- Ein „Transportschaden“ ist jede Beschädigung, die ein Fahrzeug während des Transports erleidet, wobei zum Transport nicht nur die eigentliche Beförderung des Fahrzeugs, sondern auch das Auf- und Abladen gehören. Der – mehrdeutige – Begriff „Transportschaden“ sagt deshalb nichts über das Ausmaß des Schadens aus; vielmehr können damit leichte Kratzer und Dellen ebenso gemeint sein wie ein gravierender, zum Beispiel bei Herunterfallen vom Transporter erlittener Schaden.
- Mangels näherer Erläuterungen darf der private Durchschnittskäufer eines Gebrauchtwagens davon ausgehen, dass ein ihm offenbarter „Transportschaden“ eine leichte bis mittelschwere Beschädigung ist. Mit schweren und schwersten Beschädigungen muss er ohne Weiteres nicht rechnen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2006 – I-1 U 233/05
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Belklagten, die ein Autohaus betreibt, auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 15.05.2000 einen gebrauchten Pkw Opel Vectra 1.6 R4 16V (Sondermodell „Edition 100“). Dieses Fahrzeug war am 13.10.1999 erstzugelassen worden; seine Laufleistung betrug ausweislich des streigegenständlichen Kaufvertrags mit 4.500 km.
In dem Kaufvertrag heißt es außerdem:
„Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer: Fahrzeug hatte Transportschaden hinten“.
In die Rubrik „Sonstige Vereinbarungen“ wurde Folgendes aufgenommen:
„Stoßfänger hinten wird lackiert, Lackstellen an Tür hinten links und Stoßfänger vorne links werden ausgebessert, Dachhimmel hinten inst.“
Den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 29.350 DM beglich der Kläger teilweise, indem er sein Altfahrzeug bei der Beklagten in Zahlung gab.
Seine auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage hat der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet: Er habe im Jahr 2004 bemerkt, dass Wasser in den Kofferraum des Pkw eindringe. Daraufhin sei die Heckscheibe ausgetauscht worden, und bei diesem Austausch habe man festgestellt, dass sich rund um die Dichtungen Rost gebildet habe. Bei näherer Prüfung sei im Dachbereich massiver Rostbefall festgestellt worden; außerdem habe er, der Kläger, Kerben im Dachbereich entdeckt. Dies und weitere Indizien deuteten darauf hin, dass der streitgegenständliche Pkw erhebliche Unfallschäden erlitten habe. Davon habe er, der Kläger, nicht ausgehen können und nicht ausgehen müssen. Vielmehr habe er angenommen und annehmen dürfen, dass der im Kaufvertrag genannte „Transportschaden“ geringfügige Mängel wie etwa Lackschäden bezeichne. Auf seine Nachfrage, was es mit dem angegebenen Transportschaden auf sich habe, habe ein Verkaufsmitarbeiter der Beklagten ihm erklärt, dass die Heckscheibe und die Stoßstange ausgetauscht worden seien; außerdem weise ein Kotflügel zwei Beulen auf. Der Kläger sieht darin eine unzulässige Verharmlosung des tatsächlichen Schadensumfangs und fühlt sich von der Beklagen arglistig getäuscht.
Die Beklagte ist dem Vorwurf einer arglistigen Täuschung mit Nachdruck entgegengetreten. Sie hat darauf verwiesen, dass dem Kläger der „Transportschaden“ vor Abschluss des Kaufvertrags bekannt gewesen sei. Dieser Schaden habe sich hinsichtlich des Kaufpreises deutlich zugunsten des Klägers ausgewirkt, der „explizit Wert auf den Ankauf dieses verunfallten Fahrzeugs“ gelegt habe. Der Pkw habe beim Transport vom Herstellerwerk einen Schaden erlitten, der korrekt als „Transportschaden“ bezeichnet worden sei. Ein diesezüglich im Auftrag der Fahrzeugherstellerin erstelltes Sachverständigengutachten habe sie, die Beklagte, nicht erhalten. Sie habe das Fahrzeug im beschädigten Zustand von der Adam Opel AG erworben, fachmännisch repariert und circa ein halbes Jahr lang als Vorführwagen genutzt.
Hilfsweise hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme als unbegründet abgewiesen. Es hat gemeint, dass von einer arglistigen Täuschung nach den gesamten Umständen nicht ausgegangen werden könne. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass die Beklagte den „Transportschaden“ verharmlost habe.
Die dagegen gerichtete Berufung des Kläger, der damit im Wesentlichen sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgte, hatte nach einer Beweisaufnahme zu Art und Umfang der angeblichen Beschädigungen Erfolg. Der vom Berufungsgericht beauftragte Sachverständige hat zusammengefasst ausgeführt:
„Bei der Untersuchung … wurde festgestellt, dass anlässlich des in Rede stehenden Transportschadens mit hoher Sicherheit die Dachbeplankung, der hintere Dachrahmen, die Heckscheibe und der Heckdeckel erneuert wurden. Darüber hinaus müssen hierbei auch die beiden oberen Ausläufe der hinteren Seitenwände beschädigt, wahrscheinlich auch die Innenverkleidung der C-Säule verschrammt worden sein.“
Hinzugefügt hat der Sachverständige:
„Die erforderlichen Arbeiten wurden teilweise unsachgemäß ausgeführt, sodass es im Laufe der Zeit zu einer starken Korrosionsbildung im hinteren Dachbereich gekommen ist und sich die Lackierung an- bzw. abgelöst hatte.“
Aus den Gründen: Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Es hat zu hohe Anforderungen an den Vortrag zu einer arglistigen Täuschung i. S. von § 463 Satz 2, §§ 476, 477 I 1 BGB a.F. gestellt. Dabei ist es dem Sachvortrag des Klägers und dem Inhalt der Kaufvertragsurkunde, hier insbesondere den Eintragungen in der Rubrik „Sonstige Vereinbarungen“, nicht immer gerecht geworden; zum Teil hat es auch falsche Schlüsse gezogen.
Der Senat hat die notwendige Beweisaufnahme nachgeholt. Sie führt zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf des Klägers, arglistig getäuscht worden zu sein, im Kern berechtigt ist. Infolgedessen steht ihm trotz des seinerzeit an sich zulässigen Gewährleistungsausschlusses ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu (§§ 459 ff. BGB a.F.). Der Gewährleistungsausschluss ist gemäß § 476 BGB a.F. unbeachtlich. Die Verjährungseinrede der Beklagten scheitert gleichfalls wegen arglistiger Täuschung (vgl. § 477 I 1 BGB a.F.). Es liegt auch kein Fall der Verwirkung vor, obgleich der Kläger den Pkw relativ lange und intensiv genutzt hat.
1. Die Beklagte hat den Kläger dadurch im Sinne der vorgenannten Vorschriften des früheren Kaufrechts getäuscht, dass sie ihm das wahre Ausmaß des „Transportschadens“ verschwiegen hat. Allein durch den Hinweis im Bestellschein „Fahrzeug hatte Transportschaden hinten“ hat sie ihre Aufklärungspflicht, an die gerade bei einem jüngeren Gebrauchtwagen grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht erfüllt.
a) Ohne zusätzliche Erläuterung ist bei verständiger Auslegung des Begriffs „Transportschaden“ als eine Beschädigung zu verstehen, die das Fahrzeug während des Transports erlitten hat. Zum Transport gehört dabei nicht nur die eigentliche Fahrt, sondern auch das Auf- und Abladen. Dass ein Pkw bei diesen Vorgängen auf vielfältige Weise und in ganz unterschiedlichem Ausmaß beschädigt werden kann, liegt auf der Hand. Die Bandbreite reicht von leichten Kratzern und Beulen bis hin zu gravierenden Einwirkungen auf die gesamte Karosserie, etwa beim Herunterfallen des Fahrzeugs vom Transportwagen. So gesehen ist der Begriff „Transportschaden“ ähnlich wie die Ausdrücke „Unfallschaden“ oder „Unfallwagen“ vieldeutig und deshalb missverständlich. Ohne Zusatzinformationen kann und darf ein durchschnittlicher privater Gebrauchtwagenkäufer davon ausgehen, dass es sich bei einem mitgeteilten „Transportschaden“ um eine eher leichte bis mittlere Beschädigung handelt. Mit schweren und schwersten Beschädigungen muss er ohne Weiteres nicht rechnen.
b) Ob und inwieweit der Kläger Zusatzinformationen erhalten hat, die ihn über das wahre Ausmaß des „Transportschadens“ ins richtige Bild gesetzt haben, kann der Senat nicht feststellen.
In der Kaufvertragsurkunde finden sich zwar unter der Überschrift „Sonstige Vereinbarungen“ nähere Angaben zu Beschädigungen und deren Beseitigung. Angesprochen sind der Stoßfänger hinten, die Tür hinten links und der Stoßfänger vorne links. Schon die Tatsache, dass in all diesen Bereichen Aus- und Nachbesserungen von der Beklagten zugesagt werden, also nicht bereits ausgeführt worden sind, deutet darauf hin, dass es hier nicht um Beschädigungen geht, die mit dem im oberen Teil des Bestellscheins notierten „Transportschaden“ etwas zu tun haben. Jedenfalls hätte dies schon im ersten Rechtszug hinterfragt werden müssen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zu diesem Punkt näher vorgetragen. Die Beschädigungen an der Tür hinten und an der Stoßstange vorne bringt sie mit „leichtesten Parkremplern“ auf dem Firmenparkplatz in Verbindung, also mit Vorgängen, die mit dem Transport des Opel Vectra vom Hersteller zum Firmengelände der Beklagten nichts zu tun haben. Das macht umso mehr Sinn, als die Beklagte sich darauf beruft, den „Transportschaden“ fachmännisch repariert zu haben (Schriftsatz vom 28.03.2006, S. 2). Da sie das Fahrzeug als Vorführwagen benutzt hat, dürfte in der Tat von einer zumindest optisch vollständigen Instandsetzung auszugehen sein. Damit bleiben als urkundlich belegte Erläuterungshinweise nur die Notizen bezüglich des hinteren Stoßfängers und des Dachhimmels hinten. Der hintere Stoßfänger sollte noch lackiert werden. Ob am Dachhimmel etwas instand gesetzt werden sollte oder ob die diesbezügliche Information in der Rubrik „Sonstige Vereinbarungen“ auf eine bereits abgeschlossene Instandsetzung hinweist, wird nicht deutlich, ist aber im Kontext verstanden wohl als eine noch zu erledigende Arbeit zu deuten.
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten in diesen beiden Punkten von einer Konkretisierung des offenbarten „Transportschadens“ ausgeht, bleibt es bei einer Irreführung des Klägers in Form einer Verharmlosung des wahren Schadenumfangs.
Nun hat der Kläger allerdings selbst vorgetragen, im Rahmen der Vertragsverhandlungen sei ihm von einem Angestellten der Beklagten auf Nachfrage, was er unter „den angegebenen Transportschäden“ zu verstehen habe, erklärt worden, dass die Heckscheibe gewechselt worden sei, zwei Beulen im Kotflügel vorhanden seien und die Stoßstange gleichfalls gewechselt worden sei (Klageschrift, S. 3 unten). Doch auch unter Berücksichtigung dieser Zusatzinformationen bleibt es bei einer unzulässigen Bagatellisierung.
Die Irreführung des Klägers wird durch die Teilhinweise des Verkaufsangestellten sogar noch verstärkt. Denn nunmehr durfte der Kläger sich sagen, dass weitere Beschädigungen bzw. Reparaturen als die konkret bezeichneten nicht vorhanden sind. Diese Annahme war ein Trugschluss. Denn in Wirklichkeit war der „Transportschaden“ von sehr viel größerem Umfang und Gewicht. Daran hat der Senat nach dem Gutachten des Sachverständigen S keinen Zweifel. Auf die bereits oben mitgeteilte Schadensbeschreibung im Gutachten wird Bezug genommen. Von Bedeutung ist für den Senat dabei insbesondere, dass das Dach des Opel Vectra bei dem „Transportschaden“ erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Denn der Sachverständige hat festgestellt, dass die Dachbeplankung und der hintere Dachrahmen erneuert wurden. Beides stelle, so der Sachverständige weiter, einen größeren Eingriff in den Verbund einer selbsttragenden Karosserie dar. Auf eine derartige Beschädigung des Dachs ist der Kläger weder ausdrücklich noch anderweitig hingewiesen worden. Es verstand sich auch nicht von selbst, dass die ihm mündlich offenbarte Auswechselung der Heckscheibe mit einem „Dachschaden“ verbunden war. Dies umso weniger, als die Angabe im Kaufvertrag, der „Transportschaden“ sei „hinten“, auf eine Beschädigung im Heckbereich schließen ließ.
c) Auch den subjektiven Tatbestand der arglistigen Täuschung sieht der Senat als erfüllt an. Die Beklagte bzw. ihr Verkaufsberater hat arglistig i. S. von § 463 Satz 2, §§ 476, 477 I 1 BGB a.F. gehandelt. Der Beklagten war das volle Ausmaß des „Transportschadens“ bekannt. Sie hat ihn ihrem eigenen Vortrag nach selbst beseitigt. Dass sie das Schadensgutachten des Versicherungssachverständigen nicht erhalten hat, kann sie nicht entlasten. Der Vorwurf der bedingt vorsätzlichen Täuschung wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sie dem Kläger wegen des „Transportschadens“ einen erheblichen Preisnachlass gewährt hat. In welcher Größenordnung dies der Fall war, wird nicht offengelegt. Schon deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob die Größe des Nachlasses ein die Beklagte entlastendes Indiz ist. Der Kläger hat dazu vorgetragen, das Fahrzeug bzw. den Preis nicht als günstig angesehen zu haben. Den vereinbarten Kaufpreis hätte er keinesfalls gezahlt, falls er das wahre Ausmaß der Beschädigungen gekannt hätte. Nach der Überzeugung des Senats hat die Beklagte zumindest damit gerechnet, dass der Kläger bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Wagen entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu dem vereinbarten Preis kaufen wird. Insoweit streitet zugunsten des Klägers eine tatsächliche Vermutung.
2. Nach alledem ist die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrags verpflichtet.
Da der in Zahlung gegebene Altwagen nicht mehr zurückgegeben werden kann, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn der Kläger den Gesamtkaufpreis von 29.350 DM (= 15.006,42 €) als Ausgangswert für seine Zahlungsklage nimmt. Einen geringeren Ausgangsbetrag anzusetzen, sieht der Senat keine Handhabe. Dies umso weniger, als die Beklagte dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes einstandspflichtig ist.
Der Kläger lässt sich für die von ihm gefahrenen Kilometer einen Abzug von 7.038,01 € anrechnen. Seine Berechnung in der Berufungsbegründung vom 09.01.2006 geht von einer gegenwärtigen Laufleistung in Höhe von 70.000 km aus. Inzwischen, so der Kläger, sei eine Gesamtlaufleistung von 74.000 km erreicht. Bei einer Fahrleistung im Augenblick der Übergabe von 4.500 km sind demnach rund 70.000 Fahrkilometer zu vergüten. Die Berechnung der Nutzungsvergütung durch den Kläger ist für die Beklagte günstig. Ein höherer Abzug ist keinesfalls gerechtfertigt. Er wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
Der Eigenschaden des Klägers – Beschädigung vom 06.12.2000 – schließt den Rückabwicklungsanspruch weder ganz noch teilweise aus. Der Kläger hat den Umfang der Beschädigung durch zwei Farbfotos belegt. Hiernach handelt es sich um einen leichten Schaden im Bereich des vorderen Stoßfängers, der ausweislich des Fotos Nr. 1 zum Gutachten des Sachverständigen S behoben ist. Laut Gutachten ist dieses Bauteil zwischenzeitlich erneuert worden. Damit besteht kein Grund zur Kürzung der Klageforderung.
Soweit es um die vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Anwaltskosten geht, ist die Beklagte dieser Position nicht entgegengetreten. Auch gegen den schlüssigen Zinsanspruch hat sie sich nicht zur Wehr gesetzt.
3. Nach allem war der Klage … stattzugeben. Die mit Rücksicht auf die während des Rechtsstreits zurückgelegte Fahrstrecke vorgenommene Ermäßigung der Klageforderung rechtfertigt es nicht, der Beklagten einen Teil der erstinstanzlichen Kostenlast abzunehmen. …