1. Ein An­ge­stell­ter ei­nes Kfz-Händ­lers darf Fahr­zeu­ge aus dem Be­stand des Händ­lers re­gel­mä­ßig nur ge­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses ver­äu­ßern. Er ist ty­pi­scher­wei­se nicht – auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt des § 56 HGB – er­mäch­tigt, ein Fahr­zeug zu über­eig­nen, oh­ne dass die Zah­lung des Kauf­prei­ses zu­min­dest si­cher­ge­stellt ist. Des­halb kommt ein Fahr­zeug, das der An­ge­stell­te weg­gibt, ob­wohl we­der der Kauf­preis ge­zahlt noch die Kauf­preis­zah­lung si­cher­ge­stellt ist, dem Händ­ler i. S. von § 935 I BGB ab­han­den.
  2. Stellt ein Kfz-Händ­ler ei­nem (ver­meint­li­chen) Kauf­in­ter­es­sen­ten ein Fahr­zeug für ei­ne Pro­be­fahrt zur Ver­fü­gung, so wird da­durch kein Leih­ver­hält­nis zwi­schen dem Händ­ler und dem Kauf­in­ter­es­sen­ten be­grün­det.

OLG Bre­men, Ur­teil vom 14.09.2005 – 1 U 50/05

Sach­ver­halt: Bei der Klä­ge­rin, die un­ter an­de­rem mit Ge­braucht­fahr­zeu­gen han­delt, war V als Ver­käu­fer an­ge­stellt. Er gab ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen aus dem Be­stand der Klä­ge­rin an den Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N wei­ter. Ei­nes die­ser Fahr­zeu­ge – ei­nen BMW 540i – er­warb der Be­klag­te, der eben­falls Ge­braucht­wa­gen­händ­ler ist, von dem Au­to­mo­bil­kauf­mann A. Der Pkw wur­de an­schlie­ßend von der Staats­an­walt­schaft Bre­men be­schlag­nahmt.

Im vor­lie­gen­den Rechts­streit hat die Klä­ge­rin das Ei­gen­tum an dem BMW 540i für sich re­kla­miert und den Be­klag­ten zu­nächst auf Zu­stim­mung zur Auf­he­bung der Si­cher­stel­lung des Fahr­zeugs in An­spruch ge­nom­men. Im Lau­fe des Rechts­streits ha­ben sich die Par­tei­en dar­auf ge­ei­nigt, den Pkw zu ver­stei­gern und den Er­lös (8.500 &eu­ro) zum Ge­gen­stand des Rechts­streits zu ma­chen. Dem­entspre­chend hat die Klä­ge­rin von dem Be­klag­ten zu­letzt die Zah­lung von 8.500 € nebst Zin­sen be­gehrt. Sie hat ge­meint, der Be­klag­te ha­be ent­ge­gen sei­ner Auf­fas­sung das Ei­gen­tum an dem BMW 540i nicht gut­gläu­big er­wer­ben kön­nen, weil V es im Zu­sam­men­wir­ken mit N durch straf­ba­re Hand­lung aus ih­rem – der Klä­ge­rin – Be­sitz ge­bracht ha­be.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten, der da­mit sei­nen An­trag auf Klag­ab­wei­sung wei­ter­ver­folg­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Die zu­läs­si­ge Be­ru­fung des Be­klag­ten ist un­be­grün­det. Das land­ge­richt­li­che Ur­teil trifft auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Be­ru­fungs­vor­brin­gens des Be­klag­ten zu.

1. Dies gilt zu­nächst für den recht­li­chen Aus­gangs­punkt der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung. Zu Recht sieht das Land­ge­richt die Vor­schrift des § 935 I BGB als ent­schei­dungs­er­heb­li­che Norm an, wo­nach ein gut­gläu­bi­ger Er­werb von ab­han­den­ge­kom­me­nen Sa­chen nicht statt­fin­det. Ei­ne Sa­che ist ab­han­den­ge­kom­men, wenn der Ei­gen­tü­mer den un­mit­tel­ba­ren Be­sitz oh­ne sei­nen Wil­len ver­lo­ren hat (Pa­landt/Bas­sen­ge, BGB, 64. Aufl. [2005], § 935 Rn. 3 m. w. Nachw.). Für den Fall, dass ein Be­sitz­die­ner für ei­nen Be­sitz­herrn be­sitzt, liegt ein un­frei­wil­li­ger Be­sitz­ver­lust des Be­sitz­herrn vor, wenn der Be­sitz­die­ner die Sa­che oh­ne des­sen Wil­len oder un­ter Ver­stoß ge­gen Wei­sun­gen des Be­sitz­herrn un­ter­schlägt bzw. weg­gibt (Nachw. bei Pa­landt/Bas­sen­ge, a. a. O., § 935 Rn. 8). Al­ler­dings ist in ei­nem sol­chen Fall der Er­wer­ber nach Maß­ga­be des § 56 HGB ge­schützt (Pa­landt/Bas­sen­ge, a. a. O., § 935 Rn. 8).

Nach § 56 HGB ist der­je­ni­ge, der in ei­nem La­den oder in ei­nem of­fe­nen Wa­ren­la­ger an­ge­stellt ist, als er­mäch­tigt an­zu­se­hen zu Ver­käu­fen und Emp­fang­nah­men, die in ei­nem der­ar­ti­gen La­den oder Wa­ren­la­ger ge­wöhn­lich ge­sche­hen. Bei der Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob ein Ver­kauf i. S. des § 56 HGB „in ei­nem der­ar­ti­gen La­den ge­wöhn­lich” ge­schieht, ist ab­zu­stel­len auf das Ge­schäft an sich, al­so den Ge­schäfts­typ, wie auch auf den kon­kre­ten In­halt des Ge­schäfts (z. B. Ra­batt­ge­wäh­rung, Zu­si­che­rung); es kommt in­so­weit auf die Bran­chen­üb­lich­keit in ver­gleich­ba­ren Ge­schäfts­lo­ka­len an (Roth, in: Kol­ler/Roth/Morck, HGB, 4. Aufl. [2003], § 56 Rn. 10; K. Schmidt, Han­dels­recht, 4. Aufl. [1994], S. 605 f.; Münch­Komm-HGB/Lieb/Krebs, 1996, § 56 Rn. 22, 28).

Das Land­ge­richt hat auch in­so­weit zu­tref­fend er­kannt, dass dann, wenn ob­jek­tiv kei­ne Ver­tre­tungs­macht nach § 56 HGB vor­liegt, ein Ei­gen­tums­er­werb durch den Er­wer­ber aus­ge­schlos­sen ist, wenn er bös­gläu­big ist, wo­bei Kennt­nis oder fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis des Er­wer­bers scha­den; nach herr­schen­der Auf­fas­sung wird in­so­weit § 54 III HGB ana­log her­an­ge­zo­gen (Münch­Komm-HGB/Lieb/Krebs, a. a. O., § 56 Rn. 32). Für die Ent­schei­dung des vor­lie­gen­den Fal­les kann des­halb da­hin­ste­hen, ob der Be­klag­te im Jahr 2002 von dem Au­to­mo­bil­kauf­mann A den Pkw BMW 540i gut­gläu­big er­wor­ben hat, wenn schon ein Er­werb des ge­nann­ten Pkw durch den Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N von der Klä­ge­rin an der Vor­schrift des § 935 I BGB i. V. mit § 56 HGB schei­tert.

Eben­dies ist – in Über­ein­stim­mung mit der land­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung – bei dem vor­lie­gend zu be­ur­tei­len­den Sach­ver­halt zu be­ja­hen, und zwar aus fol­gen­den Grün­den:

2. Un­strei­tig war der Zeu­ge V im Herbst 2002 als La­den­an­ge­stell­ter i. S. des § 56 HGB bei der Klä­ge­rin an­ge­stellt. In die­ser Ei­gen­schaft hat er über den Pkw BMW 540i ver­fügt. Nach der über­zeu­gen­den und von dem Be­klag­ten im Üb­ri­gen nicht an­ge­grif­fe­nen Aus­sa­ge des Zeu­gen S war der Zeu­ge V zum Ver­kauf und zur Über­eig­nung der im Be­sitz der Klä­ge­rin be­find­li­chen Fahr­zeu­ge ein­schließ­lich der Fahr­zeug­pa­pie­re nur ge­gen Be­zah­lung be­rech­tigt, wo­bei die Be­zah­lung bar oder per Scheck er­fol­gen durf­te.

Al­lein ei­ne solch ein­ge­schränk­te Be­fug­nis (Über­eig­nung nur ge­gen Be­zah­lung) ent­sprach – wie das Land­ge­richt zu­tref­fend aus­ge­führt hat – auch der Stel­lung des Zeu­gen V als La­den­an­ge­stell­ter i. S. des § 56 HGB. Zu Recht hat des­halb das Land­ge­richt aus­ge­führt, dass der Zeu­ge V kei­ne Voll­macht be­ses­sen ha­be, Pkw nebst ent­spre­chen­den Fahr­zeug­brie­fen oh­ne Zah­lung des Kauf­prei­ses oder je­den­falls oh­ne Ab­si­che­rung des Kauf­prei­ses zu über­eig­nen.

Die­ser ein­ge­schränk­te Um­fang der Voll­macht des Zeu­gen V ist im Üb­ri­gen im Be­ru­fungs­rechts­zug un­strei­tig. Der Be­klag­te wen­det in­so­weit le­dig­lich ein, der Zeu­ge V sei be­rech­tigt ge­we­sen, die im Be­sitz der Klä­ge­rin be­find­li­chen Fahr­zeu­ge für Vor­führ- oder Pro­be­fahr­ten an In­ter­es­sen­ten aus­zu­lei­hen, be­haup­tet je­doch selbst nicht, dass der Zeu­ge V zur Über­eig­nung der Fahr­zeu­ge nebst Fahr­zeug­brie­fen oh­ne Zah­lung des Kauf­prei­ses be­fugt ge­we­sen sei.

Ei­ne wei­ter­ge­hen­de Be­fug­nis ei­nes La­den­an­ge­stell­ten wä­re über­dies auch völ­lig bran­chen­un­ty­pisch. Dass ein La­den­an­ge­stell­ter in ei­nem Kfz-Han­dels­ge­schäft ty­pi­scher­wei­se be­fugt ist, Fahr­zeu­ge aus dem Be­sitz sei­nes Be­sitz­herrn an In­ter­es­sen­ten zu über­eig­nen, oh­ne dass die Kauf­preis­zah­lung si­cher­ge­stellt ist, ent­spricht – was im Üb­ri­gen un­strei­tig ist – nicht den Usan­cen der Bran­che.

Der Zeu­ge V war mit­hin auch un­ter dem Ge­sichts­punkt des § 56 HGB ob­jek­tiv nicht zum Ver­kauf und zur Über­eig­nung des im Be­sitz der Klä­ge­rin be­find­li­chen Pkw BMW 540i an den Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N be­rech­tigt, so­fern nicht die Be­zah­lung des Pkw si­cher­ge­stellt war.

Der Ne­benin­ter­ve­ni­ent N hat auch nicht gut­gläu­big Ei­gen­tum an dem Pkw BMW 540i er­wor­ben. Viel­mehr war er bei dem Er­werb des Ei­gen­tums bös­gläu­big, weil er ge­wusst hat oder zu­min­dest hät­te wis­sen müs­sen, dass die Mo­da­li­tä­ten des Er­werbs nicht üb­lich wa­ren. Dies er­gibt sich aus fol­gen­den Um­stän­den:

Wie der Zeu­ge V selbst aus­drück­lich vor dem Land­ge­richt als Zeu­ge be­kun­det hat, hat er selbst hand­schrift­lich den Text auf dem For­mu­lar der „Ver­bind­li­chen Be­stel­lung ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs“ – da­tiert auf den 25.07.2002 – ge­schrie­ben. Aus­weis­lich die­ses For­mu­lars soll­te da­nach Be­stel­ler des Pkw BMW 540i ein R, wohn­haft in Nor­we­gen, sein. Ei­ne Un­ter­schrift ent­hält das Be­stell­for­mu­lar nicht; viel­mehr hat der Zeu­ge V in der ent­spre­chen­den Spal­te hand­schrift­lich le­dig­lich
den Hin­weis ein­ge­fügt „Tel. OK Hr. A“. Un­be­strit­ten ist die an­schlie­ßen­de Über­ga­be des Fahr­zeugs nebst den ent­spre­chen­den Fahr­zeug­pa­pie­ren – so die Aus­sa­ge des Zeu­gen V – von dem Zeu­gen V an den Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N in Er­fül­lung der vor­ge­nann­ten Be­stel­lung er­folgt, und zwar mit dem von V und N über­ein­stim­mend an­ge­streb­ten Ziel der Ei­gen­tums­über­tra­gung von der Klä­ge­rin auf N bzw. den „Be­stel­ler” (Schrift­satz des Be­klag­ten vom 24.07.2004, S. 2). Der Be­klag­te nimmt aus­drück­lich nicht in Ab­re­de, son­dern ver­mu­tet viel­mehr selbst, dass es sich bei dem „Ab­neh­mer“ (R) um ei­ne dem Zeu­gen V von dem Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N ge­nann­te Per­son han­delt (eben­da). Auf der Grund­la­ge des ei­ge­nen Vor­trags des Be­klag­ten und auch nach der Aus­sa­ge des Zeu­gen V hat mit­hin der Ne­benin­ter­ve­ni­ent N die Be­stel­lung ent­we­der selbst ver­an­lasst oder sie zu­min­dest ge­kannt und als Grund­la­ge der Über­ga­be des Fahr­zeugs nebst Pa­pie­ren und der Ei­gen­tums­über­tra­gung ak­zep­tiert.

Der Ne­benin­ter­ve­ni­ent N ist Fahr­zeug­händ­ler. Ihm sind die Ge­pflo­gen­hei­ten in der Au­to­mo­bil­bran­che des­halb be­kannt. Wie das Land­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men hat, war N be­kannt, dass die vor­ge­nann­ten Mo­da­li­tä­ten der Ei­gen­tums­über­tra­gung im ho­hen Ma­ße un­ge­wöhn­lich wa­ren. Dies gilt zum ei­nen hin­sicht­lich des Um­stands, dass ei­ne Ei­gen­tums­über­tra­gung oh­ne Zah­lung des Kauf­prei­ses er­fol­gen soll­te. Zum an­de­ren soll­te Grund­la­ge der Ei­gen­tums­über­tra­gung ei­ne von dem La­den­an­ge­stell­ten der Ver­käu­fe­rin hand­schrift­lich selbst aus­ge­füll­te Be­stel­lung sein, die der an­geb­li­che Be­stel­ler nicht ein­mal selbst un­ter­schrie­ben hat­te. Bei die­ser Sach­la­ge ist es nicht zu be­an­stan­den, wenn das Land­ge­richt die Bös­gläu­big­keit des Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N be­jaht hat. Denn N hat ent­we­der ge­wusst oder hät­te zu­min­dest wis­sen müs­sen, dass die vor­ge­nann­ten Mo­da­li­tä­ten des Ei­gen­tums­er­werbs des Pkw BMW 540i nicht bran­chen­üb­lich wa­ren.

Der Klä­ge­rin ist mit­hin der Pkw BMW 540i ab­han­den­ge­kom­men, so­dass ein gut­gläu­bi­ger Er­werb des Ei­gen­tums an dem Pkw durch den Be­klag­ten nach § 935 I 1 BGB aus­ge­schlos­sen ist.

An die­sem Er­geb­nis än­dert auch der von dem Be­klag­ten mit der Be­ru­fungs­be­grün­dung vor­ge­brach­te Ein­wand nichts, der Zeu­ge V ha­be den Pkw dem Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten N be­fug­ter­ma­ßen zu ei­ner Pro­be­fahrt über­las­sen. Denn es ist we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich, dass die Klä­ge­rin ih­ren Be­sitz an den Pkw da­durch auf­ge­ge­ben hat, dass ihr An­ge­stell­ter V den Pkw dem Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten für ei­ne Pro­be­fahrt über­las­sen at. Ins­be­son­de­re ist durch ei­ne Pro­be­fahrt des Ne­benin­ter­ve­ni­en­ten, wenn sie denn statt­ge­fun­den hat, ein Leih­ver­hält­nis mit der Klä­ge­rin nicht be­grün­det wor­den (Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 64. Aufl. [2005], § 598 Rn. 5). Be­sitz an dem Fahr­zeug hat der Ne­benin­ter­ve­ni­ent viel­mehr erst er­langt, als der Zeu­ge V ihm zum Zwe­cke der Über­eig­nung des Fahr­zeugs den Pkw so­wie die da­zu­ge­hö­ri­gen Schlüs­sel und Kraft­fahr­zeug­pa­pie­re über­gab, und zu die­sem Zeit­punkt ist der Pkw – wie be­reits aus­ge­führt – der Klä­ge­rin i. S. von § 935 I BGB ab­han­den­ge­kom­men. …

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