Weist der private Verkäufer eines Gebrauchtwagens den Käufer auf einen Unfallschaden des Fahrzeugs hin und schließt er zugleich seine Haftung für Mängel aus, dann liegt in dem Hinweis auf den Unfallschaden nicht die stillschweigende Zusicherung, das Fahrzeug sei im Übrigen unfallfrei, es habe also auch außerhalb der Besitzzeit des Verkäufers keinen (erheblichen) Unfallschaden erlitten.
OLG Köln, Urteil vom 22.03.1999 – 8 U 70/98
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem Beklagten einen gebrauchten VW Golf (Baujahr 1995) zum Preis von 17.700 DM unter Ausschluss der Gewährleistung. Im schriftlichen Kaufvertrag ist handschriftlich vermerkt: „links Unfallschaden, Kotflügel etc. wurden erneuert“.
Nach der Übergabe des Fahrzeugs bemerkte die Ehefrau des Klägers einen Defekt am Schließmechanismus der Beifahrertür. Der Kläger veranlasste daraufhin eine ADAC-Gebrauchtwagenprüfung, bei der Beschädigungen und Reparaturarbeiten an der rechten Fahrzeugseite festgestellt wurden.
Mit der Klage begehrte der Kläger die Wandelung des Kaufvertrags. Er behauptet, der Beklagte habe bei den Vertragsverhandlungen auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, das Fahrzeug habe außer dem im Kaufvertrag genannten kleineren Schaden keinen Unfallschaden erlitten. Tatsächlich handele es bei dem Pkw angesichts festgestellten Schäden jedoch um ein Unfallfahrzeug. Demgegenüber behauptet der Beklagte, er habe den Kläger auf den Unfallschaden vorne links hingewiesen und im Übrigen zur Unfallfreiheit des Pkw keine Erklärungen abgegeben; eine umfangreiche Reparatur sei ihm auch nicht bekannt.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe dem Kläger weder die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zugesichert noch den Kläger insoweit arglistig getäuscht.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Das Landgericht hat einen Wandelungsanspruch des Klägers aus §§ 463, 462, 459 II BGB zu Recht verneint, weil die Gewährleistung des Beklagten für die der Klage zugrunde liegenden Fahrzeugschäden nach § 4 des Kaufvertrags vom 13.08.1997 ausgeschlossen ist. Eine Zusicherung der Unfallfreiheit des Fahrzeugs über den im Vertrag angegebenen Unfallschaden hinaus, auf die sich der Gewährleistungsausschluss nicht erstrecken würde (vgl. nur Staudinger/Honsell, BGB, 13. Aufl., § 476 Rn. 29, 33), hat der Kläger nicht bewiesen. Dass der Beklagte weitere Unfallschäden in arglistiger, gemäß § 476 BGB zur Nichtigkeit des Gewährleistungsausschlusses führender Weise verschwiegen hat, ist nicht hinreichend dargelegt.
1. Für die Annahme eines arglistigen Verhaltens des Beklagten reicht das Vorbringen des Klägers – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht aus.
Arglist erfordert einen Täuschungswillen, das heißt, der Handelnde muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen. Dabei reicht es aus, wenn der Handelnde, obwohl er mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet, ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstellt (vgl. BGH, Urt. v. 26.09.1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303).
Im vorliegenden Fall kann auch bei Zugrundelegung des Klägervortrags weder von einer gezielten Täuschungshandlung noch von Erklärungen des Beklagten ins Blaue hinein ausgegangen werden:
a) Der Kläger hat zwar behauptet, dem Beklagten sei das wahre Ausmaß der Unfallschäden bekannt gewesen. Er hat hierfür jedoch keinen Beweis angetreten. Eine Kenntnis des Beklagten kann – anders als der Kläger offenbar meint – auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte sich wegen des Fahrzeugzustands nicht auf das Zeugnis des Vorbesitzers berufen hat. Ein solches Verhalten kann vielfältige Ursachen haben; es muss nicht zwingend auf einer Kenntnis von weiteren Unfallschäden beruhen. Soweit der Kläger geltend macht, das Fahrzeug sei möglicherweise in grüner Farbe überlackiert worden, ist dies schon deshalb unerheblich, weil weder hinreichend dargelegt noch unter Beweis gestellt ist, dass der Beklagte von der Überlackierung wusste. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, der Beklagte müsse zumindest diesen Schaden beim Auswechseln des Kotflügels gesehen haben, beinhaltet nur eine bloße Spekulation.
b) Der Vorwurf der Arglist trifft den Beklagten auch nicht insoweit, als er – wie die Zeugin P bekundet hat – die Frage nach Unfallschäden des Fahrzeugs nicht mit Nichtwissen, sondern mit dem Hinweis auf den kleinen, im Kaufvertrag angeführten Kotflügelschaden beantwortet hat. Eine arglistigem Verhalten gleichstehende Erklärung ins Blaue hinein ließe sich hieraus allenfalls dann ableiten, wenn der Beklagte zumindest mit der Möglichkeit weiterer Vorschäden gerechnet hat. Auch hierzu fehlt es an hinreichendem Vorbringen des Klägers. Die Behauptung, bei der Reparatur des linken vorderen Kotflügels habe der Beklagte zwangsläufig auch die – unterstelltermaßen – auf der rechten Fahrzeugseite vorhandenen Schäden erkennen müssen, hat der – insoweit beweispflichtige – Kläger zumindest nicht unter Beweis gestellt.
2. Der Beklagte haftet dem Kläger auch nicht wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft. Die Vernehmung der Zeugin P hat für die behauptete ausdrückliche Zusicherung, außer dem im Kaufvertrag genannten Schaden gebe es keine Unfallschäden am Fahrzeug, nichts ergeben. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus der von der Zeugin bekundeten Äußerung des Beklagten, das Fahrzeug habe eigentlich keinen Unfallschaden, sondern lediglich eine kleine Delle im vorderen linken Kotflügel gehabt, nicht die konkludente Zusicherung (§ 459 II BGB) herleiten, der Pkw sei im Übrigen unfallfrei.
a) Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, dass aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen und für alle Folgen ihres Fehlens einzustehen (vgl. BGH, Urt. v. 28.02.1996 – VIII ZR 241/94, NJW 1996, 1962, 1963; Urt. v. 14.02.1996 – VIII ZR 65/95, BGHZ 132, 55, 57 f. = NJW 1996, 1337 m. w. Nachw.; MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 459 Rn. 59). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, wie der Käufer nach seinen Verständnismöglichkeiten und von seinem Erwartungshorizont aus die Erklärung des Verkäufers bei objektiver Würdigung der Umstände nach Treu und Glauben verstehen durfte (BGH, Urt. v. 14.02.1996 – VIII ZR 65/95, BGHZ 132, 55, 58 = NJW 1996, 1337).
b) Nach diesen Grundsätzen kann der Hinweis des Beklagten auf einen – reparierten – Schaden am linken vorderen Kotflügel nicht als stillschweigende Zusicherung des Fehlens sonstiger Unfallschäden gewertet werden. Die gegenteilige Auffassung des Klägers verkennt insbesondere die Bedeutung des vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschlusses. Durch einen derartigen Haftungsausschluss macht der Verkäufer eines Gebrauchtwagens – für den Käufer erkennbar – deutlich, dass er nicht für außerhalb seiner Besitzzeit entstandene, ihm unbekannte Schäden des verkauften Fahrzeugs einstehen und damit gerade keine garantieähnliche Haftung gegenüber dem Käufer übernehmen will. Gibt der Verkäufer in diesem Zusammenhang einen ihm bekannten Unfallschaden des Fahrzeugs an – wozu er abgesehen von bloßen Bagatellschäden auch ohne Nachfrage rechtlich verpflichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.1982 – VIII ZR 78/81, NJW 1982, 1386; Urt. v. 03.12.1986 – VIII ZR 345/85, WM 1987, 137, 138) –, kann diese Erklärung grundsätzlich nicht im Umkehrschluss dahin gehend verstanden werden, dass die Unfallfreiheit des Fahrzeugs im Übrigen zugesichert wird. Jedenfalls bei einem – wie hier – Kauf unter Privatleuten spricht auch aus der maßgeblichen Sicht des Käufers nichts dafür, dass ein Verkäufer, der einen ihm bekannten Unfallschaden offenbart, seine Gewährleistung aber im Übrigen vertraglich ausgeschlossen hat, in Widerspruch dazu eine stillschweigende Garantiehaftung für die Unfallfreiheit des Fahrzeugs auch außerhalb der eigenen Besitzzeit übernehmen will. Dass die hier in Rede stehenden Unfallschäden während der Besitzzeit des Beklagten entstanden sind oder der Beklagte sonst Kenntnis von ihnen hatte, lässt sich – wie unter 1 dargelegt – nicht feststellen.
Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung aus der Angabe eines bestimmten Unfallschadens trotz vereinbarten Gewährleistungsausschlusses die konkludente Zusicherung des Fehlens weiterer wesentlicher Unfallschäden herleitet (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.03.1998 – 4 U 548/97-151, OLGR 1998, 307, 308 = NJW-RR 1998, 1273, 1274; OLG Bamberg, Urt. v. 02.03.1994 – 8 U 91/93, NJW-RR 1994, 1333), wird der Zusammenhang zwischen dem mitgeteilten Unfallschaden einerseits und dem Gewährleistungsausschluss andererseits nicht hinreichend gewürdigt: Die – auch vom Kläger angeführte – Entscheidung des OLG Saarbrücken (Urt. v. 10.03.1998 – 4 U 548/97-151, OLGR 1998, 307 = NJW-RR 1998, 1273) begründet diese Auslegung allein mit der Bedeutung der Unfallfreiheit für den Käufer eines Gebrauchtwagens, derentwegen der Käufer, dem ein Unfallschaden vom Verkäufer beschrieben wird, nach Treu und Glauben davon ausgehen könne, der Verkäufer wolle ihm zugleich das Fehlen weiterer wesentlicher Schäden zusichern. Den vereinbarten Gewährleistungsauschluss berücksichtigt das OLG Saarbrücken nur insoweit, als er die Zusicherung i. S. der §§ 459 II, 463 Satz 1 BGB nicht umfasst. Die gegenüber einer Eigenschaftszusicherung eingeschränkte Reichweite eines Gewährleistungsausschlusses besagt indessen nichts darüber, ob bestimmte Erklärungen und Verhaltensweisen des Verkäufers überhaupt als Zusicherung ausgelegt werden können. Aus demselben Grunde lässt sich dem – formularmäßigen – Gewährleistungsausschluss in diesem Zusammenhang nicht entgegenhalten, die konkludente Zusicherung des Fehlens weiterer Unfallschäden sei als Individualabrede gemäß § 4 AGBG vorrangig (so offenbar OLG Bamberg, Urt. v. 02.03.1994 – 8 U 91/93, NJW-RR 1994, 1333). Ob der Hinweis auf einen bestimmten Unfallschaden zugleich die Zusicherung der Unfallfreiheit im Übrigen enthält, ist gerade im Hinblick auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss zu klären und – wie ausgeführt – regelmäßig zu verneinen.
Hinzu kommt Folgendes: Anders als beim Kauf von einem Gebrauchtwagenhändler, bei dem der Käufer in der Regel eine fachmännische Untersuchung des Fahrzeugs durch seinen Vertragspartner voraussetzen und auf dessen Sachkunde vertrauen darf, muss er beim Kauf von privat ohne anderweitige Anhaltspunkte grundsätzlich davon ausgehen, dass sich stillschweigende Erklärungen über Unfallschäden im Zweifel nur auf die Besitzzeit des Verkäufers beziehen.
Vorliegend fehlt es daher an tatsächlichen Anknüpfungspunkten für ein gemäß § 242 BGB schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in eine „unausgesprochene“ Garantieübernahme des Beklagten hinsichtlich des Fehlens weiterer Unfallschäden. Dies gilt umso mehr, als die Ehefrau des Klägers ihrer Aussage zufolge bei der Frage nach der Unfallfreiheit des Pkw ausdrücklich auf die Verpflichtung des Beklagten hingewiesen hat, etwaige Unfallschäden zu offenbaren. Angesichts dessen konnte der Kläger nicht annehmen, dass der Beklagte Erklärungen abgeben wollte, die – wie eine Zusicherung i. S. des § 459 II BGB – über das hinausgingen, was anzugeben der Beklagte rechtlich verpflichtet war. Würde man in derartigen Fällen der Auslegung des Klägers folgen, müsste der Verkäufer, um einer Zusicherungshaftung zu entgehen, bei Hinweis auf einen ihm bekannten Unfallschaden stets ausdrücklich erklären, damit keine Garantie für die Unfallfreiheit im Übrigen zu übernehmen oder zumindest hierüber nichts zu wissen. Eine solche Klarstellung wäre zwar für den Verkäufer nicht unzumutbar. Bei lebensnaher Betrachtung wird ein juristischer Laie hierzu aber in der Regel keine Veranlassung sehen, weil die mangelnde Bereitschaft zur Gewährübernahme insoweit durch den vereinbarten Haftungsausschluss bereits zum Ausdruck gebracht wird. Vor diesem Hintergrund einen Privatverkäufer allein deshalb einer Zusicherungshaftung zu unterwerfen, weil er dem – rechtlich geschuldeten – Hinweis auf einen konkreten Unfallschaden nicht ausdrücklich hinzugefügt hat, von weiteren Unfallschäden nichts zu wissen, besteht kein sachlich einleuchtender Grund. …