In sei­ner Ei­gen­schaft als In­ha­ber ei­ner Ver­trags­werk­statt kann auch ein Kfz-Ver­trags­händ­ler, der ein mit ei­nem Her­stel­lungs­feh­ler be­haf­te­tes Fahr­zeug nicht aus­ge­lie­fert hat, auf­grund ei­nes War­tungs- oder Re­pa­ra­tur­ver­tra­ges mit dem Fahr­zeug­hal­ter ver­pflich­tet sein, von sich aus zu über­prü­fen, ob der Feh­ler schon be­sei­tigt wur­de oder nicht. Das setzt zwar bei dem Ver­trags­händ­ler das Wis­sen vor­aus, dass das ihm zur In­spek­ti­on oder Re­pa­ra­tur an­ver­trau­te Fahr­zeug je­den­falls ur­sprüng­lich den be­tref­fen­den Pro­dukt­feh­ler auf­ge­wie­sen hat. Die­se Kennt­nis muss aber je­den­falls dann in der Re­gel vor­aus­ge­setzt wer­den, wenn der Fahr­zeug­her­stel­ler den Händ­ler über den Feh­ler in­for­miert hat.

BGH, Ur­teil vom 18.05.2004 – X ZR 60/03

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von der be­klag­ten Kfz-Ver­trags­händ­le­rin Scha­dens­er­satz für die Fol­ge­kos­ten ei­nes Mo­tor­scha­dens, der durch ei­nen von der Be­klag­ten nicht be­sei­tig­ten Her­stel­lungs­feh­ler ver­ur­sacht wur­de.

Im April 2000 schick­te die X-AG an ih­re Ver­trags­händ­ler, dar­un­ter die Be­klag­te, das fol­gen­de Rund­schrei­ben:

„…

Da­tum:     April 2000
The­ma:     … Ver­schrau­bung V.-De­ckel (…/Cou­pe)

Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren,

an o. g. Fahr­zeu­gen kön­nen auf­grund von un­güns­ti­gem Setz­ver­hal­ten der Ver­schrau­bung des V.-De­ckels (Ma­gnet­ven­ti­le Aus­laß­sei­te)ver­ein­zel­te Schwin­gungs­brü­che an den Schrau­ben ent­ste­hen. In­fol­ge Druck­be­las­tung durch die Ma­gnet­ven­ti­le hebt der V.-De­ckel ab. Fol­ge: Schlag­ar­ti­ger, star­ker Mo­toröl­aus­tritt.

Bit­te ver­an­las­sen Sie, dass an den be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen ge­mäß Fahr­ge­stell­num­mern-Se­lek­ti­on beim nächs­ten Werk­statt­auf­ent­halt die Schrau­ben am V.-De­ckel er­setzt wer­den. Die Vor­ge­hens­wei­se ent­neh­men Sie bit­te der An­la­ge.

Vie­len Dank für Ih­re Un­ter­stüt­zung.“

Die Klä­ge­rin war Hal­te­rin ei­nes be­trof­fe­nen Fahr­zeugs. Sie hat­te den Lea­sing­ver­trag ei­nes Drit­ten über­nom­men, an den ein an­de­rer Ver­trags­händ­ler das erst­mals am 26.01.1999 zu­ge­las­se­ne Fahr­zeug aus­ge­lie­fert hat­te.

Die Klä­ge­rin ließ den Wa­gen ab No­vem­ber 2000 re­gel­mä­ßig bei der Be­klag­ten war­ten und re­pa­rie­ren, zu­letzt im März/April 2001. Die Be­klag­te hät­te durch Ein­ga­be der Fahr­zeug­da­ten in den Zen­tral­com­pu­ter der Her­stel­ler­fir­ma fest­stel­len kön­nen, ob am Fahr­zeug der Klä­ge­rin die De­ckel­ver­schrau­bung schon er­setzt wor­den war oder nicht. Sie un­ter­ließ dies aber und wech­sel­te die Schrau­ben nicht aus. Am 16.07.2001 er­litt das Fahr­zeug in­fol­ge­des­sen ei­nen auf star­kem Öl­ver­lust be­ru­hen­den Mo­tor­scha­den, mit dem der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin auf der Land­stra­ße lie­gen blieb. Die von der nächst­ge­le­ge­nen X-Werk­statt durch­ge­führ­te Fahr­zeu­gre­pa­ra­tur wur­de der Klä­ge­rin nicht be­rech­net.

Die­se macht je­doch Ab­schlepp-, Fahrt- und Über­nach­tungs­kos­ten so­wie ei­ne Nut­zungs­aus­fall­ent­schä­di­gung in Hö­he von ins­ge­samt 1.748 DM gel­tend und ver­langt die­sen Rest­scha­den von der Be­klag­ten er­setzt.

Das erst­in­stanz­li­che Ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Nach­dem auch die Be­ru­fung der Klä­ge­rin er­folg­los ge­blie­ben ist, ver­langt die­se mit ih­rer Re­vi­si­on ih­re Scha­dens­er­satz­for­de­rung wei­ter. Das Rechts­mit­tel führ­te zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung wie folgt be­grün­det:

Die Klä­ge­rin ha­be kei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen po­si­ti­ver Ver­trags­ver­let­zung, weil die Be­klag­te nicht ver­pflich­tet ge­we­sen sei, im Rah­men der War­tungs­ar­bei­ten die Ver­schrau­bung des V.-De­ckels zu über­prü­fen. Die Her­stel­ler­fir­ma ha­be nach Aus­füh­rung des vom Ge­richt be­stell­ten TÜV-Sach­ver­stän­di­gen mit ih­rem Schrei­ben von April 2000 be­zweckt, dass sich die­je­ni­gen Ver­trags­händ­ler, die be­trof­fe­ne Fahr­zeu­ge aus­ge­lie­fert hat­ten, an die Fahr­zeug­hal­ter wen­den soll­ten, da­mit die­se beim nächs­ten Werk­statt­be­such die De­ckel­ver­schrau­bung über­prü­fen lie­ßen. Ei­ne Ver­pflich­tung sämt­li­cher Ver­trags­händ­ler, bei je­dem Au­to, für das sie ei­nen Re­pa­ra­tur- oder War­tungs­auf­trag er­hiel­ten, im Zen­tral­com­pu­ter die Fahr­zeug­da­ten zu über­prü­fen und er­for­der­li­chen­falls die V.-Ver­schrau­bung zu er­neu­ern, ge­he zu weit.

II. Das hält der recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand.

1. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen rei­chen nicht aus, um ei­ne po­si­ti­ve Ver­trags­ver­let­zung der Be­klag­ten aus­zu­schlie­ßen.

a) Ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts ist es im Grund­satz mög­lich, dass auch ein Ver­trags­händ­ler, der das mit ei­nem Her­stel­lungs­feh­ler be­haf­te­te Fahr­zeug nicht aus­ge­lie­fert hat, auf­grund ei­nes War­tungs- oder Re­pa­ra­tur­ver­tra­ges mit dem Hal­ter ver­pflich­tet ist, von sich aus zu über­prü­fen, ob die Feh­ler­be­sei­ti­gung schon er­folgt ist oder noch nicht. Der Werk­ver­trag mit dem Fahr­zeug­hal­ter kann für den Händ­ler – in sei­ner Ei­gen­schaft als In­ha­ber ei­ner Ver­trags­werk­statt – durch­aus die Ver­trags­pflicht er­zeu­gen, ent­we­der von der ihm of­fen­ste­hen­den Mög­lich­keit Ge­brauch zu ma­chen, mit­tels Ein­ga­be der Fahr­zeug­da­ten in den Zen­tral­com­pu­ter des Her­stel­lers zu er­mit­teln, ob der Kon­struk­ti­ons­feh­ler schon durch ei­ne an­de­re Werk­statt, zum Bei­spiel die des Aus­lie­fe­rers, be­ho­ben wor­den ist, oder aber, was ihm noch we­ni­ger Mü­he macht, den Hal­ter ein­fach da­nach zu fra­gen. Die Über­prü­fung der Feh­ler­be­sei­ti­gung be­las­tet den Händ­ler nicht mit hand­werk­li­chem Ar­beits­auf­wand.

Die – an den Zen­tral­com­pu­ter oder an den Kun­den ge­rich­te­te – Fra­ge nach der Feh­ler­be­sei­ti­gung setzt zwar beim Ver­trags­händ­ler das Wis­sen vor­aus, dass das ihm zur In­spek­ti­on oder Re­pa­ra­tur an­ver­trau­te Fahr­zeug nach Typ und Se­rie je­den­falls ur­sprüng­lich den be­tref­fen­den Pro­dukt­feh­ler auf­ge­wie­sen hat. Die­se Kennt­nis muss in­des­sen bei ei­nem Ver­trags­händ­ler, der, wie hier die Be­klag­te, vom Her­stel­ler über den Feh­ler in­for­miert wor­den ist, in der Re­gel vor­aus­ge­setzt wer­den. Der Händ­ler muss sei­ne Ver­trags­werk­statt so or­ga­ni­sie­ren, dass Feh­ler­war­nun­gen des Her­stel­lers nicht in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Et­was an­de­res mag aus­nahms­wei­se in be­son­de­ren Fäl­len gel­ten, wo et­wa die In­for­ma­ti­on schon so lan­ge zu­rück­liegt, dass nicht mehr mit noch nicht be­sei­tig­ten Feh­lern zu rech­nen ist. Zu sol­chen be­son­de­ren Um­stän­den hat die Be­klag­te aber nichts vor­ge­tra­gen. Der Zeit­ab­lauf von sie­ben Mo­na­ten zwi­schen dem Rund­schrei­ben des Her­stel­lers und dem ers­ten War­tungs- oder Re­pa­ra­tur­auf­trag der Klä­ge­rin reicht da­für nicht aus.

b) Stellt es so­mit, an­ders als das Be­ru­fungs­ge­richt meint, nicht im­mer ei­ne un­zu­mut­ba­re Über­span­nung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Sorg­falt des Ver­trags­händ­lers dar, dass er auch bei nicht von ihm selbst aus­ge­lie­fer­ten Fahr­zeu­gen die Feh­ler­be­sei­ti­gung über­prüft, so hängt es im kon­kre­ten Fall vom In­halt des je­wei­li­gen War­tungs- oder Re­pa­ra­tur­ver­tra­ges ab, ob der Händ­ler zur Über­prü­fung ver­pflich­tet war. Der Ver­trags­in­halt ist durch Aus­le­gung nach Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te zu er­mit­teln (§§ 133, 157 BGB). Der Aus­le­gung vor­an­ge­hen muss in­des­sen die Fest­stel­lung des Er­klä­rungs­tat­be­stan­des, das heißt die Er­mitt­lung der für die Aus­le­gung re­le­van­ten Tat­sa­chen. Das sind zum Bei­spiel der Wort­laut schrift­li­cher Ver­trä­ge und die Be­gleit­um­stän­de des Ver­trags­schlus­ses, wie Äu­ße­run­gen der Par­tei­en, die von den Par­tei­en in ih­rer Ge­schäfts­ver­bin­dung her­aus­ge­bil­de­ten Usan­cen und die be­ste­hen­de bei­der­sei­ti­ge In­ter­es­sen­la­ge. Hin­sicht­lich die­ses Er­klä­rungs­tat­be­stan­des lässt das Be­ru­fungs­ur­teil die not­wen­di­gen Fest­stel­lun­gen ver­mis­sen.

Da das Be­ru­fungs­ge­richt ins­be­son­de­re die Ver­trags­tex­te nicht mit­ge­teilt hat, ist un­klar, wel­cher Art die Re­pa­ra­tu­ren wa­ren und ob die in Auf­trag ge­ge­be­nen War­tungs­ar­bei­ten sich auf Klei­nig­kei­ten, wie zum Bei­spiel ei­nen Öl­wech­sel, be­schränk­ten oder ob es sich um ei­ne grö­ße­re In­spek­ti­on han­del­te, die mög­li­cher­wei­se aus der be­rech­tig­ten Sicht des Fahr­zeug­hal­ters, auf de­ren Ein­be­zie­hung in den Ver­trag der Be­trei­ber der Werk­statt sich nach Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te ein­las­sen muss­te, ei­ner um­fas­sen­den Prü­fung der Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs die­nen soll­te und bei der er von dem Ver­trags­händ­ler die Be­rück­sich­ti­gung von Feh­ler­war­nun­gen er­war­ten durf­te. Auch zu et­wai­gen Äu­ße­run­gen der Par­tei­en bei Ver­trags­schluss und zu den herr­schen­den Usan­cen hat das Be­ru­fungs­ge­richt kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen.

Auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen un­zu­rei­chen­den Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen ist die re­vi­si­ons­recht­li­che Über­prü­fung der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­fun­de­nen Ver­trags­aus­le­gung nicht mög­lich.

2. Der er­ken­nen­de Se­nat kann auch nicht et­wa ei­ne ei­ge­ne Sach­ent­schei­dung da­hin tref­fen, dass die Kla­ge aus dem – vom Be­ru­fungs­ge­richt nicht ge­prüf­ten – Ge­sichts­punkt ei­nes Ver­tra­ges mit Schutz­wir­kun­gen zu­guns­ten Drit­ter be­grün­det ist. Bei die­sem steht der An­spruch auf die ge­schul­de­te Haupt­leis­tung al­lein dem Gläu­bi­ger zu, ist je­doch der Drit­te in der Wei­se in den Ver­trag ein­be­zo­gen, dass er bei der Ver­let­zung ver­trag­li­cher Sorg­falts- oder auch Haupt­leis­tungs­pflich­ten ei­ge­ne ver­trag­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend ma­chen kann. Hier schei­det ein Ver­trag mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter aber aus, weil das Be­ru­fungs­ge­richt ei­ne Wei­sung des Her­stel­lers an die Ver­trags­händ­ler zur Feh­ler­be­sei­ti­gung auch an Fahr­zeu­gen, die sie nicht selbst aus­ge­lie­fert hat­ten, ver­neint und im Ge­gen­teil fest­ge­stellt hat, dass der Her­stel­ler nur die Aus­lie­fe­rer an­wies, an den von ih­nen selbst aus­ge­lie­fer­ten Fahr­zeu­gen den Kon­struk­ti­ons­man­gel zu be­he­ben. Zu ei­ner an­de­ren recht­li­chen Be­ur­tei­lung sieht der er­ken­nen­de Se­nat kei­nen An­lass. Die Fra­ge, ob der Her­stel­ler über­haupt die Rechts­macht hat­te, sei­ne Ver­trags­händ­ler zur Feh­ler­be­sei­ti­gung bei je­dem mehr oder we­ni­ger zu­fäl­lig in ih­rer Werk­statt er­schei­nen­den Fahr­zeug zu ver­pflich­ten, die oh­ne Kennt­nis der Händ­ler­ver­trä­ge nicht zu be­ant­wor­ten ist, kann da­her of­fen­blei­ben.

3. Da die Ent­schei­dung so­mit von der Aus­le­gung der Re­pa­ra­tur- und Werk­ver­trä­ge ab­hängt, ist das an­ge­foch­te­ne Ur­teil auf­zu­he­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, da­mit es den Er­klä­rungs­tat­be­stand auf­klä­ren kann.

PDF er­stel­len