Mit der Er­klä­rung, der Ta­chostand ent­spre­che der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, über­nimmt der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens un­ter Um­stän­den ei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie. Die­se bin­det den Ver­käu­fer auch dann, wenn er sei­ne Er­klä­rung „ins Blaue hin­ein“ ab­ge­ge­ben hat.

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 01.04.2004 – 5 U 1385/03

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb am 06.04.2002 von dem Be­klag­ten ei­nen erst­mals am 02.06.1995 zu­ge­las­se­nen Pkw zum Preis von 10.000 €. Der schrift­li­che Kauf­ver­trag sieht for­mu­lar­mä­ßig ei­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss vor und ent­hält hand­schrift­li­che Ein­tra­gun­gen, über de­ren in­halt­li­che und recht­li­che Be­deu­tung die Par­tei­en teil­wei­se strei­ten. Streit be­steht im We­sent­li­chen dar­über, ob der Be­klag­te un­rich­ti­ge Be­schaf­fen­heits­ga­ran­ti­en hin­sicht­lich der Un­fall­frei­heit und der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs ge­ge­ben hat.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te weit­ge­hend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Be­klag­te ist ver­pflich­tet, Zug um Zug ge­gen Er­stat­tung des Kauf­prei­ses und un­ter An­rech­nung von Nut­zungs­vor­tei­len das Fahr­zeug zu­rück­zu­neh­men, fer­ner Scha­dens­er­satz hin­sicht­lich der Un­ter­su­chungs­kos­ten zu leis­ten (&sect 437 Nr. 2, Nr. 3, §§ 434, 443, 444 BGB). Mit der Rück­nah­me­ver­pflich­tung be­fin­det er sich nach Rück­tritt und Frist­set­zung durch die Klä­ge­rin in Ver­zug.

1. Die im Zu­ge der erst­in­stanz­li­chen Be­weis­auf­nah­me ge­trof­fe­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen wer­den von den Par­tei­en nicht in Zwei­fel ge­zo­gen (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Da­nach ist das der Klä­ge­rin ver­kauf­te Fahr­zeug je­den­falls hin­sicht­lich der an­ge­nom­me­nen Fahr­leis­tung nicht von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit. Im Ver­trag ist der Ki­lo­me­ter­stand mit 207.172 an­ge­ge­ben. Die Par­tei­en sind bei ih­ren Ver­hand­lun­gen da­von aus­ge­gan­gen, dass die­se An­ga­be der Ge­samt­fahr­leis­tung des Pkw ent­spricht. Die­se An­nah­me ist falsch, da nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen der Weg­stre­cken­zäh­ler bei ei­ner Lauf­leis­tung von über 300.000 km ge­walt­sam um 100.000 km oder aber um 200.000 km zu­rück­ge­dreht wor­den ist. So­mit ist der der Klä­ge­rin ver­äu­ßer­te Pkw­man­gel­haft (§ 434 BGB), da nach neu­em Recht ei­ne der­ar­ti­ge Be­schrei­bung der Be­schaf­fen­heit zum Ver­trags­in­halt wird, oh­ne dass es ei­ner Zu­si­che­rung be­dürf­te (Pa­landt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 434 Rn. 13–16; Ham­pel, JuS 2003, 465).

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts hat der Be­klag­te hin­sicht­lich der Ge­samt­lauf­leis­tung des Mer­ce­des aber auch ei­ne „Ga­ran­tie für die Be­schaf­fen­heit“ über­nom­men, so­dass der ver­ein­bar­te Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss leer­läuft (§§ 443, 444 BGB). Aus­ge­hend von den glaub­haf­ten, nicht an­ge­grif­fe­nen Zeu­gen­aus­sa­gen und den An­ga­ben der Par­tei­en bei ih­rer An­hö­rung ist da­bei Fol­gen­des zu be­rück­sich­ti­gen:

Der Schwie­ger­va­ter der Klä­ge­rin, der Zeu­ge S führ­te in An­we­sen­heit der Klä­ge­rin für die­se die Ver­hand­lung. Sein Wis­sens- und Kennt­nis­stand ist (po­si­tiv wie ne­ga­tiv) nach den Grund­sät­zen der „Wis­sens­zu­sam­men­rech­nung“ der Klä­ge­rin zu­zu­rech­nen (Pa­landt/Hein­richs, BGB, 63. Aufl., § 166 Rn. 8). Dem Zeu­gen S kam es er­kenn­bar dar­auf an, hin­sicht­lich al­ler preis­be­stim­men­den Merk­ma­le von dem Be­klag­ten ein­deu­ti­ge und un­miss­ver­ständ­li­che An­ga­ben zu er­hal­ten. Er er­frag­te die An­zahl der Vor­be­sit­zer, die Un­fall­frei­heit und die Ge­samt­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs. Er han­del­te so­dann den Preis von 11.300 € auf 10.000 € her­un­ter mit der Be­mer­kung, dass ein Fahr­zeug mit der­art vie­len Vor­be­sit­zern kaum noch ver­kauf­bar sei. Die an­de­ren preis­be­stim­men­den Merk­ma­le spiel­ten kei­ne Rol­le mehr, nach­dem der Zeu­ge in­so­weit zu­frie­den­stel­len­de An­ga­ben er­hal­ten hat­te. Die ein­deu­ti­ge Nach­fra­ge des Zeu­gen S, ob der Ta­chostand mit der Ge­samt­fahr­leis­tung des Fahr­zeu­ges über­ein­stim­me, hat der Be­klag­te (oh­ne ei­ne Ein­schrän­kung zu ma­chen) be­jaht, nach­dem zu­vor der ak­tu­el­le Ki­lo­me­ter­stand ab­ge­le­sen und in das For­mu­lar über­nom­men wor­den war.

Wird be­rück­sich­tigt, dass der Zeu­ge S auch dar­um bat, den Ver­trag des Be­klag­ten mit dem Vor­ei­gen­tü­mer und das Scheck­heft ein­zu­se­hen, so wird deut­lich, dass es ihm auf die Fest­stel­lung der wert­bil­den­den Merk­ma­le des Fahr­zeugs we­sent­lich an­kam. Da der Be­klag­te die­se Ur­kun­den nicht vor­le­gen konn­te, liegt in der an­sons­ten nicht nä­her über­prüf­ba­ren An­ga­be, der Ta­chostand ent­spre­che der tat­säch­li­chen Lauf­leis­tung die Über­nah­me ei­ner Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie (Pa­landt/Putzo, a. a. O., § 444 Rn. 12). Selbst wenn der Zeu­ge S leicht­gläu­big ge­we­sen sein soll­te, wenn er dem Be­klag­ten oh­ne Wei­te­res ver­trau­te, än­dert dies nichts. Denn ei­ne Ga­ran­tie­er­klä­rung bin­det un­ab­hän­gig da­von, ob sie ver­läss­lich er­scheint oder er­sicht­lich „ins Blaue hin­ein“ ab­ge­ge­ben wird. Das Ri­si­ko der Un­rich­tig­keit trägt der Er­klä­ren­de, nicht der Er­klä­rungs­emp­fän­ger.

Die Ga­ran­tie­über­nah­me nach neu­em Recht ist an die Stel­le der Zu­si­che­rung ei­ner Ei­gen­schaft ge­tre­ten, so­dass die da­zu ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en wei­ter her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen (Ham­pel, JuS 2003, 465, 467).

2. In­fol­ge der un­rich­ti­gen Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie (Lauf­leis­tung) kann die Klä­ge­rin so­wohl Rück­tritt als auch Scha­dens­er­satz gel­tend ma­chen (§ 437 Nr. 2 Fall 1, Nr. 3, § 325 BGB). Sie kann da­her den ver­ein­bar­ten Kauf­preis (§ 346 I BGB) zu­züg­lich der Un­ter­su­chungs­kos­ten ver­lan­gen (§ 280 BGB), die zur Hö­he nicht be­strit­ten sind. Hin­sicht­lich des Scha­dens­er­satz­an­spruchs be­darf es kei­nes Ver­schul­dens (§ 276 I 1 BGB), weil im Fal­le der Zu­si­che­rung ei­ner Be­schaf­fen­heit ver­schul­dens­un­ab­hän­gig ge­haf­tet wird (Pa­landt/Hein­richs, a. a. O., § 276 Rn. 29).

3. Die Klä­ge­rin muss sich je­doch die Vor­tei­le der Nut­zung des Fahr­zeugs an­rech­nen las­sen. Beim Ge­braucht­wa­gen­kauf be­rech­net der Se­nat die Nut­zungs­vor­tei­le nach ei­ner li­nea­ren Amor­ti­sa­ti­on un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter und der Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, die die Par­tei­en bei ih­rem Ver­trags­schluss (still­schwei­gend) zu­grun­de ge­legt ha­ben (Se­nat, Urt. v. 04.12.1997 – 5 U 656/97, VRS 96 [1999], 241; Urt. v. 25.06.1992 – 5 U 1375/91, VRS 84 [1993], 243; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 313, 315, 321 f.).

Hier kann nicht dar­auf ab­ge­stellt wer­den, dass der Mer­ce­des im Zeit­punkt der Über­ga­be tat­säch­lich 300.000 km oder 400.000 km ge­lau­fen war. Viel­mehr ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, dass der Kauf­preis von 10.000 € un­ter Be­rück­sich­ti­gung der an­ge­nom­me­nen (bis­he­ri­gen) Ge­samt­lauf­leis­tung von 200.000 km markt­an­ge­mes­sen war. Die an­zu­neh­men­de Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs schätzt der Se­nat auf die­ser Grund­la­ge auf et­wa 150.000 km.

Der Nut­zungs­vor­teil pro Ki­lo­me­ter wird dem­nach da­durch er­rech­net, dass der Kauf­preis von 10.000 € mul­ti­pli­ziert wird mit der un­strei­ti­gen Fahr­leis­tung der Klä­ge­rin von 10.588 km, so­dann di­vi­diert wird durch die an­ge­nom­me­ne Rest­lauf­leis­tung von 150.000 km. Da­nach er­gibt sich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung von 0,067 € pro Ki­lo­me­ter, mul­ti­pli­ziert mit der ge­fah­re­nen An­zahl der Ki­lo­me­ter ein Nut­zungs­vor­teil von (ge­run­det) 710 €.

Dem­ge­gen­über kann die Klä­ge­rin ih­rer­seits nicht mit „wert­er­hö­hen­den Auf­wen­dun­gen“ von 232,21 € „ge­gen­rech­nen“. Denn die Vor­aus­set­zun­gen des § 347 II BGB sind nicht hin­rei­chend dar­ge­legt. …

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