Tag: Widerrufsrecht
- Einem Verbraucher, der von einem Unternehmer ein – hier neuwertiges – Kraftfahrzeug kauft, steht grundsätzlich ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht (§§ 312g I, 355 BGB) zu, wenn die Parteien für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel i. S. des § 312c II BGB verwendet haben. Das gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn der Kaufvertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde.
- Der Verkäufer hat zu beweisen, dass ein unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossener Kaufvertrag nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde. Gegen das Bestehen eines solchen Systems spricht nicht, dass der Käufer das gekaufte Fahrzeuge bei dem Händler abholen muss. Denn ein nach Vertragsschluss stattfindender persönlicher Kontakt ist für die Frage, ob ein Fernabsatzvertrag i. S. des § 312c I BGB vorliegt, irrelevant.
LG Hamburg, Urteil vom 10.09.2024 – 314 O 10/24
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- Ein Kaufvertrag über ein Wohnmobil, der zwischen einem Verbraucher als Käufer und einem Unternehmer als Verkäufer in dem – auf einem auf einem öffentlichen Campingplatz abgestellten – Fahrzeug geschlossen wird, ist ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag i. S. von § 312b I 1 Nr. 1 BGB, sofern der Unternehmer seine Tätigkeit nicht für gewöhnlich in dem Wohnmobil ausübt. Dem Verbraucher steht deshalb grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu (§ 312g I BGB i. V. mit § 355 BGB). Das gilt auch dann, wenn die Parteien von vornherein den Abschluss eines Kaufvertrags in Betracht gezogen haben. Denn das Widerrufsrecht besteht unabhängig davon, ob der Unternehmer den Verbraucher überrumpelt hat oder dieser sich in einer Drucksituation befand.
- Die Ausübung des Widerrufsrechts ist nicht an ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers geknüpft, sondern es ist seinem freien Willen überlassen, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft.
LG Münster, Urteil vom 28.06.2024 – 08 O 275/23
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Schließen ein Verbraucher und ein Unternehmer einen Kaufvertrag über einen Neuwagen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln i. S. von § 312c II BGB, so steht dem Verbraucher grundsätzlich auch dann ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht (§§ 312c, 312g I, 355 BGB) zu, wenn er das Fahrzeug konfigurieren kann. Die in § 312g II Nr. 1 BGB vorgesehene Ausnahme ist nicht einschlägig, weil der Unternehmer ein Fahrzeug, das über eine gängige (Sonder-)Ausstattung verfügt, im Falle eines Widerrufs problemlos veräußern kann.
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Das Fehlen einer Telefonnummer des Unternehmers in der Belehrung des Verbrauchers über sein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht führt nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung.
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Jedenfalls verstößt die Ausübung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler (hier: keine Angabe einer Telefonnummer) vorliegt, durch den dem Verbraucher nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerrufsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
LG Arnsberg, Urteil vom 22.02.2024 – 4 O 273/23
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Art. 14 IV lit. a Ziffer i und Art. 14 V der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gemäß Art. 14 IV lit. a Ziffer i nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.
EuGH (Achte Kammer), Urteil vom 17.05.2023 – C-97/22 (DC/HJ)
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Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nach § 357 IV 1 BGB nicht dadurch, dass der Darlehensnehmer das Fahrzeug an einen weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten Dritten veräußert hat.
BGH, Urteil vom 14.02.2023 – XI ZR 152/22
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Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag ist für die Berechnung des Wertersatzanspruchs nach § 357 VII BGB in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung (nunmehr: § 357a I BGB) bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher der Händlerverkaufspreis einschließlich Händlermarge und Umsatzsteuer und bei Rückgewähr des Fahrzeugs an den Darlehensgeber oder den Händler der Händlereinkaufspreis zugrunde zu legen.
BGH, Urteil vom 25.10.2022 – XI ZR 44/22
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Art. 10 II lit. a, c und e der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag gegebenenfalls in klarer, prägnanter Form angegeben werden muss, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ i. S. von Art. 3 lit. n dieser Richtlinie handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.
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Art. 10 II der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass in einem „verbundenen Kreditvertrag“ i. S. von Art. 3 lit. n dieser Richtlinie, der ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über die Lieferung eines Gegenstands dient und vorsieht, dass der Kreditbetrag an den Verkäufer dieses Gegenstands ausgezahlt wird, angegeben wird, dass der Verbraucher in Höhe des ausgezahlten Betrags von seiner Verbindlichkeit zur Zahlung des Kaufpreises befreit ist und dass der Verkäufer ihm, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen ist, den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat.
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Art. 10 II lit. l der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.
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Art. 10 II lit. r der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, sodass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann.
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Art. 10 II der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass im Kreditvertrag alle Situationen anzugeben sind, in denen den Parteien des Kreditvertrags ein Kündigungsrecht nicht durch diese Richtlinie, sondern nur durch die nationalen Rechtsvorschriften zuerkannt wird.
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Art. 14 I der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er es dem Kreditgeber verwehrt, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß dieser Bestimmung durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 II dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat.
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Die Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 I der Richtlinie 2008/48 durch den Verbraucher keinen Rechtsmissbrauch annehmen darf, wenn eine der in Art. 10 II dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte.
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Art. 10 II lit. t der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren verbundenen Kosten, darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, anzugeben sind. Was diese Informationen betrifft, reicht ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten der außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, nicht aus.
EuGH (Sechste Kammer), Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20 (UK/Volkswagen Bank GmbH u. a.)
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- Ein Darlehensnehmer, der seine auf den Abschluss des Darlehensvertrag gerichtete Willenserklärung gestützt auf §§ 495 I, 355 BGB widerruft, muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es sich bei dem Darlehensvertrag um einen Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 BGB) handelt. Dabei kommt dem Darlehensnehmer die Annahme, dass eine natürliche Person Verträge grundsätzlich als Verbraucher schließt, dann nicht zugute, wenn der Darlehensnehmer im Darlehensvertrag als „Selbstständiger“ bezeichnet und ausgeführt wird, das Darlehen sei für seine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit bestimmt. Vielmehr gilt dann der Grundsatz, dass derjenige, der beim Abschluss eines Vertrags wahrheitswidrig als Unternehmer (§ 14 BGB) auftritt, sich später nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen darf.
- Auf ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht finden die für gesetzliche Widerrufsrechte geltenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung keine Anwendung.
OLG Bremen, Urteil vom 08.06.2021 – 1 U 24/21
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Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist dieser Vertrag nicht einheitlich dort rückabzuwickeln, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befindet. Erfüllungsort der die Bank treffenden Rückgewährpflicht ist vielmehr der Sitz der Bank. Dieser steht ohnehin so lange ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug von dem – vorleistungspflichtigen – Verbraucher zurückerhalten hat.
OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 6 U 769/20
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Ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung erfüllt nicht die in § 506 II BGB (in der – auch heute noch geltenden – Fassung vom 29.07.2009) statuierten Voraussetzungen an eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe bei Nutzungsverträgen.
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Die Vorschrift des § 506 II BGB trifft eine abschließende Regelung dazu, bei welchen Fallgestaltungen sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen i. S. des § 506 I BGB (hier in der Fassung vom 20.09.2013) im Bereich von Nutzungsverträgen anzunehmen sind. Eine ergänzende Heranziehung des § 506 I BGB (hier in der Fassung vom 20.09.2013) auf von § 506 II BGB nicht erfasste Leasingverträge (insbesondere Leasingverträge mit Kilometerabrechnung) verbietet sich.
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§ 506 II Nr. 3 BGB (in der – auch heute noch geltenden – Fassung vom 29.07.2009) ist nicht analog auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung anzuwenden.
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Ein Widerrufsrecht des Leasingnehmers nach §§ 495, 355 BGB besteht demnach bei solchen Leasingverträgen nicht.
BGH, Urteil vom 24.02.2021 – VIII ZR 36/20
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