1. Die in § 476 BGB vor­ge­se­he­ne Be­weis­last­um­kehr kommt dem Käu­fer ei­ner ge­brauch­ten Sa­che – ins­be­son­de­re ei­nes Kraft­fahr­zeugs – nicht zu­gu­te.
  2. Bei dem Hin­weis „Das Fahr­zeug hat ei­nen über­hol­ten Mo­tor mit ei­ner Lauf­leis­tung von ca. 60.000 km.“ in ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf­ver­trag kann es sich um ei­ne rei­ne Wis­sens­er­klä­rung des Ver­käu­fers han­deln. Da­von ist ins­be­son­de­re aus­zu­ge­hen, wenn die be­haup­te­te Über­ho­lung des Mo­tors nicht in die Be­sitz­zeit des Ver­käu­fers fällt und die­ser kei­ne ei­ge­ne Werk­statt hat. Er­heb­lich ist fer­ner, wann die an­geb­li­che­Über­ho­lung durch­ge­führt wur­de und wel­che Stre­cke das Fahr­zeug seit­dem zu­rück­ge­legt hat. Denn je län­ger die mit dem an­geb­lich über­hol­ten Mo­tor zu­rück­ge­leg­te Fahr­stre­cke ist und je wei­ter die be­haup­te­te Mo­tor­über­ho­lung in der Ver­gan­gen­heit liegt, des­to mehr muss der Käu­fer an­neh­men, der Ver­käu­fer wol­le für die Rich­tig­keit der Er­klä­rung nicht ein­ste­hen.

LG Ha­nau, Ur­teil vom 27.03.2003 – 1 O 1510/02

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en schlos­sen am 07.05.2002 ei­nen Kauf­ver­trag über ein Wohn­mo­bil. Den Kauf­preis von 7.700 € leis­te­te der Klä­ger, in­dem er 6.600 € in bar zahl­te und die Be­klag­te ein Alt­fahr­zeug des Klä­gers für 1.000 € in Zah­lung nahm.

Der Kauf­ver­trag über das Wohn­mo­bil ent­hält den Zu­satz „Das Fahr­zeug hat ei­nen über­hol­ten Mo­tor mit ei­ner Lauf­leis­tung von ca. 60.000 km.“ Ent­spre­chen­des wur­de dem Klä­ger auch münd­lich mit­ge­teilt. Der Mo­tor war vom Vor­be­sit­zer des Fahr­zeugs teil­über­holt wor­den; an­schlie­ßend hat­te die Be­klag­te di­ver­se In­stand­set­zungs­ar­bei­ten an dem Wohn­mo­bil durch­ge­führt.

Hin­ten links im Holz­bo­den des Fahr­zeugs be­fin­det sich ein gro­ßes Loch. Das Fahr­zeug hat zu­dem meh­re­re Lö­cher im Fahr­zeug­bo­den und weist auch Lö­cher auf, die mit Kitt und Un­ter­bo­den­schutz ver­schlos­sen wur­den.

Mit Schrei­ben vom 09.05.2002 rüg­te der Klä­ger an­geb­li­che Män­gel des Fahr­zeugs. Mit Schrei­ben vom 16.06.2002 be­haup­te­te er wei­te­re Män­gel und er­klär­te, dass er das Fahr­zeug zu­rück­ge­ben wer­de und auf ei­ne zü­gi­ge Rück­ab­wick­lung hof­fe. Mit Schrei­ben vom 03.09.2002 rüg­te der Klä­ger noch­mals Män­gel und er­klär­te, dass er das Fahr­zeug end­gül­tig zu­rück­ge­ben wol­le. Er setz­te der Be­klag­ten ei­ne Frist von fünf Ta­gen zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses. Die Be­klag­te er­klär­te, sie wer­de kei­ne Ar­bei­ten zum Zwe­cke ei­ner Nach­er­fül­lung oder Nach­bes­se­rung vor­neh­men.

Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und Scha­dens­er­satz für die Zu­las­sungs- und Schil­der­kos­ten (70 €). Er be­haup­tet, der Mo­tor des Wohn­mo­bils sei völ­lig verölt. An den Glüh­ker­zen tre­te aus den Zu­füh­rungs­lei­tun­gen Die­sel­kraft­stoff aus. Das gro­ße Loch im Holz­bo­den des Fahr­zeug ha­be sich be­reits im Zeit­punkt der Über­ga­be dort be­fun­den. Eben­falls schon im Zeit­punkt der Über­ga­be ha­be das Fahr­zeug Start­pro­ble­me ge­habt; der Mo­tor sprin­ge öf­ter nicht an. Zu­dem sei der Was­ser­boi­ler be­reits an­fäng­lich de­fekt ge­we­sen, da bei 40° C die Stö­rungs­an­zei­ge auf­leuch­te. Die Bat­te­rie ent­la­de sich auch dann, wenn die Strom­ver­brau­cher nicht be­nutzt wür­den. Der Aus­puff sei nicht fach­ge­recht mon­tiert wor­den; die Aus­puff­an­la­ge sei un­dicht.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht kein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses we­gen des er­klär­ten Rück­tritts ge­mäß §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB zu.

Es kann da­hin­ste­hen, ob die von dem Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Män­gel Sach­män­gel i. S. von § 434 BGB sind oder ob es sich – was an­ge­sichts des ho­hen Al­ters und der ho­hen Lauf­leis­tung des Kraft­fahr­zeugs na­he­liegt – um üb­li­che Ab­nut­zungs- und Ver­schleiß­er­schei­nun­gen han­delt, wel­che kei­ne Ab­wei­chung von der Soll­be­schaf­fen­heit be­grün­den kön­nen.

Je­den­falls hat der be­weis­pflich­ti­ge Klä­ger nicht un­ter Be­weis ge­stellt, dass die be­tref­fen­den Män­gel im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­la­gen. Die Be­weis­last­um­kehr des § 476 BGB kommt dem Klä­ger vor­lie­gend nicht zu­gu­te, da die Ver­mu­tung, dass die Sa­che be­reits bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft war, mit der Art der Sa­che nicht ver­ein­bar ist. Die­se Aus­nah­me von der grund­sätz­lich ge­ge­be­nen Be­weis­last­um­kehr ist vor al­lem bei ge­brauch­ten Sa­chen an­zu­neh­men, bei de­nen die von vorn­her­ein an­zu­neh­men­de un­ter­schied­li­che Ab­nut­zung zu be­rück­sich­ti­gen ist (Pa­landt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 476 Rn. 10). Dies gilt ins­be­son­de­re bei Kraft­fahr­zeu­gen (Pa­landt/Putzo, a. a. O., § 476 Rn. 10). Bei sämt­li­chen hier gel­tend ge­mach­ten Män­geln han­delt es sich um sol­che, wel­che in­fol­ge Ver­schlei­ßes kurz­fris­tig auf­tre­ten kön­nen. Es be­steht da­her kei­ne Ver­mu­tung, dass sie be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­han­den ge­we­sen sind.

Ei­ne Ab­wei­chung von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit ist auch nicht des­halb an­zu­neh­men, weil in dem Kauf­ver­trag ver­merkt ist, dass das Kraft­fahr­zeug ei­nen über­hol­ten Mo­tor mit ei­ner Lauf­leis­tung von ca. 60.000 km ha­be. Es han­delt sich da­bei um ei­ne rei­ne Wis­sens­er­klä­rung. Die Aus­le­gung ei­ner sol­chen Er­klä­rung hängt we­sent­lich da­von ab, ob die an­geb­li­che Über­ho­lung in die Be­sitz­zeit des Ver­käu­fers fällt oder nicht. Au­ßer­dem ist zu be­rück­sich­ti­gen, ob der Händ­ler über ei­ne ei­ge­ne Werk­statt ver­fügt. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Käu­fer nicht oh­ne Wei­te­res da­von aus­ge­hen, dass er für die Rich­tig­keit der frag­li­chen Er­klä­rung ein­ste­hen will. Aus­le­gungs­er­heb­lich ist fer­ner, wel­che Stre­cke das Fahr­zeug seit der be­haup­te­ten Mo­tor­über­ho­lung zu­rück­ge­legt hat. Je län­ger die mit dem an­geb­lich über­hol­ten Mo­tor zu­rück­ge­leg­te Fahr­stre­cke und je grö­ßer der zeit­lich Ab­stand ist, des­to eher wird es sich bei ei­ner sol­chen Er­klä­rung um ei­ne rei­ne Wis­sens­er­klä­rung han­deln (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1684).

Nach die­sen Grund­sät­zen ist vor­lie­gend da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich um ei­ne rei­ne Wis­sens­er­klä­rung han­del­te. Nach den An­ga­ben im Kauf­ver­trag war be­reits ei­ne er­heb­li­che Stre­cke (60.000 km) mit dem Fahr­zeug zu­rück­ge­legt wor­den. Die Be­klag­te hat auch für den Klä­ger er­sicht­lich nicht über ei­ne ei­ge­ne Werk­statt ver­fügt. Die Über­ho­lung fiel zu­dem nicht in die Be­sitz­zeit der Be­klag­ten, was die Be­klag­te dem Klä­ger auch mit­ge­teilt hat­te. Ein­schrän­kend ent­hält der Kauf­ver­trag auch noch den Ver­merk „Über­holt laut Rech­nung“. Bei Wür­di­gung all die­ser Um­stän­de ist da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich bei der Mit­tei­lung der Mo­tor­über­ho­lung um ei­ne rei­ne Wis­sens­er­klä­rung oh­ne Haf­tungs­über­nah­me­wil­len han­delt.

Un­ge­ach­tet des­sen liegt je­doch auch in­so­weit kei­ne Ab­wei­chung von der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit vor. Der Kauf­ver­trag ent­hält le­dig­lich die Er­klä­rung, dass der Mo­tor über­holt sei. Dies hat die Be­klag­te dem Klä­ger auch münd­lich mit­ge­teilt. Die­se Er­klä­rung kann in der Re­gel nicht da­hin ge­hend ver­stan­den wer­den, dass der Mo­tor ge­ne­ral­über­holt ist. Die Teil­über­ho­lung ei­nes Mo­tors wird im Han­del auch als ein­fa­che Über­ho­lung be­zeich­net. Ein teil­über­hol­ten Mo­tor ist dann ge­ge­ben, wenn ein­zel­ne Tei­le re­pa­riert oder er­neu­ert wor­den sind (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1682). So liegt der Fall hier. Die durch­ge­führ­ten Maß­nah­men wur­den von dem Be­klag­ten als Über­ho­lung be­zeich­net. Dies kann nicht als Ge­ne­ral­über­ho­lung ver­stan­den wer­den, son­dern nur als teil­wei­se Er­neue­rung bzw. Re­pa­ra­tur des Mo­tors. Die­se ist auch er­folgt. Dem­entspre­chend wur­de dem Klä­ger auch münd­lich mit­ge­teilt, dass ein Teil des Mo­tors über­holt wor­den sei.

Letzt­lich fehlt es auch an der für den Rück­tritt er­for­der­li­chen Nach­frist­set­zung.

Mit Schrei­ben vom 09.05.2002 setz­te der Klä­ger der Be­klag­ten ei­ne Frist zur Be­sei­ti­gung von di­ver­sen Män­geln, wel­che je­doch nicht mit den hier gel­tend ge­mach­ten Män­geln iden­tisch sind. Erst­mals mit Schrei­ben vom 16.06.2002 rüg­te der Klä­ger die im vor­lie­gen­den Rechts­streit vor­ge­tra­ge­nen Män­gel. Zu­gleich hat er je­doch die Rück­ab­wick­lung des Ver­trags ver­langt. Die er­for­der­li­che Frist­set­zung ist da­mit nicht er­folgt. Auch mit Schrei­ben vom 03.09.2002 hat der Klä­ger le­dig­lich Rück­ab­wick­lung ver­langt.

Auch ei­ne end­gül­ti­ge und ernst­haf­te Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung liegt nicht vor. So­weit die Be­klag­te bei Über­ga­be des Schrei­bens vom 03.09.2002 er­klärt hat, er wer­de kei­ne Ar­bei­ten mehr an dem Fahr­zeug aus­füh­ren, führt dies nicht zur An­nah­me ei­ner ernst­haf­ten und end­gül­ti­gen Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung. Von ei­ner Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung kann nur dann die Re­de sein, wenn der Schuld­ner wirk­lich die Er­fül­lung in be­stimm­ter Wei­se end­gül­tig ver­wei­gert. Die Wei­ge­rung muss als das letz­te Wort des Schuld­ners auf­zu­fas­sen sein, so­dass ei­ne Än­de­rung des Ent­schlus­ses aus­ge­schlos­sen er­scheint (BGH, NJW 1984, 48 [49]). An die An­nah­me, der Schuld­ner ver­wei­ge­re die Leis­tung end­gül­tig, sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len (BGH, NJW-RR 1993, 139 [140]). So­lan­ge die Mög­lich­keit be­steht, dass der Schuld­ner noch – ins­be­son­de­re durch Frist­set­zung – um­ge­stimmt wer­den könn­te, muss ein Ver­such in die­se Rich­tung un­ter­nom­men wer­den (BGH, WM 1957, 1344). Ei­ne Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung lässt sich aus der Er­klä­rung, dass der Schuld­ner nicht leis­ten will, dann nicht ab­lei­ten, wenn nicht Er­fül­lung ge­for­dert wird, son­dern Rech­te aus ei­nem er­klär­ten Rück­tritt gel­tend ge­macht wer­den (BGH, NJW 1996, 1814). So liegt der Fall hier. Der Klä­ger hat nach sei­nem Vor­trag bei Über­ga­be des Schrei­bens am 03.09.2002 ge­ra­de nicht Er­fül­lung ver­langt. Er hat viel­mehr sei­ne be­reits zu­vor ab­ge­ge­be­ne Rück­tritts­er­klä­rung wie­der­holt. Der Klä­ger hat da­her zu kei­nem Zeit­punkt nach sei­nem be­reits im Ju­ni er­klär­ten Rück­tritt zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass er über­haupt da­zu be­reit ist, ei­ne Nach­bes­se­rung durch­füh­ren zu las­sen …

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