Ist bei ei­nem Neu­wa­gen die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Son­der­aus­stat­tung in Ge­stalt ei­ner Stand­hei­zung mit Ti­mer teil­wei­se funk­ti­ons­un­fä­hig, so­dass die Stand­hei­zung nicht ti­mer­ge­steu­ert und nur ma­nu­ell be­trie­ben wer­den kann, so liegt ei­ne nicht nur un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung vor. Ein Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ist des­halb be­rech­tigt, nach­dem ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gung in an­ge­mes­se­ner Zeit nicht er­reicht wer­den konn­te.

OLG Cel­le, Ur­teil vom 01.07.2009 – 7 U 256/08

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den Be­klag­ten aus ab­ge­tre­te­nem Recht auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein Neu­fahr­zeug in An­spruch.

Der Be­klag­te hat­te den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu ei­nem Ge­samt­preis von 44.156,21 € brut­to an die A-GmbH ver­kauft, von der der Klä­ger das Fahr­zeug un­ter Ab­tre­tung der kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che leas­te. Der Wa­gen soll­te mit ei­ner Stand­hei­zung ein­schließ­lich ei­nes Ti­mers aus­ge­stat­tet sein. Der Ti­mer ist je­doch nicht funk­ti­ons­fä­hig, so­dass die Stand­hei­zung nicht ti­mer­ge­steu­ert in Be­trieb ge­nom­men wer­den kann. Auch ei­ne funk­ti­ons­fä­hi­ge Fern­be­die­nung für die Stand­hei­zung konn­te nicht be­reit­ge­stellt wer­den.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 16.10.2008 ab­ge­wie­sen, weil der Klä­ger dem Be­klag­ten kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt ha­be und hin­sicht­lich des feh­ler­haf­ten Ti­mers der Stand­hei­zung nur ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung (§ 323 V 2 BGB) vor­lie­ge, die ei­nen Rück­tritt aus­schlie­ße. Die Be­ru­fung des Klä­gers ge­gen die­ses Ur­teil hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … 1. Der Klä­ger kann aus ab­ge­tre­te­nem Recht der A-GmbH den Be­klag­ten ge­mäß §§ 323, 346 BGB auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw in An­spruch neh­men.

a) Die Vor­aus­set­zun­gen für die Gel­tend­ma­chung des Rück­tritts­rechts nach §§ 434, 437 Nr. 2 BGB i. V. mit §§ 323, 440 BGB sind vor­lie­gend ge­ge­ben. Die Kauf­sa­che – das Neu­fahr­zeug – ist mit ei­nem Sach­man­gel nach § 434 I 1 BGB be­haf­tet, denn sie ent­spricht un­strei­tig nicht der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit. Nach der schrift­li­chen Be­stel­lung vom 23.10.2007 soll­te der Neu­wa­gen mit ei­ner Stand­hei­zung ein­schließ­lich ei­nes Ti­mers aus­ge­stat­tet sein. Un­strei­tig ist, dass der Ti­mer der Stand­hei­zung nicht funk­ti­ons­fä­hig ist, so­dass die Stand­hei­zung nicht mit­tels Ti­mer in Be­trieb ge­nom­men wer­den kann. Auch ei­ne funk­ti­ons­fä­hi­ge Fern­be­die­nung für die Stand­hei­zung konn­te nicht be­reit­ge­stellt wer­den.

Auch die wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen für die Aus­übung des Rück­tritts­rechts nach § 323 I BGB lie­gen vor.

Ge­mäß § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 I BGB muss der Käu­fer den Ver­käu­fer grund­sätz­lich auf­for­dern, in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist die Nach­er­fül­lung zu er­brin­gen, wo­bei der Käu­fer nach § 439 I BGB als Nach­er­fül­lung sei­ner Wahl die Be­sei­ti­gung des Man­gels oder die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che ver­lan­gen kann. Ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung be­darf es al­ler­dings dann nicht, wenn die­se fehl­ge­schla­gen ist, was grund­sätz­lich an­zu­neh­men ist, wenn zwei Nach­er­fül­lungs­ver­su­che er­folg­los ge­blie­ben sind (vgl. § 440 BGB). Dies ist hier der Fall.

Un­strei­tig fand im Fe­bru­ar 2008 … ein Nach­bes­se­rungs­ver­such in der Werk­statt des Be­klag­ten statt, der er­folg­los blieb. Be­reits zu­vor war der Wa­gen un­strei­tig vom 07.01. bis zum 22.01.2008 zur Re­pa­ra­tur in der Werk­statt des Be­klag­ten, an­läss­lich der der Man­gel an der Stand­hei­zung nicht be­ho­ben wur­de. Auch dies stellt ei­ne fehl­ge­schla­ge­ne Nach­bes­se­rung i. S. des § 440 BGB dar. Zwar hat­te der Klä­ger nach den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts das Fahr­zeug von sich aus wie­der bei dem Be­klag­ten ab­ge­holt. Zu die­sem Zeit­punkt be­fand sich der Wa­gen aber be­reits zwei Wo­chen bei dem Be­klag­ten, oh­ne dass … der auf­ge­tre­te­ne Man­gel an der Stand­hei­zung trotz Feh­ler­su­che lo­ka­li­siert wer­den konn­te. Der Klä­ger war des­halb be­rech­tigt, den Re­pa­ra­tur­ver­such zu be­en­den. Denn ei­nem Kun­den kann nicht zu­ge­mu­tet wer­den, dass an sei­nem Au­to län­ge­re Zeit er­folg­los „her­um­ex­pe­ri­men­tiert“ wird (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl., Rn. 483 a.E.).

Schließ­lich war das Fahr­zeug in der Zeit vom 01.04. bis zum 25.04.2008 zur Män­gel­be­sei­ti­gung bei der E-GmbH, ei­nem V-Au­to­haus, der es eben­falls nicht ge­lang, den Man­gel an der Stand­hei­zung zu be­he­ben. Zwar war es wie­der­um der Klä­ger, der den Re­pa­ra­tur­ver­such be­en­de­te. Den­noch liegt aber­mals ein fehl­ge­schla­ge­ner Nach­bes­se­rungs­ver­such vor, nach­dem es der Werk­statt nicht mög­lich war, den Feh­ler an der Stand­hei­zung in an­ge­mes­se­ner Zeit ab­zu­stel­len. Die­sen ver­geb­li­chen Werk­statt­auf­ent­halt muss sich der Be­klag­te im Rah­men des § 440 BGB eben­falls zu­rech­nen las­sen. Zum ei­nen war die Zeu­gin G nach ih­rer Aus­sa­ge aus­drück­lich da­mit ein­ver­stan­den, dass das V-Au­to­haus in H. an­stel­le der ur­sprüng­lich ins Au­ge ge­fass­ten V-Tech­nik-Zen­tra­le in D. die Re­pa­ra­tur über­nimmt. Zum an­de­ren se­hen die All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen des Ver­käu­fers für V-Neu­fahr­zeu­ge oh­ne­hin vor, dass der Kun­de die Män­gel­be­sei­ti­gung nicht nur ge­gen­über sei­nem Ver­käu­fer, son­dern auch in ei­ner an­de­ren Ver­trags­werk­statt gel­tend ma­chen kann. Die Fehl­ver­su­che au­to­ri­sier­ter Werk­stät­ten gel­ten dem­ge­mäß als Fehl­schla­gen i. S. des § 440 Satz 2 BGB (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 482).

Nach al­le­dem la­gen, als der Klä­ger mit Schrei­ben vom 28.04.2008 den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt hat, die Vor­aus­set­zun­gen hier­für vor.

Zwar kann der Gläu­bi­ger ge­mäß § 323 V 2 BGB im Fal­le nicht ver­trags­ge­mä­ßer Leis­tung dann nicht vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn sich die Pflicht­ver­let­zung als un­er­heb­lich er­weist. Die Fra­ge, ob sich die Pflicht­ver­let­zung als un­er­heb­lich dar­stellt, be­darf in­des ei­ner um­fas­sen­den In­ter­es­sen­ab­wä­gung. Da­bei sind vor al­lem das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung so­wie der für ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand zu be­rück­sich­ti­gen. Dar­über hin­aus sind auch sons­ti­ge Um­stän­de in die Ab­wä­gung mit ein­zu­be­zie­hen (vgl. zum Gan­zen Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 68. Aufl., § 323 Rn. 32). Grund­sätz­lich gilt aber, wie aus der all­ge­mei­nen Re­ge­lung des § 323 I BGB folgt, dass bei der Man­gel­haf­tig­keit der Kauf­sa­che das Rück­ab­wick­lungs­in­ter­es­se des Käu­fers Vor­rang vor dem In­ter­es­se des Ver­käu­fers am Be­stand des Ver­tra­ges hat. So liegt es hier.

Von dem von der Lea­sing­ge­sell­schaft auf­ge­wand­ten Ge­samt­kauf­preis von 44.156,21 € brut­to ent­fal­len zwar le­dig­lich 1.126,79 € brut­to auf die Stand­hei­zung ein­schließ­lich des Ti­mers, wo­bei die Stand­hei­zung als sol­che funk­ti­ons­fä­hig ist. Der Klä­ger hat aber bei der Be­stel­lung des Neu­fahr­zeugs aus­drück­lich Wert dar­auf ge­legt, dass der Pkw mit ei­ner „Stand­hei­zung mit Ti­mer“ aus­ge­stat­tet ist. Da sich durch den Aus­fall der Tim­er­funk­ti­on, die ge­ra­de das um­ständ­li­che ma­nu­el­le In­be­trieb­neh­men der Hei­zung er­set­zen soll, die Stand­hei­zung als wert­los er­weist, führt der Man­gel am Ti­mer da­zu, dass der Klä­ger letzt­lich auf das von ihm aus­ge­wähl­te Fahr­zeug­zu­be­hör ver­zich­ten muss, ob­gleich es ihm dar­auf ent­schei­dend an­kam. Denn für ei­ne Stand­hei­zung bei ei­nem Pkw, für den kein Ga­ra­gen­platz vor­han­den ist, ist es ge­ra­de wich­tig, dass die Stand­hei­zung im Win­ter mor­gens vor­heizt, oh­ne dass man noch vor dem Früh­stück zur ma­nu­el­len In­be­trieb­set­zung das Haus ver­las­sen muss. Fährt man spä­ter dann los, wird die kos­ten­träch­ti­ge Stand­hei­zung oh­ne­hin durch die Be­triebs­hei­zung er­setzt. Ei­ne funk­ti­ons­fä­hi­ge Fern­be­die­nung für die Stand­hei­zung konn­te eben­falls nicht be­reit­ge­stellt wer­den. Die­ses Leis­tungs­de­fi­zit kann des­halb nicht schlicht mit ei­nem Min­de­rungs­be­trag aus­ge­gli­chen wer­den. Dies gilt um­so mehr, als – wie die wo­chen­lan­gen er­geb­nis­lo­sen Re­pa­ra­tur­ver­su­che der Be­klag­ten und der Dritt­werk­statt zei­gen – sich der auf­ge­tre­te­ne Feh­ler am Ti­mer nicht oh­ne Wei­te­res lo­ka­li­sie­ren und be­sei­ti­gen lässt. Kann der Man­gel mit­hin nicht mit ge­rin­gem Auf­wand be­ho­ben wer­den, spricht dies hier un­ab­hän­gig von der Fra­ge nach der Hö­he der tat­säch­lich an­fal­len­den Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten eben­falls ge­gen die An­nah­me ei­ner nur ge­ring­fü­gi­gen Ver­trags­stö­rung.

b) Fol­ge des von dem Klä­ger wirk­sam aus­ge­spro­che­nen Rück­tritts vom Kauf­ver­trag ist ge­mäß § 346 BGB, dass die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren sind und die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen her­aus­zu­ge­ben sind.

Der Be­klag­te hat des­halb den sei­ner­zeit von der Lea­sing­ge­sell­schaft er­hal­te­nen Kauf­preis von 44.156,21 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu­rück­zu­zah­len. Al­ler­dings muss sich der Klä­ger ge­mäß § 346 I, II BGB für die tat­säch­lich ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen bis zur Rück­ga­be des Fahr­zeugs ei­ne Ent­schä­di­gung auf den ge­gen den Be­klag­ten ge­rich­te­ten Rück­zah­lungs­an­spruch an­rech­nen las­sen. Bei ei­ner vor­aus­sicht­li­chen Ge­samt­fahr­leis­tung von hier 250.000 km (Die­sel­fahr­zeug) be­trägt die Nut­zungs­ver­gü­tung 0,4 % des Kauf­prei­ses je ge­fah­re­ne 1.000 Ki­lo­me­ter (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 633). Dies er­gibt bei ei­nem Kauf­preis von 44.156,21 € ei­nen an­zu­rech­nen­den Ge­brauchs­vor­teil von 17,66 Cent je Ki­lo­me­ter …

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