1. Ob der Rücktritt des Käufers wegen eines Mangels der Kaufsache nach § 218 I 1, 2 BGB wirksam ist, hängt davon ab, ob der Rücktritt erklärt wird, bevor der – bestehende oder hypothetische – Nacherfüllungsanspruch des Käufers verjährt ist. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährschuldverhältnis kommt es nicht an.
  2. Ansprüche des Käufers aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährschuldverhältnis unterliegen nicht der Verjährung nach § 438 I, II BGB, sondern der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB.

OLG Koblenz, Urteil vom 09.02.2006 – 5 U 1452/05

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer schriftlichen Bestellung vom 13.08.2003 einen gebrauchten Pkw zum Preis von 9.000 €. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die in den Kaufvertrag einbezogen wurden, ist geregelt, dass Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels in einem Jahr ab Übergabe des Kaufgegenstandes verjähren. Ergänzend dazu garantierte die Beklagte für zwölf Monate die Mangelfreiheit des Pkw.

Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 18.08.2003 übergeben. Zuvor hatte es die Beklagte mit einem neuen Umdrehungssensor ausgerüstet, nachdem während einer vor Vertragsschluss durchgeführten Probefahrt der Tachometer ausgefallen war.

Dieses Problem wurde durch den Austausch des Sensors allerdings nicht dauerhaft behoben, weshalb im Juli 2004 der Sensor in einer Werkstatt, die die Beklagte dem Kläger genannt hatte, abermals ausgetauscht wurde. Auch dieser Austausch brachte jedoch keinen bleibenden Erfolg. Eine nachhaltige Reparatur war nach Auffassung der Werkstattmitarbeiter vielmehr nur durch eine Erneuerung des ABS-Steuergerätes zu erreichen. Die Kosten dafür wurden mit 823,05 € veranschlagt; davon wollte die Beklagte aber lediglich 300 € übernehmen.

Der Kläger erklärte deshalb mit anwaltlichem Schreiben vom 20.09.2004 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat er die Beklagte, Zug um Zug gegen die Überlassung des Fahrzeugs, auf Erstattung des um eine Nutzungsentschädigung von 1.713,57 € verminderten Kaufpreises nebst Zinsen in Anspruch genommen. Außerdem hat der Kläger beantragt, den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen und diese zu verurteilen, ihm – jeweils nebst Zinsen – die Kosten für den im Juli 2004 vorgenommen Sensoraustausch (68,58 €) sowie seine vorprozessualen Anwaltskosten (333,85 €) zu ersetzen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede hat durchgreifen lassen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte ganz überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage hat überwiegend Erfolg.

1. Das Landgericht hat aufgrund der Aussage des Zeugen E festgestellt, dass das vom Kläger gekaufte Auto im Zeitpunkt seiner Übergabe mit einem Sachmangel (§ 434 I 1 BGB) behaftet war, weil der Tachometer, der von der Beklagten vereinbarungsgemäß vorab hätte instand gesetzt werden sollen, nicht dauerhaft funktionierte, sondern alsbald wieder ausfiel. Diese Feststellung begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Wenn sich der Kläger mit dem Defekt, wie aus den Bekundungen Es zu entnehmen ist, zunächst längerfristig mehr oder weniger zu arrangieren versuchte, ist das nicht in einer Weise abwegig, dass die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage dadurch entscheidend erschüttert wird.

Im Hinblick darauf konnte der Kläger Nacherfüllung beanspruchen (§ 439 I BGB), sodass die Beklagte nach seiner Wahl verpflichtet war, den Mangel zu beseitigen oder ein mangelfreies Ersatzfahrzeug zu liefern. Dem hat sich die Beklagte jedoch verweigert. Sie war lediglich gewillt, dem Kläger einen Betrag von 300 € zur Verfügung zu stellen. Deshalb war der Kläger befugt, von dem Kaufvertrag zurückzutreten (§§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 323 BGB), wie dies mit Schreiben vom 20.09.2004 geschehen ist.

In der Folge schuldet die Beklagte die Erstattung des von ihr empfangenen Kaufpreises, während der Kläger im Gegenzug (§ 348 BGB) den Pkw zurückgeben muss (§ 346 I BGB). Außerdem hat der Kläger die gezogenen Nutzungen – ohne Rücksicht auf § 346 III BGB(MünchKomm-BGB/Gaier, 4. Aufl. [2003], § 346 Rn. 50) – zu vergüten, wozu er sich im Rahmen einer Saldierung bereitgefunden hat.

Dafür sind, ausgehend von dem vereinbarten Kaufpreis von 9.000 € und einer im Zeitpunkt des Kaufs prognostischen Restlaufzeit des Autos von 100.000 km, 0,09 € je gefahrenen Kilometer anzusetzen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 04.12.1998 – 10 U 1393/97, NJW-RR 1999, 702; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 346 Rn. 10). Auf dieser Grundlage gelangt man – über den insoweit vom Kläger konzedierten Betrag hinaus – bei einer unstreitigen Fahrstrecke von 28.716 km zu einem Abzugsposten von 2.584,44 €, sodass eine Rückgewährforderung von 6.415,56 € verbleibt. Diese Forderung ist im Hinblick auf die in dem anwaltlichen Schreiben des Klägers vom 20.09.2004 gesetzte Zahlungsfrist seit dem 29.09.2004 gesetzlich zu verzinsen (§§ 286 I 1, 288 I BGB).

Der Vertragsrücktritt des Klägers war nicht etwa gemäß §§ 438 IV 1, 218 I 1 BGB hinfällig. Er erfolgte nämlich zu einer Zeit, als der Nacherfüllungsanspruch nicht verjährt war. Die – wirksam auf ein Jahr beschränkte (§ 475 II BGB) – Verjährungsfrist begann am 18.08.2003 mit der Übergabe des Pkw an den Kläger und wurde sodann im Juli 2004 gehemmt, als der Kläger gegenüber der Beklagten den Ausfall des Tachometers monierte und diese ihn an eine Werkstatt verwies (§ 203 Satz 1 BGB). Die Hemmung wird nicht deshalb infrage gestellt, weil der Kläger weder die Lieferung eines anderen Fahrzeugs noch eine Reparatur unmittelbar durch die Beklagte verlangte. Es reichte hin, dass die Parteien in einen Meinungsaustausch über den vorhandenen Mangel eintraten, aufgrund dessen der Eindruck entstehen musste, die Beklagte verweigere sich in der Sache noch nicht endgültig (Staudinger/Peters, BGB, Neubearb. 2004, § 203 Rn. 7, 14). Das ist geschehen, indem der Kläger eine Rüge erhob und die Beklagte dies nicht abtat, sondern eine Prüfung durch einen Fachbetrieb anregte. Wie lange die Hemmung andauerte, ist für den hiesigen Anspruch ohne Belang. Auch wenn sie sogleich geendet haben sollte (vgl. dazu indessen unter 4.), konnte der Nacherfüllungsanspruch des Klägers frühestens drei Monate später verjähren (§ 203 Satz 2 BGB), sodass der Rücktritt in jedem Fall in unverjährter Zeit erklärt wurde.

Der aus dem Rücktritt erwachsene Erstattungsanspruch des Klägers unterliegt, beginnend mit dem Ende des Jahres 2003, der dreijährigen Regelverjährung der §§ 195, 199 I BGB und entzieht sich deshalb dem von der Beklagten geltend gemachten Verjährungseinwand. Das gilt auch dann, wenn ein Nacherfüllungsanspruch des Klägers jetzt wegen Verjährung nicht mehr würde durchgesetzt werden können (MünchKomm-BGB/Grothe, BGB, 4. Aufl. [2003], § 218 Rn. 4; Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 218 Rn. 7; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 425; MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl. [2004], § 438 Rn. 4; a. A. Staudinger/Peters,  a. a. O., § 218 Rn. 6; Wagner, ZIP 2002, 789 [791 f.]). Denn die Vorschrift des § 218 Satz 1 BGB ist so ausgestaltet, dass die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs lediglich die Wirkungen einer Rücktrittserklärung beeinflusst. Dagegen bleiben die Rechtsfolgen, die sich aus einem wirksam erklärten Rücktritt ergeben, und damit auch die Regelverjährung der Rückgewähransprüche unberührt. Ob das stets praktisch sinnvoll ist, hat angesichts der klaren gesetzlichen Entscheidung außer Acht zu bleiben.

2. Da der – um die gezogenen Nutzungen geminderte – Kaufpreiserstattungsanspruch des Klägers Zug um Zug gegen die Rückgabe des Pkw zu erfüllen ist, hat der Kläger ein in §§ 756, 765 ZPO begründetes rechtliches Interesse (§ 256 I ZPO), insoweit den Annahmeverzug der Beklagten feststellen zu lassen. Seinem dahin gehenden Antrag ist zu entsprechen. Die Verzugsvoraussetzungen liegen jedenfalls deshalb vor, weil die Beklagte zur Erfüllung der streitigen Zahlungsforderung, in deren Gegenzug die Überlassung des Autos angeboten worden ist (§ 298 BGB), nicht bereit ist.

3. Der auf eine Ersatzleistung von 68,58 € nebst Zinsen bezogene Klageanspruch dringt nicht durch. Er ist auf die Tragung der Kosten gerichtet, die der Sensoraustausch vom Juli 2004 verursacht hat. Dafür hat die Beklagte jedoch nicht aufzukommen. Dass sie, wie der Kläger behauptet, eine Einstandszusage gemacht hätte, ist nicht bewiesen; der Zeuge E konnte zu diesem Punkt nichts Ergiebiges mitteilen. Auch §§ 437 Nr. 3, 440 Satz 1, 281 I 1 BGB tragen die vom Kläger erhobene Forderung nicht. Denn bei den streitigen Kosten geht es nicht um den Ausgleich von Aufwendungen, die erforderlich waren, um eine von der Beklagten geschuldete und verweigerte Mängelbeseitigung (§ 439 I BGB) vorzunehmen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass die entscheidende Ursache für den wiederkehrenden Ausfall des Tachometers in einem Defekt am ABS-Steuergerät gelegen habe und dass es deshalb notwendig gewesen sei, dieses zu ersetzen. Das habe man auch schon im Juli 2004 erkannt. Wenn dann gleichwohl der Umdrehungssensor ausgetauscht und damit zu einer letztlich untauglichen Maßnahme gegriffen worden sei, beruhe das darauf, dass man in der Werkstatt nicht über das erforderliche neue ABS-Steuergerät verfügt habe.

Auf diese Weise wurde eine Reparatur durchgeführt, die ungeeignet war und überflüssige Kosten verursachte. Dafür braucht die Beklagte nicht zu haften. Insofern kann auf sich beruhen, ob ihre Inanspruchnahme nicht auch aus Verjährungsgründen ausscheiden müsste (vgl. dazu sogleich unter 4.).

4. Das Verlangen des Klägers nach Übernahme vorprozessualer Anwaltskosten scheitert jedenfalls an der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. Es hat seine Grundlage in einem möglichen Verzugsschadensersatzanspruch gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I und II BGB, der darauf zurückgeht, dass die Beklagte die Erfüllung einer Nacherfüllungspflicht (§ 439 I BGB) verweigerte und der Kläger daraufhin anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm. Dieser Anspruch verjährte, bedingt durch die vertraglich wirksam (§ 475 II BGB) vereinbarte Verkürzung der zweijährigen Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB, in einem Jahr.

Die Verjährungsfrist, die am 18.08.2003 mit der Übergabe des Pkw an den Kläger begann, wurde zwar – wie bereits dargelegt (oben 1.) – im Juli 2004 wegen der seinerzeit geführten Verhandlungen gehemmt. Aber die damals einsetzenden Verhandlungen waren spätestens mit Ablauf des Oktober 2004 beendet, sodass die Verjährungsfrist nach drei weiteren Monaten (§ 203 Satz 2 BGB) und damit Ende Januar 2005 verstrichen war. Eine erneute Hemmung durch die erst nachfolgende Klageeinreichung war also nicht möglich.

Die Parteien hatten, nachdem der Kläger in dem anwaltlichen Schreiben vom 20.09.2004 die Rückabwicklung des Kaufvertrags und dabei die Rückzahlung von 9.000 € gefordert hatte, letztmals unter dem 28.09.2004 miteinander korrespondiert, als die Beklagte das Verlangen des Klägers zurückwies und lediglich eine Leistung von 300 € anbot. Abschließend teilte sie dabei mit:

„Für den Fall, dass Sie diesem Vorschlag zu einer gütlichen Einigung nicht zustimmen, stellen wir Ihnen anheim, das Risiko eines Prozesses auf sich zu nehmen.“

Da der Kläger in der Folge schwieg, musste die Beklagte den Eindruck erlangen, dass er dauerhaft auf seinem Standpunkt beharrte. Die definitive Stellungnahme der Beklagten hätte eine zumindest ansatzweise positive Reaktion des Klägers jedenfalls binnen eines Monats erfordert, damit von einem Fortgang der Verhandlungen hätte die Rede sein können. Deshalb waren die Verhandlungen mit Ablauf dieser Zeitspanne beendet (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 203 Rn. 4; Staudinger/Peters, a. a. O. § 203 Rn. 13), sodass die Verjährungsfrist weiterlief und vor Einreichung der Klage vollendet war.

5. Nach alledem hat die Berufung des Klägers und mit ihr die Klage insoweit Erfolg, als es um die Rückabwicklung des Kaufvertrags – unter Erstattung eines Betrags von 6.415,56 € durch die Beklagte – und das unterstützende Feststellungsbegehren des Klägers geht. Im Übrigen verbleibt es bei dem abweisenden Ausspruch des Landgerichts …

Die Revision wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO erfüllt sind. Die entscheidungserhebliche Frage, ob ein Kaufvertrag auf der Grundlage eines Rücktritts, den der Käufer innerhalb der Mängelgewährleistungsfrist erklärt, trotz der Verjährungseinrede des Verkäufers auch noch nach Ablauf der Mängelgewährleistungsfrist durchgesetzt werden kann, ist bisher – soweit ersichtlich – obergerichtlich noch nicht entschieden und von allgemeiner Bedeutung …

Hinweis: Der BGH hat nach dem Erlass dieses Urteils entschieden, dass es für die Rechtzeitigkeit des Rücktritts darauf ankommt, dass der Rücktritt erklärt wird, bevor der (hypothetische) Nacherfüllungsanspruch des Käufers verjährt ist. Maßgebend ist also, wann das Rücktrittsrecht ausgeübt wird. Unerheblich ist demgegenüber, wann Ansprüchen aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährschuldverhältnis gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05; Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06). Außerdem unterliegen Ansprüche des Käufers aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährschuldverhältnis nach der Rechtsprechung des BGH nicht der Verjährung nach § 438 I, II BGB, sondern der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06).

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