- Zur vereinbarten Beschaffenheit eines Neuwagens gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder des Herstellers erwarten kann. Hierzu zählen auch Angaben über den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs.
- Ob der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs von den Angaben des Herstellers oder Verkäufers abweicht, ist, wenn sich die Angaben auf verschiedene Fahrzyklen beziehen, allein mit Blick auf den Durchschnittswert dieser Fahrzyklen (Gesamtverbrauch) festzustellen.
LG Stuttgart, Urteil vom 22.06.2007 – 8 O 180/06
Sachverhalt: Der Kläger macht gegenüber der beklagten Verkäuferin Ansprüche wegen erhöhten Kraftstoffverbrauchs eines von ihm geleasten Fahrzeugs geltend.
Der Kläger bestellte am 14.03.2005 bei der Beklagten einen Pkw zum Listenpreis von 53.640 € zzgl. MwSt. und schloss mit der F-GmbH einen Leasingvertrag bezüglich dieses Fahrzeugs. Die Übergabe des Fahrzeugs fand am 11.05.2005 statt; die Erstzulassung erfolgte am 26.05.2005.
In der dem Kläger überlassenen Betriebsanleitung sind die „technischen Daten“ des Fahrzeugs aufgeführt. Dort sind unter dem Stichwort „Kraftstoffverbrauch innerstädtisch/außerstädtisch/insgesamt“ Verbrauche von 10,2 l/100 km, 6,2 l/100 km und 7,6 l/100 km angegeben.
Der Kläger beanstandete gegenüber der Beklagten einen erhöhten Kraftstoffverbrauch, der seiner Meinung nach erheblich über dem angegebenen Verbrauch liegt. Die Beklagte nahm daraufhin Messungen und Neueinstellungen vor, um den Verbrauch des Fahrzeugs zu senken.
Auf eine schriftliche Reklamation des Klägers vom 25.07.2005 und nach einem weiteren Werkstattbesuch teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30.08.2005 mit, dass bei einer von ihr durchgeführten Messfahrt ein Kraftstoffverbrauch von 7,2 l/100 km ermittelt worden sei und dieser Wert im Toleranzbereich der vom Hersteller vorgegebenen Werte liege. Er könne nicht beanstandet werden. Ihrem Schreiben fügte die Beklagte verschiedene Leistungsdiagnosen sowie eine „Information über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen gemäß Richtlinie 1999/94/EG“ bei. Der in den technischen Daten angegebene Kraftstoffverbrauch wurde dort mit dem Hinweis wiedergegeben, dass die angegebenen Werte nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt worden seien, sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug bezögen und nicht Bestandteil des Angebots seien, sondern allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen dienten. Auf einer dem Schreiben gleichfalls beigefügten „Bescheinigung über Kraftstoffverbrauchswerte und Kohlendioxid-Abgaswerte nach § 47d StVZO“ wurde dieser Hinweis wiederholt und die Art der Feststellung der Verbrauchswerte (Bestimmung auf einem Rollprüfstand) näher erläutert.
Mit Schreiben vom 05.10.2005 teilte die Beklagte dem zwischenzeitlich eingeschalteten Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass die Verbrauche innerhalb der zulässigen Toleranzen lägen, ein Anspruch des Klägers deshalb nicht begründet und die Angelegenheit damit für sie, die Beklagte, erledigt sei.
Die Klage hatte nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Aus den Gründen: 1. Wegen eines überhöhten Kraftstoffverbrauchs hat der Kläger einen – von ihm in erster Linie geltend gemachten – Schadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I 1, 281 I BGB auf Ersatz der durch den Mehrverbrauch bedingten Kosten. Den Anspruch hat die Leasinggeberin … an den Kläger abgetreten.
Zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bedurfte es einer weiteren Fristsetzung nicht, da die Beklagte spätestens mit ihrem Schreiben vom 05.10.2006 die vom Kläger verlangte Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels (§ 439 I Fall 1 BGB) endgültig verweigert hat (§ 440 Satz 1 BGB). Da sich der Kläger auf den Ersatz der durch den erhöhten Kraftstoffverbrauch bedingten Mehrkosten beschränkt und keinen Schadensersatz statt der Leistung geltend macht, kann in diesem Zusammenhang die Frage offenbleiben, ob der geltend gemachte Mangel als nur unerheblich i. S. des § 281 I 3 BGB zu werten ist oder nicht.
a) Das Vorliegen eines Mangels gemäß § 434 BGB ist zu bejahen. Ein solcher liegt vor, wenn die gekaufte Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Zur Beschaffenheit gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder des Herstellers, insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache, erwarten kann (§ 434 I 3 BGB). Hierzu zählen beim Kauf eines Kraftfahrzeugs auch Angaben über dessen Verbrauch.
b) Vorliegend hat die Verkäuferin/Herstellerin in der für das Fahrzeug maßgeblichen Gebrauchsanleitung den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs innerstädtisch mit 10,2 Liter, außenstädtisch mit 6,2 Liter und insgesamt mit 7,6 Liter Diesel pro 100 km angegeben. Dabei ist maßgeblich auf den „Mix“, also auf den angegebenen Gesamtverbrauch abzustellen, weil ein Fahrzeug nur selten ausschließlich oder ganz überwiegend allein in einem der verschiedenen Fahrzyklen bewegt wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, NJW 1997, 2590). Als die „gewöhnliche Verwendung“ i. S. des § 434 BGB ist von diesem „Mix“ auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, NJW 1997, 2590). An dieser Angabe, mit der nach dem – unwidersprochen gebliebenen – Vortrag des Klägers das Fahrzeug auch beworben wurde, muss sich die Beklagte festhalten lassen.
c) Soweit die Beklagte sich auf die … „Information über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen gemäß Richtlinie 1999/94/EG“ beruft, in welcher angegeben ist, dass die Kraftstoffverbrauchsangaben sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug beziehen und nicht Bestandteil des Angebots sind, sondern allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen dienen, gilt Folgendes:
aa) Nach dem Vortrag des Klägers wurde ihm diese Information erst mit dem Schreiben des Beklagten vom 30.08.2005 übersandt, also zu einem Zeitpunkt, als der Vertrag bereits geschlossen und der erhöhte Kraftstoffverbrauch der Beklagten angezeigt war. In dem Schreiben hat die Beklagte zwar beiläufig bemerkt, dass dem Kläger die als Anlage beigefügte Bescheinigung bereits vorliege. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte aber nicht behauptet und auch nicht unter Beweis gestellt, dass dem Kläger die Information schon vor oder beim Vertragsschluss zugänglich gemacht worden sei. Der Kläger hingegen hat einen Erhalt der Information bzw. der Bescheinigung vor oder bei dem Vertragsschluss in Abrede gestellt.
bb) Wenn damit aber nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Information über Kraftstoffverbrauch bzw. die Bescheinigung über Kraftstoffverbrauchswerte dem Kläger bei der Bestellung des Fahrzeugs vorlagen, können die Information und die Bescheinigung auch nicht als Grundlage der Bestellung und damit als Vertragsbestandteil angesehen werden.
cc) Aber selbst wenn dem Kläger die genannten Informationen vor Vertragsschluss zugänglich gemacht worden wären und er gewusst hätte, dass die angegebenen Werte nur auf einem Prüfstand theoretisch ermittelt worden sind, würde dies der Geltendmachung eines diese Werte übersteigenden Kraftstoffverbrauchs als Mangel nicht entgegenstehen. Mit dem Hinweis, dass sich die Angaben nicht auf ein einzelnes Fahrzeug beziehen und nicht Bestandteil des Angebots sind, sondern allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugen dienen, kann der – beabsichtigte – Haftungsausschluss nicht bewirkt werden. Denn gerade nach der neu getroffenen Regelung in § 434 I 3 BGB gehören Eigenschaften, die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers/Herstellers erwartet werden können, zur Beschaffenheit der Kaufsache (vgl. hierzu Schmidt, NJW 2005, 329).
d) Der unter cc) angeführte Einwand wird von der Beklagten auch nicht vorrangig geltend gemacht. Sie beanstandet – wie sie betont hat – in erster Linie vielmehr die vom Gericht angeordnete Art der Vergleichsmessung. Sie macht geltend, dass die Feststellung des Kraftstoffverbrauchs eines konkreten Fahrzeugs nur auf dem Prüfstand erfolgen dürfe, wenn (und weil) die angegebenen Werte auch nur auf dem Prüfstand ermittelt worden sind.
aa) Auf eine nur theoretische Messung des Kraftstoffverbrauchs auf dem Prüfstand muss sich der Kläger nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht verweisen lassen, und zwar selbst dann nicht, wenn ihm bei der Bestellung des Fahrzeugs bekannt gewesen sein sollte, dass die angegebenen Werte auf dem Prüfstand ermittelt worden sind. Für einen Käufer ist nämlich ein theoretischer Wert, der dem tatsächlichen Verbrauch in der Praxis nicht entspricht, ohne Belang. Für ihn ist nur der Verbrauch entscheidend, der beim Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr tatsächlich entsteht. Wenn die auf dem Prüfstand bestimmten theoretischen Werte von den tatsächlichen Werten abweichen, muss die theoretische Bestimmung den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden und nicht umgekehrt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Käufer eines Fahrzeugs über den wirklichen Verbrauch getäuscht wird.
bb) Ein individuelles Fahrverhalten, welches bei der Vergleichsmessung auf dem Prüfstand ausgeschlossen werden soll, lässt sich auch bei Verbrauchsmessfahrten durch einen kundigen und ökonomisch fahrenden Testfahrer weitgehend ausschließen. Von einzelnen Instanzgerichten wird es deshalb auch als zulässig angesehen, den tatsächlichen Verbrauch eines konkreten Fahrzeugs durch Verbrauchstestfahrten zu bestimmen (vgl. beispielsweise LG Duisburg, Urt. v. 06.06.2003 – 1 O 117/03), auch wenn der angegebene Verbrauch auf dem Prüfstand ermittelt worden ist. Auch die Beklagte selbst hat – wie ihrem Schreiben vom 30.08.2005 entnommen werden kann – zur Bestimmung des Verbrauchs eine „Kraftstoffverbrauchsmessfahrt“ durchgeführt und die dabei gemessenen Werte ihrem Schreiben zugrunde gelegt.
cc) Auf die Frage, ob das vom Kläger geleaste Fahrzeug auch bei einer Verbrauchsmessung auf dem Prüfstand einen erhöhten Kraftstoffverbrauch aufweisen würde oder nicht, kommt es deshalb nicht an. Entscheidend ist vielmehr der tatsächliche Verbrauch im Straßenverkehr.
e) Die Verbrauchsmessung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen hat ergeben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei 88 innerstädtisch gefahrenen Kilometern, bei 113 auf Land- und Bundesstraßen gefahrenen Kilometern und bei 422 Autobahnkilometern einen durchschnittlichen mittleren Verbrauch von 8,4 l/100 km aufweist. Der Sachverständige ist etwa 14 % der Wegstrecken innerstädtisch und etwa 86 % außerstädtisch gefahren, was dem behaupteten Fahrverhalten des Klägers von ca. 10 % innerstädtisch und ca. 90 % außerstädtisch weitgehend entspricht. Gegenüber dem angegebenen Gesamtwert von 7,6 l/100 km, auf den nach dem BGH (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, NJW 1997, 2590) entscheidend abzustellen ist, bedeutet dies einen Mehrverbrauch von 0,8 l/100 km. Unter Berücksichtigung des vom Kläger angesetzten Preises von 1,03 € netto für einen Liter Diesel errechnen sich hieraus Mehrkosten von 0,00824 € pro gefahrenem Kilometer. Bei 53.000 km, für die der Kläger den Schadensersatzanspruch beziffert geltend macht, ergibt dies 436,72 €. Zur Zahlung dieses Betrags war die Beklagte zu verurteilen.
f) In Höhe des errechneten Mehrbetrages von 0,00824 € pro Kilometer ist auch der Feststellungsantrag begründet.
2. Einen (zusätzlichen) Minderungsanspruch kann der Kläger erfolgreich nicht geltend machen.
a) Minderungs- und Schadensersatzansprüche schließen sich gegenseitig zwar nicht aus. Dies gilt aber nur insoweit, als durch einen geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Schaden in voller Höhe nicht ausgeglichen wird. Soweit der Schadensersatz den Mangel vollumfänglich ausgleicht, ist für eine Minderung wegen desselben Mangels kein Raum. Dasselbe gilt im umgekehrten Verhältnis. Durch den Ersatz der Mehrkosten für den höheren Kraftstoffverbrauch erhält der Kläger für die Dauer des Leasingvertrages aber einen vollen Ausgleich.
b) Der Umstand, dass der Kläger die Bezahlung des Minderungsbetrags an die Leasinggeberin begehrt, um eine – wie er im Verhandlungstermin eingeräumt hat – entsprechende Reduzierung der Leasingrate zu bewirken, ändert hieran nichts. Durch den Mehrverbrauch während der Leasingzeit erfährt die Leasinggeberin schon keinen Nachteil; dieser entsteht allein aufseiten des Leasingnehmers, der diese Mehrkosten aufzubringen hat. Dieser Nachteil wird durch den Ersatz der Mehrkosten ausgeglichen.
c) Erst nach der Beendigung des Leasingverhältnisses und nach der Rückgabe des Fahrzeugs an den Leasinggeber kann sich der höhere Kraftstoffverbrauch zulasten des Leasinggebers in einer möglichen Wertminderung auswirken. Diesen Nachteil kann der Kläger für den Leasinggeber jedoch nicht geltend machen, denn ein entsprechender Anspruch wurde an ihn nicht abgetreten. In … [den] Leasingbedingungen ist ausdrücklich bestimmt, dass Ansprüche auf Ersatz eines dem Leasinggeber entstandenen Schadens nicht an den Leasingnehmer abgetreten sind.
3. Einen Anspruch auf entgangenen Gewinn hat der Kläger, ungeachtet des Umstands, dass ihm ein solcher Anspruch von der Leasinggeberin nicht abgetreten worden sein kann, schon deshalb nicht, weil er einen entgangenen Gewinn nicht dargelegt hat … Der bloße Zeitaufwand zur Vorbereitung und Durchsetzung vorhandener oder vermeintlicher Ansprüche kann auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs grundsätzlich nicht geltend gemacht werden …
4. Die Kosten des Privatgutachtens werden entgegen der Auffassung des Klägers vom Gewährleistungsanspruch nicht umfasst. Das Gutachten diente allein der Vorbereitung des Prozesses. Als Schadensposition im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzes können die Kosten des Privatgutachtens deshalb nicht zugesprochen werden. Sie können aber als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich angesehen werden (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn. 13 [„Privatgutachten“]), da die Hinzuziehung des Sachverständigen der Abklärung des Erfolgs eines Rechtsstreits diente.
Der Kläger hat das Privatgutachten aber nicht nur eingesetzt zur Untermauerung berechtigter Ansprüche, sondern er hat – gestützt auf das Gutachten – überwiegend auch unberechtigte Forderungen geltend gemacht und den Rechtsstreit und den Gegenstandswert unnötig „aufgebläht“. Die Kosten des Gutachtens können ihm deshalb nur anteilig, nämlich entsprechend seinem Obsiegen erstattet werden (§§ 91, 92 ZPO). Insoweit gilt nichts anderes als für das gerichtliche Sachverständigengutachten. Auch das vom Gericht eingeholte Gutachten hat den Mangel bestätigt. Dennoch hat der Kläger die Kosten dieses Gutachten entsprechend seinem Unterliegen anteilig zu tragen …