Ein blo­ßer „Kom­fort­man­gel“ (hier: stö­ren­de Ge­räu­sche und Vi­bra­tio­nen bei Ak­ti­vie­rung ei­nes Ab­stands­re­gel­tem­po­ma­ten) ist ein er­heb­li­cher, den Käu­fer zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­ti­gen­der Man­gel, wenn die Kom­fort­ein­bu­ße be­trächt­lich ist und der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten durf­te, dass ei­ne sol­che be­trächt­li­che Kom­fort­ein­bu­ße nicht auf­tritt. Wie er­heb­lich die Kom­fort­ein­bu­ße ist, ist (auch) mit Blick auf den – hier rund 137.000 € be­tra­gen­den – Kauf­preis zu be­ur­tei­len. Denn je hoch­prei­si­ger ein Fahr­zeug ist, des­to schwe­rer wiegt ei­ne Kom­fort­ein­bu­ße.

LG Arns­berg, Ur­teil vom 09.03.2012 – 2 O 326/10

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te am 14.12.2009 von der Be­klag­ten für 156.869,13 € ei­nen Por­sche Pan­ame­ra Tur­bo. Das Fahr­zeug wur­de am 23.03.2010 auf die Klä­ge­rin zu­ge­las­sen und ihr am sel­ben Tag über­ge­ben; den Kauf­preis zahl­te die Klä­ge­rin am 24.03.2010.

Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat (ACC) aus­ge­stat­tet. Die­ser re­gelt mit­tels ei­nes Ra­dar­sen­sors die Ge­schwin­dig­keit in Ab­hän­gig­keit zum vor­aus­fah­ren­den Fahr­zeug. Das Ein­schal­ten des Ab­stands­re­gel­tem­postats ist ins­be­son­de­re im un­te­ren Ge­schwin­dig­keits­be­reich – im Stadt­ver­kehr – deut­lich wahr­zu­neh­men, weil deut­li­che Ge­räu­sche zu ver­neh­men sind und Vi­bra­tio­nen auf­tre­ten.

Die in dem Pkw be­find­li­che Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung, in der auch das elek­tri­sche Son­nen­rol­lo ein­ge­baut ist, lässt sich nur mit ei­nem ge­wis­sem Auf­wand aus­bau­en und wie­der ein­bau­en. Dar­auf wird auf der In­ter­net­sei­te der Por­sche Deutsch­land GmbH hin­ge­wie­sen. Die Ver­trags­un­ter­la­gen der Klä­ge­rin ent­hal­ten ei­nen sol­chen Hin­weis je­doch nicht, und der Klä­ge­rin war dies bei Ab­schluss des Ver­trags auch nicht be­kannt. Der Ein- bzw. Aus­bau der Ab­de­ckung ist er­for­der­lich, um die La­de­ka­pa­zi­tät des Fahr­zeugs zu er­hö­hen. Von Por­sche wird das Fahr­zeug da­mit be­wor­ben, dass durch ein­fa­ches Um­klap­pen der Rück­sitz­bän­ke die La­de­ka­pa­zi­tät er­höht wer­den kön­ne.

Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te so­wohl hin­sicht­lich des Ab­stands­re­gel­tem­postats (Ge­räu­sche und Vi­bra­tio­nen) als auch hin­sicht­lich der Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung (Schwie­rig­kei­ten beim Aus- und Ein­bau) zur Nach­bes­se­rung auf. Die Be­klag­te wies mit Schrei­ben ih­res spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 03.08.2010 dar­auf hin, dass der Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat ein­wand­frei funk­tio­nie­re und das Sys­tem dem Stand der Tech­nik ent­spre­che. Ein ent­spre­chen­des Schrei­ben er­hielt die Klä­ge­rin auch von der Por­sche Deutsch­land GmbH. Ei­ne Nach­bes­se­rung lehn­te die Be­klag­te auch hin­sicht­lich der Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung ab.

Die Klä­ge­rin er­klär­te dar­auf­hin un­ter dem 18.08.2010 den Rück­tritt von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag und ver­lang­te des­sen Rück­ab­wick­lung.

Sie be­haup­tet, bei Pre­mi­um­fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler trä­ten bei der Ak­ti­vie­rung des Ab­stands­re­gel­tem­po­ma­ten kei­ne wahr­nehm­ba­ren Ge­räu­sche und Vi­bra­tio­nen auf. Ihr Ge­schäfts­füh­rer ha­be zu­letzt ei­nen Pkw der S-Klas­se (Mer­ce­des-Benz) ge­fah­ren, bei dem der Ab­stands­re­gel­tem­po­mat ein­wand­frei – oh­ne wahr­nehm­ba­re Ge­räu­sche und/​oder Vi­bra­tio­nen – funk­tio­niert ha­be. Der Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ent­spre­che mit­hin nicht dem Stand der Tech­nik. Die Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung – so be­haup­tet die Klä­ge­rin wei­ter – las­se sich nicht von ei­ner ein­zel­nen Per­son aus­bau­en; das schaff­ten nur zwei Per­so­nen ge­mein­sam, und zwar mit enor­mer Kraft­an­stren­gung und ei­ni­gen Ver­ren­kun­gen. Pro­ble­ma­tisch sei nicht das Ge­wicht der Ab­de­ckung, son­dern dass ei­ne Frau nicht die Kraft ha­be, die Knöp­fe zu drü­cken, die beim Aus­bau der Ab­de­ckung ge­drückt wer­den müss­ten. Erst recht ge­lin­ge es ei­ner Frau nicht, die Ab­de­ckung aus der Ver­an­ke­rung zu neh­men. Auch die Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung ent­spre­che so­mit nicht dem Stand der Tech­nik.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin die Be­klag­te auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (156.869,13 € nebst Zin­sen), Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, und auf Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten (2.180,60 € nebst Zin­sen) in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat sie die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs in An­nah­me­ver­zug sei.

Die Be­klag­te hat Män­gel des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw in Ab­re­de ge­stellt. Der Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat funk­tio­nie­re ein­wand­frei. Bei den von der Klä­ge­rin be­schrie­be­nen Ge­räu­schen han­de­le es sich um nor­ma­le, tech­nisch un­be­denk­li­che Funk­ti­ons­ge­räu­sche. Dass die­se bei lang­sa­mer Fahrt und dem­entspre­chend ge­rin­gen Wind- und Mo­to­ren­ge­räu­schen deut­li­cher zu ver­neh­men sei­en als bei hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten, lie­ge in der Na­tur der Sa­che. Al­ler­dings sei der Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat nicht für den Ein­satz im Stadt­ver­kehr ge­eig­net, son­dern für den Ein­satz im au­ßer­städ­ti­schen Ver­kehr (z. B. Über­land­fahr­ten) kon­stru­iert.

Die Kla­ge hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist hin­sicht­lich des An­trags zu 1 im We­sent­li­chen be­grün­det. Die Klä­ge­rin hat ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags aus §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I, 323 I BGB.

Die Par­tei­en ha­ben ei­nen Kauf­ver­trag ge­mäß § 433 BGB über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ge­schlos­sen.

Die Klä­ge­rin hat am 18.08.2010 ge­mäß § 349 BGB den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt. Die Klä­ge­rin ist ge­mäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 I BGB auch zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag be­rech­tigt. Das Fahr­zeug ist man­gel­haft i. S. des § 434 I BGB.

Ein Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die Kauf­sa­che nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ge­eig­net ist und nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen glei­cher Art üb­lich ist und die der Käu­fer er­war­ten kann. Bei der Fra­ge, was der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten darf, ist auch der Kauf­preis von Be­deu­tung.

Das Fahr­zeug weicht so­wohl hin­sicht­lich des Ab­stands­re­gel­tem­postats als auch der aus­bau­ba­ren Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung von der be­rech­tig­ter­wei­se zu er­war­ten­den Be­schaf­fen­heit ab.

Im Hin­blick auf die Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung liegt be­reits ei­ne Ab­wei­chung von der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit vor.

Man­gels ver­ein­bar­ter Be­schaf­fen­heit ist vor­lie­gend auf die ge­wöhn­li­che Be­schaf­fen­heit ab­zu­stel­len. Was die ge­wöhn­li­che Be­schaf­fen­heit ist, ent­schei­det die Ver­kehrs­an­schau­ung. Maß­geb­lich ist der Er­war­tungs­ho­ri­zont ei­nes ver­nünf­ti­gen Durch­schnitts­käu­fers. Der Er­war­tungs­ho­ri­zont wird nicht nur durch das kon­kret ge­kauf­te Pro­dukt, son­dern auch durch da­mit im Wett­be­werb ste­hen­de Pro­duk­te ge­prägt. An der ge­wöhn­li­chen Be­schaf­fen­heit kann es da­her auch feh­len, wenn nicht nur das kon­kre­te Stück sich nicht in be­stimm­ter Wei­se nut­zen lässt, son­dern auch Pro­duk­te die­ses Typs ge­ne­rell ei­ne be­stimm­te kon­struk­ti­ve Schwä­che ha­ben.

Das ist vor­lie­gend der Fall. Die Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung lässt sich auf­grund ei­nes kon­struk­ti­ven Feh­lers an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug nicht in je­dem Fall von nur ei­ner Per­son aus­bau­en. Der Aus­bau ist bei al­len Pro­duk­ten die­ses Typs je­den­falls mit Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den. Der Aus­bau der Ab­de­ckung ist zwar im Grun­de mög­lich, aber mit er­heb­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen ver­bun­den. Die Kon­struk­ti­on wird da­her den An­for­de­run­gen, die ein ver­nünf­ti­ger Durch­schnitts­käu­fer er­war­ten kann, nicht ge­recht.

Nach den über­zeu­gen­den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen S ist ein durch­schnitt­lich star­ker Mann in ei­ner be­las­tungs­un­üb­li­chen Kör­per­hal­tung in der La­ge, die Ab­de­ckung al­lei­ne aus- bzw. ein­zu­bau­en. Ei­ner durch­schnitt­lich star­ken Frau ist es nicht mög­lich, die Ab­de­ckung al­lei­ne aus- und ein­zu­bau­en.

Nach der Pro­dukt­be­schrei­bung des Her­stel­lers han­delt es sich um ei­ne aus­bau­ba­re Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung. Der Käu­fer ei­nes Fahr­zeugs, das mit ei­ner sol­chen aus­bau­ba­ren Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung aus­ge­stat­tet ist, darf be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten, dass die­se oh­ne er­heb­li­che Schwie­rig­kei­ten – in Form von Ver­ren­kun­gen und enor­mer Kraft­auf­wen­dung – auch von ei­ner Ein­zel­per­son, sei die­se männ­lich oder weib­lich, aus­ge­baut wer­den kann. Dies gilt ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass der Her­stel­ler das Fahr­zeug ge­ra­de da­mit be­wirbt, dass durch ein­fa­ches Um­le­gen der Rück­sitz­bän­ke groß­flä­chi­ger Stau­raum er­reicht wer­den kann. In die­sem Zu­sam­men­hang wird ins­be­son­de­re auch die All­tags­taug­lich­keit und Funk­tio­na­li­tät des Sys­tems her­aus­ge­stellt. Die Er­hö­hung der La­de­ka­pa­zi­tät ist er­for­der­lich, um grö­ße­re Ge­gen­stän­de zu trans­por­tie­ren. Zwar han­delt es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug, dem Vor­trag der Be­klag­ten ent­spre­chend, nicht um ein klas­si­sches Trans­port- oder Fa­mi­li­en­fahr­zeug, doch kann der Käu­fer ge­ra­de im Hin­blick auf die Be­schrei­bung des Fahr­zeugs er­war­ten, auch grö­ße­re Ge­gen­stän­de wie Kof­fer oder Ta­schen in dem Fahr­zeug trans­por­tie­ren zu kön­nen. Dies ist nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen oh­ne den Aus­bau der Kof­fer­rau­m­ab­de­ckung je­doch nicht mög­lich.

Die Schwie­rig­kei­ten beim Aus­bau der Ab­de­ckung sind auch nicht dar­auf zu­rück­zu­füh­ren, dass auf Wunsch der Klä­ge­rin das Son­nen­rol­lo in das Bau­teil in­te­griert und da­durch das Ge­wicht er­höht wur­de. Dass ei­ne Ein­zel­per­son nicht in der La­ge ist, die Ab­de­ckung al­lei­ne aus­zu­bau­en, ist näm­lich nicht dar­auf zu­rück­zu­füh­ren, dass das Bau­teil ein ho­hes Ge­wicht hat, son­dern dar­auf, dass die mög­lichst zeit­gleich zu drü­cken­den Knöp­fe an den Sei­ten weit aus­ein­an­der lie­gen und ei­ne nicht un­er­heb­li­che Kraft­an­stren­gung zum Drü­cken die­ser er­for­der­lich ist, um die Fe­der­kraft zu über­win­den. Zu­dem ist nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen gleich­zei­tig ei­ne äu­ßerst schwer­gän­gi­ge Muf­fe zu be­we­gen.

Da­ne­ben liegt auf­grund der Ge­räusch­ent­wick­lung und der Vi­bra­tio­nen beim Ein­schal­ten des Ab­stands­re­gel­tem­postats ein zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­der Man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor.

Auf­grund der beim Ein­schal­ten des Ab­stands­re­gel­tem­postats auf­tre­ten­den Ge­räu­sche und Vi­bra­tio­nen ent­spricht das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht den An­for­de­run­gen, die an Fahr­zeu­gen in der Preis­klas­se von 156.869,13 € zu stel­len sind. Zwar ist der Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat funk­ti­ons­tüch­tig, doch liegt in­so­fern ein so­ge­nann­ter Kom­fort­man­gel vor. Kom­fort­män­gel sind im Hin­blick auf den Qua­li­täts­stan­dard des Fahr­zeugs und die be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen des Durch­schnitts­käu­fers zu be­ur­tei­len.

Beim Ein­set­zen des Ab­stands­re­gel­tem­postats sind un­strei­tig deut­li­che Ge­räu­sche so­wie Vi­bra­tio­nen im Pe­dal­raum wahr­nehm­bar. Die­se Ge­räusch­ent­wick­lung und Vi­bra­ti­ons­über­tra­gung tre­ten bei al­len Fahr­zeu­gen des Typs Por­sche Pan­ame­ra auf.

Auf­grund der Be­weis­auf­nah­me steht fest, dass die­se bei Fahr­zeu­gen der glei­chen Klas­se an­de­rer Her­stel­ler nicht bzw. nicht in der In­ten­si­tät auf­tre­ten. Die dies­be­züg­li­che Über­zeu­gung des Ge­richts stützt sich auf die über­zeu­gen­den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen S. Der Sach­ver­stän­di­ge ist in sei­nem Gut­ach­ten zu fol­gen­den Fest­stel­lun­gen ge­kom­men:

Bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug tritt in ei­nem Ge­schwin­dig­keits­be­reich von 30 bis 75 km/h wäh­rend der Brems­re­ge­lung des Ab­stands­tem­postats ein akus­tisch wahr­nehm­ba­res pul­sie­ren­des „Ratsch­ge­räusch“ auf. Die­ses ist im vor­de­ren Sitz­be­reich auch bei ge­öff­ne­tem Sei­ten­fens­ter und ein­ge­schal­te­tem Ra­dio zu ver­neh­men. Wäh­rend des Ge­räusch­ver­hal­tens und der Brems­re­ge­lung über­tra­gen sich auf das Brems­pe­dal ge­ring­fü­gig pul­sie­ren­de Vi­bra­tio­nen.

Ge­mäß der Be­triebs­an­lei­tung stel­len die „Ratsch­ge­räu­sche“ und leich­ten Vi­bra­tio­nen an dem Brems­pe­dal den Stand der Se­rie und den her­stel­ler­sei­ti­gen Stand der Tech­nik dar. Bei dem ver­gleich­ba­ren Fahr­zeug der Mar­ke Au­di (RS6) ent­ste­hen eben­falls Brems­re­ge­lungs­ge­räu­sche, je­doch in an­de­rer Art, Aus­bil­dung und In­ten­si­tät. Beim Brems­re­ge­lungs­be­ginn lässt sich ein leich­tes „Klick­ge­räusch“ akus­tisch wahr­neh­men. An­schlie­ßend liegt ein fast nicht wahr­nehm­ba­res „Zisch­ge­räusch“ vor. Mit Ab­schal­ten des Sys­tems er­tönt ein „Klack­ge­räusch“. Bei den Ver­gleichs­fahr­zeu­gen der Mar­ken BMW (630i) und Mer­ce­des-Benz (CLS 63 AMG) wa­ren bei Ein­set­zen bzw. Be­trieb des Ab­stands­re­gel­tem­postats kei­ne Ge­räu­sche wahr­nehm­bar.

Das bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug auf­tre­ten­de Ge­räusch lässt sich nicht in die Ka­te­go­rie er­wünsch­ter Ge­räu­sche ei­nes Fahr­zeugs der sport­li­chen Lu­xus­klas­se ein­ord­nen.

Die Vi­bra­ti­on an dem Brems­pe­dal führt nicht un­mit­tel­bar zu ei­ner Fahr­kom­fort­be­ein­flus­sung, da sich der Fuß üb­li­cher­wei­se nicht dau­er­haft auf dem Brems­pe­dal be­fin­det. Die Brem­sung wird bei ein­ge­schal­te­tem Sys­tem von die­sem au­to­ma­tisch vor­ge­nom­men. Durch Be­tä­ti­gung des Brems­pe­dals wird das Sys­tem ab­ge­schal­tet.

Das Ge­richt folgt den über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen. Als Di­plom-In­ge­nieur (Ma­schi­nen­bau) und Kfz-Sach­ver­stän­di­ger ist der Sach­ver­stän­di­ge für die vor­lie­gen­de Be­gut­ach­tung be­son­ders qua­li­fi­ziert. Das Gut­ach­ten ist in sich schlüs­sig und nach­voll­zieh­bar. Ins­be­son­de­re ist der Sach­ver­stän­di­ge von zu­tref­fen­den Tat­sa­chen aus­ge­gan­gen und hat die dar­aus ge­zo­ge­nen Kon­se­quen­zen lo­gisch und wi­der­spruchs­frei dar­ge­stellt. Im Üb­ri­gen hat sich die Kam­mer im Ter­min vom 24.02.2012 durch Ein­sicht­nah­me in die von dem Sach­ver­stän­di­gen über die Fahr­ver­su­che ge­fer­tig­te Auf­nah­me ein Bild von der Qua­li­tät der Ge­räusch­ent­wick­lung des Sys­tems ge­macht. Bei Ein­schal­ten des Sys­tems war ein deut­lich wahr­nehm­ba­res un­an­ge­neh­mes Ge­räusch zu hö­ren, das die Ver­gleichs­fahr­zeu­ge nicht zeig­ten.

Bei ei­nem Fahr­zeug der ge­ho­be­nen Ka­te­go­rie wie hier stellt die Ge­räusch­ent­wick­lung bei Ein­schal­ten des Ab­stands­re­gel­tem­postats auch ei­nen nicht nur un­er­heb­li­chen Man­gel dar. Der Rück­tritt ist nicht aus­ge­schlos­sen. Bei der Be­ur­tei­lung der Er­heb­lich­keit ei­nes Man­gels ist ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung un­ter Ge­samt­wür­di­gung al­ler Um­stän­de vor­zu­neh­men. Ins­be­son­de­re ist der er­for­der­li­che Män­gel­be­sei­ti­gungs­auf­wand bzw. die von dem Man­gel aus­ge­hen­de Be­ein­träch­ti­gung im Ver­hält­nis zum Fahr­zeug­preis zu be­rück­sich­ti­gen. Je hoch­prei­si­ger das Fahr­zeug ist, des­to er­heb­li­cher sind Kom­fort­ein­bu­ßen zu be­wer­ten. Denn auch ein so­ge­nann­ter Kom­fort­man­gel stellt ei­nen er­heb­li­chen Man­gel dar, wenn die Kom­fort­ein­bu­ße be­trächt­lich ist und der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se er­war­ten durf­te, dass ei­ne sol­che nicht auf­tritt.

Das be­son­ders im Stadt­ver­kehr wie­der­holt auf­tre­ten­de „Ratsch­ge­räusch“, das auch bei ge­öff­ne­tem Sei­ten­fens­ter und ein­ge­schal­te­tem Ra­dio zu ver­neh­men ist, be­deu­tet ei­ne er­heb­li­che Stö­rung. Bei Fahr­zeu­gen der ge­ho­be­nen Ka­te­go­rie in ei­ner Preis­klas­se von 156.000 €, bei de­nen auch der Fahr­kom­fort ei­ne wich­ti­ge Ei­gen­schaft ist, kann be­rech­tig­ter­wei­se er­war­tet wer­den, dass sol­che stö­ren­den Ge­räu­sche nicht vor­han­den sind. Zwar ist dem Ge­richt be­wusst, dass der Sach­ver­stän­di­ge das Auf­tre­ten des Ge­räuschs im Rah­men sei­ner Be­gut­ach­tung durch häu­fi­ges Auf­fah­ren pro­vo­ziert hat, doch hat auch der Sach­ver­stän­di­ge an­ge­ge­ben, dass das Sys­tem im Stadt­ver­kehr un­wei­ger­lich häu­fi­ger ein­set­ze als im Über­land­ver­kehr und da­mit auch das Ge­räusch häu­fi­ger zu ver­neh­men sei.

Un­er­heb­lich ist in­so­fern der Ein­wand der Be­klag­ten, dass das Sys­tem in ers­ter Li­nie im Au­to­bahn- und Land­stra­ßen­ver­kehr ein­ge­setzt wer­den soll­te und nicht im Stadt­ver­kehr. Das Sys­tem ist näm­lich nach den An­ga­ben des Her­stel­lers im Ge­schwin­dig­keits­be­reich von 30 bis 210 km/h nutz­bar. Dem­nach ist ei­ne Nut­zung des Sys­tems auch im Stadt­ver­kehr mög­lich und von­sei­ten des Her­stel­lers nicht aus­ge­schlos­sen. Ent­spre­chend darf er­war­tet wer­den, dass es bei der Nut­zung im un­te­ren Ge­schwin­dig­keits­be­reich nicht zu un­er­wünsch­ten und stö­ren­den Ge­räusch­ent­wick­lun­gen kommt.

Zwar ist bei ei­nem Sport­wa­gen ei­ne ab­so­lu­te Ge­räusch­däm­mung auch von Käu­fer­sei­te nicht ge­wünscht, da die Wahr­neh­mung von Mo­tor­ge­räu­schen ge­ra­de der Er­war­tung des Durch­schnitts­käu­fers ent­spricht, doch han­delt es sich bei den von dem Ab­stands­re­gel­tem­pos­tat aus­ge­hen­den „Ratsch­ge­räu­schen“ nicht um ein sol­ches Mo­tor­ge­räusch, son­dern um ein Ne­ben­ge­räusch. Sol­che Ne­ben­ge­räu­sche sind auch bei ei­nem Sport­wa­gen nicht er­wünscht.

Das Ab­stands­re­gel­sys­tem ist auch nicht ver­gleich­bar mit dem An­ti­blo­ckier­sys­tem (ABS), das eben­falls so­wohl phy­sisch als auch akus­tisch wahr­nehm­bar ist. Bei dem An­ti­blo­ckier­sys­tem han­delt es sich – an­ders als bei dem Ab­stands­re­gel­sys­tem –um ein Si­cher­heits­sys­tem. Die Er­war­tungs­hal­tung des Käu­fers ist be­zo­gen auf ein sol­ches ei­ne völ­lig an­de­re als be­zo­gen auf ein Kom­fort­sys­tem. Bei ei­nem Si­cher­heits­sys­tem steht aus Sicht des Käu­fers näm­lich die zu­ver­läs­si­ge Funk­ti­ons­fä­hig­keit im Vor­der­grund, mag die­se auch im Ernst­fall mit Ge­räu­schen oder an­de­ren Un­an­nehm­lich­kei­ten ver­bun­den sein. Das Ab­stands­re­gel­sys­tem dient je­doch im Ver­gleich da­zu in ers­ter Li­nie dem Fahr­kom­fort und er­füllt nur se­kun­där Si­cher­heits­as­pek­te, in­dem es zu dich­tes Auf­fah­ren ver­hin­dert. Dem­entspre­chend wird das Sys­tem auch von­sei­ten des Her­stel­lers als Kom­fort­bau­teil an­ge­bo­ten. Dies­be­züg­lich stellt der Käu­fer dar­an an­de­re An­for­de­run­gen als an ein Si­cher­heits­sys­tem. Im Vor­der­grund steht dann näm­lich ne­ben der Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Sys­tems pri­mär der Fahr­kom­fort, wel­cher durch Ge­räusch­ent­wick­lun­gen oder Ähn­li­ches ge­ra­de nicht be­ein­träch­tigt wer­den soll.

Die Klä­ge­rin hat die Be­klag­te mehr­fach zur Man­gel­be­sei­ti­gung auf­ge­for­dert und da­mit er­folg­los ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­mäß §323 I BGB ge­setzt.

Die Klä­ge­rin muss sich je­doch ge­mäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB die Nut­zung des Fahr­zeugs an­rech­nen las­sen. Die Klä­ge­rin ist mit dem Fahr­zeug 31.645 km ge­fah­ren und muss in­so­weit Wert­er­satz in Hö­he von 19.936,35 € an die Be­klag­te leis­ten. Die Hö­he des Wert­er­sat­zes kann nach § 287 ZPO ge­schätzt wer­den. Schät­zungs­grund­la­ge sind die ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter be­zo­gen auf das Ver­hält­nis zwi­schen der Ge­samt­lauf­leis­tung und dem Kauf­preis. Die Kam­mer geht von ei­ner zu er­war­ten­den Fahr­leis­tung von 250.000 km aus, die an­ge­sichts der Preis­klas­se des Fahr­zeugs an­ge­mes­sen er­scheint. Es er­ge­ben sich 0,63 € pro ge­fah­re­nem Ki­lo­me­ter.

Der Zins­an­spruch folgt aus § 286 I 1, § 288 I, III BGB ab dem 03.08.2010. Mit Schrei­ben vom 03.08.2010 hat die Be­klag­te Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che we­gen des man­gel­haf­ten Tem­postats end­gül­tig zu­rück­wei­sen las­sen.

Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist zu­läs­sig und be­grün­det.

Die Klä­ge­rin hat das nach § 256 I ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se folgt aus § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO. Da­nach kann bei Zug-um-Zug-Ur­tei­len der Gläu­bi­ger nur oh­ne tat­säch­li­ches An­ge­bot der dem Schuld­ner ge­büh­ren­den Leis­tung voll­stre­cken, wenn des­sen An­nah­me­ver­zug durch ei­ne ihm zu­ge­stell­te, öf­fent­li­che Ur­kun­de – hier al­so das Ur­teil, be­wie­sen ist. Auf die­se Er­leich­te­rung der Voll­stre­ckung hat die Klä­ge­rin ei­nen An­spruch.

Die Be­klag­te be­fin­det sich seit Rechts­hän­gig­keit, dem 12.10.2010, mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs ge­mäß §§ 293, 295 BGB im An­nah­me­ver­zug.

Der Kla­ge­an­trag zu 3 ist zu­läs­sig und be­grün­det. Die Be­klag­te war mit der Man­gel­be­sei­ti­gung auf­grund des Schrei­bens der Klä­ge­rin vom 19.07.2010 mit Ab­lauf des 26.07.2010 und mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs und Aus­zah­lung des Kauf­prei­ses seit dem 03.08.2010 in Ver­zug. …

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