Eine Klausel in den Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen eines Vertragshändlers, wonach ein Käufer Schadensersatz in Höhe von pauschal 15 % des Kaufpreises leisten muss, wenn er die Bezahlung und Abnahme eines gekauften Fahrzeugs unberechtigt verweigert, ist wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 5 lit. a AGBG unwirksam, wenn für die Geschäftstätigkeit des Händlers der Verkauf von Neuwagen prägend ist und sich der Handel mit Gebrauchtwagen als bloßes Anhängsel darstellt (im Anschluss an OLG Köln, Urt. v. 27.05.1993 – 12 U 141/92, NJW-RR 1993, 1404, 1405).
LG Oldenburg, Urteil vom 07.11.1997 – 2 S 895/97
Sachverhalt: Der Beklagte bestellte bei der Klägerin, die mit Neu- und Gebrauchtwagen handelt und Vertragshändlerin für VW- und Audi-Fahrzeuge ist, am 24.01.1997 einen gebrauchten Pkw der Marke Daimler-Benz zum Preis 12.200 DM. Diese Bestellung konnte die Klägerin nach ihren darin in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger innerhalb von zehn Tagen annehmen. Der Beklagte teilte der Klägerin am Tag nach der Unterzeichnung der Bestellung mit, dass er sei nicht bereit sei, das bestellte Fahrzeug abzunehmen. Daraufhin forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 27.01.1997 unter Fristsetzung zur Abnahme des Gebrauchtwagens auf. Da der Beklagte dem nicht nachkam, verlangte die Klägerin gestützt auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen – erfolglos – Schadensersatz in Höhe von pauschal 15 % des vereinbarten Kaufpreises.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, die damit ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgte, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz erstmals behauptet, er habe die von ihm unterzeichnete Bestellung und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht lesen können, da er weder lesen noch schreiben könne. Er sei nur in der Lage, seinen Namen zu schreiben.
Aus den Gründen: Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 15 % des Kaufpreises aus der Bestellung eines Gebrauchtfahrzeugs Daimler-Benz vom 24.01.1997 zu.
Zwischen den Parteien ist ein Vertragsverhältnis begründet worden Dieses folgt noch nicht allein aus der schriftlichen Bestellung seitens des Beklagten vom 24.01.1997, denn diese ist lediglich als Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags zu bewerten. Dieses Angebot konnte die Klägerin binnen einer Frist von zehn Tagen gemäß Ziffer I der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge schriftlich annehmen, sofern nicht zuvor die Lieferung ausgeführt wurde. Eine entsprechende Annahmeerklärung ist dem Schreiben der Klägerin vom 27.01.1997 zu entnehmen, in dem sie den Beklagten unter Setzung einer Frist zur Abnahme des Pkw aufgefordert hat. Dem daraus folgenden Vertragsschluss steht nicht entgegen, dass der Beklagte bereits am 25.01.1997 sein Angebot widerrufen hat. Dieses war, wie sich aus der bereits angeführten Ziffer I der Geschäftsbedingungen ergibt, bindend für einen Zeitraum zehn Tagen.
Die Geschäftsbedingungen sind durch die Unterschrift des Beklagten unter der Bestellung Bestandteil seiner Erklärung geworden. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Bestellung bereits vor den Angaben zur Person des Beklagten einen deutlichen, drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis auf die Geschäftsbedingungen enthält. Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, er sei Analphabet. Denn Willenserklärungen sind nach dem objektiven Erklärungswert so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 133 Rn. 9). Da der Beklagte nicht behauptet hat, dass er die Klägerin auf seine fehlende Lesefähigkeit hingewiesen hat, musste diese davon ausgehen, dass der Inhalt der Erklärung vom Beklagten wahrgenommen werden konnte. Das allein ist entscheidend (§ 2 AGBG).
Ein pauschaler Schadensersatzanspruch ergibt sich trotz Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dennoch nicht aus deren Ziffer V 4. Dort ist für den Fall der Nichtabnahme und erfolgloser Fristsetzung, die sich dem Schreiben vom 27.01.1997 entnehmen lässt, geregelt: „Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15 % des vereinbarten Kaufpreises.“
Eine derartige pauschale Ersatzleistung verstößt gegen § 11 Nr. 5 lit. a AGBG.
Nach der gesetzlichen Regelung ist die Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig, wenn die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Vertragshändler eines Automobilherstellers, für dessen Geschäftstätigkeit das Neuwagengeschäft prägend ist, beim Gebrauchtwagenverkauf eine pauschale Nichtabnahmeentschädigung von 15 % des Kaufpreises verlangt (OLG Köln, Urt. v. 27.05.1993 – 12 U 141/92, NJW-RR 1993, 1404, 1405). Der Entscheidung des OLG Köln lag eine mit dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit wortgleiche Vereinbarung zugrunde. Auch im Übrigen stimmen die Sachverhalte in den entscheidungserheblichen Punkten überein. So tritt die Klägerin bekanntermaßen als Vertragshändlerin für VW- und Audi-Fahrzeuge auf und bietet in ihren Ausstellungsräumen Neuwagen an Daneben handelt sie mit Gebrauchtwagen. Dies rechtfertigt den Schluss, dass das Gebrauchtwagengeschäft nur ein Anhängsel der übrigen Geschäftstätigkeit ist. Besondere Umstände dafür, dass die Klägerin in Abweichung von den der Entscheidung des OLG Köln zugrunde liegenden Tatsachen besonderes Gewicht auf den Gebrauchtwagenhandel legt und in diesem Bereich auch durch verstärkte Ankaufbestrebungen tätig wird, hat die Klägerin nicht dargetan. Die Tatsache, dass sie eine Werkstatt unterhält, begründet kein anderes Ergebnis. Gerade Vertragshändler bieten üblicherweise eine entsprechenden Service, während dieser im Gebrauchtwagenhandel nicht immer vorzufinden ist.
Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass der Gebrauchtwagenhandel aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung des OLG Köln häufig eine Folge des Wunsches der Kunden ist, die beim Kauf eines Neufahrzeugs ein von ihnen gefahrenes Kfz in Zahlung geben wollen. Dabei ist es nicht unüblich, durch überhöhte Ankaufpreise einen Anreiz zum Erwerb einen Neuwagens zu schaffen. Da die Gewinnerzielungsabsicht beim Ankauf und anschließenden Verkauf eines Gebrauchtwagens nicht zwingend im Vordergrund steht, ist es nicht gerechtfertigt, pauschale Ersatzleistungsansprüche in Höhe von 15 % des Verkaufspreises festzusetzen.
Bei dieser Bewertung war auch die in der Entscheidung des OLG Köln angeführte Einschätzung, wonach im Gebrauchtwagengeschäft niedrige Bruttoerträge erzielt werden, zu beachten. Dem stellt das Urteil des LG Hagen (LG Hagen, Urt. v. 27.08.1986 – 17 S 38/86, DAR 1987, 226), wonach ein pauschaler Schadensersatz in Höhe von 20 % des Kaufpreises zulässig sein soll, keine Begründung entgegen. Zu berücksichtigen war ferner, dass in der Literatur zunehmend Kritik an der Schadensersatzpauschale von 15nbsp;% bei Nichtabnahme geäußert wird (vgl. Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., Anhang §§ 9–11 Rn. 436 m. w. Nachw.) und auch der BGH in seiner Entscheidung vom 29.06.1994 (BGH, Urt. v. 29.06.1994 – VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305, 312 = NJW 1994, 2478, 2479) im Rahmen der Hinweise, die das Berufungsgericht bei der erneuten Entscheidung zu berücksichtigen hatte, Bedenken gegen die Pauschale hervorgehoben hatte.
Es ist nicht von Bedeutung, dass eine entsprechende Schadensberechnung im Neuwagenkauf anerkannt ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.1982 – VIII ZR 89/81, NJW 1982, 2316, 2317). Hier wird ein Vertragshändler bereits zur Abdeckung der Gesamtkosten anders kalkulieren müssen. Ferner ist ein Käufer beim Erwerb eine Neufahrzeugs generell wählerischer, sodass die anderweitige Veräußerung eines bestellen, aber nicht abgenommenen neuen Pkw nicht in jedem Fall unproblematisch sein muss.
Die Klägerin hat einen konkreten Schaden durch die Nichtabnahme des vom Beklagten bestellten Pkw nicht dargetan.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 I ZPO zurückzuweisen.