Ein Ge­braucht­wa­gen ist nicht man­gel­haft, wenn er ei­ne Nachla­ckie­rung auf­weist, die ihn we­der tech­nisch noch wirt­schaft­lich noch op­tisch ent­wer­tet und nur bei ge­nau­er In­au­gen­schein­nah­me durch ei­nen er­fah­re­nen Sach­ver­stän­di­gen oder mit tech­ni­schem Auf­wand (Lack­stär­ke­mes­sung) fest­zu­stel­len ist.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 08.11.2002 – 3 U 37/02

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Au­to­kaufs und wei­te­ren Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten am 26.11.1999 ei­nen ge­brauch­ten Pkw mit ei­ner Lauf­leis­tung von 31.940 km un­ter Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss. Den Kauf­preis von 32.900 DM zahl­te er noch am sel­ben Tag. An dem Fahr­zeug, das der Klä­ger nach wie vor fährt, wa­ren – hier­über ver­hält sich das im selb­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren er­stat­te­te Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S vom 22.01.2001 – Nachla­ckie­rungs- und Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten vor­ge­nom­men wor­den. Der Klä­ger hat be­haup­tet, er ha­be beim Kauf des Fahr­zeugs nach frü­he­ren Re­pa­ra­tur- bzw. Nachla­ckie­rungs­ar­bei­ten so­wie Un­fall­schä­den und Män­geln ge­fragt. Man ha­be ihm mit­ge­teilt, das Fahr­zeug ha­be we­der ei­nen Un­fall ge­habt, noch wei­se es Män­gel auf. Auch sei­en kei­ne Re­pa­ra­tur- oder La­ckier­ar­bei­ten durch­ge­führt wor­den.

Der Klä­ger hat die Be­klag­te im We­sent­li­chen auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses un­ter Ab­zug ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in An­spruch ge­nom­men. Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te nach Be­weis­auf­nah­me ver­ur­teilt, an den Klä­ger 27.807,24 DM nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat es un­ter an­de­rem aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be den Kauf­ver­trag wirk­sam an­ge­foch­ten. Die Be­klag­te ha­be den Klä­ger bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags arg­lis­tig ge­täuscht, in­dem sie ihm auf des­sen Nach­fra­ge zu­min­dest oh­ne aus­rei­chen­de tat­säch­li­che Grund­la­ge mit­ge­teilt ha­be, das Fahr­zeug wei­se kei­ne Nachla­ckie­rungs- oder Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten auf. Von dem un­strei­tig ge­zahl­ten und zu­rück­zu­ge­wäh­ren­den Kauf­preis sei­en 5.187,76 DM für ge­zo­ge­ne Nut­zun­gen ab­zu­zie­hen. Au­ßer­dem ha­be der Klä­ger aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Er­stat­tung der für die Fest­stel­lung der Nachla­ckie­rungs- und Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten auf­ge­wen­de­ten Kos­ten von 95 DM. Die ge­gen die­ses Ur­teil ge­rich­te­te Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: A. … Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te zu Un­recht für ver­pflich­tet ge­hal­ten, dem Klä­ger den Kauf­preis – un­ter Be­rück­sich­ti­gung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung – in Hö­he von 27.712,24 DM Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des er­wor­be­nen Fahr­zeugs zu­rück­zu­zah­len so­wie die für die Fest­stel­lung der Nachla­ckie­rungs- und Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten … auf­ge­wen­de­ten Kos­ten von 95 DM zu er­stat­ten.

1. Ein An­spruch des Klä­gers ge­gen die Be­klag­te auf Scha­dens­er­satz aus § 463 BGB a.F. ist zu ver­nei­nen. Ein sol­cher – nach Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss im Üb­ri­gen we­gen § 476 BGB a.F. al­lein ver­blei­ben­der – Ge­währ­leis­tungs­an­spruch setzt vor­aus, dass der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten, der Zeu­ge R, ent­we­der ei­nen Feh­ler der Kauf­sa­che arg­lis­tig ver­schwie­gen (a) oder der Be­klag­ten zu­re­chen­bar ei­ne in Wahr­heit nicht vor­han­de­ne Ei­gen­schaft der Kauf­sa­che zu­ge­si­chert hat (b).

a) Ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen be­zieht sich auf zur Zeit des Ge­fahr­über­gangs vor­han­de­ne Feh­ler. Das Fahr­zeug war aber zum frag­li­chen Zeit­punkt nicht feh­ler­be­haf­tet. Ein Feh­ler lag ins­be­son­de­re nicht dar­in, dass der Wa­gen re­pa­riert bzw. nachla­ckiert war. Ein Feh­ler ist ge­ge­ben, wenn der tat­säch­li­che Zu­stand der Kauf­sa­che von dem Zu­stand ab­weicht, den die Ver­trags­par­tei­en bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­mein­sam, ge­ge­be­nen­falls auch still­schwei­gend, vor­aus­ge­setzt ha­ben (BGH, NJW-RR 1995, 364), und die­se Ab­wei­chung den Wert der Kauf­sa­che oder ih­re Eig­nung zum ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­ten oder ge­wöhn­li­chen Ge­brauch her­ab­setzt oder be­sei­tigt. Ei­ne Ge­brauchs­be­ein­träch­ti­gung schei­det aus. Ei­ne Wer­t­her­ab­set­zung ist – ab­ge­se­hen von der We­sent­lich­keits­gren­ze des § 459 I 2 BGB a.F. (zur Re­le­vanz bei arg­lis­ti­gem Ver­schwei­gen vgl. OLG Köln, MDR 1986, 495) – we­der dar­ge­tan noch dem Be­weis­si­che­rungs­gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S vom 22.01.2001 zu ent­neh­men.

b) aa) Wenn nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me da­von aus­zu­ge­hen sein soll­te, dass der Zeu­ge R dem Klä­ger auf des­sen Nach­fra­ge zu­min­dest oh­ne aus­rei­chen­de tat­säch­li­che Grund­la­ge („ins Blaue“) mit­ge­teilt hat, das Fahr­zeug wei­se kei­ne Nachla­ckie­rungs- oder Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten auf, so er­scheint es zwei­fel­haft, ob in dem Nicht­vor­han­den­sein die­ser Merk­ma­le das Feh­len ei­ner zu­ge­si­cher­ten Ei­gen­schaft ge­se­hen wer­den kann. Denn die Be­klag­te hat­te selbst ei­ne Nachla­ckie­rung am Fahr­zeug nicht aus­füh­ren las­sen, sie wuss­te von ei­ner sol­chen nichts und hät­te mit nor­ma­lem Auf­wand hier­von auch kei­ne Kennt­nis er­lan­gen kön­nen. Hier­nach spricht we­nig da­für, dass der Klä­ger bei ob­jek­ti­vier­ter Be­trach­tungs­wei­se die von sei­ner Ehe­frau be­kun­de­te Er­klä­rung des Zeu­gen R, es sei auch kei­ne Nachla­ckie­rung ge­macht wor­den, da­hin ver­ste­hen durf­te, die Be­klag­te wol­le hier­durch auch für ei­nen nur bei ganz ge­nau­em Be­trach­ten durch ei­nen er­fah­re­nen Sach­ver­stän­di­gen oder mit tech­ni­schem Auf­wand (Lack­stär­ke­mess­ge­rät), al­so durch eher un­üb­li­che Un­ter­su­chungs­me­tho­den, zu er­mit­teln­den Zu­stand des Fahr­zeugs ein­ste­hen.

bb) Aber auch – ab­ge­se­hen von der vor­ge­nann­ten Fra­ge – ver­mag der Klä­ger aus der Zu­si­che­rung ei­ner ent­spre­chen­den Ei­gen­schaft ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch nicht her­zu­lei­ten. Denn es fehlt an ei­nem Scha­den. Das bei Scha­dens­er­satz we­gen Nicht­er­fül­lung aus dem Ge­sichts­punkt arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens ei­nes Feh­lers oder arg­lis­ti­ger Vor­spie­ge­lung der Ab­we­sen­heit von Feh­lern oder des Feh­lens ei­ner zu­ge­si­cher­ten oder der arg­lis­ti­gen Vor­spie­ge­lung ei­ner nicht vor­han­de­nen Ei­gen­schaft zu er­set­zen­de po­si­ti­ve In­ter­es­se führt näm­lich da­zu, dass der Käu­fer so zu stel­len ist, wie er ste­hen wür­de, wenn die Sa­che die­se Ei­gen­schaft be­sä­ße bzw. der Feh­ler nicht vor­han­den wä­re. Von da­her ist we­der dar­ge­legt noch sonst er­sicht­lich, dass der Klä­ger da­durch, dass er ein Fahr­zeug mit den im Be­weis­si­che­rungs­gut­ach­ten aus­ge­wie­se­nen re­pa­rier­ten Schä­den er­wor­ben hat, ge­schä­digt sein könn­te. Es ist – an­ders als in dem vom OLG Hamm (OLGR 1994, 181) ent­schie­de­nen Fall – we­der ein – vom Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ter – Re­pa­ra­tur­auf­wand er­for­der­lich, noch ist das Fahr­zeug mit Blick auf die mar­gi­na­len re­pa­rier­ten Vor­be­schä­di­gun­gen wirt­schaft­lich (kei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht beim Wei­ter­ver­kauf), ge­schwei­ge denn tech­nisch und bei ver­nünf­ti­ger Be­trach­tungs­wei­se auch nicht op­tisch ent­wer­tet.

3. So­weit ein – al­ler­dings nur auf Er­satz des Ver­trau­ens­scha­dens ge­rich­te­ter – An­spruch auf Ver­schul­den bei der Ver­trags­an­bah­nung (cul­pa in con­tra­hen­do) un­ter Um­stän­den dar­aus re­sul­tie­ren kann, dass ein Ver­käu­fer ei­ne nicht i. S. von § 463 BGB a.F. re­le­van­te Ei­gen­schaft zu­si­chert, auf die der Käu­fer er­kenn­bar Wert legt, führt auch dies vor­lie­gend nicht zu ei­nem An­spruch des Klä­gers. Zwar ist an­er­kannt, dass der Käu­fer bei vor­sätz­lich fal­schen An­ga­ben des Ver­käu­fers Er­satz des Ver­trau­ens­scha­dens aus cul­pa in con­tra­hen­do ver­lan­gen kann (BGH, NJW 1995, 2159 [2160]). So­weit der Scha­den im Zu­stan­de­kom­men ei­nes wirk­sa­men Ver­tra­ges ge­se­hen wird, stellt ein sol­ches ei­nen Scha­den im Rechts­sin­ne al­ler­dings nur dar, wenn der Ver­trags­schluss ob­jek­tiv nach­teil­haft ist. Vor­lie­gend ist in­des nicht er­sicht­lich, in­wie­fern ein Scha­den des Klä­gers dar­in lie­gen könn­te, dass er die Kauf­ver­trags­ver­pflich­tung hin­sicht­lich des Au­di A4 ein­ge­gan­gen ist. Dass er über­haupt ein sol­ches Fahr­zeug kau­fen woll­te und aus sei­ner Sicht be­nö­tig­te, er­gibt sich nicht zu­letzt dar­aus, dass er mit dem Au­di A4 meh­re­re tau­send Ki­lo­me­ter zu­rück­ge­legt hat. Kein An­halt be­steht da­für, dass der Klä­ger bei Kennt­nis der vom Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten ge­rin­gen re­pa­rier­ten Vor­schä­den bei der Be­klag­ten güns­ti­ger ge­kauft hät­te. Eben­falls ist nicht er­sicht­lich, dass der Klä­ger da­durch, dass er den Au­di A4 bei der Be­klag­ten für 32.900 DM ge­kauft hat, wirt­schaft­lich schlech­ter ge­stellt ist, als er ste­hen wür­de, wenn er vom Kauf die­ses Fahr­zeugs Ab­stand ge­nom­men und ein an­de­res Fahr­zeug – ge­ge­be­nen­falls bei ei­nem an­de­ren Händ­ler – oh­ne ge­rin­ge re­pa­rier­te Vor­schä­den er­wor­ben hät­te. Das blo­ße Af­fek­ti­ons­in­ter­es­se des Klä­gers ist nicht er­satz­fä­hig.

4. Be­rei­che­rungs­an­sprü­che auf­grund ei­nes in­fol­ge wirk­sa­mer Arg­listan­fech­tung nich­ti­gen Kauf­ver­trags (§§ 812 ff., 142, 123 BGB) schei­den – ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts – aus. Denn der Klä­ger hat – so zu­tref­fend die Be­klag­te – die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung nicht in­ner­halb der Jah­res­frist des § 124 I BGB er­klärt, ins­be­son­de­re nicht mit Schrei­ben vom 10.02.2000. Da­für dass – wie der Klä­ger meint – in Letz­te­rem hilfs­wei­se ei­ne Arg­listan­fech­tung ge­se­hen wer­den kann, spricht nichts, zu­mal die­se im­mer­hin den Kauf­ver­trag, und da­mit ver­trag­li­che An­sprü­che, ver­nich­tet.

5. An­sprü­che des Klä­gers aus § 823 II BGB, § 263 StGB oder § 826 BGB (vgl. da­zu OLG Cel­le, OLGR 1996, 208) sind in Er­man­ge­lung ei­nes ob­jek­ti­vier­ten Scha­dens eben­falls nicht ge­ge­ben …

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