Die Amtspflicht der Beamten einer Zulassungsstelle, den Zeitpunkt der ersten Zulassung eines Kraftfahrzeugs sorgfältig zu ermitteln und richtig in den Fahrzeugbrief einzutragen, dient nicht dem Schutz der Vermögensinteressen der Erwerber eines Kraftfahrzeugs.
BGH, Urteil vom 26.11.1981 – III ZR 123/80
Sachverhalt: Bei der Zulassung eines bisher in Italien registrierten Pkw Ferrari 365 GTB/4 zum Verkehr in Deutschland entnahm die Zulassungsstelle der beklagten Stadt den in italienischer Sprache vorgelegten Urkunden als Tag der ersten Zulassung den 06.04.1973 und trug dieses Datum in den Fahrzeugbrief ein. Aus den Urkunden folgte, dass der Wagen bereits am 17.03.1972 oder noch früher in Italien zugelassen worden sein musste.
Die Klägerin verkaufte den von ihr inzwischen erworbenen Pkw am 01.02.1977 für 32.000 DM. Der Erwerber ließ den zur Bezahlung hingegebenen Scheck mit der Begründung sperren, das Fahrzeug sei entgegen den Angaben der Klägerin in ihren Verkaufsanzeigen zum ersten Mal vor dem Jahr 1973 zugelassen worden. Eine Zahlungsklage der Klägerin blieb erfolglos. Das Gericht sah als nachgewiesen an, dass der Wagen erstmals im Oktober 1969 in Italien zugelassen worden war, und gab deshalb dem Wandelungsbegehren des Erwerbers statt. Die Klägerin verkaufte den daraufhin von ihr zurückgenommenen Wagen zum Preis von 21.000 DM.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe auf die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums im Fahrzeugbrief vertrauen dürfen. Durch die falsche Eintragung habe die Sachbearbeiterin der Zulassungsstelle eine ihr – der Klägerin – gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Die Klägerin hat zunächst die Zahlung von 6.448,74 DM mit der Behauptung verlangt, in dem Rechtsstreit gegen den Erwerber seien ihr Kosten in dieser Höhe entstanden. Im Berufungsrechtszug hat sie insoweit insgesamt einen Betrag von 11.277,96 DM (nebst Zinsen) und als Mindererlös bei dem Weiterverkauf des Wagens weitere 11.000 DM (ebenfalls nebst Zinsen) ersetzt verlangt.
Die Beklagte hat erwidert, bei der Prüfung des Zeitpunktes der Erstzulassung des Wagens hätten ihr keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin oblegen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten, die damit ihren Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgte, hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Die Revision hat Erfolg, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts der Sachbearbeiterin der beklagten Stadt bei der Feststellung und Eintragung des Zeitpunktes der ersten Zulassung in den Fahrzeugbrief keine Amtspflichten gegenüber der Klägerin als der späteren Erwerberin des Ferrari oblagen.
1. Im Ergebnis ohne Belang ist, dass die vom Berufungsgericht angeordnete Beschränkung der Revisionszulassung auf die Frage, ob der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle Amtspflichten gegenüber dem Erwerber eines Fahrzeugs obliegen, dieser also Dritter i. S. des § 839 I 1 BGB ist, rechtsfehlerhaft war. Denn die Folge wäre nur die Unwirksamkeit der Beschränkung. Die Zulassung der Revision lässt sich nur auf Teile des Streitstoffs beschränken, über die in einem besonderen Verfahrensabschnitt im Wege eines Teil- oder Zwischenurteils entschieden werden kann (BGH, Urt. v. 25.03.1980 – VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, 399; Urt. v. 30.09.1980 – VI ZR 213/79, NJW 1981, 287; Tiedtke, WM 1977, 666, 677), nicht aber auf eine Rechtsfrage oder ein Tatbestandsmerkmal. Das Urteil muss deshalb insgesamt nachgeprüft werden (vgl. Tiedtke, WM 1977, 666, 668; Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 40. Aufl., § 546 Anm. 2 C a; Thomas/Putzo, ZPO, 11. Aufl., § 546 Anm. 5 b; Zöller/Schneider, ZPO, 13. Aufl., § 546 Anm. III 11 b).
2. Ob ein Geschädigter als „Dritter“ i. S. des § 839 I 1 BGB anzusehen ist, richtet sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht (Senat, Urt. v. 15.02.1979 – III ZR 108/76, BGHZ 74, 144, 146 f.; Urt. v. 21.05.1981 – III ZR 167/79, NJW 1981, 2347, 2348; Urt. v. 04.06.1981 – III ZR 51/80, NJW 1981, 2345, 2346; jeweils m. w. Nachw.).
3. Die Verpflichtung des Beamten einer Zulassungsstelle, das Erstzulassungsdatum eines Fahrzeugs sorgfältig zu ermitteln und in den Fahrzeugbrief einzutragen, besteht nicht im Interesse Dritter, insbesondere dient sie nicht dem Schutz des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs bei Vemögensdispositionen (a. A. Schlechtriem, NJW 1970, 1993, 1995; vgl. zu den Amtspflichten eines TÜV-Sachverständigen schon Senat, Urt. v. 11.01.1973 – XI ZR 32/71, NJW 1973, 458).
a) Die Einführung des Kraftfahrzeugbriefs durch die Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr vom 11.04.1934 (RGBl. 1934 I 303) sollte in erster Linie dazu dienen, eine Handhabe zur Sicherung des Eigentums zu schaffen (vgl. die Ausführungsanweisung zur vorgenannten Verordnung, RMinBl. 1934, S. 319 Nr. 1 I, sowie Senat, Urt. v. 25.06.1953 – III ZR 353/51, BGHZ 10, 122, 124; Urt. v. 11.07.1955 – III ZR 178/53, BGHZ 18, 110, 115; Urt. v. 21.09.1959 – III ZR 105/58, BGHZ 30, 374, 376; Urt. v. 31.03.1960 – III ZR 36/59, WM 1960, 492, 494). Dementsprechend hat der Senat anerkannt, dass die Amtspflichten, die den Zulassungsbeamten hinsichtlich der Behandlung der Fahrzeugbriefe auferlegt sind, gegenüber dem Eigentümer, dem dinglich Berechtigten an dem Kraftfahrzeug (Senat, Urt. v. 25.06.1953 – III ZR 353/51, BGHZ 10, 122, 125; Urt. v. 29.10.1953 – III ZR 119/52, NJW 1953, 1910, 1911; Urt. v. 11.01.1973 – XI ZR 32/71, NJW 1973, 458), und demjenigen, der aufschiebend Eigentum daran erworben hat, bestehen (Senat, Urt. v. 21.09.1959 – III ZR 105/58, BGHZ 30, 374, 377 f.; vgl. auch Senat, Urt. v. 11.01.1965 – III ZR 172/63, NJW 1965, 911, 912).
Außer der eigentumschützenden Funktion hat der Kraftfahrzeugbrief lediglich statistische und polizeiliche Aufgaben, die allein im Allgemeininteresse bestehen (vgl. die o. g. Ausführungsanweisung Nr. 1 I und die vorstehend angeführten Urteile). Das gilt auch für die Eintragung des Erstzulassungsdatums als Teil der Fahrzeugbeschreibung, wie ausdrücklich in der Richtlinie zum Fahrzeugbrief vom 20.06.1972 (VkBl. 1972, 354), zuletzt geändert durch Erlass vom 21.09.1979 (VkBl. 1979, 689), unter A. 2.4.2. hervorgehoben ist (vgl. auch Wirsing, Verkehrsdienst 1971, 321, 324). Der Tag der ersten Zulassung ist maßgebend für die Altersgliederung der Kraftfahrzeuge in der Bestandsstatistik (Erlass des Bundesministers für Verkehr vom 27.05.196, VkBl. 1963, 223). In polizeilicher Hinsicht spielt die Erstzulassung nach § 72 II StVZO für die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung eine Rolle (vgl. dazu den Erlass des Bundesministers für Verkehr vom 29.01.1962, VkBl. 1962, 66).
b) Über die statistischen und polizeilichen Belange hinaus kommt der Eintragung des Erstzulassungsdatums nach dem Willen des Verordnungsgebers keine Bedeutung zu. Dieser Zeitpunkt stellt zwar im Gebrauchtwagenhandel einen wertbildenden Faktor dar (BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097, 1098). Ein Käufer solcher Fahrzeuge misst dieser Eintragung im Fahrzeugbrief gewöhnlich Gewicht bei. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass es nicht der Zweck dieser Eintragung ist, ein Vertrauen des Erwerbers in deren Richtigkeit zu schützen und ihn so vor Vermögensschäden zu bewahren. Wenn der Erwerber eines Kraftfahrzeugs Wert auf die Frage legt, wann es erstmals in den Verkehr gekommen ist, muss er deshalb selbst Nachforschungen anstellen. Zu Unrecht wendet die Klägerin dagegen ein, dass die „Lebensgeschichte“ des Kraftfahrzeugs nur nach den Angaben im Fahrzeugbrief beurteilt werden könne. Stellt die Zulassungsstelle wie hier einen Fahrzeugbrief für einen bereits früher einmal zugelassenen Pkw aus, muss sie das Erstzulassungsdatum anhand von ihr vorgelegten Urkunden und gegebenenfalls durch Anfragen bei Behörden feststellen. Solche Erkundigungen sind auch dem Erwerber eines Fahrzeugs möglich (vgl. § 26 V StVZO).
c) Der bloßen statistischen und polizeilichen Funktion der Eintragung des Tages der ersten Zulassung entsprechen auch die sie betreffenden Verwaltungsvorschriften. Danach muss dieses Datum auch dann in den Fahrzeugbrief eingetragen werden, wenn es nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann. In einem solchen Fall ist es vorgeschrieben, den 01.07. des Jahres einzutragen, das als Baujahr in Betracht kommt. Ist auch das Baujahr nicht bekannt, ist das mutmaßliche Baujahr einzusetzen (so Richtlinie zum Fahrzeugbrief, a. a. O., A. 7.3.2, sowie Erlass des Bundesministers für Verkehr vom 29.01.1962, VkBl. 1962, 66). Das eingetragene Erstzulassungsdatum bietet nach dieser Verwaltungsanordnung keine verlässliche Gewähr der Richtigkeit. Es zeigt sich auch hier, dass der Erwerber eines Fahrzeugs insoweit nicht auf die Eintragung im Fahrzeugbrief vertrauen kann und soll.
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aus der Senatsentscheidung in BGHZ 74, 144 (Urt. v. 15.02.1979 – III ZR 108/76; vgl. auch Senat, Urt. v. 12.07.1979 – III ZR 154/77, BGHZ 75, 120), nicht die Tendenz abgeleitet werden, die Drittstellung der durch Amtspflichtverletzungen Geschädigten sei weiter als früher auszudehnen. In dem genannten Urteil ging es um die Drittbezogenheit von Überwachungspflichten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen und um die Funktion dieses Aufsichtszweiges aufgrund der Vorschriften des Kreditwesengesetzes. Schlüsse auf den Umfang des Schutzes von Individualinteressen in anderen Bereichen staatlichen Handelns können deshalb aus dieser Entscheidung nicht hergeleitet werden.
4. Da die Bediensteten der Beklagten Amtspflichten gegenüber der Klägerin nicht verletzt haben, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage insgesamt unter Belastung der Klägerin mit den Kosten der Rechtsmittelzüge abzuweisen.