Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nach § 357 IV 1 BGB nicht dadurch, dass der Darlehensnehmer das Fahrzeug an einen weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten Dritten veräußert hat.

BGH, Urteil vom 14.02.2023 – XI ZR 152/22

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger seine auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.

Der Kläger erwarb im November 2016 von der S-GmbH & Co. KG in E. für 49.500 € einen gebrauchten Mercedes-Benz C 220 d T-Modell. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien unter dem 19.11.2016 einen Darlehensvertrag über 49.500 €. Das Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je 490 € und einer Schlussrate von 30.759,72 € zurückgezahlt werden.

Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

„Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.“

Mit E-Mail vom 26.07.2020 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Auf Wunsch des Klägers verlängerten die Parteien den Darlehensvertrag im Dezember 2020 um drei Monate. Im März 2021 löste der Kläger das Darlehen vollständig ab, worauf die Beklagte das Sicherungseigentum an dem Fahrzeug freigab. Am 23.03.2021 veräußerte der Kläger das Fahrzeug für 19.000 € an den eingetragenen Kaufmann B in G.

Mit seiner bereits im Januar 2021 anhängig gemachten Klage hat der Kläger zuletzt die Rückzahlung der an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungsraten (54.279,72 €) abzüglich des beim Weiterverkauf des Fahrzeugs von ihm erzielten Kaufpreises (19.000 €) und eines von ihm für den Wertverlust des Fahrzeugs auf 17.154,29 € bezifferten Wertersatzes nebst Zinsen sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Hilfswiderklagend hat die Beklagte die Feststellung begehrt, dass der Kläger verpflichtet sei, an sie Wertersatz für den bis zum Zeitpunkt seiner Herausgabe an die Beklagte eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 4.779,72 € nebst Zinsen verurteilt, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und die Hilfswiderklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung begehrte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen: [6]    Die Revision ist begründet.

[7]    I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

[8]    Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist nach § 355 II BGB für die Ausübung des Widerrufsrechts aus §§ 495 I, 355 I, 356b BGB sei im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht abgelaufen gewesen, weil der Darlehensvertrag nicht alle Pflichtangaben nach § 492 II BGB i. V. mit Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten und deshalb gemäß § 356b II BGB die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Es habe unter anderem an einer hinreichenden Angabe zu dem Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung nach Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 11 EGBGB gefehlt.

[9]    Die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dies ergebe sich nicht daraus, dass der Kläger das Fahrzeug nach dem Widerruf noch genutzt und später veräußert habe. Der Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe entgegen, dass der Kläger seine Pflicht zur Leistung von Wertersatz dem Grunde nach – wenn auch nur bis zum Eintritt des Annahmeverzugs – letztlich ausdrücklich anerkannt habe. Unerheblich sei insoweit, dass er selbst lediglich einen geringen Wertersatzanspruch der Beklagten von seinem eigenen Anspruch in Abzug bringe. Denn durch das Anerkenntnis habe er deutlich gemacht, dass er nicht gewillt gewesen sei, das Fahrzeug kostenfrei zu nutzen, sondern die Beklagte für die weitere Nutzung zu kompensieren.

[10]   Dem Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen stehe nicht entgegen, dass der Kläger das Fahrzeug veräußert habe. Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 IV 1 BGB i. V. mit § 357 IV 1 BGB sei mit der Veräußerung des Fahrzeugs entfallen, weil der Kläger dadurch von seiner Rückgabeverpflichtung gemäß § 275 II BGB frei geworden sei.

[11]   Das allgemeine Leistungsstörungsrecht und damit auch die Regelungen zur Unmöglichkeit nach §§ 275 ff. BGB seien auf die Leistungspflichten aus § 355 III BGB anwendbar. Ein Ausschluss des Unmöglichkeitsrechts und ein daraus folgendes „ewiges“ Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers aus § 358 IV 1 BGB i. V. mit § 357 IV 1 BGB würde den Darlehensnehmer unbillig belasten, wenn ihm das Fahrzeug unverschuldet, etwa durch Entwendung, abhandengekommen sei. Schließlich sei es, lehnte man das Vorliegen der Voraussetzungen des § 275 I und II BGB bei einer Veräußerung des Fahrzeugs generell ab, dem Darlehensgeber verwehrt, sich auf aus der Unmöglichkeit resultierende Sekundäransprüche, insbesondere die Herausgabe des Surrogats nach § 285 I BGB, zu berufen. Solche Sekundäransprüche des Darlehensgebers seien bei richtlinienkonformer Auslegung nicht durch § 361 I BGB ausgeschlossen. Denn die Verbraucherrechterichtlinie sehe vor, dass die Einhaltung der Richtlinie durch innerstaatliche Sanktionen sicherzustellen sei. Die Anwendbarkeit des Unmöglichkeitsrechts mit der Folge der Herausgabepflicht aus § 285 BGB stelle eine entsprechende Sanktion dar.

[12]   Die Forderung des Klägers sei nicht gemäß § 326 I 1 BGB untergegangen. Die Vorschrift sei nur auf gegenseitige Verträge anwendbar. Wie die Vorleistungspflicht des Käufers aus § 357 IV 1 BGB zeige, stünden die Pflichten aus dem widerrufsbewirkten Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht in einem Synallagma, sodass § 326 I 1 BGB keine Anwendung finde.

[13]   Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von insgesamt 54.279,72 € sei gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung mit den Ansprüchen der Beklagten aus § 285 I BGB auf Herausgabe des Surrogats in Höhe des von dem Kläger bei der Weiterveräußerung vereinnahmten Kaufpreises von 19.000 € und aus § 358 IV 1 BGB i. V. mit § 357 VII BGB auf Wertersatz in Höhe von 30.500 € erloschen. Der Wertersatzanspruch bemesse sich nach der Vergleichswertmethode. Nach dieser Maßgabe ergebe sich die Höhe des Wertersatzanspruchs der Beklagten aus der Differenz zwischen dem ursprünglichen Anschaffungspreis in Höhe von 49.500 € und dem Verkaufspreis bei Weiterveräußerung an den Dritten in Höhe von 19.000 €. Dem Kläger verbleibe demnach ein Anspruch auf Zahlung von 4.779,72 €.

[14]   II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der vom Berufungsgericht zuerkannte Zahlungsanspruch nicht zu, weil sich die Beklagte insoweit auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 IV 1 BGB berufen kann. Die Revision der Beklagten hat deshalb Erfolg und führt – soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat – zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil.

[15]   1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine auf Abschluss eines mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.

[16]   a) Dem Kläger stand bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 I BGB i. V. mit § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die vierzehntägige Widerrufsfrist aus § 355 II 1 BGB gemäß § 356b II 1 BGB nicht zu laufen begann, da die Beklagte ihre aus § 492 II BGB i. V. mit Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

[17]   Wie der Senat bereits entschieden und im Einzelnen bergründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 I Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senat, Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 m. w. Nachw.). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008 L 133, 66, berichtigt in ABl. 2009 L 207, 14, ABl. 2010 L 199, 40 und ABl. 2011 L 234, 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 I Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senat, Urt. v. 12.04.2022 – XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

[18]   Da die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger sämtliche Pflichtangaben gemäß § 492 II BGB erhalten hat, und die Beklagte diesbezüglich ihre aus § 492 II BGB, Art. 247 § 6 I 1 Nr. 1, § 3 I Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Beklagte dem Kläger die sonstigen Pflichtangaben hinreichend erteilt hat.

[19]   b) Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich oder verwirkt ist. Dabei kann dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 09.09.2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736 = WM 2021, 1986 – Volkswagen Bank – und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, das heißt eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senat, Beschl. v. 31.01.2022 – XI ZR 113/21, WM 2022, 420). Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das Berufungsurteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

[20]   Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rechtsausübung im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (Senat, Beschl. v. 31.01.2022 – XI ZR 113/21, WM 2022, 420 Rn. 70). Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Falls, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. Senat, Beschl. v. 31.01.2022 – XI ZR 113/21, WM 2022, 420 Rn. 49 m. w. Nachw.). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senat, Urt. v. 25.10.2022 – XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 30 m. w. Nachw.).

[21]   Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, weder die Ausübung des Widerrufsrechts noch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs seien rechtsmissbräuchlich, frei von revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehlern. Es hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und einen Rechtsmissbrauch mit noch vertretbarer Begründung verneint. Die Weiternutzung des Fahrzeugs für mehrere Jahre und dessen Veräußerung durch den Kläger bezieht das Berufungsgericht ebenso in seine Würdigung ein wie die nach Erklärung des Widerrufs erfolgte Stundung der noch offenen Darlehensraten und die Bereitschaft des Klägers zur Zahlung von Wertersatz. Die Revision bemüht sich insoweit lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie indes keinen Erfolg haben.

[22]   Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsirrig nicht eingestellt, dass es sich bei der fehlerhaften Angabe zum Verzugszins um eine Information handele, die für den Kläger mangels Verzugseintritts oder Geltendmachung von Verzugszinsen durch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt bei der Durchführung des Vertrags relevant war. Dies ist kein Umstand, den der Tatrichter im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigen konnte und durfte. Ob eine Pflichtangabe für den Verbraucher relevant ist, beurteilt sich nicht aus der Rückschau zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts, sondern vielmehr aus der Sicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt war es für den Kläger noch nicht vorhersehbar, ob und wann er vielleicht doch in Verzug geraten würde (vgl. Senat, Urt. v. 25.10.2022 – XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 32 m. w. Nachw.).

[23]   2. Dagegen hat die Revision Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, dem Kläger stehe gegen die Beklagte der zuerkannte Zahlungsanspruch zu. Insoweit ist die Klage unbegründet.

[24]   Noch rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte aufgrund seiner Widerrufserklärung ein Anspruch auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 358 IV 1 BGB (in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung; im Folgenden: BGB a.F.) i. V. mit § 355 III 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 I 1 Fall 1 BGB zusteht. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den widerrufsrechtlichen Rechtsfolgen der Veräußerung des Fahrzeugs durch den Kläger. Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Beklagten – was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat – nach § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senat, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 23). Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger das Fahrzeug an einen weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten Dritten veräußert und nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht wieder erworben hat.

[25]   a) Die Rechtsfolgen der vom Verbraucher herbeigeführten Unmöglichkeit der Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs durch dessen Veräußerung im Hinblick auf die Pflicht des Verbrauchers, das Fahrzeug dem Darlehensgeber zurückzugewähren, und hinsichtlich der Gegenrechte des Darlehensgebers sind umstritten.

[26]   aa) Eine Ansicht wendet das Rechtsfolgenregime der Unmöglichkeit gemäß §§ 275 ff. BGB an. Die Vorleistungspflicht des Verbrauchers aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB und das darauf bezogene Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers entfielen mit dem unmöglichkeitsbedingten Erlöschen der Rückgewährpflicht des Verbrauchers (OLG Celle, Urt. v. 02.02.2022 – 3 U 51/21, juris Rn. 79 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2021 – 6 U 129/21, WM 2022, 771 Rn. 39; Urt. v. 22.3.2022 – 6 U 326/180, ZIP 2022, 790, 791 f.; BeckOGK/​Mörsdorf, Stand: 01.06.2022, § 357a BGB Rn. 11 ff.; BeckOK-BGB/​Müller-Christmann, Stand: 01.08.2022, § 357a Rn. 4; Fischer, Widerrufsfolgen zwischen Rechtszuweisung und Vollharmonisierung, 2020, S. 328 ff.; Förderer, Der Anspruchsausschluss nach § 361 I BGB im Lichte des unionsrechtlichen Verbots des Rechtsmissbrauchs, 2021, S. 188; Freitag/​Rösch, WM 2023, 253, 261; Allmendinger, EWiR 2022, 545, 546). Stattdessen stünden bei Veräußerung nach erklärtem Widerruf dem Darlehensgeber gegebenenfalls die Sekundäransprüche auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 I und III, 283 BGB) sowie auf Herausgabe eines stellvertretenden commodum, in der Regel des von dem Dritterwerber vereinnahmten Kaufpreises (§ 285 I BGB) zu (vgl. OLG Celle, Urt. v. 02.02.2022 – 3 U 51/21, juris Rn. 89 ff., 98), die der Darlehensgeber dem Anspruch des Verbrauchers auf Rückerstattung der Zins- und Tilgungsleistungen im Wege der Aufrechnung entgegenhalten könne. Neben den genannten Ansprüchen könne der Darlehensgeber Wertersatz für den erlittenen Wertverlust der Ware gemäß § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 VII BGB (in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung; im Folgenden: BGB a.F.) von dem Verbraucher verlangen.

[27]   Nach einer Unterart der vorgenannten Auffassung tritt der Verkaufserlös aus der Weiterveräußerung zunächst an die Stelle des gemäß § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 355 III 1 BGB zurückzugebenden Fahrzeugs (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.2021 – 9 U 107/19, juris Rn. 68, 82). Der Verbraucher genüge seiner Vorleistungspflicht aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB aber erst, wenn er den Anspruch des Darlehensgebers aus § 285 I BGB auf Herausgabe des an die Stelle des Fahrzeugs getretenen Verkaufserlöses durch Aufrechnung mit seinem eigenen Anspruch auf Rückgewähr von Zins- und Tilgungsleistungen sowie einer etwaig erbrachten Anzahlung gemäß § 389 BGB zum Erlöschen bringe (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.2021 – 9 U 107/19, juris Rn. 86). Nach dieser Ansicht entfällt das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nicht ipso iure mit der Unmöglichkeit der Rückgewähr, sondern erst durch aufrechnungsbewirkte Erfüllung der Vorleistungspflicht des Verbrauchers.

[28]   bb) Ferner wird vertreten, den veräußerungsbedingten Ausfall der Sachrückgewähr bereits im Rahmen der Bestimmung der Höhe des Wertersatzanspruchs des Darlehensgebers zu berücksichtigen. Demnach umfasse der Anspruch des Darlehensgebers aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 VII BGB a.F. auch den vollständigen Wertverlust, der im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe der empfangenen Ware eintrete. Damit ersetze der Anspruch den Wert, den das Fahrzeug im Zeitpunkt der Veräußerung an einen Dritten oder der Rückgabe an den Händler noch gehabt habe (OLG Stuttgart, Urt. v. 22.03.2022 – 6 U 326/18, juris Rn. 51, insoweit in ZIP 2022, 790 nicht abgedruckt).

[29]   cc) Schließlich wendet eine Meinung das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB auch im Falle der Veräußerung der zurückzugewährenden Ware durch den Verbraucher an (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 29.06.2022 – 24 U 101/21, juris Rn. 13; OLG München, Urt. v. 08.08.2022 – 19 U 686/22, juris Rn. 35 ff., Urt. v. 05.12.2022 – 17 U 7836/21, juris Rn. 24; Grüneberg/​Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357 Rn. 5). Solange der vorleistungspflichtige Verbraucher die Ware nicht zurückgewähre, stehe dem Darlehensgeber das Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses Gegenrecht des Darlehensgebers werde zu einem dauerhaften Leistungsverweigerungsrecht, wenn dem Verbraucher die Rückgewähr der Ware endgültig nicht mehr möglich sei (vgl. Grüneberg/​Grüneberg, a. a. O., § 357 Rn. 5).

[30]   b) Zutreffend ist die letztgenannte Auffassung.

[31]   Das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB besteht auch dann, wenn dem Kläger die Rückgabe infolge der Veräußerung des Fahrzeugs an einen Dritten – wie hier – nicht möglich sein sollte. Dies folgt aus dem Wortlaut und der Gesetzgebungshistorie der Vorschrift, dem Sinn und Zweck des Leistungsverweigerungsrechts und der Systematik der aufeinander bezogenen Normen.

[32]   aa) Der Wortlaut des § 357 IV 1 BGB kennt keine Einschränkung für den Fall der Weiterveräußerung der zurückzugewährenden Ware. Vielmehr besteht das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers, bis er die Ware zurückerhalten hat. Mit der Konjunktion „bis“ gibt das Gesetz nicht nur eine zeitliche Grenze an, die so lange aufgeschoben ist, bis der bezeichnete Zustand der Rückerhalt der Ware tatsächlich eingetreten ist, sondern stellt auch unmittelbar auf die tatsächliche Rückgabe der Ware ab. Die mit „bis“ angezeigte zeitliche Grenze muss daher nicht ihrerseits endlich sein. Das grundsätzlich dilatorische Leistungsverweigerungsrecht kann also zu einem peremptorischen werden, wenn der Zustand, mit dem das Leistungsverweigerungsrecht grundsätzlich endet, endgültig nicht mehr eintreten kann, dem Verbraucher also die Rückgewähr der Ware unmöglich ist. Das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB setzt, anders als das Berufungsgericht meint, nicht die Möglichkeit der Rückgewähr der Ware voraus (a. A. Fischer, a. a. O., S. 328; Förderer, a. a. O., S. 188).

[33]   Ein Fortfall des Leistungsverweigerungsrechts mit dem Untergang der Leistungspflicht des Verbrauchers gemäß § 275 BGB ist weder im Wortlaut des § 357 IV 1 BGB angelegt noch findet er in anderen Normen eine rechtliche Grundlage. Anders als § 273 I BGB („die ihm gebührende Leistung“) oder § 320 I BGB („Gegenleistung“) knüpft der Wortlaut des § 357 IV 1 BGB das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers nicht an die Pflicht des Verbrauchers zu einer (Rückgewähr-)Leistung, die gemäß § 275 BGB entfallen kann, sondern an einen tatsächlichen Umstand, nämlich den Rückerhalt der Ware oder den Nachweis von deren Versendung. Bereits der Wortlaut betont die Bedeutung des Rückerhalts der Ware für den Unternehmer für die Frage, nicht nur wann, sondern auch ob er die ihm erbrachte Leistung an den Verbraucher zurückgewähren muss.

[34]   bb) Das gegebenenfalls dauerhafte Bestehen des Leistungsverweigerungsrechts des Darlehensgebers aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB, solange die finanzierte Ware wegen der Weiterveräußerung nicht zurückgewährt wird, entspricht auch der in der Gesetzgebungsgeschichte zum Ausdruck gekommenen Zielrichtung dieses Gegenrechts.

[35]   Der Gesetzgeber hat mit Gesetz vom 20.09.2013 (BGBl. I 2013, 3642) die Regelung des § 357 IV BGB geschaffen. Die Statuierung einer Vorleistungspflicht des Verbrauchers bedeutete eine Abkehr von der zuvor geltenden Rechtslage, wonach gemäß § 357 I 1 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung auf das Widerrufs- und Rückgaberecht vorbehaltlich einer anderen Bestimmung die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung fanden und die sich aus dem widerrufsbewirkten Rückgewährschuldverhältnis ergebenden Verpflichtungen des Darlehensneh-mers und des Darlehensgebers bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 358 IV 1 Halbsatz 1 BGB i. V. mit § 357 I 1 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung in Verbindung mit § 348 Satz 1 BGB Zug um Zug zu erfüllen waren (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 63 linke Spalte).

[36]   Ein Rückgriff auf die Regelungen des Rücktrittsrechts, insbesondere eine Berufung auf die Erfüllung Zug um Zug, soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht mehr möglich sein (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 63 linke Spalte). Mit der Vorleistungspflicht des Verbrauchers nach § 357 IV 1 BGB hat der Gesetzgeber das Interesse des Unternehmers am Rückerhalt der Ware besonders anerkannt (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 63 linke Spalte; BeckOGK/​Mörsdorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 19 ff.; MünchKomm-BGB/​Fritsche, 9. Aufl., § 357 Rn. 10; Erman/​Koch, BGB, 16. Aufl., § 357 Rn. 1, 5; kritisch dazu und wider den Wortlaut des § 357 IV 1 BGB und den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen zumindest eine entsprechende Anwendung der §§ 273 f. BGB befürwortend: Kohler, VuR 2018, 203, 204 ff.). Die in § 357 IV 1 BGB angeordnete Vorleistungspflicht des Verbrauchers beruht auf dem gesetzgeberischen Willen, dass nur die tatsächliche Rückgabe der Ware den Rückabwicklungsmechanismus in Gang setzt. Der Unternehmer soll die Ware nach dem Widerruf des Verbrauchervertrags physisch zurückerhalten, bevor er seinerseits die empfangenen Leistun-gen zurückzugewähren hat. Diese Zielrichtung des Leistungsverweigerungsrechts entfällt nicht dadurch, dass der Verbraucher die Ware wegen der Veräußerung nicht zurückgewähren kann.

[37]   cc) Sinn und Zweck des § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB sprechen ebenfalls dafür, dass das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers oder Darlehensgebers im Falle der Veräußerung der Ware durch den Verbraucher nicht entfällt, sondern als dauerhafte Einrede bestehen bleibt.

[38]   (1) Die Vorleistungspflicht des Verbrauchers nach § 357 IV 1 BGB verfolgt nicht nur den Zweck, dem Unternehmer die Bemessung seines Wertersatzanspruchs zu ermöglichen, um diesen dem Rückgewähranspruch des Verbrauchers im Wege der Aufrechnung entgegenhalten zu können (vgl. Senat, Urt. v. 25.01.2022 – XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17), sondern soll dem Unternehmer vor der Kaufpreisrückzahlung hinreichende Gewähr für das tatsächliche Wiedererlangen der Ware bieten (MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 357 Rn. 10 [„Verringerung des Verbraucherschutzniveaus“]; NK-BGB/​Ring, 4. Aufl., § 357 Rn. 11; Kohler, VuR 2018, 203, 204). Indem § 358 IV 5 BGB den Darlehensgeber bei Widerruf des mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags (§ 358 II BGB) hinsichtlich der Rückgewähr der empfangenen Leistungen in die Rechte und Pflichten des Verkäufers eintreten lässt, gewährt das Gesetz dem Darlehensgeber die freie Disponibilität über die zurückgewährte Ware (OLG Hamm, Beschl. v. 10.05.2021 – 31 U 34/21, juris Rn. 73; OLG Köln, Urt. v. 10.03.2022 – 12 U 109/21, juris Rn. 23). Das Leistungsinteresse des Darlehensgebers ist folglich auf die Ware selbst, hier das Fahrzeug, und nicht allein auf den darin verkörperten Geldwert gerichtet (a. A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.2021 – 9 U 107/19, juris Rn. 64; OLG Stuttgart, Urt. v. 02.11.2021 – 6 U 32/19, juris Rn. 46).

[39]   Der Darlehensgeber soll mit der Ware nach dem Widerruf frei wirtschaften können. Mit der Veräußerung der Ware vereitelt der Verbraucher das Recht des Darlehensgebers auf Rückgabe und Verwertung der Ware (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10.05.2021 – 31 U 34/21, juris Rn. 73; OLG Köln, Urt. v. 10.03.2022 – 12 U 109/21, juris Rn. 23). Könnte die Beklagte wegen der Veräußerung des Fahrzeugs das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB nicht mehr geltend machen, müsste sie die von dem Kläger erbrachten Zins- und Tilgungszahlungen zurückerstatten, ohne auf das ihr ursprünglich sicherungsübereignete Fahrzeug als Wirtschaftsgut zugreifen zu können.

[40]   (2) Die Vorleistungspflicht des Käufers dient auch dazu, dem Unternehmer die Bemessung seines Wertersatzanspruchs zu ermöglichen (Senat, Urt. v. 25.01.2022 – XI ZR 559/20, WM 2022, 418 Rn. 17), was eine physische Prüfung der Ware im Hinblick auf den Pflege- und Erhaltungszustand sowie die Laufleistung voraussetzt. Anders als das Berufungsgericht meint, kann für den Endwert des Fahrzeugs im Zeitpunkt der (hypothetischen) Rückgabe an den Darlehensgeber nicht unbesehen der von dem Kläger durch den Verkauf an den Dritten erzielte Veräußerungspreis zugrunde gelegt werden. Der Wertverlust bemisst sich nach der Vergleichswertmethode. Danach hat der Kläger die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe an den Darlehensgeber zu ersetzen (Senat, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 40). Maßgeblich ist dabei ausschließlich der objektive Wert der Ware (vgl. Senat, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 43; Urt. v. 25.10.2022 – XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 60 ff.).

[41]   Bei Nichtrückgabe der Ware kann der Wertverlust auch nicht schlicht dadurch bemessen werden, dass der Endwert mit null angesetzt wird. Dies würde – wie bereits ausgeführt – die vom Gesetz dem Unternehmer oder Darlehensgeber eingeräumte freie Disponibilität über die zurückgewährte Ware missachten, die ihnen die Möglichkeit eröffnen soll, die Ware gegebenenfalls nach Durchführung von werterhöhenden Maßnahmen verwerten zu können.

[42]   dd) Auch die Systematik der aufeinander bezogenen Normen spricht dafür, dass das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nicht infolge der Veräußerung des zurückzugewährenden Fahrzeugs an einen Dritten entfällt.

[43]   (1) Der Wertersatzanspruch nach § 357 VII BGB a.F. (nunmehr: § 357a I BGB) lässt das Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 IV 1 BGB im Grundsatz unberührt. Der Unternehmer beziehungsweise Darlehensgeber kann das Leistungsverweigerungsrecht unabhängig davon geltend machen, ob ihm ein Wertersatzanspruch zusteht oder – etwa im Falle eines fehlenden Hinweises darauf in der Widerrufsinformation (vgl. dazu Senat, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 31 ff. m. w. Nachw.; Urt. v. 10.11.2020 – XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 25) – nicht. Insbesondere besteht keine gesetzliche Anordnung, dass der Unternehmer oder Darlehensgeber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen allein auf den Wertersatzanspruch verwiesen ist.

[44]   Denn dem Leistungsverweigerungsrecht kommt eine über den Wertersatzanspruch hinausgehende Zielrichtung zu. Das Leistungsverweigerungsrecht soll dem Unternehmer oder Darlehensgeber vor Rückgewähr der vom Verbraucher erbrachten Leistungen hinreichende Gewähr für das tatsächliche Wiedererlangen der Ware bieten, um mit der Ware frei wirtschaften zu können. Demgegenüber bezieht sich der Wertersatzanspruch allein auf den Wertverlust der Ware und kann deshalb auch im Falle der Veräußerung der Ware durch den Verbraucher nicht deren unterbliebene Rückgabe ersetzen. Ob § 357 VII BGB a.F. auf den veräußerungsbedingten Ausfall der Rückgewähr der Ware anwendbar ist (vgl. hierzu BeckOGK/Mörsdorf, a. a. O., § 357a BGB Rn. 9 m. w. Nachw.; MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 357a Rn. 11 m. w. Nachw.; s. auch BT-Drs. 17/12637, S. 63 rechte Spalte, wo lediglich der vollständige Wertverlust oder der Untergang der Ware durch unsachgemäßen Gebrauch, nicht aber der Fall ihrer Veräußerung erwähnt wird), bedarf daher keiner Entscheidung.

[45]   (2) Für eine analoge Anwendung des § 326 I 1 BGB besteht kein Raum, da – wie bereits ausgeführt – die Beklagte die Leistung gemäß § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB verweigern kann und des-halb keine planwidrige Regelungslücke besteht. Eine unmittelbare Anwendung des § 326 BGB scheidet aus, weil die wechselseitigen Rückgewährpflichten nach Widerruf nicht synallagmatischer Natur sind (vgl. Staudinger/​Schwarze, BGB, Neubearb. 2020, Vorbemerkung zu §§ 320 ff. Rn. 22; Grüneberg/​Grüneberg, a. a. O., Einf. v. § 320 Rn. 11).

[46]   ee) Die Vorgaben und Ziele der Verbraucherkreditrichtlinie erfordern keine Einschränkung des Leistungsverweigerungsrechts aus § 358 IV 1 BGB a.F. i. V. mit § 357 IV 1 BGB für den Fall der Veräußerung der vom Verbraucher zurückzugewährenden finanzierten Ware. Die Rechtsfolgen des Widerrufs, insbesondere im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers bei der Rückgabe der finanzierten Ware, ergeben sich aus dem nationalen Recht, dessen Auslegung nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, der Gesetzgebungsgeschichte und der Systematik der aufeinander bezogenen Normen eindeutig ist (Senat, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 22 ff.; Urt. v. 26.10.2021 – XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 19 f.).

[47]   III. Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision aufzuheben (§ 562 I ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563  III ZPO).

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