Ein Fahrzeug ist sachmangelhaft, wenn es laut Kaufvertrag carbonschwarz sein soll, tatsächlich aber in einem Schwarzton mit erheblicher Blaustichigkeit lackiert ist.
LG Aachen, Urteil vom 26.04.2005 – 12 O 493/04
(nachfolgend: OLG Köln, Beschluss vom 14.10.2005 – 20 U 88/05)
Sachverhalt: Der Kläger bestellte bei der Beklagten am 19.09.2003 einen Pkw BMW 530d Touring („Edition Highline Sport“) in „carbonschwarz-metallic“ mit Lederausstattung zum Preis von 53.018 €. Am 15.10.2003 erfolgte unter im einzelnen streitigen Umständen eine Umbestellung hinsichtlich des Motors des Fahrzeugs. Statt des ursprünglich bestellten Dieselmotors sollte ein Benzinmotor geliefert werden, wodurch sich der Kaufpreis auf 47.508 € reduzierte. Am 02.12.2004 wurde das Fahrzeug dem Kläger in der vereinbarten Version mit Benzinmotor übergeben.
Schriftlich beanstandete der Kläger erstmals mit Schreiben vom 12.01.2004 die Farbe des Fahrzeugs als nicht schwarz, sondern blau, und erklärte gleichzeitig die Anfechtung des Kaufvertrags wegen Irrtums. Die Beklagte wies die Anfechtung als jedenfalls verspätet zurück, bezeichnete die erfolgte Lieferung als vertragsgemäß und verhandelte auf Kulanzbasis bis März 2004 mit dem Kläger über eine Lösung.
Ein von dem Kläger nach Scheitern der Einigungsbemühungen mit der Begutachtung der Farbe beauftragter Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Lackierung um die nach der Farbpalette von BMW sogenannte Farbe „carbonschwarz-metallic“ handele, diese aber sowohl objektiv nach der Farbzusammensetzung als auch subjektiv für den Betrachter einen Blau- statt Schwarzton darstelle. Die Kosten für eine Neulackierung bezifferte der Sachverständige mit 5.000 € netto.
Mit Anwaltsschreiben vom 07.04.2004 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 23.04.2004 zur Zahlung dieses Betrages zuzüglich der Sachverständigenkosten in Höhe von 633,36 € sowie einer Kostenpauschale von 25 € auf. Weil die Zahlung nicht erfolgte, erhob zunächst die Ehefrau des Klägers, auf die der BMW zugelassen worden war, aus abgetretenem Recht Zahlungsklage. Sie nahm diese jedoch wegen verweigerter Zustimmung zur Abtretung wieder zurück. Nach vorsorglicher Rückabtretung der Ansprüche hat der Kläger eine gleichlautende Klage erhoben. Diese hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: Die Klage ist mit Ausnahme der geltend gemachten Kostenpauschale in Höhe von 25 € begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine Neulackierung des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie für das vorprozessual eingeholte Sachverständigengutachten aus §§ 280 I und III, 281 BGB i. V. mit §§ 433 I 2, 434, 437 Nr. 3 BGB zu.
Die Beklagte hat die ihr gemäß § 433 I 2 BGB als Verkäuferin obliegende Pflicht, dem Kläger als Käufer die Kaufsache frei von Sachmängeln zu verschaffen, i. S. des § 280 I 1 BGB verletzt. Denn der von ihr gelieferte BMW wies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen Sachmangel i. S. des § 434 I BGB auf.
Ein Sachmangel liegt nach § 434 I BGB vor, wenn die Sache bei Gefahrübergang, mithin gemäß § 446 BGB grundsätzlich bei Übergabe, nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Was als sogenannte Sollbeschaffenheit der vertraglichen Vereinbarung entspricht, ist dabei nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nach Treu und Glauben durch Auslegung i. S. der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ausgangspunkt ist dabei, insbesondere bei Vorliegen einer schriftlichen Vertragsurkunde, der Wortlaut einer getroffenen Vereinbarung. Sofern dieser nicht eindeutig und damit einer weitergehenden Auslegung zugänglich ist, ist dabei auf den sogenannten objektiven Empfängerhorizont abzustellen und die Erklärung daraufhin zu überprüfen, wie sie ihr Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, wobei allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die ihm bei Zugang der Erklärung erkennbar waren (vgl. etwa Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 133 Rn. 9 m. w. Nachw.). Aus der grundsätzlichen Vorrangigkeit der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung gegenüber einer Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB ist bei der Auslegung von Kaufverträgen dabei abzuleiten, dass trotz einer in solchen Fällen typischerweise nur auf einer Vertragsseite vorhandenen abweichenden Vorstellung über eine Eigenschaft der Kaufsache im Zweifel von dem Zustandekommen des Vertrages unter Einbeziehung dieser Vorstellung auszugehen ist, sofern diese Vorstellung für eine entsprechende Auslegbarkeit nur hinreichend für den anderen Vertragsteil erkennbar geworden ist.
Eine eindeutige, jede weitere Auslegung ausschließende, Vereinbarung ist mit der Farbbezeichnung „carbonschwarz“ in der schriftlichen Bestellung des Fahrzeuges durch den Klägers vom 19.09.2003 vorliegend nicht getroffen worden. Insoweit macht der Kläger nicht nur geltend, sich bei Bestellung des Fahrzeuges eine andere als die letztlich gelieferte Farbe vorgestellt zu haben, sondern wird sein diesbezügliches subjektives Empfinden gestützt durch die von der Beklagten nicht bestrittenen Feststellungen des Sachverständigen C in seinem vorprozessualen Gutachten vom 18.03.2004, wonach es sich bei dem nach der Farbpalette von BMW als „carbonschwarz“ bezeichneten Farbton entgegen seiner Benennung als schwarz sowohl objektiv als auch subjektiv eher um einen Blauton handelt.
Die damit gebotene Auslegung der beiderseitigen Willenserklärungen der Parteien bei Vertragsabschluss führt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund der konkreten Einzelumstände vorliegend zu der Feststellung einer vorrangigen Vereinbarung der Farbe „Schwarz“ als vertraglich geschuldet. Das ergibt sich insbesondere auch aus den Bekundungen des Zeugen S, auf dessen Erkenntnismöglichkeiten als für die Beklagte tätiger Verkäufer es i. S. der §§ 164 I und III, 166 I BGB hier maßgeblich ankommt. Danach beruhte der Kaufentschluss des Klägers maßgeblich auf Prospekt und Bildmappe über die zum damaligen Zeitpunkt neue BMW 5er-Touring-Edition, mit der der Kläger zu dem Zeugen gekommen sei und sinngemäß geäußert habe, von diesem Auto begeistert zu sein und es so, wie es sich aus den Werbematerialien ergebe, gegen seinen alten BMW „umtauschen“ zu wollen. Die Lichtbilder der Bildmappe, auf die der Kläger sich hierbei bezog, zeigen die Fahrzeuge jedoch in einem eindeutigen Schwarzton, wovon die Kammer sich durch Inaugenscheinnahme selbst überzeugt hat, und wie auch bereits der vorprozessual beauftragte Sachverständige in von der Beklagten nicht bestrittener Weise bestätigt hat. Weitere Gespräche über die Farbe, insbesondere eine spezielle Auswahl unter Vorlage von Vergleichsfarben oder Farbpaletten oder Ähnliches hat es bei der Bestellung durch den Kläger auch nach den Bekundungen des Zeugen S nicht gegeben, da es das Fahrzeug dieser Edition nur in der einen, in Prospekt und Bildmappe „carbonschwarz“ genannten Außenfarbe gab. Mithin war für den Zeugen ohne Weiteres erkennbar, dass die Farbvorstellung des Kläger bei Bestellung des Fahrzeuges auf der Darstellung der Edition in Prospekt und Bildmappe beruhte, weswegen er, um diese Vorstellung des Klägers nicht zur vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit werden zu lassen, ihr hätte entgegentreten und sie durch entsprechende Hinweise, gegebenenfalls sogar Vorlage der BMW-Farbpalette, berichtigen müssen. Insoweit können für einen Verkäufer bei Beschaffenheitsvereinbarungen auf der Grundlage von Herstellerangaben keine anderen Maßstäbe gelten, als sie in § 434 I 3 BGB für den Fall des Fehlens einer diesbezüglichen Vereinbarung normiert sind für Eigenschaftsangaben des Herstellers, die die Sollbeschaffenheit der Kaufsache auf eine Eignung über den gewöhnlichen Gebrauch hinaus erweitern (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 434 Rn. 31 ff.). Auch insoweit muss sich der Verkäufer daher in gleicher Weise ihm bekannte oder erkennbare Herstelleräußerungen zurechnen lassen, sofern diese nicht zum Vertragszeitpunkt in gleichwertiger Weise berichtigt waren. Eine solche Berichtigung ergab sich vorliegend aber weder aus Prospekt oder Bildmappe selbst, die keinerlei Hinweis auf mögliche Farbabweichungen oder Ähnliches enthielten, noch aus der Farbbezeichnung „Carbonschwarz“ an sich, die eine Blaustichigkeit des Schwarztons für den Kunden trotz der abweichenden Farbdarstellung in den Werbematerialien hätte naheliegend erscheinen lassen, noch schließlich eben aus einer Klarstellung oder eines entsprechenden Hinweises durch den Zeugen S auf Verkäuferseite. Für einen diesbezüglichen Hinweis hätte vorliegend aber zusätzlich insofern in besonderer Weise Veranlassung bestanden, als zum einen dem Zeugen S seinen eigenen Bekundungen zur Folge die Blaustichigkeit der BMW-Farbe „carbonschwarz“ seit Jahren bekannt war und er zum anderen wusste, dass der Kläger in den vergangenen Jahren mehrere, fast sämtlich schwarze Fahrzeuge bei der Beklagten gekauft hatte, er mithin eine besondere Affinität für gerade schwarze Fahrzeuge hatte.
Gegen die Annahme einer Sollbeschaffenheitsvereinbarung mit Schwarz als Farbbestimmung spricht schließlich auch nicht, wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet und von dem Zeugen S bestätigt, einige Zeit nach der Bestellung in den Räumlichkeiten der Beklagten einen BMW in carbonschwarz gesehen haben sollte, ohne Bedenken oder Einwendungen gegen diese Farbe zu erheben. Maßgeblich für die Vertragsauslegung ist der Wille der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die von der Beklagten behauptete Begebenheit könnte daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Belang sein, dass sie Rückschlüsse auf Vorstellung und Erklärungswillen des Klägers bei Vertragsabschluss erlauben könnte. Auch nach den Bekundungen des Zeugen S war aber die Farbe des Fahrzeugs bei dem von ihm geschilderten nochmaligen Zusammentreffen in den Geschäftsräumen der Beklagten überhaupt kein Thema, sondern ging es ausschließlich um die mögliche Anbringung einer Fahrradhalterung an dem Fahrzeug. Im Übrigen ist die Blaustichigkeit der Farbe „carbonschwarz“ unstreitig vor allem bei Sonneneinstrahlung offenkundig, sodass bei einem einmaligen Sehen eines entsprechenden Fahrzeugs in geschlossenen Räumlichkeiten auch noch ohne besonderes Augenmerk auf die Farbe keinerlei Rückschluss darauf zulässig ist, dass diese so bekannt und akzeptiert sei.
Angesichts der erheblichen Blaustichigkeit der Fahrzeugfarbe, von der sich die Kammer bei der Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs des Klägers selbst überzeugt hat, und die nach den unbestrittenen Feststellungen des Sachverständigen C angesichts der hohen Blauanteile in der Farbzusammensetzung auch objektiv festzustellen ist, weicht die Istbeschaffenheit des Fahrzeugs von der vereinbarten Sollbeschaffenheit eines „schwarzen“ Fahrzeuges in beachtlicher Weise ab und liegt daher ein Sachmangel i. S. des § 434 I BGB vor.
Statt mangelfreier Lieferung kann der Kläger als Folge dieser Pflichtverletzung der Beklagten Schadensersatz gemäß §§ 280 I und III, 281 BGB verlangen. Dabei war eine Fristsetzung für eine Nacherfüllung i. S. des § 439 BGB vorliegend entbehrlich gemäß § 281 II, § 440 Satz 1, Fall 1 BGB, da die Beklagte sich von Beginn an auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung berufen und aus „Kulanz“ lediglich Angebote im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Neufahrzeugs durch den Kläger unterbreitet hat. Die darin zum Ausdruck gekommene Verweigerung jeglicher Nacherfüllung hat sich schließlich auch darin (erneut) gezeigt, dass die Beklagte auf das förmliche Nacherfüllungsverlangen, das aufgrund ihres entsprechenden Hinweises im August 2004 von dem Kläger noch ausdrücklich gestellt worden ist, nicht einmal mehr reagiert hat. Auch das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche, vermutete Verschulden i. S. des § 280 I 2 BGB liegt bei der Beklagten hier vor, und zwar sowohl bezogen auf die Mangelhaftigkeit der Kaufsache selbst (die Abweichung zwischen Ist- und Sollbeschaffenheit war entsprechend den obigen Ausführungen für die Beklagte erkennbar) als auch hinsichtlich des Unterlassens der Nacherfüllung.
Im Rahmen der Schadensersatzberechtigung nach § 281 BGB kommt dem Gläubiger ein Wahlrecht zu dahingehend, die Rückabwicklung des Vertrags gegebenenfalls zuzüglich Aufwendungsersatz zu verlangen oder aber die mangelhafte Sache zu behalten und den daraus entstehenden Nachteil geltend zu machen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 281 Rn. 17 ff., insb. Rn. 21). Die Höhe der hier insoweit von dem Kläger geltend gemachten Umlackierungskosten sind von der Beklagten ebenso wenig bestritten worden wie die Sachverständigenkosten. Letztere sind angesichts des Bestreitens jeglichen Sachmangels durch die Beklagte als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Demgegenüber war die Kostenpauschale von 25 € nicht zuzuerkennen. Ein Fall der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs, bei dem dem Geschädigten – typischerweise in Schadensersatzprozessen aus Verkehrsunfällen – in gefestigter Rechtsprechung ohne weitere Spezifizierung eine Pauschale für Telefon-, Porto- und Fahrtkosten in Höhe von 20 € bis 25 € zuerkannt wird (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 249 Rn. 43 m. w. Nachw.), liegt nicht vor. Eine Erweiterung dieser pauschalierten Kostenzuerkennung auf den hier vorliegenden Fall der Mängelgewährleistung erscheint der Kammer nicht veranlasst …
Hinweis: Die Berufung gegen dieses Urteil hat das OLG Köln mit Beschluss vom 14.10.2005 – 20 U 88/05 – zurückgewiesen. In der Entscheidung heißt es unter anderem:
„Es kann dahinstehen, ob der Sachmangel sich bereits aus einer vereinbarten Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB herleitet oder auf § 434 I 2 Nr. 2 BGB beruht. Sieht man die Festlegung der Farbe als Vereinbarung einer Beschaffenheit an, ist die Vereinbarung nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizontes (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. Eine solche Auslegung führt zu demselben Ergebnis wie die Feststellung, was bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Grundlage für die Einigung der Parteien waren die vom Hersteller vorgegebene Farbbezeichnung carbonschwarz-metallic sowie der Verkaufsprospekt. Beide Anknüpfungspunkte führten aus Sicht eines objektiven bzw. durchschnittlichen Käufers dazu, dass die Farbgebung schwarz ohne die deutlich sichtbare blaue Farbgebung erwartet und zugrunde gelegt werden durfte. Insoweit bleibt es bei den Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss. Insbesondere bleibt es dabei, dass aufgrund der Wortwahl ‚carbonschwarz‘ für den durchschnittlichen Käufer keinesfalls mit einem deutlich blauen Farbstich gerechnet werden musste.“