Zur Frage, wie ein Kaufvertrag über einen Neuwagen nach Wandelung rückabzuwickeln ist, wenn der Neuwagenkäufer vereinbarungsgemäß dem Verkäufer zur Verrechnung mit einem Teil des Kaufpreises seinen Gebrauchtwagen „in Kommission“ gegeben hat.
BGH, Urteil vom 28.05.1980 – VIII ZR 147/79
Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.
Sachverhalt: Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 04.12.1976 kaufte der Kläger von dem Beklagten – einem Kraftfahrzeughändler – einen fabrikneuen Pkw Polski Fiat 125p zum Preis von 8.700 DM. Auf der nach Auslieferung des Pkw an den Kläger erstellten Rechnung vom 11.12.1976 quittierte der Beklagte, 8.700 DM von dem Kläger erhalten zu haben. Tatsächlich hatte der Kläger vereinbarungsgemäß nur 6.000 DM gezahlt und im Übrigen dem Beklagten seinen gebrauchten Pkw Simca 1000 übergeben.
Der Beklagte erteilte dem Kläger darüber am 11.12.1976 folgende „Empfangsbestätigung“:
„Ich verpflichte mich hiermit, das o. g. Fahrzeug am Montag, den 13.12.1976, ordnungsgemäß abzumelden.
Das Fahrzeug nehme ich, lt. Kaufvertrag vom 04.12.1976, bis zum 04.03.1977 in Kommission. Ist das Fahrzeug bis zum vorgenannten Zeitpunkt nicht verkauft, geht es in mein Eigentum über.“
In der Folgezeit zeigten sich an dem Neuwagen verschiedene Mängel, die der Beklagte auf Beanstandungen des Klägers wiederholt, allerdings vergeblich zu beseitigen versuchte. Mit Schreiben vom 13.10.1977 erklärte der Kläger schließlich dem Beklagten gegenüber die Wandelung des Kaufvertrags und verlangte von ihm die Rückzahlung des Kaufpreises von 8.700 DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Neuwagens. Der Beklagte, der den schwer verkäuflichen Gebrauchtwagen nach dem 04.03.1976 für sich behalten hatte, hat eine Wandelungsbefugnis des Klägers bestritten und überdies – und darum geht allein noch der Streit der Parteien in der Revisionsinstanz – die Ansicht vertreten, der Kläger könne, wenn überhaupt, allenfalls die Rückgabe des Gebrauchtwagens, nicht aber die „Rückzahlung“ von 2.700 DM verlangen, da er – der Beklagte – diesen Betrag nicht von dem Kläger empfangen habe.
Das Landgericht hat – unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitliche Benutzung des Neuwagens durch den Kläger – den Beklagten zur Zahlung von 4.989,01 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Neuwagens verurteilt. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger in erster Linie Zahlung von weiteren 2.700 DM nebst Zinsen, hilfsweise die Rückgabe des Gebrauchtwagens verlangt. Das Berufungsgericht hat dem Hilfsantrag stattgegeben. Die Revision des Klägers, der damit seinen auf Zahlung von 2.700 DM gerichteten Hauptanspruch weiterverfolgte, hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger im Rahmen der durch die Wandelung notwendig gewordenen Rückabwicklung des Neuwagenkaufs ein Anspruchauf Zahlung von 2.700 DM, die bei der Kaufpreisvereinbarung für die Hinnahme des Gebrauchtwagens durch den Beklagten angesetzt worden seien, nicht zu; vielmehr könne der Kläger lediglich Rückgabe seines noch bei dem Beklagten befindlichen Gebrauchtwagens verlangen.Dabei legt das Berufungsgericht den Kaufvertrag vom 04./11.12.1976 – und zwar in Anlehnung an das Senatsurteil vom 18.01.1967 (VIII ZR 209/64, BGHZ 46, 338) – dahin aus, dass der Kläger im Rahmen eines einheitlichen Kaufvertrags berechtigt gewesen sei, durch Hingabe seines Gebrauchtwagens einen Anteil von 2.700 DM andem Gesamtpreis endgültig zu tilgen. Es liege mithin weder ein gesonderter Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen vor, aus dem der Kläger einen Kaufpreisanspruch herleiten könne, noch habe er im Rahmen der Wandelung des Neuwagenkaufs Anspruch auf Zahlung von 2.700 DM, weil der Beklagte nicht diesen Betrag, sondern lediglich den Gebrauchtwagen von dem Kläger erhalten habe und damit auch nur zu dessen Rückgabe verpflichtet sei.
II. Diese Ansicht des Berufungsgerichts erweist sich schon deswegen als von Rechtsfehlem beeinflusst, weil sie auf einer nicht haltbaren Vertragsauslegung beruht. Da es sich bei Verträgen, in denen ein Neuwagenkäufer einen Teil des Kaufpreises durch Hergabeseines Gebrauchtwagens tilgt, um typische Vertragswerke handelt, kann das Revisionsgericht den vorliegenden Vertrag selbst auslegen.
1. Allgemein stehen den Vertragspartnern eines Neuwagenkaufs, wenn ein Teil des Kaufpreises durch Hereinnahme eines Gebrauchtwagens durch den Verkäufer (Händler) beglichen werden soll, verschiedene Möglichkeiten der Vertragsgestaltung offen. Früher vereinbarten die Parteien in der Regel, dass der Gebrauchtwagen vom Händler fest in Zahlung genommen und in Höhe eines bestimmten Betrags von vornherein endgültig auf den Kaufpreis verrechnet wurde. Dabei blieb zwar, wie der Senat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 18.01.1967 – VIII ZR 209/64, BGHZ 46, 338 – zu dieser Frage ausgeführt hat, die für den Neuwagen vereinbarte Gegenleistung in voller Höhe eine Geldschuld, der Käufer hatte jedoch die ihm von vornherein eingeräumte Befugnis, den Kaufpreis zu einem bezifferten Teil – im Rahmen einer sogenannten Ersetzungsbefugnis – durch Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB) endgültig zu tilgen. Diese Vertragsgestaltung hatte für den Neuwagenkäufer den Vorteil, dass mit der Inzahlungnahme der Kaufvertrag insoweit abgewickelt war und er aus einer etwaigen Nichtverkäuflichkeit des Gebrauchtwagens durch den Händler nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte.
2. Mit Einführung der Mehrwertsteuer (1967) erwies es sich als Nachteil, dass bei einer solchen Vertragsgestaltung die Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens aufseiten des Händlers einen mehrwertsteuerpflichtigen Vorgang darstellte und sich damit der Anrechnungspreis im Regelfall verringerte. Der Kraftfahrzeughandel ging daher dazu über, derartige Gebrauchtwagen nicht mehr endgültig in Zahlung zu nehmen, sondern sie im Rahmen eines von dem Neuwagenkäufer erteilten Vermittlungsauftrags in dessen Namen und für dessen Rechnung zu einem auf den Neuwagenpreis anzurechnenden Mindestpreis zu verkaufen, wobei dem Händler in der Regel der erzielbare Mehrerlös als sogenannte Provision verbleibt. Wie der Senat zu einer derartigen Vertragsgestaltung in seinem Urteil vom 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, WM 1978, 756 = NJW 1978, 1482 – ausgeführt hat, schließen die Parteien damit in der Regel nebeneinander einen Neuwagenkauf und einen den Gebrauchtwagen betreffenden Agenturvertrag, wobei der Händler – meist stillschweigend – das Risiko des Verkaufs zu dem für den Gebrauchtwagen angesetzten Mindestpreis übernimmt, in Höhe dieses Betrags den Preis für den Neuwagen bis zum erfolgreichen Weiterverkauf des Gebrauchtwagens stundet, zugleich für diesen Zeitraum auf eine einseitige Beendigung des Agenturvertrags verzichtet und mit Eingang des Verkaufserlöses diesen auf den Kaufpreis des Neuwagens verrechnet. Im Schrifttum ist gelegentlich in Zweifel gezogen worden, ob mit einer derartigen Vertragsgestaltung – insbesondere der Mindestpreisgarantie für den Gebrauchtwagenverkauf durch den Händler – ein Anfall der Mehrwertsteuer verhindert werden kann, weil es dann an einer Veräußerung für fremde Rechnung – als Voraussetzung für eine umsatzsteuerfreie Vermittlertätigkeit – fehle (vgl. dazu Medicus, NJW 1976, 54 f.; Espenhain, WM 1978, 1107 m. w. Nachw.). Dieses etwaige Risiko geht jedoch der Kraftfahrzeughandel angesichts der bisher – soweit ersichtlich – großzügigen Handhabung durch die Finanzverwaltung (vgl. dazu Espenhain, WM 1978, 1107, 1110 Fn. 25 ff.) deswegen ein, weil die Neuwagenkäufer im Regelfall auf einer solchen Mindestpreisgarantie bestehen.
3. Eine derartige Vertragsgestaltung liegt ersichtlich auch hier vor. Von den typischen Verträgen, über die der Senat in seinem Urteil vom 05.04.1978 – VIII ZR 83/77, WM 1978, 756 = NJW 1978, 1482 – zu befinden hatte, unterscheidet sich der Vertrag vom 04./11.12.1976 dadurch, dass die Laufzeit des Agenturvertrags und damit die Stundung eines Teils des Kaufpreises auf einen Zeitraum von sechs Monaten begrenzt war und der Beklagte für den Fall, dass sich bis zum 04.03.1977 ein Verkauf des Gebrauchtwagens zu dem von ihm vorgestellten Preis als unmöglich erwies, mit der dann endgültigen Übernahme dieses Fahrzeugs einen mehrwertsteuerpflichtigen Vorgang herbeiführte. Eine solche Vertragsgestaltung, die vor allem auch den Interessen des Neuwagenkäufers an der endgültigen Klärung der Eigentumsverhältnisse an dem Gebrauchtwagen binnen angemessener Frist dient, ändert jedoch nichts daran, daß es sich bei dem Vertrag vom 04./11.12.1976 hinsichtlich des Gebrauchtwagens um einen Kommissionsvertrag (§§ 383 ff HGB) handelt. Die in dem Vertrag gewählte Formulierung und das allgemeine Bestreben der an derartigen Rechtsgeschäften typischerweise beteiligten Verkehrskreise, einen mehrwertsteuerpflichtigen Vorgang nach Möglichkeit zu vermeiden, verbieten es, mit dem Berufungsgericht, in dem Vertragswerk die Vereinbarung einer von vornherein festen Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens durch den Händler zu sehen. Liegt aber eine solche Verpflichtung des Händlers nicht vor, so kommt es auf die in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage nicht an, ob bei einer endgültigen Inzahlunggabe des Gebrauchtwagens im Sinne einer Hingabe an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB) der Neuwagenkäufer bei Wandelung des Kaufvertrags Zahlung des Anrechnungsbetrags (so KG, LZ 1920, 838; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.10.1964 – 4 U 31/64, NJW 1965, 111; Reimer/Schmidt, in: Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., § 346 Rn. 3; Staudinger/Kaduk, BGB, 10./11. Aufl., § 346 Rn. 45; Erman/Westermann, BGB, 6. Aufl., § 346 Rn. 8) oder nur Rückgabe des Gebrauchtfahrzeugs verlangen kann (so OLG Frankfurt, Betrieb 1970, 581; MünchKomm-BGB/Janßen, § 349 Rn. 11; AK-BGB/Reich, § 467 Rn. 1; Krüger, Die Vereinbarung der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens beim Erwerb eines neuen Kraftfahrzeuges, Diss. München 1968, S. 83, 84; Dubischar, JZ 1969, 175, 177).
4. Haben aber die Vertragspartner, wie hier, zwei selbstständige Verträge – einen Kaufvertrag über den Neuwagen und einen Kommissionsvertrag über den Gebrauchtwagen – abgeschlossen, die allerdings durch die Stundungs- und Verrechnungsabrede miteinander verknüpft sind, so gilt im Falle der Wandelung des Neuwagenkaufs für das Schicksal des Gebrauchtwagens Folgendes:
a) War der Gebrauchtwagen bei Wandelung des Neuwagenkaufs, aber vor Beendigung des Kommissionsvertrags noch nicht weiterverkauft, so hat der Neuwagenkäufer insoweit auf seine Kaufpreisverpflichtung keine Leistungen erbracht. Er kann bei Rückabwicklung des Neuwagenkaufs daher nicht Zahlung des Mindestverkaufspreises für den Gebrauchtwagen, sondern im Hinblick auf die Beendigung des Kommissionsvertrags – sei es durch Kündigung oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage – von dem Händler lediglich Rückgabe des Gebrauchtwagens verlangen.
b) War der Gebrauchtwagen dagegen bei Wandelung des Neuwagenkaufs bereits an einen Dritten verkauft, so ergibt sich aus der Verrechnungsabrede, dass der Neuwagenkäufer den ihm aus dem Verkauf des Gebrauchtwagens zustehenden Verkaufserlös (Mindestverkaufspreis) auf den Neuwagenkaufpreis erbracht hat. Er hat mithin bei der Rückabwicklung (§ 467 BGB i. V. mit §§ 346 ff. BGB) Anspruch auf Zahlung des Verkaufserlöses an ihn. Das gilt jedenfalls dann, wenn der vom Händler erzielte Erlös den Mindestverkaufspreis erreicht oder übersteigt; der etwaige Mehrerlös verbleibt dann dem Händler als Provision aus dem Agenturvertrag. Fraglich kann dagegen sein, ob in Fällen, in denen der Händler bei der Weiterveräußerung des Gebrauchtwagens nur einen unter dem Mindestverkaufspreis liegenden Erlös erzielen konnte, der Neuwagenkäufer bei der Rückabwicklung lediglich den tatsächlich erzielten Erlös oder den (höheren) Mindestverkaufspreis verlangen kann. Angesichts der von dem Händler übernommenen Mindestpreisgarantie und des Umstands, dass mit Weiterverkauf des Gebrauchtwagens der Neuwagenkaufpreis als in Höhe des Mindestverkaufspreises getilgt gilt, spricht viel für die Annahme, der Neuwagenkäufer habe auch bei Rückabwicklung des Kaufvertrags Anspruch auf Auszahlung dieses Mindestverkaufspreises an ihn; doch bedarf diese Frage hier keiner abschließenden Entscheidung.
c) Macht der Händler als Kommissionär von einem ihm vertraglich eingeräumten Recht des Selbsteintritts (§§ 400 ff. HGB; vgl. dazu Baumbach/Duden, HGB, 23. Aufl., § 402 Anm. 1 B) Gebrauch und erwirbt den Gebrauchtwagen selbst, so hat ebenfalls der Neuwagenkäufer aufgrund der getroffenen Verrechnungsabrede den Preis für den Neuwagen in Höhe des angesetzten Mindestverkaufspreises für den Gebrauchtwagen erfüllt.
d) So war es hier. Zutreffend geht die Revision davon aus, dass die Parteien in dem Vertrag vom 04./11.12.1976 in zulässiger Weise dem Beklagten ein Recht zum Selbsteintritt im Rahmen des Kommissionsvertrags eingeräumt haben. Dass der Beklagte diesen Selbsteintritt – aufschiebend bedingt dadurch, dass er den Gebrauchtwagen nicht bis zum 04.03.1977 verkaufte – bereits mit Vertragsabschluss erklärt hat, ist für die rechtliche Wirksamkeit des Selbsteintritts ohne Bedeutung.
III. Dem Kläger steht mithin bei der durch die Wandelung erforderlich gewordenen Rückabwicklung des Kaufvertrags ein Zahlungsanspruch in Höhe von 2.700 DM zu. Seinem Hauptantrag war daher stattzugeben. …