklagten geschleppt. Die Beklagte führte an dem Pkw Arbeiten durch, über deren Umfang die Parteien streiten. Anschließend blieb das Fahrzeug zunächst auf dem Betriebsgelände der Beklagten stehen. Der Kläger holte es nach der Rückkehr aus seinem Urlaub ab, nachdem ihn die Beklagte hierzu am 10.07.2008 aufgefordert hatte.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.07.2008 ließ der Kläger die „Wandlung“ des Kaufvertrags erklären. Zur Begründung ließ er vortragen, bei seinem Fahrzeug gebe es ein Problem mit dem Drehzahlfühler, das mehrmals dazu geführt habe, dass der VW Touareg ohne Vorwarnung stehen geblieben sei und habe abgeschleppt werden müssen. Dieses Problem habe die Beklagte trotz wiederholter Nachbesserungsversuche nicht in den Griff bekommen.
Die Beklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 19.08.2008 ihr Einverständnis mit einer Rückabwicklung der Kaufvertrags erklären. Sie behielt sich allerdings vor, sich in einem möglichen Gerichtsverfahren auf die Unwirksamkeit des Rücktritts zu berufen.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob zwischen ihnen ein einheitlicher Kaufvertrag unter Einbeziehung des in Zahlung genommenen Altfahrzeugs geschlossen worden ist. Dieser Streit hat sich inzwischen dadurch erledigt, dass die Beklagte das Altfahrzeug im Laufe des Rechtsstreits veräußert hat und es dem Kläger somit nicht mehr zurückgeben kann. Nunmehr streiten die Parteien im Wesentlichen darüber, ob der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen wiederholt fehlgeschlagener Nachbesserungsversuche im Zusammenhang mit dem Drehzahlmesser berechtigt war.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und es beabsichtige, das Rechtsmittel gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Aus den Gründen: II. … 1. Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrags infolge des erklärten Rücktritts verneint. Es hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger eine Frist zur Beseitigung des in Rede stehenden Mangels nicht gesetzt habe und auch eine Entbehrlichkeit einer Fristsetzung … gemäß § 440 BGB nicht angenommen werden könne, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur von einem fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch ausgegangen werden könne. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und trägt vor, dass es nicht nur einen fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch, sondern drei fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche gegeben habe. Der Angriff der Berufung verfängt nicht.
2. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Parteien keine einvernehmliche Rückabwicklung des Kaufvertrags vereinbart haben. … Die Beklagte hat zwar mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2008 das Einverständnis mit der Wandlung erklärt, allerdings verlangt, dass auch der in Zahlung gegebene Altwagen zurückgenommen werde. Der Kläger könne nicht anstatt des damals noch nicht weiterveräußerten Altwagens den dafür angerechneten Betrag verlangen. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der in Zahlung genommene Altwagen des Klägers mit 45.000 € bewertet worden sei, die Beklagte jedoch den für den Altwagen laufenden Kredit des Klägers in Höhe 51.120,76 € abgezahlt habe. Die Beklagte ist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 20.02.2008 – VIII ZR 334/06, BGHZ 175, 286 = NJW 2008, 2028) dem Vortrag des Klägers entgegengetreten, dass es sich um zwei selbstständige Kaufverträge … gehandelt habe. Der Kläger war … mit dieser Verfahrensweise nicht einverstanden und beharrte darauf, dass kein einheitlicher Kaufvertrag vorliege. Zudem hat sich die Beklagte in ihrem Schreiben vom 19.08.2008 ausdrücklich vorbehalten, in einem eventuell späteren Gerichtsverfahren sich auf die Unwirksamkeit des erklärten Rücktritts zu berufen. …
3. Dem Kläger steht aufgrund der von ihm erklärten „Wandlung“ bzw. des Rücktritts kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB wegen eines Sachmangels zu. Die Probleme mit der Motorsteuerung des VW Touareg … stellten einen Sachmangel i. S. von § 434 I 2 BGB dar. Dieser Mangel war bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs vorhanden, sodass es auf die Vermutungswirkung des § 476 BGB nicht ankommt. Ohnehin findet diese Vorschrift keine Anwendung, da kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt.
Der Rücktritt vom Vertrag war aber bereits deshalb ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 25.06.2008 und Durchführung der Reparaturmaßnahmen der Mangel nach eigenem Vortrag des Klägers nicht mehr aufgetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508). Das Fahrzeug hat ausweislich des Tachofotos seitdem nur noch geringe Fahrleistungen zurückgelegt (25.06.2008: 40.364 km; 02.06.2009: 43.650 km).
4. Im Übrigen ist der Senat mit dem Landgericht der Auffassung, dass eine angemessene Fristsetzung zur Nacherfüllung nur dann entbehrlich gewesen wäre, wenn die dem Kläger zustehende Nacherfüllung fehlgeschlagen oder unzumutbar wäre. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass eine Nachbesserung erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt (BGH, Urt. v. 11.02.2009 – VIII ZR 274/07, VRS 116, 174; Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2007 – I-1 U 59/07).
Das Landgericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass nur von einem fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch der Beklagten in Bezug auf den Mangel am Drehzahlgeber auszugehen war. Die Beklagte hat am 05.11.2007 einen Defekt am Drehzahlgeber als Ursache für das Nichtanspringen des Motors diagnostiziert und den Drehzahlgeber erneuert. Dieser Nachbesserungsversuch schien zumindest zunächst erfolgreich, hat sich später jedoch als fehlgeschlagen erwiesen.
Entgegen der Auffassung der Berufung des Klägers trat am 25.01.2008 kein weiterer fehlgeschlagener Nachbesserungsversuch am Drehzahlgeber auf. Der Kläger begab sich an diesem Tag nicht in die Werkstatt des Beklagten, weil der Motor nicht angesprungen war, sondern weil er eine Wartung bzw. Inspektion durchführen ließ. Der Kläger hat selbst das Fahrzeug in den Betrieb der Beklagten gefahren. Bei der Wartung hat die Beklagte einen Wackelkontakt am Kabelstecker des Drehzahlgebers beseitigt. Nach der Wartung hat der Kläger das Fahrzeug abgeholt und ist bestimmungsgemäß mit dem Fahrzeug gefahren.
Am 06.05.2008 wurde zwar das Fahrzeug des Klägers zu dem Autohaus T (Audi-Vertragswerkstatt) nach N. abgeschleppt und dort überprüft. Ausweislich des Diagnoseprotokolls war als Fehler ausgewiesen „Geber für Motordrehzahl G 28 kein Signal“. Der Kläger hat jedoch dort keine Reparatur durchführen lassen. Der Kläger hat wohl seinen ursprünglichen Vortrag, es seien die Steckkontakte des Kabelsteckers überprüft und vorsorglich der Drehzahlgeber ausgetauscht worden, nicht mehr aufrechterhalten. Der Kläger hat in seiner Berufung lediglich vorgetragen, es sei der Kabelstrang des Drehzahlgebers und am Stecker nachgearbeitet worden und er habe sich vorsorglich auf Anraten des Werkstattmeisters einen zusätzlichen Drehzahlgeberstecker geben lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass anlässlich der Überprüfung des Fahrzeugs eine weitere Nachbesserung fehlgeschlagen wäre. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht ausreichend dargelegt und beweisen hat, dass das Autohaus T als Vertragswerkstatt von VW Erfüllungsgehilfin der Beklagten war. Die vom Kläger in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen und Anhängern (NWVB) mit der darin enthaltenen Ermächtigung zur Vornahme der Nachbesserung in anderen autorisierten Vertragswerkstätten … liegen nicht vor, bzw. es ist nicht ersichtlich, dass diese Vertragsinhalt geworden sind.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor dem Landgericht kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der ursprüngliche Mangel am Drehzahlgeber am 25.06.2008 erneut aufgetreten ist. Der VW Touareg ist zwar mit einem Anhänger in die Werkstatt der Beklagten gebracht worden, er konnte jedoch problemlos vom Hänger gefahren werden. Entsprechend einer Empfehlung des Herstellers ist vorsorglich ein Abschirmkabel zwischen Drehzahlgeber und Motorsteuergerät eingebaut worden, um Störungen zu vermeiden. Ein erfolgloser Nachbesserungsversuch hat jedoch nicht stattgefunden. Der Kläger hat auch nicht den Beweis dafür erbracht, dass Grund für das Einschleppen des Fahrzeugs am 25.06.2008 mit einem Anhänger der defekte Drehzahlgeber bzw. das Nichtanspringen des Motors war. Die Beweiswürdigung des Landgerichts wird von der Berufung ohne Erfolg angegriffen. …
Hinweis: Die Berufung des Klägers wurde mit Beschluss vom 29.04.2010 zurückgewiesen. In diesem Beschluss heißt es unter anderem:
„Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27.04.2010 der Zurückweisung der Berufung in Anwendung des § 522 II 1 ZPO widersprochen. Die Ausführungen führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung durch den Senat.
Entgegen den Ausführungen des Klägers liegen keine zwei Nachbesserungsversuche vor, die fehlgeschlagen sind. Zutreffend ist, dass am 05.11.2007 ein Defekt am Drehzahlgeber als Ursache für das Nichtanspringen des Motors diagnostiziert worden ist. Obwohl der Drehzahlgeber erneuert wurde, traten später wieder Probleme auf. Bei dem Werkstatttermin am 25.01.2008 handelte es sich jedoch nicht um einen zweiten fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch. Denn der Kläger begab sich an diesem Tag in die Werkstatt, um eine Wartung bzw. Inspektion durchführen zu lassen. Die Beklagte hat bei der Wartung einen Wackelkontakt am Kabelstecker des Drehzahlgebers beseitigt. Danach konnte mit dem Fahrzeug bestimmungsgemäß gefahren werden. Am 06.05.2008 ist im Autohaus T in N. keine Nachbesserung durchgeführt worden, die fehlgeschlagen wäre. Zwar war ausweislich des Diagnoseprotokolls der Fehler ‚Geber für Motordrehzahl G 28 kein Signal‘ aufgetreten. Der Kläger hat jedoch keine Reparatur durchführen lassen, sondern lediglich den Kabelstrang des Drehzahlgebers und am Stecker nacharbeiten lassen.
Letztlich kommt es nicht entscheidend darauf an, ob Fehler, die sich im Rahmen einer Inspektion ergeben, auch ohne entsprechendes Nachbesserungsbegehren abgestellt werden müssen. Der Rücktritt vom Vertrag war bereits deshalb ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 25.06.2008 und Durchführung der Reparaturmaßnahmen der Mangel nach eigenem Vorbringen des Klägers nicht mehr aufgetreten ist. …“