Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der entgangenen Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs (Nutzungsausfallschaden) kommt auch dann in Betracht, wenn der Schuldner lediglich aufgrund eines Kaufvertrags zur Übergabe des Fahrzeugs und des Fahrzeugbriefs verpflichtet war und hiermit in Verzug geraten ist (Fortführung von Senat, Urt. v. 14.07.1982 – VIII ZR 161/81, BGHZ 85, 11).
BGH, Urteil vom 15.06.1983 – VIII ZR 131/82
Sachverhalt: Der Kläger verlangt eine Entschädigung für den Nutzungsausfall eines von dem Beklagten erworbenen Pkw, der infolge verspäteter Übergabe des Fahrzeugbriefs nicht sofort zum Verkehr zugelassen werden konnte.
Er kaufte im Herbst 1980 von dem Beklagten für 600 DM einen Pkw Fiat 131 (Baujahr 1976), in den der Beklagte im Aufträg des Klägers verwendungsfähige Teile aus dem Altfahrzeug des Klägers eingebaut hatte. Der fertiggestellte Pkw, dessen Wert der Kläger mit 2.500 DM angegeben hat, wurde dem Kläger spätestens Anfang Januar 1981 übergeben. Den Fahrzeugbrief erhielt der Kläger – nach schriftlicher Mahnung vom 14.01.1981 – erst mit Schreiben der Voreigentümerin des Fahrzeugs, der Autohaus R-GmbH, vom 20.03.1981 übersandt. Bis dahin nutzte der Kläger den Pkw einige Male mit einem roten Kennzeichen (§ 28 StVZO) im Straßenverkehr; ein Ersatzfahrzeug nahm er nicht in Anspruch.
Mit Schreiben vom 31.03.1981 forderte der Kläger den Beklagten auf, ihm bis zum 10.04.1981 Schadensersatz zu leisten. Nach dem erfolglosen Ablauf dieser Frist erhob er Klage auf Zahlung von 2.125 DM nebst Zinsen.
Diese hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, bei der Verletzung kaufvertraglicher Leistungspflichten könne eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage einer abstrakten Schadensberechnung nicht verlangt werden. Das Oberlandesgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers teilweise – in Höhe von 1.075 DM nebst Zinsen – stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten, der damit seinen Klagabweisungsantrag weiterverfolgte, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne Geldersatz für entgangene Nutzungsmöglichkeiten als Verzögerungsschaden gemäß §§ 286 I, 433 I 1 BGB verlangen. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH, nach der die Nutzungsmöglichkeit eines Personenkraftwagens als solche ein vermögenswertes Gut darstelle, sei die dem Kläger entgangene Nutzung des Fiat 131 als Vermögenschaden anzusehen. Es könne nicht danach differenziert werden, aus welcher haftungsbegründenden Norm sich die Schadensersatzpflicht ergebe, weil danach erzielte Ergebnisse eher zufällig anmuteten.
II. Die Auffassung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.
1. Der Beklagte war mit der Erfüllung des Kaufvertrags in Verzug (§§ 284 ff). Zwar hatte er dem Kläger Besitz und Eigentum am Fahrzeug bereits Anfang Januar 1981 verschafft. Damit war gemäß § 952 BGB auch der Fahrzeugbrief in das Eigentum des Klägers übergegangen (Senat, Urt. v. 21.12.1960 – VIII ZR 89/59, BGHZ 34, 122, 134; Urt. v. 08.05.1978 – VIII ZR 46/77, NJW 1978, 1854). Zur Vertragserfüllung gehörte jedoch auch die Aushändigung des Fahrzeugbriefs (vgl. BGH, Urt. v. 25.06.1953 – IV ZR 20/53, LM § 433 Nr. 5 = NJW 1953, 1347), den der Kläger erst am 25.03.1981 erhielt. Bis zu diesem Zeitpunkt und seit dem Zugang der Mahnung vom 14.01.1981 befand sich der Beklagte mit der Pflicht zur Verschaffung des Fahrzeugbriefs in Verzug. Dieser Ausgangspunkt des Berufungsurteils lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision hingenommen.
2. Zu dem Verzugsschaden, dessen Ersatz der Kläger gemäß § 286 I BGB verlangen kann, gehört nach Ansicht des Berufungsgerichts die entgangene Gebrauchsmöglichkeit während der Zeit, in der das Fahrzeug wegen des fehlenden Fahrzeugbriefs nicht auf den Kläger zugelassen worden ist und daher nicht verwendet werden konnte. Hiergegen wendet sich die Revision mit der Begründung, der für den Fall der Beschädigung von Kraftfahrzeugen anerkannte – dogmatisch nicht abgesicherte – Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls stelle eine Ausnahme von § 253 BGB dar, die eng begrenzt bleiben müsse, wenn es nicht zu einer der gesetzlichen Regelung widersprechenden Verwischung von Vermögens- und Nichtvermögensschaden kommen solle. Der erkennende Senat teilt diese Bedenken nicht.
a) Die Revision stellt letztlich infrage, dass die entgangene Gebrauchsmöglichkeit des Fahrzeugs ein Vermögensschaden ist. Derartige Zweifel sind seit der Grundsatzentscheidung BGHZ 40, 345 (BGH, Urt. v. 30.09.1963 – III ZR 137/62) immer wieder laut geworden, insbesondere an dem der ständigen Rechtsprechung zugrunde liegenden Kommerzialisierungsgedanken (vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Konzept bei Ströfer, Schadensersatz und Kommerzialisierung, 1982, und dazu die Rezension von Hagen, AcP 182 [1982], 573). Der BGH hat sich wiederholt mit ihnen beschäftigt (vgl. jüngst noch das zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmte Senatsurteil vom 15.12.1982 – VIII ZR 315/80, WM 1983, 154), ist aber für die Beeinträchtigung von Eigentum und Besitz bei Kraftfahrzeugen in der Meinung gefestigt, dass nach der Verkehrsauffassung neben dem Substanzwert des Fahrzeugs auch seine ständige Verfügbarkeit als geldwerter Vermögensvorteil anzusehen ist, dessen vorübergehende Entziehung bereits einen Vermögensschaden darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.1966 – VI ZR 271/64, BGHZ 45, 212; Urt. v. 28.02.1980 – VII ZR 183/79, BGHZ 76, 179, 186; Senat, Urt. v. 14.07.1982 – VIII ZR 161/81, BGHZ 85, 11, 14). Ein Abgehen von der Kontinuität dieser Rechtsprechung könnte nur ausnahmsweise hingenommen werden, wenn deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe dafür sprächen (s. allgemein BGH [Großer Senat für Zivilsachen], Beschl. v. 04.10.1982 – GSZ 1/82, BGHZ 85, 64, 66). Solche Gründe hat die Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
b) Dem Berufungsgericht ist auch darin recht zu geben, dass für den Ersatz des Nutzungsausfallschadens grundsätzlich nicht danach differenziert werden kann, aus welcher haftungsbegründenden Norm sich die Schadensersatzpflicht ergibt.
aa) Eine unterschiedliche Behandlung gegenüber dem Nutzungsausfall bei Beschädigung des Fahrzeugs verbietet sich im vorliegenden Fall schon aus den Erwägungen, die dem Senatsurteil vom 14.07.1982 (VIII ZR 161/81, BGHZ 85, 11; dazu kritisch Schirmer, JuS 1983, 265; s. andererseits Grunsky, JZ 1983, 372, 373 unter I 2). Zwar konnte – anders als in jenem Fall hinsichtlich der Herausgabe des Kraftfahrzeugs – der Kläger einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs hier nicht aufgrund Eigentums gemäß § 985 BGB durchsetzen, weil nach dem Prozessstoff nicht der Beklagte, sondern der Voreigentümer des Fahrzeugs ihn noch in Besitz hatte und für einen mittelbaren Besitz des Beklagten nichts ersichtlich ist. Der Verzug des Beklagten bei der Erfüllung seiner kaufvertraglichen Pflicht zur Übergabe des Fahrzeugbriefs hat indessen den Kläger daran gehindert, das schon in seinem Eigentum befindliche Auto zu gebrauchen. Diese Vereitelung der bereits zum Vermögen des Klägers gehörenden Gebrauchsmöglichkeit weist für die hier zu entscheidende Frage keinen rechtserheblichen Unterschied zum Nutzungsausfall wegen einer Beschädigung des Fahrzeugs auf.
bb) Der Senat neigt freilich dazu, einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Nutzung auch für den Normalfall anzunehmen,dass der Verkäufer mit der Übergabe des Fahrzeugs in Verzug ist, durch den Verzug also nur eine schuldrechtliche Position des Käufers beeinträchtigt wird. Denn nach § 286 BGB soll der Gläubiger gerade so gestellt werden, als wenn der Vertrag rechtzeitig erfüllt worden wäre. Dazu gehört für den Käufer, dass er das Fahrzeug gebrauchen kann. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass einer Differenzierung danach, ob der Käufer bereits Eigentümer des Fahrzeugs ist, die innere Berechtigung fehlt. Dasselbe gilt für eine Differenzierung unter dem Gesichtspunkt, ob der Käufer als zweifelsfreien – Schaden die Miete für ein von ihm benutztes Ersatzfahrzeug geltend macht oder die entgangene abstrakte Nutzungsmöglichkeit, die – wie oben ausgeführt – jedenfalls in Bezug auf Kraftfahrzeuge als Vermögensschaden anzusehen ist. Mangels einer sich aus der Sache ergebenden Berechtigung kann die Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Anspruchsgrundlage auch nicht als geeigneter Weg angesehen werden, um ein Ausufern der Haftungsrisiken zu verhindern (anders Hagen, LM BGB § 251 Nr. 23 unter Ziffer 7 [zu BGH, Urt. v. 14.05.1976 – V ZR 157/74, BGHZ 66, 277; in der Entscheidung wird die Ablehnung des Ersatzes entgehender Gebrauchsvorteile beim Schuldnerverzug damit begründet, dass eine Übertragung der für die Abwicklung von Kraftfahrzeugschäden entwickelten Rechtsprechung auf den Grundstücks- und Bausektor nicht geboten sei]). Im Übrigen kann im vertraglichen Bereich, um den es hier allein geht, durch entsprechende Vereinbarungen das Haftungsrisiko beschränkt werden, wobei auf die Grenzen für derartige Haftungsbeschränkungen hier nicht eingegangen zu werden braucht. Die Revision weist – wenn auch im Rahmen einer anderen Erwägung – selber darauf hin, dass bei Kaufverträgen über Neuwagen die Möglichkeit, zulasten des Verkäufers einen Ersatzwagen anzumieten, regelmäßig ausgeschlossen werde. Andererseits wird in der Entscheidung BGHZ 71, 234 (BGH, Urt. v. 21.04.1978 – V ZR 235/77; Bestätigung von BGH, Urt. v. 14.05.1976 – V ZR 157/74, BGHZ 66, 277) der Gläubiger zu seinem Schutz gegen Nutzungsausfall wegen Verzugs auf die Möglichkeit verwiesen, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren.
c) Die Revision beanstandet noch, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO, § 253 BGB einen Vermögensschaden angenommen, denn aus dem Missverhältnis zwischen dem als Ersatz zugesprochenen Betrag von 1.075 DM und dem Wert des Fahrzeugs von 600 DM (allenfalls 2.500 DM) ergebe sich zwingend, dass die kurzfristige zeitliche Verschiebung der Nutzungsmöglichkeit nicht als Vermögensschaden qualifiziert werden könne. Diese Erwägung ist nicht schlüssig. Denn ob der Nutzungsausfall als Vermögensschaden anzusehen ist oder nicht, kann nicht davon abhängen, welcher Wert ihm im Einzelfall zukommt, sofern überhaupt eine spürbare Beeinträchtigung vorliegt.
Die Schadensberechnung als solche greift die Revision nicht an. Das Berufungsgericht ist dabei wie folgt verfahren: Es hat auf Tabellenwerte zurückgegriffen (DAR 1981, 97) und für das Fahrzeug Pkw Fiat 131 einen Betrag von täglich 31,50 DM zugrunde gelegt. Diesen Betrag hat es um darin enthaltene gesondert angegebene Vorhaltekosten von circa 10 DM gekürzt (= 21,50 DM), die beim Kläger praktisch nicht angefallen seien. Einen weiteren Abzug wegen des Baujahrs des Pkw hat es nicht vorgenommen, weil nicht ersichtlich sei, dass sein Alter einen messbaren Einfluss auf seine Nutzbarkeit gehabt habe. Die Anzahl der Tage, an denen für den Kläger während des Verzugs des Beklagten keine Nutzungsmöglichkeit bestand, hat das Berufungsgericht gemäß § 287 I ZPO auf 50 geschätzt und gelangt zu einem Schadensbetrag von (50 × 21,50 DM =) 1.075, DM. Diese verfahrensrechtlich nicht angegriffene Berechnung lässt auch materiell-rechtlich einen Verstoß zulasten des Beklagten nicht erkennen.
III. Die Revision war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.