- Der Käufer eines (hier gebrauchten) Kraftfahrzeugs, der den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, weil der Verkäufer verschwiegen habe, dass das Fahrzeug ein „Reimport“ sei, muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Verkäufer gewusst, jedenfalls aber für möglich gehalten hat, dass er – der Käufer – das Fahrzeug in Kenntnis des (angeblich) verschwiegenen Umstands nicht gekauft hätte. Denn bei einer Täuschung durch Verschweigen eines zu offenbarenden Umstands handelt arglistig, wer den Umstand mindestens für möglich hält und zugleich weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner Umstand nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.
- Es bleibt offen, ob der private Verkäufer eines Gebrauchtwagens dem Käufer ungefragt offenbaren muss, dass das Fahrzeug ein „Reimport“ ist.
- Nach einer wirksamen Anfechtung ist ein Kfz-Kaufvertrag – ebenso wie nach einem wirksamen Rücktritt – einheitlich dort rückabzuwickeln, wo sich das an den Verkäufer herauszugebende Fahrzeug bei Abgabe der Anfechtungserklärung vertragsgemäß befindet („Austauschort“ oder „Belegenheitsort“). Zuständig für die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Käufers ist deshalb gemäß § 29 I ZPO (auch) das Gericht, in dessen Bezirk sich dieser „Austauschort“ befindet (im Anschluss an OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.01.2005 – 5 W 306/04, NJW 2005, 906, 907).
LG Frankenthal, Urteil vom 12.09.2017 – 7 O 171/17
(nachfolgend: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30.11.2020 – 8 U 85/17)
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Haben die Parteien eines – hier auf der Internetplattform eBay geschlossenen – Kfz-Kaufvertrags ausdrücklich vereinbart, dass der Käufer das Fahrzeug bei der Übergabe in bar zu bezahlen habe, so ist Erfüllungsort für die Kaufpreisschuld i. S. von § 29 ZPO der für die Fahrzeugübergabe vereinbarte Ort.
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Ein Verweisungsbeschluss ist entgegen § 281 II 4 ZPO für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, nicht bindend, wenn sich das verweisende Gericht in diesem Beschluss nur zur eigenen Unzuständigkeit und nicht zur Zuständigkeit des Gerichts, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, befasst.
OLG Bamberg, Beschluss vom 30.06.2017 – 8 SA 17/17
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Nach einem mangelbedingten Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag ist einheitlicher Erfüllungsort für alle Rückgewähransprüche der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
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Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist schon deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – nur während eines Emissionstests auf dem Prüfstand und nur deshalb einhält, weil eine Software die Testsituation erkennt und für eine Reduzierung (insbesondere) des Stickoxidausstoßes sorgt. Ob es sich bei der Software – wie das Kraftfahrt-Bundesamt annimmt – um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt, ist insoweit ohne Belang.
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Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs jedenfalls so lange unzumutbar, wie der Käufer weder erkennen noch absehen kann, ob sein Fahrzeug binnen angemessener Frist technisch so überarbeitet werden kann, dass keine Folgemängel zu erwarten sind. Denn in dieser Situation kann der Käufer dem Verkäufer keine sinnvolle Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) setzen, sondern lediglich „ins Ungewisse“ abwarten, was indes unzumutbar erscheint.
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Der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen anhaftende Mangel ist schon deshalb nicht geringfügig und einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag steht schon deshalb nicht § 323 V 2 BGB entgegen, weil der Käufer praktisch verpflichtet ist, das Fahrzeug, wie zwischen dessen Herstellerin und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmt, technisch überarbeiten zu lassen, um seine Zulassung zum Straßenverkehr nicht zu gefährden.
LG Hagen, Urteil vom 16.03.2017 – 4 O 93/16
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Der Leistungsort für die § 546 I BGB zu entnehmende Pflicht des Leasingnehmers, den Leasinggegenstand bei Vertragsende zurückzugeben, folgt nicht schon – im Sinne einer Bringschuld – aus dieser Bestimmung, sondern richtet sich bei Fehlen einer (wirksamen) vertraglichen Festlegung nach der Auslegungsregel des § 269 I, II BGB. Hieraus ergibt sich jedoch kein von einem konkreten Leistungsort abgelöstes Recht des Leasinggebers, bei Vertragsende den Rückgabeort und die Rückgabemodalitäten einseitig zu bestimmen.
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In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf sich deren Verwender ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht grundsätzlich nur vorbehalten, wenn dafür ein berechtigtes Interesse besteht. Das setzt voraus, dass gewichtige (Sach-)Gründe dies rechtfertigen, dass die Voraussetzungen und der Umfang des Leistungsbestimmungsrechts tatbestandlich hinreichend konkretisiert sind und dass die berechtigten Belange des anderen Teils ausreichend gewahrt werden (Fortführung von Senat, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 [26 f.] m. w. Nachw.). Diesen aus § 307 I 1 BGB abzuleitenden Anforderungen wird die in formularmäßigen Leasingbedingungen enthaltene Rückgabeklausel
„Nach Beendigung des Leasingvertrages hat der Leasingnehmer auf eigene Kosten und Gefahr das Leasingobjekt entweder an eine vom Leasinggeber zu benennende Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland, anderenfalls an den Sitz des Leasinggebers zu liefern oder auf Weisung des Leasinggebers kostenpflichtig zu entsorgen. …“
nicht gerecht.
BGH, Urteil vom 18.01.2017 – VIII ZR 263/15
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Nach einem Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag sind sowohl der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises als auch der Anspruch des Verkäufers auf Rückgewähr der Kaufsache dort zu erfüllen, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Für eine auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage des Käufers ist deshalb gemäß § 29 I ZPO (auch) das Gericht dieses einheitlichen Erfüllungsortes zuständig.
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Der vertragsgemäße Belegenheitsort der Kaufsache ist auch dann einheitlicher Erfüllungsort, wenn der Käufer nach einer Anfechtung (z. B. wegen arglistiger Täuschung) gestützt auf § 812 I 1 Fall 1, § 142 I BGB die Herausgabe des Kaufpreises verlangt und dem Verkäufer seinerseits die Kaufsache herausgeben muss.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.01.2017 – 13 SV 18/16
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Ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen eines Kfz-Käufers darf sich nicht auf die Aufforderung zur Nacherfüllung beschränken, sondern muss auch die Bereitschaft des Käufers erkennen lassen, dem Verkäufer das Fahrzeug für eine Untersuchung zur Verfügung zu stellen.
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Heißt es in einem Kfz-Kaufvertrag „Erfüllungsort beim Verkäufer“ und wird gleichzeitig die Haftung des Verkäufers für Sachmängel – wegen § 475 I BGB unwirksam – ausgeschlossen, fehlt an einer vertraglichen Abrede über den Erfüllungsort der Nacherfüllung. In einem solchen Fall ist nach § 269 I BGB zunächst auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Führt dies nicht weiter, so ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an dem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 II BGB) hatte.
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Für den Transport eines (angeblich) fahruntüchtigen Fahrzeugs zum Verkäufer zu sorgen, ist für den Käufer nicht per se eine erhebliche Unannehmlichkeit i. S. des Art. 3 III der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Das gilt umso mehr, als der Käufer vom Verkäufer gemäß § 439 II BGB einen Vorschuss auf die Transportkosten verlangen kann.
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Solange nicht unstreitig oder bewiesen ist, dass der Verkäufer für einen vom Käufer angezeigten Mangel einzustehen hat, kann die Zurückweisung eines Vorschussverlangens durch den Verkäufer nicht als vertragswidriges Verhalten angesehen werden.
LG Berlin, Urteil vom 08.11.2016 – 88 S 14/16
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 19.07.2017 – VIII ZR 278/16)
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Heißt es in einem Kfz-Kaufvertrag „Erfüllungsort beim Verkäufer“, kann daraus nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass die Parteien den Betriebssitz des Verkäufers (auch) als Erfüllungsort der Nachbesserung vereinbaren wollten. Vielmehr ist in Betracht zu ziehen, dass lediglich vereinbart werden sollte, wo die primären Leistungspflichten aus dem Kaufvertrag zu erfüllen sind.
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Dass der Käufer eine größere Entfernung zu überwinden hat, um dem Verkäufer ein Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Prüfung erhobener Mängelrügen zur Verfügung zu stellen, ist nicht per se eine erhebliche Unannehmlichkeit i. S. des Art. 3 III der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die den Käufer von der in Rede stehenden Obliegenheit befreit. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Käufer den weiten Weg zum Verkäufer nicht gescheut hat, als es um den Abschluss des Kaufvertrags ging.
LG Osnabrück, Beschluss vom 13.10.2016 – 8 S 347/16
(vorangehend: AG Meppen, Urteil vom 25.07.2016 – 3 C 314/16)
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Wo der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung zu erfüllen ist, richtet sich mangels einer speziellen kaufrechtlichen Vorschrift nach § 269 I BGB. Danach ist, wenn die Parteien vertraglich keinen Erfüllungsort der Nacherfüllung vereinbart haben, auf die jeweiligen Umstände abzustellen, wobei insbesondere Ortsgebundenheit und Art der vorzunehmenden Leistung maßgebliche Bedeutung haben. Eine allgemeingültige Festlegung des Erfüllungsortes der Nacherfüllung kommt deshalb nicht in Betracht.
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Verlangt der Käufer eines Getriebes, das er in einem Onlineshop bestellt und das der Betreiber des Shops an einen vom Käufer benannten Kfz-Meisterbetrieb geliefert hat, die Lieferung eines mangelfreien Getriebes, so ist dieser Nacherfüllungsanspruch (§ 439 I Fall 2 BGB) dort zu erfüllen, wo sich der Kfz-Meisterbetrieb befindet. Das gilt jedenfalls dann, wenn kein Versendungskauf i. S. des § 447 BGB vorliegt, wenn also das – angeblich mangelhafte – Getriebe nicht auf besonderes Verlangen des Käufers an den Kfz-Meisterbetrieb versendet wurde, sondern der Versand von Kfz-Teilen an eine vom Käufer benannte Werkstatt zu den allgemeinen Leistungen des Händlers gehört.
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Zwar muss ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers dessen Bereitschaft umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Verfügung zu stellen, damit er sie untersuchen und so die erhobenen Mängelrügen überprüfen kann. Eine Obliegenheit des Käufers, bei einem Nacherfüllungsverlangen (klarstellend) darauf hinzuweisen, dass er bereit sei, dem Verkäufer eine Prüfung der Kaufsache zu ermöglichen, besteht aber regelmäßig nicht; vielmehr kann vom Verkäufer verlangt werden, dass er (zunächst) deutlich macht, dass er die Kaufsache prüfen möchte.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.09.2016 – I-5 U 99/15
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Ein Verkäufer verschweigt einen Mangel nur dann arglistig, wenn er die den Mangel begründenden Umstände kennt oder sie zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer diese Umstände nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände rechtlich zutreffend einordnet, ist ohne Belang; dass sich ihm ihr Vorliegen hätte aufdrängen müssen, genügt für Arglist aber nicht.
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Einen Mangel, der einer Besichtigung zugänglich und damit für den Käufer ohne Weiteres erkennbar ist, muss der Verkäufer nicht von sich aus offenbaren.
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Nach einem mangelbedingten Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag ist gemeinsamer Erfüllungsort für sämtliche Rückgewährpflichten der Ort, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet.
OLG München, Urteil vom 09.06.2016 – 23 U 1201/14
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Nach einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag sind die gegenseitigen Rückgewährpflichten entgegen der herrschenden Meinung nicht einheitlich an dem Ort zu erfüllen, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet. Vielmehr muss der Erfüllungsort für jede Rückgewährpflicht gesondert bestimmt werden. Dies hat zur Folge, dass der Käufer eine Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises – auch mit Blick auf § 29 I ZPO – in der Regel bei dem für den Wohn- bzw. Geschäftssitz des Verkäufers zuständigen Gericht erheben muss.
LG München I, Beschluss vom 27.05.2016 – 31 O 4974/16
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