Bei einem grenzüberschreitenden Versendungskauf in das Ausland erfolgt die für einen Eigentumsübergang nach deutschem Recht erforderliche Besitzverschaffung am Kaufgegenstand in aller Regel erst mit dessen Ablieferung am Bestimmungsort. Wird der nach deutschem Recht im Inland eingeleitete Erwerbstatbestand bis zum Grenzübertritt nicht mehr vollendet, beurteilt sich die Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt das Eigentum am Kaufgegenstand übergeht, gemäß Art. 43 I EGBGB nach dem dann für das Recht des Lageortes zuständigen ausländischen Sachrecht. Das gilt auch für die Voraussetzungen, unter denen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens möglich ist.
BGH, Urteil vom 10.06.2009 – VIII ZR 108/07
Sachverhalt: Die Beklagte, eine deutsche Opel-Vertragshändlerin, verkaufte im Herbst 2004 einen Pkw Opel Astra Coupé an eine unter der Firma DBD J tätige deutsche Zwischenhändlerin (im Folgenden: DBD). Sowohl die Auftragsbestätigung der Beklagten als auch ihre Rechnung vom 31.01.2005 sahen einen Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Außerdem war in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die diesem Verkauf zugrunde gelegen haben, vorgesehen, dass es dem Käufer für die Dauer des Eigentumsvorbehalts untersagt war, über das Fahrzeug zu verfügen oder Dritten vertraglich eine Nutzung einzuräumen. Die DBD verkaufte das Fahrzeug ihrerseits an die in Frankreich ansässige Klägerin weiter und ließ es am 03.02.2005 durch einen Frachtführer bei der Beklagten abholen, der es nach Frankreich zur Klägerin transportierte. Fahrzeugbrief, Fahrzeugschein und EG-Übereinstimmungsbescheinigung verblieben bei der Beklagten. Die Klägerin zahlte den Kaufpreis für das ihr gelieferte Fahrzeug an die DBD und verkaufte es ihrerseits in Frankreich weiter. Als ihr Abnehmer eine vereinbarte Zusatzausstattung vermisste, kam er mit der Klägerin überein, das Fahrzeug zwecks Einbaus der fehlenden Tuning-Komponenten noch einmal zur Beklagten zu verbringen. Diese nahm das Fahrzeug in Besitz und verweigerte eine Herausgabe unter Hinweis auf den mit der DBD vereinbarten Eigentumsvorbehalt, weil die DBD ihr den geschuldeten Kaufpreis nicht bezahlt habe.
Die Klägerin hat geltend gemacht, von einem Eigentumsvorbehalt keine Kenntnis gehabt zu haben, und zunächst die Herausgabe von Fahrzeug und Fahrzeugbrief verlangt. Hierbei hat sie sich auch auf eine Erklärung ihres französischen Abnehmers gestützt, er trete seinen Herausgabeanspruch als Eigentümer zum Zwecke der gerichtlichen Durchsetzung an sie ab. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat, nachdem die Klägerin wegen einer zwischenzeitlich von der Beklagten vorgenommenen Weiterveräußerung des Fahrzeugs an einen Dritten ihre Klage auf Zahlung von Schadensersatz umgestellt hatte, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte auf den entsprechend geänderten Antrag der Klägerin zur Zahlung von 21.844 € nebst Zinsen verurteilt wird.
Die dagegen gerichtete Revision hatte Erfolg.
Aus den Gründen: [4] I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
[5] Der Klägerin stehe gemäß §§ 985, 989 BGB ein Anspruch auf Wertersatz für das von der Beklagten weiterveräußerte Fahrzeug zu. Zwar komme entgegen der Auffassung des Landgerichts kein gutgläubiger Eigentumserwerb der Klägerin gemäß § 932 BGB in Betracht, weil diese aus der Nichtvorlage des Kfz-Briefs durch die DBD nach den ihr bekannten geschäftlichen Gepflogenheiten habe schließen müssen, dass die DBD noch nicht Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen sei. Jedoch habe die Beweisaufnahme ergeben, dass ein Mitarbeiter der Beklagten das Fahrzeug an den Frachtführer übergeben und damit konkludent in die Weiterveräußerung des Fahrzeugs durch die DBD eingewilligt habe. Dies folge aus dem für den Transport des Fahrzeugs nach Frankreich ausgestellten Frachtbrief, der als Absender die DBD und als Empfängerin die Klägerin ausweise und dem deshalb zu entnehmen gewesen sei, dass die DBD das Fahrzeug an die Klägerin zum Zwecke der Weiterveräußerung habe versenden wollen. Wenn die Beklagte nach dem Ergebnis des erhobenen Zeugenbeweises durch Übergabe von Fahrzeug, Schlüsseln und fertig ausgefülltem Frachtbrief an diesem Veräußerungsvorgang mitgewirkt habe, habe sie in zurechenbarer Weise konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der Weiterveräußerung einverstanden gewesen sei. Da die Klägerin darauf habe vertrauen dürfen, dass die Beklagte jedenfalls im konkreten Fall in die Weiterveräußerung des Fahrzeugs durch die DBD eingewilligt habe, habe sie gutgläubig i. S. von § 366 II HGB das Eigentum an dem Fahrzeug erlangt. Die Beklagte schulde ihr deshalb aufgrund der anschließenden Veräußerung des Fahrzeugs nach Rechtshängigkeit den durch Umstellung des Klageantrags in zulässiger Weise begehrten Wertersatz.
[6] II. Diese Beurteilung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Klägerin gutgläubig das Eigentum am herausverlangten Fahrzeug erworben hat, rechtsfehlerhaft am Maßstab des deutschen Rechts (§ 932 BGB, § 366 HGB) beurteilt. Es hat dabei – genauso wie die Parteien – Art. 43 EGBGB übersehen, dessen Anwendbarkeit entgegen der Auffassung der Revision nicht zur Disposition der Parteien steht und der auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VI ZR 105/07, BGHZ 177, 237 Rn. 8; Urt. v. 02.10.1997 – I ZR 88/95, BGHZ 136, 380, 386; jeweils m. w. Nachw.). Art. 43 EGBGB führt hier dazu, dass ein Eigentumserwerb der Klägerin nach Maßgabe der Bestimmungen des französischen Rechts zu klären gewesen wäre. Gleiches gilt für einen anschließenden Eigentumserwerb des französischen Abnehmers der Klägerin, den das Berufungsgericht – nach seinem Standpunkt folgerichtig – nicht mehr geprüft hat.
[7] 1. Das Berufungsgericht hat den erkannten Schadensersatzanspruch auf §§ 985, 989 BGB und damit auf deutsches Sachrecht gestützt. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar handelt es sich sowohl bei der Ausfuhr des streitigen Fahrzeugs nach Frankreich wie auch bei seiner erneuten Einfuhr zum Zwecke der Nachbesserung um grenzüberschreitende Sachverhalte, die die deutsche wie die französische Sachenrechtsordnung berühren. Jedoch unterliegen die auf Eigentum gestützten Herausgabeansprüche des (vermeintlichen) Eigentümers ebenso wie die aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis kommenden Folgeansprüche wegen Unmöglichkeit einer Herausgabe dem in Art. 43 I EGBGB geregelten Sachstatut und damit dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet (BGH, Urt. v. 25.09.1997 – II ZR 113/96, NJW 1998, 1321 unter II 1 a; MünchKomm-BGB/Wendehorst, 4. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 96, 100; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 8; jeweils m. w. Nachw.). Das ist hier das deutsche Recht als das Recht des Ortes, an dem sich das herauszugebende Fahrzeug bei der anderweitigen Veräußerung durch die Beklagte befunden hat.
[8] 2. Ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch begründet ist, hängt davon ab, ob die Klägerin selbst oder ihr französischer Abnehmer im Zeitpunkt der Weiterveräußerung Eigentümer des Fahrzeugs war und dieses Eigentum durch die Weiterveräußerung des Fahrzeugs verloren hat.
[9] a) Ob die Klägerin das Eigentum am Fahrzeug von der DBD erworben hat, ist indessen nicht nach deutschem Recht zu beurteilen. Denn ein solcher Erwerb hätte nach deutschem Recht nicht im Inland stattgefunden, weil die DBD der Klägerin vor Grenzübertritt weder den Besitz noch eine zum Eigentumserwerb erforderliche besitzgleiche Position am Fahrzeug i. S. von §§ 929 ff. BGB eingeräumt hat. Der zwischen der DBD und der Klägerin geschlossene Kaufvertrag ist vielmehr in der Weise ausgeführt worden, dass der Klägerin das Fahrzeug erst an deren Sitz in Frankreich durch den von der DBD eingesetzten Frachtführer ausgehändigt worden ist. Da die für einen Eigentumsübergang nach deutschem Sachenrecht erforderliche Besitzverschaffung bei einem Versendungskauf in aller Regel erst mit Ablieferung der Sache am Bestimmungsort erfolgt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 447 Rn. 14) und kein Anhalt besteht, dass es sich vorliegend anders verhalten hat, ist nach deutschem Recht der im Inland eingeleitete Erwerbstatbestand bis zum Grenzübertritt nicht mehr vollendet worden. Ob und zu welchem Zeitpunkt anschließend das Eigentum am Fahrzeug auf die Klägerin übergegangen ist, beurteilt sich deshalb gemäß Art. 43 I EGBGB nach französischem Recht als dem für das Recht des Lageortes zuständigen Sachrecht (vgl. Senat, Urt. v. 30.01.1980 – VIII ZR 197/78, WM 1980, 410 unter II 2; RG, Urt. v. 08.10.1921 – I 141/21, RGZ 103, 30, 31; KG, Urt. v. 29.09.1987 – 17 U 492/87, NJW 1988, 341 f.; Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Art. 43 EGBGB (IPR) Rn. 7; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 23 m. w. Nachw.). Dieses knüpft ebenfalls an das Recht des Lageortes an (Hübner/Constantinesco, Einführung in das französische Recht, 4. Aufl., § 30, 2 b bb) und nimmt so die Verweisung auf.
[10] b) Den Statutenwechsel in das französische Sachrecht, wie er auch in Art. 43 II EGBGB zum Ausdruck kommt, hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt und dementsprechend nicht den Inhalt derjenigen Rechtsnormen gemäß § 293 ZPO ermittelt, nach denen im französischen Recht ein Eigentumserwerb erfolgt. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht beachtet, dass das Sachstatut des Lageortes die Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens bestimmt (BGH, Urt. v. 08.04.1987 – VIII ZR 211/86, BGHZ 100, 321, 324; Urt. v. 29.05.2000 – II ZR 334/98, NJW-RR 2000, 1583 unter II 1, III 2; Erman/Hohloch, a. a. O., Art. 43 EGBGB Rn. 12; Staudinger/Stoll, BGB, Neubearb. 1996, IntSachenR Rn. 300; MünchKomm-BGB/Wendehorst, a. a. O., Art. 43 Rn. 80; Palandt/Thorn, a. a. O., Art. 43 EGBGB (IPR) Rn. 3; jeweils m. w. Nachw.). Es hat deshalb bei seiner Beurteilung außer Betracht gelassen, dass sich ungeachtet des für den Kaufvertrag maßgeblichen Vertragsstatuts ein im Inland noch nicht vollendeter Eigentumserwerb mit Grenzübertritt nach Frankreich nach Maßgabe des französischen Rechts vollzieht, das in diesem Fall auch Art und Umfang des Schutzes eines gutgläubigen Besitzers bei einem Erwerb vom Nichtberechtigten regelt (Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., Rn. IX 41 m. w. Nachw.).
[11] c) Das Berufungsgericht hätte sich mithin zur Bejahung eines gutgläubigen Eigentumserwerbs durch die Klägerin nicht auf die §§ 929 ff. BGB und hierbei insbesondere auch nicht auf § 366 HGB stützen dürfen. Diese Bestimmung enthält sachlich eine Erweiterung des in den §§ 932 ff. BGB geregelten Verkehrsschutzes und bestimmt damit zugleich die Voraussetzungen eines Eigentumsübergangs in Fällen, in denen nach dem Willen des Gesetzgebers die bürgerlich-rechtlichen Gutglaubensvorschriften wegen der bestehenden Bedürfnisse des Handelsverkehrs nach einer gewissen Reibungslosigkeit der Geschäftsabwicklung bereits bei einem guten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers zur Anwendung kommen sollen (vgl. MünchKomm-HGB/Welter, 2. Aufl., § 366 Rn. 22 f.; Ensthaler/Weber, GK-HGB, 7. Aufl., § 366 Rn. 1). Die Vorschrift hätte daher nur angewandt werden dürfen, wenn Art. 43 I EGBGB zu einer – hier aber nicht gegebenen – Anwendbarkeit inländischen Rechts geführt hätte.
[12] Einen Übergang des Eigentums am Fahrzeug auf die Klägerin hätte das Berufungsgericht daher am Maßstab des französischen Rechts beurteilen müssen. Dazu bedarf es gemäß § 293 ZPO weiterer tatrichterlicher Ermittlungen zur französischen Rechtspraxis, wie sie insbesondere in der Rechtsprechung der französischen Gerichte ihren Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.2001 – XI ZR 357/99, WM 2001, 502 unter II 2 b aa; Urt. v. 23.06.2003 – II ZR 305/01, NJW 2003, 2685 unter II 2 a). Dasselbe gilt für die Frage, ob zumindest der französische Abnehmer der Klägerin von dieser (gutgläubig) das Eigentum an dem Fahrzeug erlangt hat.
[13] III. Das Berufungsurteil kann hiernach keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben (§ 562 I ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht das anzuwendende französische Recht bislang nicht ermittelt und nicht geprüft hat, ob es dafür etwa weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Der Rechtsstreit ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I ZPO).