Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ist ge­ne­rell nicht ver­pflich­tet, ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf auf Män­gel zu un­ter­su­chen. Ei­ne Un­ter­su­chungs­pflicht ist aber bei Vor­lie­gen be­son­de­rer Um­stän­de (hier: Mit­tei­lung des Vor­ei­gen­tü­mers über ei­nen Un­fall­scha­den) zu be­ja­hen.

OLG Bran­den­burg, Ur­teil vom 08.12.2006 – 7 U 74/06

Sach­ver­halt: Der Klä­ger hat die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über ei­nen Pkw BMW 325i, den die Par­tei­en am 04.07.2000 ge­schlos­sen ha­ben, in An­spruch ge­nom­men.

Zur Be­grün­dung der Kla­ge hat er be­haup­tet, das ge­kauf­te Fahr­zeug ha­be am 14.11.1999 ei­nen Un­fall ge­habt, bei dem es so schwer be­schä­digt wur­de, dass es als To­tal­scha­den gel­ten müs­se. Die­ser Ge­sichts­punkt sei ihm von der Be­klag­ten bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mit­ge­teilt wor­den. Au­ßer­dem sei Ge­gen­stand des Ver­trags ei­ne Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs von 100.000 km ge­we­sen; tat­säch­lich sei das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Ver­kaufs je­doch be­reits 209.000 km ge­fah­ren wor­den.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge mit Ur­teil vom 17.02.2006 im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben. Es hat ei­nen An­spruch des Klä­gers auf Rück­ab­wick­lung ge­mäß § 463 Satz 2 BGB a.F. an­ge­nom­men und aus­ge­führt, nach der Be­weis­auf­nah­me ste­he fest, dass die Be­klag­te im Zeit­punkt des Kauf­ver­trags­ab­schlus­ses Kennt­nis von Um­stän­den hat­te, die auf ei­nen er­heb­li­chen Vor­scha­den zu­min­dest auf der rech­ten Sei­te des Fahr­zeugs hin­ge­deu­tet hät­ten. Sie ha­be es je­doch vor­sätz­lich und da­mit arg­lis­tig un­ter­las­sen, den Klä­ger um­fas­send über die­sen Un­fall­scha­den zu un­ter­rich­ten.

Mit ih­rer Be­ru­fung will die Be­klag­te wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen. Das Rechts­mit­tel blieb über­wie­gend er­folg­los.

Aus den Grün­den: II. … Wie das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat, kommt auf den streit­be­fan­ge­nen Kauf­ver­trag vom 04.07.2000 nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das bis zum 31.12.2001 gel­ten­de Recht zur An­wen­dung.

Ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung der Be­klag­ten ist der Klä­ger für den gel­tend ge­mach­ten Ge­währ­leis­tungs­an­spruch ak­tiv­le­gi­ti­miert. An­spruchs­grund­la­ge ist der Kauf­ver­trag der Par­tei­en vom 04.07.2000. Auf die Fra­ge, ob der Klä­ger noch Ei­gen­tü­mer des streit­be­fan­ge­nen Fahr­zeugs ist, kommt es für sein Recht, Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag gel­tend zu ma­chen, nicht an.

Das Land­ge­richt hat im Er­geb­nis zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te den Klä­ger vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht über ihr be­kann­te er­heb­li­che Un­fall­vor­schä­den am Fahr­zeug auf­klär­te.

Die Be­klag­te wen­det sich mit der Be­ru­fung nicht ge­gen die auf der Grund­la­ge der erst­in­stanz­li­chen Be­weis­auf­nah­me vom Land­ge­richt ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung des vom Klä­ger zu­nächst be­haup­te­ten Un­fall­scha­dens vom 14.11.1999. Sie muss sich je­doch auch ei­ne Kennt­nis die­ses Vor­scha­dens zum Zeit­punkt des Ver­kau­fes an den Klä­ger vor­hal­ten las­sen. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te das Aus­maß des Un­fall­scha­dens, den das Fahr­zeug er­litt, bei Ver­kauf kann­te.

Die Be­klag­te traf als ge­werb­li­che Ver­käu­fe­rin des ge­brauch­ten Fahr­zeugs zwar kei­ne ge­ne­rel­le Un­ter­su­chungs­pflicht. Ei­ne sol­che Pflicht ist al­ler­dings zu be­ja­hen, wenn be­son­de­re Um­stän­de vor­la­gen (BGH, NJW 1997, 1055). Ein be­son­de­rer Um­stand ist hier die Tat­sa­che, dass das Fahr­zeug nach An­ga­ben des Vor­ei­gen­tü­mers ei­nen Un­fall hat­te, auch wenn die­ser be­reits re­pa­riert war. In rich­ti­ger Wahr­neh­mung die­ser Ver­pflich­tung oder aus wohl­ver­stan­de­nem Ei­gen­in­ter­es­se wur­de von der Be­klag­ten ei­ne Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs vor­ge­nom­men. Dies er­gibt sich be­reits aus der Kla­ge­er­wi­de­rung. Da­nach hat die Be­klag­te im Hin­blick auf den vom Vor­ei­gen­tü­mer mit­ge­teil­ten Un­fall, über des­sen Um­fang sie kei­ne Kennt­nis ge­habt ha­ben will, das Fahr­zeug durch ih­ren Ge­schäfts­füh­rer un­ter­sucht. Die­ser hat das Fahr­zeug bei Er­werb sorg­fäl­tig in Au­gen­schein ge­nom­men und den Lack­zu­stand ge­prüft. Es wur­den die Mo­tor­hau­be, die Kof­fer­raum­hau­be und die Tü­ren ge­öff­net und ge­prüft, ob Män­gel oder schlech­te Ver­ar­bei­tung fest­zu­stel­len wa­ren. Wei­ter­hin wur­de das Fahr­zeug auch auf ei­ne Büh­ne ge­fah­ren und von un­ten in Au­gen­schein ge­nom­men. Die Be­klag­te kann nicht da­mit ge­hört wer­den, sie ha­be bei die­ser Un­ter­su­chung nicht wahr­ge­nom­men, dass das Fahr­zeug Spu­ren ei­nen schwe­ren Un­falls auf­wies.

Zum Vor­wurf der Arg­list ge­gen­über der Be­klag­ten sei zu­nächst auf die Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. H ver­wie­sen, wo­nach die Spalt­ma­ße der Mo­tor­hau­be zu den Kot­flü­geln und der Kof­fer­raum­klap­pe zu den Sei­ten­tei­len Dif­fe­ren­zen auf­wie­sen, die grö­ßer als ei­nen Mil­li­me­ter wa­ren. Nach den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen wa­ren bei ord­nungs­ge­mä­ßer Sicht­prü­fung zu­min­dest die Spalt­maß­dif­fe­ren­zen zwi­schen Kof­fer­klap­pe und rech­tem hin­te­ren Sei­ten­teil er­kenn­bar. Dies soll­te für das Per­so­nal ei­ner ge­werb­li­chen Au­to­ver­käu­fe­rin zu­min­dest ein An­lass­punkt ge­we­sen sein, den Ver­dacht auf ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den zu er­we­cken. Durch den Aus­bau von Ver­klei­dun­gen im Ver­dachts­be­reich hin­ten rechts wä­ren dann Schweiß­punk­te er­kannt wor­den, die zu wei­ter­ge­hen­den Un­ter­su­chun­gen An­lass ge­ge­ben hät­ten.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat sei­ne Fest­stel­lun­gen in dem schrift­li­chen Gut­ach­ten wäh­rend sei­ner An­hö­rung durch das Land­ge­richt … et­was re­la­ti­viert, in­dem er ein­ge­schränkt hat, dass die fest­stell­ba­ren Spalt­ma­ß­un­ter­schie­de im Be­reich der Kof­fer­raum­klap­pe nicht zwangs­läu­fig An­lass bo­ten, die In­nen­ver­klei­dung der A- und C-Säu­le zu ent­fer­nen. Ob des­halb nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass die Be­klag­te bzw. ihr Ge­schäfts­füh­rer bei Aus­übung der ge­bo­te­nen Sorg­falt das Vor­lie­gen ei­nes sehr um­fang­rei­chen Un­fall­scha­dens be­mer­ken muss­ten, kann letzt­end­lich da­hin­ste­hen. Dies gilt auch für die Fra­ge, ob den Spalt­ma­ß­un­ter­schie­den im Be­reich der Kof­fer­raum­klap­pe die Of­fen­sicht­lich­keit zu­zu­bil­li­gen ist, die der Sach­ver­stän­di­ge an­nimmt.

Im vor­lie­gen­den Fall ist un­ab­hän­gig von der Fra­ge der Er­kenn­bar­keit des schwe­ren Un­fall­scha­dens an­hand der Spalt­maß­dif­fe­ren­zen da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te hin­sicht­lich des Un­fall­scha­dens und sei­nes Um­fan­ges Kennt­nis hat­te. Dies er­gibt sich aus der Re­ak­ti­on des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten ge­gen­über dem Zeu­gen S, als die­ser ihm im April 2001 das Fahr­zeug vor­führ­te, nach­dem es zu ei­nem Näs­see­in­tritt ge­kom­men war. Da­bei war be­merkt wor­den, dass die Säu­len und Dach­räu­me ge­schweißt wa­ren. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten äu­ßer­te in die­sem Zu­sam­men­hang, das sei ein Sturm­scha­den ge­we­sen, bei dem ein Ast auf das Dach ge­fal­len sei. Er schloss die­se Aus­sa­ge ab mit der Fra­ge: „Ha­be ich dir das nicht ge­sagt?“. Die­se Be­haup­tung des Klä­gers ist durch den Zeu­gen S be­stä­tigt wor­den. Der Zeu­ge hat den Sach­ver­halt, der ihn ver­an­lass­te, das Fahr­zeug mit den von der Inn­ver­klei­dung frei­ge­leg­ten Säu­len dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten vor­zu­stel­len, plas­tisch und de­tail­reich dar­ge­stellt. Eben­so hat er sinn­ge­mäß die vom Klä­ger be­haup­te­te Äu­ße­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten be­stä­tigt. Auf Vor­halt des Be­klag­ten­ver­tre­ters hat er aus­drück­lich in Ab­re­de ge­stellt, dass ihm der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten ge­sagt hät­te, es sei mög­li­cher­wei­se oder ver­mut­lich die Fol­ge ei­nes Sturm­scha­dens, wenn das Fahr­zeug von in­nen nass wür­de. Er hat die Re­ak­ti­on des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten dann er­gän­zend wie folgt be­schrie­ben: „Ich er­in­ne­re mich noch deut­lich, dass er sich die Müt­ze leicht hoch­ge­scho­ben hat, in­dem er mit der Hand ei­ne Ges­te zum Kopf mach­te und da­bei äu­ßer­te: ‚Mensch, ha­be ich dir das nicht ge­sagt?‘“. Es mag da­hin­ste­hen, ob die vom Zeu­gen ge­schil­der­te Ges­te des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten als Aus­druck ei­ner – un­an­ge­neh­men – Über­ra­schung aus­ge­legt wer­den kann. Je­den­falls ver­stärkt die Wi­der­ga­be die­ser Ges­te durch den Zeu­gen die Glaub­haf­tig­keit sei­ner Aus­sa­ge, weil sie ver­deut­licht, dass dem Zeu­gen das Ge­spräch mit dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten noch plas­tisch vor Au­gen stand. Der Zeu­ge hat durch sein Aus­sa­ge­ver­hal­ten auch kei­nen An­lass ge­ge­ben, an sei­ner Glaub­wür­dig­keit zu zwei­feln. Al­lein die Tat­sa­che, dass er der Va­ter des Klä­gers ist, ist nicht ge­eig­net, die Glaub­wür­dig­keit des Zeu­gen in­fra­ge zu stel­len. Sein re­la­tiv leb­haf­tes und spon­ta­nes Aus­sa­ge­ver­hal­ten hat die­se Glaub­wür­dig­keit hin­ge­gen un­ter­stri­chen.

Die mit­hin be­wie­se­ne Äu­ße­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten macht vor dem Hin­ter­grund des Vor­trags der Be­klag­ten kei­nen Sinn. Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, ein ent­spre­chen­der Sturm­scha­den sei in der Zeit vom Kauf bis zum Ver­kauf des Fahr­zeugs nicht ein­ge­tre­ten. Sie hat hin­ge­gen nicht vor­ge­tra­gen, dass ein sol­cher Scha­den vom Vor­ei­gen­tü­mer mit­ge­teilt wor­den sei. Des­halb kann die Äu­ße­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten nur so ver­stan­den wer­den, dass er dem Zeu­gen S bzw. dem Klä­ger ei­ne plau­si­ble Er­klä­rung für die of­fen­kun­dig ge­wor­de­ne Tat­sa­che bie­ten woll­te, dass das Dach des ver­kauf­ten Fahr­zeugs im Rah­men ei­ner Re­pa­ra­tur aus­ge­tauscht und an die Säu­len an­ge­schweißt wur­de. Die­ser Er­klä­rungs­ver­such dien­te mög­li­cher­wei­se – wie vom Klä­ger schrift­sätz­lich gel­tend ge­macht – zur Täu­schung dar­über, dass das Fahr­zeug tat­säch­lich wei­te­re Scha­dens­spu­ren auf­wies. Je­den­falls ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der mas­si­ve Scha­den im Dach­be­reich dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten be­kannt war und – so­weit er nicht tat­säch­lich auf ei­nen Sturm­scha­den zu­rück­zu­füh­ren ist – na­he­lie­gen­der­wei­se nur durch ei­nen Un­fall her­bei­ge­führt wor­den sein kann. Die­ser Un­fall kann, da er An­lass zu ei­nem Aus­tausch des Dachs gab, auch nicht le­dig­lich re­la­tiv ge­ring­fü­gi­ge oder auf das Fahr­zeug­dach be­schränk­te Aus­wir­kun­gen ge­habt ha­ben. Wenn die Be­klag­te bzw. ihr Ge­schäfts­füh­rer der Ur­sa­che der Be­schä­di­gung des Dachs nicht wei­ter nach­ge­gan­gen ist und des­halb wei­te­re Spu­ren ei­nes er­heb­li­chen Un­fall­scha­dens nicht wahr­nahm, so han­del­te sie bzw. er hin­sicht­lich des feh­len­den Hin­wei­ses des Klä­gers auf ei­nen Un­fall mit sehr er­heb­li­chen Schä­den mit Even­tual­vor­satz. Die­se Form des Vor­sat­zes ge­nügt für die An­nah­me der Arg­list (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 65. Aufl., § 123 Rn. 11).

Dem Land­ge­richt ist dar­in zu fol­gen, dass die Be­klag­te ih­rer Hin­weis­pflicht mit dem Ver­merk im Kauf­ver­trag, es lie­ge ein re­pa­rier­ter Un­fall­scha­den laut Vor­ei­gen­tü­mer vor, nicht ent­spro­chen hat. Die­se Rechts­aus­füh­rung be­darf kei­ner wei­te­ren Be­grün­dung, nach­dem ihr mit der Be­ru­fung nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten wor­den ist.

Al­ler­dings muss sich der Klä­ger ei­ne hö­he­re Nut­zung in An­rech­nung brin­gen las­sen. Das Land­ge­richt hat den Wert der Nut­zung mit 0,5 % des Kauf­prei­ses in An­satz ge­bracht. In­so­fern er­scheint es je­doch sach­ge­recht, den ge­zahl­ten Kauf­preis in ein Ver­hält­nis zu der Lauf­leis­tung zu brin­gen, von der die Par­tei­en bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges aus­gin­gen. Dem­nach hat­te das Fahr­zeug be­reits ei­ne Lauf­leis­tung von 100.000 km hin­ter sich. Geht man mit der Be­ru­fung da­von aus, dass das Fahr­zeug ei­ne wei­te­re Lauf­leis­tung von 150.000 km er­war­ten ließ, ist der Nut­zungs­vor­teil mit dem von der Be­ru­fung gel­tend ge­mach­ten Wert von 1.176,54 € in An­satz zu brin­gen …

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