Auch der Käufer eines Gebrauchtwagens kann – wenn keine besonderen Umstände vorliegen – erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. „Bagatellschäden“ sind bei einem Pkw nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist, ist ohne Bedeutung.

OLG Brandenburg, Urteil vom 22.03.2011 – 11 U 25/10

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger – Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs – 21.485,22 € nebst zinsen sowie 1.023,16 € außergerichtliche Kosten zu zahlen. Es hat außerdem festgestellt, dass sich die Beklagten mit der annahme des Fahrzeugs in Verzug befänden.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Das Rechtsmittel der Beklagten zu 1. war erfolgreich, während die Berufung des Beklagten zu 2. nur teilweise, nämlich hinsichtlich der vom Kläger gezogen Nutzungen, Erfolg hatte.

Aus den Gründen: II. … 2. … a) Rechtsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1.:

Die Berufung der Beklagten zu 1. hat Erfolg. Der Kläger kann die Beklagte zu 1. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen des § 25 I HGB liegen entgegen der wohl vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht vor.

Gemäß § 25 HGB haftet derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Voraussetzung für eine Anwendung dieser Vorschrift ist, dass zunächst ein Wechsel des Unternehmensträgers stattgefunden hat. Sodann muss der neue Inhaber das Geschäft weiterführen, wobei es nach der Verkehrsauffassung genügt, dass der Kern der alten und der neuen Firma sich gleichen. Schließlich muss der Rechtsgrund der Haftung die in der Fortführung des Geschäfts unter der bisherigen Firma liegende, an die Öffentlichkeit gerichtete Erklärung des Erwerbers bilden, für die bisherigen Geschäftsschulden haften zu wollen (BGH, Urt. v. 24.09.1962 – VIII ZR 18/62; Urt. v. 16.09.1981 – VIII ZR 111/80; BayObLG, Urt. v. 17.12.1987 – BReg. 3 Z 127/87; OLG Hamm, Beschl. v. 13.08.1991 – 15 W 195/91).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.09.1991 – XI ZR 256/90 m. w. Nachw.) und herrschender Ansicht in der Literatur (z. B. Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 25 Rn. 2 m. w. Nachw.), der der Senat folgt, setzt die Anwendbarkeit des § 25 HGB voraus, dass ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe erworben und unter der bisherigen Firma fortgeführt wird. Der Veräußerer muss also Kaufmann nach §§ 1 ff. HGB sein.

Die Anwendung des § 25 HGB scheidet vorliegend bereits deshalb aus, weil die Beklagte zu 1. kein Geschäft „unter der bisherigen Firma“ fortgeführt hat. Die Beklagte zu 1. hat lediglich – wie zwischen den Parteien bereits in erster Instanz unstreitig war – die Bezeichnung A weiter geführt. Dabei handelt es sich nicht um eine Firmenbezeichnung als Name des Kaufmanns i. S. der §§ 18, 19 HGB, also einer Firma im rechtlichen Sinne, sondern lediglich um eine Geschäfts- bzw. Etablissementbezeichnung. Der Beklagte zu 2. war ein nicht in das Handelsregister eingetragener Einzelunternehmer. Er führte die Bezeichnung A ohne irgendwelche Zuätze, insbesondere ohne Rechtsformzusatz oder sonstigen Zusatz über eine Kaufmannseigenschaft …

Andere rechtliche Gesichtspunkte, die eine Haftung der Beklagten zu 1. rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

b) Rechtsverhältnis des Klägers zum Beklagten zu 2.:

Die Berufung des Beklagten zu 2. hat nur teilweise hinsichtlich der vom Kläger gezogenen Nutzungen Erfolg.

Im Verhältnis zum Beklagten zu 2. ist der Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 437 Nr. 2 Fall 1, § 326 V, § 323 BGB) berechtigt. Aufgrund des eigenen Vortrags des Beklagten zu 2. steht fest, dass das Fahrzeug bereits bei Gefahrübergang durch Übergabe an den Kläger (§ 446 BGB) den später vom Kläger festgestellten (weitergehenden) Unfallschaden aufwies: Der Beklagte zu 2. hat unstreitig gestellt, dass er das Fahrzeug in dem Zustand übernommen hat, wie er sich aus der Anlage K 4 ergeben hat. Er hat nicht hinreichend in Abrede gestellt, dass sich hinter der Schürze des Pkw bereits die weitergehenden Schäden befanden. Er will hiervon lediglich keine Kenntnis erlangt haben.

Soweit es im Kaufvertrag u. a. heißt: „… Nachlackierungen wegen Streifschaden“ liegt keine negative Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts vor, dass das Fahrzeug einen so gravierenden Unfallschaden aufweist, wie er den zu den Akten gereichten Lichtbildern zu entnehmen ist. Die Beschädigungen rühren nicht von einem Streifschaden her, sondern sind von einem schwereren Verkehrsunfall hervorgerufen worden.

Deshalb ist auf § 434 I 2 BGB abzustellen. Danach ist die Sache, soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Die letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das Fahrzeug weist nicht die Beschaffenheit auf, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist, und die der Käufer erwarten kann.

Der Käufer kann auch beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden" gekommen ist. „Bagatellschäden" bei Personenkraftwagen sind nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war; ob das Fahrzeug nach dem Unfall fachgerecht repariert worden ist, ist nicht von Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06; Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05).

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall nicht von einem „Bagatellschaden", sondern von einem Fahrzeugmangel auszugehen. Dies hat die Beweisaufnahme ergeben.

Der Zeuge D, der mit dem Fahrzeug den Heckschaden erlitten hat, auf dem die Beschädigungen beruhen, hat anlässlich seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundet, die von ihm bei einer Fachwerkstatt eingeholte Kostenschätzung habe ergeben, dass die Reparatur 3.000 € kosten werde. Der Kfz-Meister N (Mitarbeiter der Firma, die den Unfallschaden festgestellt hat) hat die Reparaturkosten „grob über den Daumen“ auf 2.000 € geschätzt. Bedenken, diesen Aussagen zu folgen, bestehen nicht.

Angesichts dessen kann bei dem zum Zeitpunkt des Kaufvertrags ca. drei Jahre alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von rund 115.000 km von einem „Bagatellschaden", mit dem ein Käufer vernünftigerweise rechnen muss, keine Rede sein. Das hat auch bereits das Landgericht zu Recht angenommen.

War das verkaufte Fahrzeug gemäß den vorstehenden Ausführungen nach dem zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand wegen des Unfallschadens bei Gefahrübergang mangelhaft, kann ein Recht des Klägers, gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 326 V, § 323 BGB vom Kaufvertrag zurückzutreten, nicht verneint werden.

Einer vorangehenden Fristsetzung zur Nacherfüllung durch Nachbesserung der nach der Behauptung des Klägers nicht ausgeführten Reparatur bedurfte es nicht, weil der Mangel, der in der Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen mit mehr als einem Bagatellschaden liegt, nicht behebbar ist (§ 326 V BGB). Durch Nachbesserung lässt sich dieser Mangel nicht korrigieren. Eine Ersatzlieferung ist bei dem hier vorliegenden Gebrauchtwagenkauf regelmäßig nicht möglich (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05). Umstände, welche die Annahme eines Ausnahmefalls nahe legen könnten, sind vom Beklagten zu 2. weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dem Rücktritt steht auch nicht § 323 V 2 BGB entgegen. Die „Pflichtverletzung", die in der Lieferung des Fahrzeugs mit dem unbehebbaren Mangel der Eigenschaft als erheblich beschädigter Unfallwagen liegt, ist nicht unerheblich. Der Mangel der Eigenschaft als erheblich beschädigter Unfallwagen kann sich hier bei dem verkauften Fahrzeug nach Art des Unfallschadens allein in einem merkantilen Minderwert auswirken. Würde der merkantile Minderwert des Fahrzeugs weniger als 1 % des Kaufpreises von 21.000 € betragen, wäre die „Pflichtverletzung" allerdings zweifellos unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, WM 2005, 2293 [unter B II 2]). Das Landgericht konnte angesichts der erheblichen Beschädigungen des streitbefangenen Fahrzeugs – wie auch der Senat – ohne Weiteres aus eigener Sachkunde davon ausgehen, dass es sich um keinen „Bagatellschaden“ im vorgenannten Sinne handelte. Dieser Berufungsangriff des Beklagten zu 2. geht damit ins Leere.

Durch den wirksamen Rücktritt hat sich der ursprüngliche Kauf in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt.

Dem Kläger stehen im Übrigen noch folgende Ansprüche gegen den Beklagten zu 2. zu:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten in Höhe von 246,16 €. § 347 II 1 BGB gibt dem Käufer einen Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen. Hierunter sind solche Vermögensaufwendungen zu verstehen, die dem Fahrzeug zugutegekommen, in dem sie seiner Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung dienen. Unerheblich ist, ob die Verwendung zu einer Steigerung des Fahrzeugwerts geführt hat (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1745). Hierzu gehören die genannten Reparaturkosten, da sie zur Herstellung der Betriebssicherheit erforderlich waren.

Der Kläger kann zudem die geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 102 € gemäß § 284 BGB beanspruchen. Aufwendungen des Käufers zur Inbetriebnahme des Fahrzeugs wie die Kosten der Überführung und der Zulassung (Ummeldung) sind ebenso wie später anfallende Versicherungskosten und die Kfz-Steuer keine Verwendungen i. S. des § 347 II 1 BGB. Sie können aber unter § 284 BGB fallen (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1745), wovon vorliegend auszugehen ist. Hierunter fallen die Fahrkosten (und auch die vom Landgericht zuerkannten Kosten für die Zulassung des Fahrzeugs und die Kennzeichen; insoweit hat der Beklagte zunbsp;2. das erstinstanzliche Urteil aber nicht mit seinem Rechtsmittel angegriffen). Der Höhe nach hat sich der Beklagte zu 2. nicht gegen die vom Kläger geltend gemachten Fahrtkosten gewandt.

Auch die Kosten für den Austausch des Anlassers hat der Beklagte zu 2. zu tragen (76,16 €). Der Beklagte zu 2. hat den Vortrag des Klägers zu diesem Punkt nicht substanziiert bestritten. Der Kläger hat insoweit ausgeführt, er habe das Fahrzeug deshalb nicht zum Beklagten zur Anlasserreparatur verbracht, weil dieser es abgelehnt habe, die Fahrtkosten hierfür zu übernehmen, wozu dieser aber verpflichtet gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wäre der Transport zum Kläger aber wirtschaftlich unsinnig gewesen. Der Auffassung des Klägers schließt sich der Senat an.

Das Rechtsmittel hat aber insoweit teilweise Erfolg, als nach § 346 I BGB im Fall des Rücktritts die „gezogenen Nutzungen“ herauszugeben sind.

Hierzu hat der Beklagte zu 2. in zweiter Instanz (erstmals) vorgetragen. Da es allerdings bereits in erster Instanz zwischen den Parteien unstreitig war, dass der Kläger mit dem Pkw gefahren war, hätte der Kläger bereits bei Berechnung der Klageforderung die gezogenen Nutzungen abziehen müssen, was er verabsäumt hat (vgl. hierzu auch LG Köln, Urt. v. 24.06.2009 – 28 O 11/07). Deshalb kann der Kläger nicht damit gehört werden, der Vortrag des Beklagten zu 2. zu den gezogenen Nutzungen sei in zweiter Instanz verspätet, die Gebrauchsvorteile seien nicht abzusetzen. Der Kläger ist aber (hilfsweise) dem Vortrag des Beklagten zu 2. zu den von ihm angeblich zurückgelegten Kilometern … substanziiert und im Einzelnen nachvollziehbar entgegengetreten. Dem hat der Beklagte zu 2. nicht mehr widersprochen. Der vom Kläger errechnete Betrag ist daher von der Klageforderung abzusetzen (§ 287 ZPO) …

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