Der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens kann den Ver­käu­fer auch dann mit Er­folg we­gen ei­nes Man­gels auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges in An­spruch neh­men, wenn er das Fahr­zeug zwar nicht ge­mäß den Her­stel­ler­vor­schrif­ten hat war­ten las­sen, aber das Aus­las­sen der In­spek­tio­nen we­der die früh­zei­ti­ge Ent­de­ckung des Man­gels noch des­sen Be­sei­ti­gung ver­hin­dert hat.

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 08.03.2007 – 5 U 1518/06

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten am 04.02.2004 für 22.390 € ei­nen fa­brik­neu­en Pkw, der ihm am 18.03.2004 über­ge­ben wur­de. Nach ei­ner et­wa ein­ein­halb­jäh­ri­gen Nut­zungs­zeit sprang der sechs­te Gang des Fahr­zeugs wie­der­keh­rend her­aus, so­bald er ein­ge­legt wor­den war. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Be­he­bung des Man­gels mit dem Hin­weis dar­auf ab, dass der Klä­ger die vom Her­stel­ler vor­ge­ge­be­nen War­tungs­in­ter­val­le nicht ein­ge­hal­ten ha­be. Dar­auf­hin er­klär­te der Klä­ger schließ­lich un­ter dem 21.04.2006 den Ver­trags­rück­tritt. Zu­vor hat­te er ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet, in dem ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten an­ge­fer­tigt wor­den war. Da­zu hat­te die Be­klag­te das Ge­trie­be des Wa­gens aus­ge­baut und ge­öff­net. Der Sach­ver­stän­di­ge kam zu dem Er­geb­nis, dass sich „kei­ne ein­deu­ti­gen Scha­den­sur­sa­chen fest­stel­len“ lie­ßen und „da­mit auch kei­ne Scha­den­sur­sa­che ge­ge­ben (sei), die in der Ver­ant­wor­tung des Fah­rers (lie­ge)“.

Im vor­lie­gen­den Rechts­streit hat der Klä­ger mit der Be­haup­tung, dass ein aus der Sphä­re des Her­stel­lers stam­men­der Man­gel ge­ge­ben sei, im We­sent­li­chen die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags be­an­tragt. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te größ­ten­teils Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ger kann ver­lan­gen, dass der strei­ti­ge Kauf­ver­trag zu­rück ab­ge­wi­ckelt wird und hat in die­sem Zu­sam­men­hang – grund­sätz­lich Zug um Zug ge­gen die Rück­ge­währ des von der Be­klag­ten ge­lie­fer­ten Fahr­zeugs er­füll­ba­re – Zah­lungs­an­sprü­che.

1. Der Klä­ger hat mit Schrei­ben vom 21.04.2006 wirk­sam den Ver­trags­rück­tritt er­klärt, weil das ver­kauf­te Au­to von vorn­her­ein man­gel­haft war (§ 434 I BGB) und die Nach­er­fül­lung (§§ 437 Nr. 1, 439 I BGB) ver­wei­gert wur­de (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB). Der vor­ge­ge­be­ne Man­gel be­ruht dar­auf, dass das Ge­trie­be des Au­tos kon­struk­ti­ve Schwä­chen hat. Es ist, an­ders als all­ge­mein üb­lich, nicht in der La­ge, auf Dau­er ein Fah­ren im sechs­ten Gang zu er­mög­li­chen. Dies war nur über ei­nen An­fangs­zeit­raum von et­wa 18 Mo­na­ten hin mög­lich.

Al­ler­dings wird ein ent­spre­chen­der Man­gel nicht schon von Ge­set­zes we­gen (§ 476 BGB) ver­mu­tet, weil sich die Un­zu­läng­lich­keit nicht in­ner­halb des ers­ten hal­ben Jah­res nach der Aus­lie­fe­rung des Wa­gens be­merk­bar mach­te. Aber der Feh­ler wird hin­rei­chend durch das Er­geb­nis des vor­pro­zes­su­al durch­ge­führ­ten selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens be­legt. Nach den Er­kennt­nis­sen des Sach­ver­stän­di­gen S lässt sich die Ge­trie­be­schwä­che nicht auf Be­die­nungs- oder Fahr­feh­ler zu­rück­füh­ren, denn es gibt kei­ne ent­spre­chen­den Schad- oder Ver­schleiß­spu­ren. Statt­des­sen liegt die Ur­sa­che im Be­reich des Her­stel­lers. Das ist zwar nicht au­gen­schein­lich, weil ei­ne Sicht­prü­fung ne­ga­tiv ver­lau­fen ist. Aber es ist das Er­geb­nis ei­ner plau­si­blen Schluss­fol­ge­rung, die – wie es der Sach­ver­stän­di­ge for­mu­liert hat – auf „mi­ni­ma­le Ab­wei­chun­gen von dem Soll­zu­stand ver­schie­de­ner be­weg­li­cher Tei­le, die mit­ein­an­der in Funk­ti­on sind“ hin­weist. Der­ar­ti­ge Phä­no­me­ne sind nichts Un­ge­wöhn­li­ches, son­dern „tre­ten im­mer wie­der ein­mal bei­den ver­schie­dens­ten Schalt­ge­trie­ben auf“.

Der Se­nat er­ach­tet die Schluss­fol­ge­rung des Sach­ver­stän­di­gen für hin­rei­chend über­zeu­gend und da­mit ge­eig­net, die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zu tra­gen (§ 286 ZPO). Die Fest­stel­lung des Land­ge­richts, ein Pro­duk­ti­ons­feh­ler sei nicht nach­weis­bar, steht dem nicht ent­ge­gen, weil sie durch­grei­fen­den Zwei­feln aus­ge­setzt ist (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Äu­ße­re, im Nach­hin­ein auf­ge­tre­te­ne Um­stän­de, mit de­nen sich die Si­tua­ti­on er­klä­ren lie­ße, sind we­der be­haup­tet noch sonst er­sicht­lich. Der Ein­wand der Be­klag­ten, den Klä­ger tref­fe ei­ne Ver­ant­wort­lich­keit, weil er das Au­to nicht ge­mäß den Her­stel­ler­vor­schrif­ten ha­be war­ten las­sen, ist nicht taug­lich. Die Miss­ach­tung der In­spek­ti­ons­ter­mi­ne hat die Ge­trie­be­schwä­che nicht be­för­dert. Es ist auch nicht zu er­ken­nen, dass da­durch ei­ne früh­zei­ti­ge Ent­de­ckung des Man­gel und ei­ne Ab­hil­fe ver­hin­dert wor­den wä­ren, wor­auf sich dann mög­li­cher­wei­se Ge­gen­an­sprü­che der Be­klag­ten grün­den könn­ten. Der Sach­ver­stän­di­ge S hat mit­ge­teilt, dass im Rah­men der vor­ge­se­he­nen War­tung le­dig­lich die Dich­tig­keit und der Öl­stand im Ge­trie­be über­prüft wor­den wä­ren. Die­s­er­halb ha­be es je­doch auch noch im Zeit­punkt sei­ner Be­gut­ach­tung kei­nen An­lass zu Be­an­stan­dun­gen ge­ge­ben, so dass auch zu­vor nichts hät­te of­fen­bar wer­den kön­nen.

2. Fol­ge des wirk­sa­men Ver­trags­rück­tritts ist, dass die wech­sel­sei­tig emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen an die Ge­gen­sei­te zu­rück­ge­währt wer­den müs­sen (§ 346 I BGB).

Da­mit ist die Be­klag­te vom Grund­satz her ver­pflich­tet, dem Klä­ger den Kauf­preis von 22.390 € zu er­stat­ten. Dass er kre­dit­fi­nan­ziert und des­halb nicht un­mit­tel­bar durch den Klä­ger, son­dern über ei­ne Bank ge­zahlt wur­de, ist für die Rück­ab­wick­lung oh­ne Be­lang, weil es sich im Rechts­sin­ne um ei­ne Leis­tung des Klä­gers han­del­te. Im Ge­gen­zug (§ 348 BGB) muss der Klä­ger der Be­klag­ten das Au­to zur Ver­fü­gung stel­len. Da­bei kann an­trags­ge­mäß fest­ge­stellt wer­den, dass die Be­klag­te mit des­sen An­nah­me in Ver­zug ist, weil sie es ab­ge­lehnt hat, dem Wunsch des Klä­gers zu ent­spre­chen, den Ver­trag rück­gän­gig zu ma­chen (§ 295 BGB).

Im Rah­men der Ver­trags­rück­ab­wick­lung muss dar­über hin­aus der Klä­ger die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen ver­gü­ten. Der dar­aus ent­sprin­gen­de An­spruch der Be­klag­ten ist der Ver­pflich­tung zur Kauf­preis­rück­zah­lung min­dernd ge­gen­zu­rech­nen. Er ist vom Klä­ger mit 8.700,75 € be­zif­fert wor­den. Dem liegt die An­ga­be zu­grun­de, dass er mit dem Au­to ei­ne Stre­cke von 58.000 km zu­rück­ge­legt ha­be, und je 1.000 km ein Be­trag in Hö­he von 0,67 % des Kauf­prei­ses von 22.390 € zu Bu­che schla­ge. Das ist vom recht­li­chen An­satz her und auch rech­ne­risch nicht zu be­an­stan­den (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 66. Aufl., § 346 Rn. 10). Al­ler­dings hat die Be­klag­te die Hö­he des vom Klä­ger kon­ze­dier­ten Nut­zungs­ent­gelts in­fra­ge ge­stellt. Das gibt ihr je­doch kei­ne wei­ter­ge­hen­den An­sprü­che, so­lan­ge nicht dar­ge­legt und ge­ge­be­nen­falls be­wie­sen ist, dass der Klä­ger ei­ne grö­ße­re Fahr­stre­cke zu­rück­ge­legt hat, als er ein­räumt.

3. Wei­ter­hin schul­det die Be­klag­te dem Klä­ger Scha­dens­er­satz da­für, dass das Au­to, be­dingt durch die sach­ver­stän­di­ge Be­gut­ach­tung im selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren, über län­ge­re Zeit nicht zur Ver­fü­gung stand. In­so­weit geht es um den Aus­gleich ei­nes Ver­zugs­scha­dens (§§ 280 I und II, 286 BGB). Denn das selbst­stän­di­ge Be­weis­ver­fah­ren und die in die­sem Zu­ge durch­ge­führ­ten Un­ter­su­chun­gen er­klä­ren sich aus der Wei­ge­rung der Be­klag­ten, den vor­han­de­nen Man­gel an­zu­er­ken­nen und ih­ren Ver­trags­pflich­ten ent­spre­chend nach­zu­er­fül­len.

Wie aus dem Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S her­vor­geht, war der Wa­gen vom 06.03.2006 an nicht mehr nutz­bar, weil an die­sem Tag das Schalt­ge­trie­be zur Über­prü­fung aus­ge­baut wur­de. Der dar­an an­schlie­ßen­de Nut­zungs­aus­fall­scha­den ist fahr­zeug­spe­zi­fisch mit 43 € pro Tag zu be­mes­sen (vgl. Küp­pers­busch, NJW 2006, 19, [20, 31]). Da­bei ist die Be­kla­ge je­doch nicht für den ge­sam­ten vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Zeit­raum von weit mehr als ei­nem Mo­nat aus­gleichs­pflich­tig. Ihr ist nicht an­zu­las­ten, dass der Klä­ger das Fahr­zeug erst wie­der am 22.04.2006 in Ver­wen­dung nahm. Das Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S war näm­lich be­reits am 10.03.2006 ge­fer­tigt. Des­halb war es jetzt an­ge­zeigt, das Schalt­ge­trie­be ein­zu­bau­en und die Ge­brauchs­fä­hig­keit des Au­tos her­zu­stel­len (KG, DAR 2006, 269; Pa­landt/Hein­richs, BGB, 66. Aufl., § 249 Rn. 33). Dass die strei­ti­ge Nut­zungs­aus­fall­zeit da­durch nicht ent­spre­chend hät­te ab­ge­kürzt wer­den kön­nen, hat der Klä­ger nicht ver­deut­licht. Al­ler­dings muss­te das Au­to sei­nem Vor­trag nach am En­de still­ge­legt wer­den; aber ei­ne un­mit­tel­ba­re Not­wen­dig­keit da­für ist nicht er­kenn­bar ge­wor­den. Die In­be­trieb­nah­me des Au­tos schied auch nicht des­halb aus, weil ei­ne Re­pa­ra­tur ins Au­ge ge­fasst ge­we­sen wä­re. Wie sich dem an­walt­li­chen Schrei­ben des Klä­gers vom 31. 03.2006 ent­neh­men lässt, be­stand da­zu nicht die Ab­sicht.

Die Er­satz­haf­tung der Be­klag­ten kann folg­lich nicht über die Er­for­der­nis­se der Be­weis­si­che­rung hin­aus­ge­hen (§ 249 II 1 BGB). Sie be­schränkt sich da­her auf den Aus­gleich ei­nes sechs­tä­gi­gen Nut­zungs­aus­falls im Um­fang von 258 €.

4. Schließ­lich hat die Be­klag­te eben­falls ver­zugs­be­dingt für die vor­pro­zes­sua­len An­walts­kos­ten auf­zu­kom­men, die nicht auf die Kos­ten des hie­si­gen Rechts­streits an­re­chen­bar sind. Der Be­trag von 229,04 €, den der Klä­ger in­so­weit ein­for­dert, ist nicht über­höht. Der Klä­ger hat für die strei­ti­ge Nach­er­fül­lung durch den Be­klag­ten le­dig­lich den von dem Sach­ver­stän­di­gen S ge­nann­ten Män­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wand und nicht den Wert ei­ner Neu­lie­fe­rung zu­grun­de ge­legt …

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