Ein Ge­braucht­wa­gen eig­net sich nur dann für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung i. S. von § 434 I 2 Nr. 1 BGB, wenn der Käu­fer im Fal­le des Ver­lusts ei­nes Fahr­zeug­schlüs­sels oh­ne Wei­te­res in der La­ge ist, sich – et­wa un­ter Zu­griff auf ei­nen Mas­ter­key – ei­nen Er­satz­schlüs­sel zu ver­schaf­fen.

AG Mün­chen, Ur­teil vom 31.03.2004 – 112 C 12685/03

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb von der Be­klag­ten mit Kauf­ver­trag vom 21.02.2003 ei­nen ge­brauch­ten Pkw Fi­at Bar­chet­ta zum Preis von 8.300 €.

Vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags hat­te die Be­klag­te der Klä­ge­rin ein Pro­to­koll über die letz­te Haupt­un­ter­su­chung des Fahr­zeugs vom 19.02.2003 vor­ge­legt. Da­nach war der Brems­schlauch vor­ne rechts nicht fach­ge­recht be­fes­tigt. Die Be­klag­te hat­te der Klä­ge­rin bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags ver­si­chert, dass die­ses Pro­blem be­sei­tigt wor­den sei. Tat­säch­lich war dies je­doch nicht der Fall. Die Be­klag­te bot der Klä­ge­rin des­halb in der Fol­ge­zeit – zu­letzt in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 08.10.2003 – wie­der­holt an, die Kos­ten für ei­ne fach­ge­rech­te In­stand­set­zung des Fahr­zeugs in Hö­he von 132,24 € zu tra­gen.

Nach­dem der Fi­at Bar­chet­ta der Klä­ge­rin über­ge­ben wor­den war, stell­te sich her­aus, dass die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten le­dig­lich ei­nen ori­gi­na­len Fahr­zeug­schlüs­sel er­hal­ten hat­te. Der so­ge­nann­te Mas­ter­key, mit dem es bei Ver­lust des Fahr­zeug­schlüs­sels mög­lich ist, ei­nen neu­en Fahr­zeug­schlüs­sel an­fer­ti­gen zu las­sen, fehl­te.

Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te des­halb mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 18.03.2003 auf, an sie 132,24 € (In­stand­set­zung des Brems­schlauchs) zu zah­len und schrift­lich zu er­klä­ren, dass sie – die Be­klag­te – sich ver­pflich­te, die Kos­ten für den Ein­bau neu­er Fi­at-Fahr­zeug­schlös­ser in Hö­he von schät­zungs­wei­se 2.000 € zu tra­gen. Die Be­klag­te er­klär­te mit Schrei­ben vom 31.03.2003 ih­re Be­reit­schaft, die ge­for­der­ten 132,24 € zu zah­len, falls über die­sen Be­trag ei­ne an sie adres­sier­te Rech­nung aus­ge­stellt wer­de. Die Ab­ga­be der von der Klä­ge­rin ver­lang­ten Ver­pflich­tungs­er­klä­rung lehn­te die Be­klag­te un­ter Hin­weis dar­auf ab, dass der Aus­tausch der Fahr­zeug­schlös­ser nach An­ga­be der Fahr­zeug­her­stel­le­rin le­dig­lich ei­nen Kos­ten­auf­wand in Hö­he von 157 € zu­züg­lich Um­satz­steu­er er­for­de­re. Die Klä­ge­rin mö­ge ihr Fahr­zeug nach Mün­chen brin­gen; dort wür­den die Schlös­ser in­ner­halb ei­nes Ar­beits­ta­ges aus­ge­tauscht.

Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, dass sie sich auf die­sen Vor­schlag der Be­klag­ten nicht ha­be ein­las­sen müs­sen. Sie ha­be die In­for­ma­ti­on ge­habt, dass der Aus­tausch der Fahr­zeug­schlös­ser cir­ca 2.000 &eu­ro kos­te, und da­her nicht da­von aus­ge­hen kön­nen, dass die Be­klag­te für nur 157 € ei­ne neue ori­gi­na­le Fi­at-Schließ­an­la­ge in ihr Fahr­zeug ein­bau­en wer­de. Mitt­ler­wei­le wis­se sie, die Klä­ge­rin, dass der er­for­der­li­che Kos­ten­auf­wand 1.895,90 € be­tra­ge.

Ein ge­gen die Be­klag­te am 16.07.2003 er­gan­ge­nes Ver­säum­nis­ur­teil wur­de auf den Ein­spruch der Be­klag­ten in­so­weit auf­recht­er­hal­ten, als die Be­klag­te ver­ur­teilt wor­den war, an die Klä­ge­rin 1.965,64 € zu zah­len. Im Üb­ri­gen wur­de das Ver­säum­nis­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Aus den Grün­den: Die Klä­ge­rin kann sich hin­sicht­lich ih­res Min­de­rungs­an­spruchs auf §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 2, § 440 Satz 1 Fall 1, § 441 BGB stüt­zen.

Hin­sicht­lich des nicht fach­ge­recht be­fes­tig­ten Brems­schlauchs liegt ein Sach­man­gel nach § 434 I 1 BGB vor, da die Be­klag­te vor Kauf­ver­trags­ab­schluss ver­si­chert hat, dass der Brems­schlauch nach der Be­män­ge­lung durch den TÜV fach­ge­recht re­pa­riert wor­den sei, was nicht den Tat­sa­chen ent­sprach. Hin­sicht­lich des feh­len­den „Mas­ter­keys“ liegt ein Sach­man­gel nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB vor, da die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung des Fahr­zeugs mit ein­schließt, dass der Käu­fer bei Ver­lust ei­nes Schlüs­sels in der La­ge ist, sich oh­ne zu­sätz­li­chen Mehr­auf­wand ei­nen Zweit­schlüs­sel zu ver­schaf­fen. Dies war oh­ne den „Mas­ter­key“ nicht mög­lich.

Der An­spruch der Klä­ge­rin schei­tert nicht et­wa dar­an, dass die Klä­ge­rin ei­ne von der Be­klag­ten an­ge­bo­te­ne – dem Min­de­rungs­an­spruch vor­ran­gi­ge – Nach­er­fül­lung ver­wei­gert hat.

Zwar kann der Ver­käu­fer die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 III 1 BGB ver­wei­gern, wenn sie nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich ist. Wie das Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen E vom 10.01.2004 auf­ge­zeigt hat, be­lau­fen sich die Kos­ten für die Er­neue­rung des Schließ­zy­lind­er­sat­zes und der er­for­der­li­chen zwei Steu­er­ge­rä­te je­doch auf ins­ge­samt 1.831,40 € in­klu­si­ve Um­satz­steu­er. Dies ent­spricht bis auf 14,50 € ge­nau dem Be­trag, den auch die Klä­ge­rin an­ge­ge­ben hat­te. Der Haupt­grund für die ho­hen Kos­ten ist – wie der Sach­ver­stän­di­ge aus­führt – die Tat­sa­che, dass oh­ne „Mas­ter­key“ es nicht mög­lich ist, das Code­steu­er­ge­rät und das Ein­spritz­steu­er­ge­rät zu er­neu­ern. Es gibt kei­ne tech­ni­sche Mög­lich­keit, neue Schlüs­sel ein­zu­pro­gram­mie­ren, oh­ne über den al­ten ge­hei­men Code des „Mas­ter­keys“ zu ver­fü­gen. Da­mit be­darf es, um die elek­tro­ni­sche Weg­fahr­sper­re ak­ti­vie­ren zu kön­nen, des Ein­baus von zwei neu­en Steu­er­ge­rä­ten (Code­steu­er­ge­rät und Ein­spritz­steu­er­ge­rät). Mit Ar­beits­löh­nen und Er­satz­teil­kos­ten sind dies 1.831,40 € in­klu­si­ve Um­satz­steu­er. Das Ge­richt hat kei­ner­lei An­halts­punk­te, den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen nicht zu fol­gen. Das Gut­ach­ten ist nach­voll­zieh­bar dar­ge­stellt und be­grün­det. Ins­be­son­de­re hat sich der Sach­ver­stän­di­ge mit ei­nem tech­ni­schen Be­ra­ter der Fir­ma Fi­at Deutsch­land in Ver­bin­dung ge­setzt, um die ent­spre­chen­den tech­ni­schen Vor­ga­ben des Her­stel­lers in sein Gut­ach­ten mit ein­be­zie­hen zu kön­nen. Da­mit durf­te die Be­klag­te die von der Klä­ge­rin ge­wünsch­te Nach­bes­se­rung nicht un­ter Hin­weis auf ent­spre­chen­de un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge Kos­ten ver­wei­gern. Dies führt recht­lich da­zu, dass die Be­klag­te die ihr ob­lie­gen­de Nach­er­fül­lung oh­ne zu­rei­chen­den Grund ver­wei­gert hat und der Klä­ge­rin da­mit der Min­de­rungs­an­spruch nach § 441 BGB zur Ver­fü­gung steht.

Bei der Min­de­rung ist der Kauf­preis in dem Ver­hält­nis her­ab­zu­set­zen, in wel­chem zur Zeit des Ver­trags­schlus­ses der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand zum wirk­li­chen Wert ge­stan­den ha­ben wür­de (§ 441 III 1 BGB). Man­gel­frei­heit hät­te – wie dar­ge­legt – be­deu­tet, dass der nicht fach­ge­recht an­ge­brach­te Brems­schlauch re­pa­riert wor­den wä­re und der Mas­ter­key vor­han­den ge­we­sen wä­re. Der ge­sam­te Min­de­rungs­an­spruch der Klä­ge­rin be­läuft sich da­mit auf 1.965,64 € (134,24 € für den Brems­schlauch und 1.831,40 € für die Schließ­an­la­ge). In die­sem Um­fang war das Ver­säum­nis­ur­teil auf­recht­zu­er­hal­ten, im Üb­ri­gen war es auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Da das Un­ter­lie­gen der Klä­ge­rin le­dig­lich 14,50 € be­trägt, wa­ren die ge­sam­ten Kos­ten des Rechts­streits der Be­klag­ten auf­zu­er­le­gen (§§ 91, 92 II Nr. 1 und Nr. 2 ZPO). …

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