1. Für ei­nen gut­gläu­bi­gen Er­werb ei­nes Ge­braucht­wa­gens reicht es nicht, dass der Ver­äu­ße­rer im Be­sitz des Fahr­zeugs ist. Ein gut­gläu­bi­ger Er­werb ist viel­mehr al­len­falls mög­lich, wenn sich der Käu­fer den Fahr­zeug­brief vor­le­gen lässt, um die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers prü­fen zu kön­nen.
  2. Ein dem Käu­fer vor­ge­leg­ter Fahr­zeug­brief oh­ne Hal­ter­ein­tra­gung be­sitzt für die Fra­ge nach der Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers kei­ne Aus­sa­ge­kraft. Ein Er­wer­ber, der dem Vor­wurf ent­ge­hen will, er ha­be sei­ne Sorg­falts­pflich­ten in un­ge­wöhn­li­chem Ma­ße ver­letzt, muss da­her wei­te­re Nach­for­schun­gen an­stel­len. Er kann nicht dar­auf ver­trau­en, dass die Be­hör­de, die den Fahr­zeug­brief aus­ge­stellt hat, die Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se ge­prüft hat.

OLG Je­na, Ur­teil vom 13.05.2009 – 4 U 265/08

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz, weil die Be­klag­te von An­fang an nicht in der La­ge ge­we­sen sei, ihm – dem Klä­ger – das Ei­gen­tum an ei­nem von der Be­klag­ten ge­kauf­ten Ge­braucht­wa­gen zu ver­schaf­fen.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug er­wer­ben kön­nen, weil zu­las­ten des ur­sprüng­li­chen Ei­gen­tü­mers al­len­falls ei­ne Un­ter­schlag durch ei­nen Lea­sing­neh­mer vor­ge­le­gen ha­be. Zwar ha­be der Lea­sing­neh­mer das Fahr­zeug ver­bo­te­ner­wei­se wei­ter­ver­äu­ßert. Dar­in lie­ge je­doch kein Dieb­stahl und so­mit kein Ab­han­den­kom­men i. S. des § 935 I BGB. In ei­nem sol­chen Fall sei ein gut­gläu­bi­ger Er­werb mög­lich, so­dass der Klä­ger vom Be­rech­tig­ten er­wor­ben und die Be­klag­te ih­re Pflicht zur Ei­gen­tums­ver­schaf­fung er­füllt ha­be.

Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Zah­lung des ge­for­der­ten Be­trags … un­ter dem Ge­sichts­punkt des Scha­dens­er­sat­zes statt der Leis­tung we­gen an­fäng­li­cher Un­mög­lich­keit der von der Be­klag­ten ge­schul­de­ten Über­eig­nung des Kfz. Le­dig­lich die vom Se­nat der Hö­he nach ge­schätz­te Nut­zungs­ent­schä­di­gung muss sich der Klä­ger an­rech­nen las­sen. Die in zwei­ter In­stanz im We­ge der Kla­ge­er­wei­te­rung gel­tend ge­mach­ten vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten ste­hen dem Klä­ger nebst Pro­zess­zin­sen … zu.

Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf Zah­lung ei­nes Scha­dens­er­satz­be­trags in Hö­he von 22.040,46 € ge­mäß §§ 280 I, 311a II, 437 Nr. 3 BGB. Denn die Be­klag­te konn­te so­wohl bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags am 07.02.2006 als auch am 16.02.2006 bei Über­ga­be des Fahr­zeugs dem Klä­ger das Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug nicht ver­schaf­fen, weil sie selbst … von ih­rem Streit­hel­fer Dr. B … kein Ei­gen­tum gut­gläu­big er­lan­gen und da­mit auf den Klä­ger auch nicht über­tra­gen konn­te. Die Be­klag­te konn­te das Ei­gen­tum an dem streit­be­fan­ge­nen Pkw nicht gut­gläu­big er­wer­ben, weil ihr in­fol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit un­be­kannt ge­blie­ben ist, dass das Fahr­zeug ih­rem Streit­hel­fer nicht ge­hör­te (§ 932 I 1, II BGB).

Das im Kauf­ver­trag der Par­tei­en be­nann­te Fahr­zeug stand im Ei­gen­tum der A-Bank in Un­di­ne, Ita­li­en, die den Pkw an die Fir­ma Q ver­least hat­te. Das Fahr­zeug wur­de auf­grund der ver­trag­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten von der Bank an die Lea­sing­neh­me­rin aus­ge­hän­digt, die die fäl­li­gen Lea­sing­ra­ten zu kei­ner Zeit leis­te­te. Den Auf­for­de­run­gen zur Rück­ga­be des Fahr­zeugs kam die Lea­sing­neh­me­rin nicht nach.

Beim Kauf ge­brauch­ter Fahr­zeu­ge be­grün­det der Be­sitz der­sel­ben al­lein nicht den für den Gut­glau­bens­er­werb nach § 932 BGB er­for­der­li­chen Rechts­schein. Viel­mehr ge­hört es re­gel­mä­ßig zu den Min­des­ter­for­der­nis­sen gut­gläu­bi­gen Er­werbs ei­nes sol­chen Fahr­zeugs, dass sich der Käu­fer den Kraft­fahr­zeug­brief vor­le­gen lässt, um die Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers prü­fen zu kön­nen. Die­se ge­fes­tig­te Recht­spre­chung wird von der Er­wä­gung ge­tra­gen, dass bei ge­brauch­ten Kfz je­der Teil­neh­mer am Rechts­ver­kehr wis­sen muss, dass Kfz oft­mals als Si­cher­heit für ei­nen bei ih­rer An­schaf­fung ge­währ­ten Kre­dit die­nen. Auch bei Ge­braucht­fahr­zeu­gen, die aus Lea­sing­ge­schäf­ten stam­men, be­steht die na­he­lie­gen­de Ge­fahr, dass der Ver­äu­ße­rer we­der Ei­gen­tü­mer des Pkw noch zum Ver­kauf des Fahr­zeugs er­mäch­tigt ist (BGH, Urt. v. 13.05.1996 – II ZR 222/95, NJW 1996, 2226, 2227).

Vor­ge­legt wor­den ist der Be­klag­ten von ih­rem Streit­hel­fer ein Fahr­zeug­brief, aus­ge­stellt durch das Land­rats­amt des Rhein-Ne­ckar-Krei­ses in Wies­loch am 26.08.2005, der kei­nen Hal­ter aus­wies und die Be­mer­kung ent­hielt, dass es sich um ein aus Ita­li­en ein­ge­führ­tes Fahr­zeug han­de­le.

Wird dem Käu­fer bzw. Er­wer­ber ein Fahr­zeug­brief vor­ge­legt, in dem kein Hal­ter ein­ge­tra­gen ist, so be­sitzt das Pa­pier für die Fra­ge nach der Be­rech­ti­gung des Ver­äu­ße­rers kei­ne Aus­sa­ge­kraft. Ein Er­wer­ber, der dem Vor­wurf ent­ge­hen will, er ha­be sei­ne Sorg­falts­pflich­ten in un­ge­wöhn­li­chem Ma­ße ver­letzt, muss da­her wei­te­re Nach­for­schun­gen an­stel­len. Er kann nicht dar­auf ver­trau­en, dass die aus­stel­len­de Be­hör­de die Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se ge­prüft hat (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023). Für die Be­klag­te be­stand al­so An­lass, die Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se an dem Kfz sorg­fäl­tig zu prü­fen, da sich aus dem vor­ge­leg­ten Brief der Hal­ter nicht ent­neh­men ließ und der Pkw aus Ita­li­en ein­ge­führt wor­den war. Auch der mit 20.000 € äu­ßerst güns­ti­ge Kauf­preis für den BMW 530d (Bau­jahr 2003) mit ei­ner Fahr­leis­tung zwi­schen 60.000 und 70.000 km hät­te für die Be­klag­te Grund zu wei­te­rer Ab­klä­rung sein müs­sen, ob ihr Streit­hel­fer zur Ver­äu­ße­rung be­rech­tigt war. Denn ent­spre­chen­de Fahr­zeu­ge wer­den auch heu­te noch für Prei­se von bis zu 31.900 € ge­han­delt.

Da we­der die Be­klag­te noch der Klä­ger noch de­ren Vor­gän­ger in der Ver­käu­fer-Käu­fer-Ket­te Ei­gen­tum an dem Fahr­zeug er­wer­ben konn­ten, da ein an­de­rer Fahr­zeug­brief als der be­reits er­wähn­te nie vor­ge­legt wer­den konn­te, hat der Klä­ger ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf Scha­dens­er­satz we­gen an­fäng­li­cher Un­mög­lich­keit der von der Be­klag­ten ge­schul­de­ten Über­eig­nung des Kfz ge­mäß § 311a II 1 BGB, denn der Be­klag­ten ist die Er­fül­lung ih­rer Leis­tungs­pflicht dau­er­haft un­mög­lich.

Die Be­klag­te hat auch nicht den Ent­las­tungs­be­weis ge­mäß § 311a II 2 BGB ge­führt, näm­lich, dass sie ih­re Un­kennt­nis über die man­geln­de Be­rech­ti­gung ih­res Ver­käu­fers nicht zu ver­tre­ten hat. Denn sie hat i. S. des § 276 I 1, II BGB fahr­läs­sig ge­han­delt, weil sie der ihr ge­bo­te­nen und zu­mut­ba­ren Nach­for­schungs­pflicht nicht ge­nügt hat. Ent­spre­chen­de Nach­fra­gen bei der Kfz-Zu­las­sungs­stel­le, wie spä­ter von dem Klä­ger durch­ge­führt, wä­ren ihr zu­mut­bar ge­we­sen. Die Be­klag­te hät­te bei ei­ner ent­spre­chen­den Nach­fra­ge, die zu ei­nem Ab­gleich im Zen­tra­len Fahr­zeu­g­re­gis­ter ge­führt hät­te, er­fah­ren, dass ein Such­ver­merk der Ita­lie­ni­schen Be­hör­de vor­lag, und die Fahn­dungs­no­tie­rung vom 10.05.2003 wä­re be­stä­tigt wor­den.

Als Min­dest­scha­den kann der Klä­ger den ge­zahl­ten Kauf­preis in Hö­he von 21.900 € zu­rück­ver­lan­gen. Fer­ner kann er Auf­wen­dun­gen in Hö­he von 952,66 € in sei­ne Scha­dens­for­de­rung ein­stel­len. Es han­delt sich um die Zu­las­sungs­kos­ten von 174,40 €, Aus­ga­ben für die Nach­rüs­tung des Fahr­zeugs mit ei­nem Tem­po­ma­ten und ei­nem neu­en Lenk­rad in Hö­he von wei­te­ren 540 €. Schließ­lich sind er­satz­fä­hi­ge Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von 238,26 € an­ge­fal­len. Zwar kann der Klä­ger die ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen nicht aus § 284 BGB ver­lan­gen, wie sich aus dem Wort­laut des § 311a II BGB er­gibt. Aber im Rah­men des § 281 BGB („Ren­ta­bi­li­täts­ver­mu­tung“) sind auch die­se Auf­wen­dun­gen er­stat­tungs­fä­hig, da ver­mu­tet wird, dass er die­se bei ord­nungs­ge­mä­ßer Er­fül­lung des Ver­trags wie­der ein­ge­bracht hät­te (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 67. Aufl., § 281 Rn. 23).

Un­er­heb­lich ist, dass der Klä­ger das Kfz nicht zu­rück­ge­ben kann, da er dies nicht zu ver­tre­ten hat. Er schul­det auch kei­nen Wert­er­satz (Rechts­ge­dan­ke des § 346 III 1 Nr. 2 BGB).

Da das Fahr­zeug von dem Klä­ger nur ei­nen gu­ten Mo­nat lang ge­nutzt wur­de (Über­ga­be am 16.02.2006; Si­cher­stel­lung am 16.03.2006) kommt auf­grund der vor­ge­nom­me­nen Schät­zung ge­mäß § 287 ZPO nur ein ge­rin­ger Nut­zungs­er­satz­an­spruch der Be­klag­ten in Hö­he von 812,20 € in Be­tracht. Bei Über­ga­be war ein Ki­lo­me­ter­stand von 62.000 er­sicht­lich, am 07.03.2006 be­lief sich die­ser aus­weis­lich der Rech­nung des Au­to­hau­ses K auf 65.985, so­dass von ei­ner ge­schätz­ten Fahr­leis­tung von 6.723 km für den ge­sam­ten Nut­zungs­zeit­raum aus­ge­gan­gen wer­den kann, wo­bei ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung von 250.000 km zu­grun­de ge­legt wird, so­dass sich fol­gen­des Bild er­gibt:

\frac{\text{Alt­wa­gen­preis (21.900 €)}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter (6.723 km)}}{\text{vor­aus­sicht­li­che Rest­lauf­leis­tung (181.277 km)}} = \text{812,20 €}.

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