Der In­ha­ber ei­ner Kfz-Werk­statt, die er selbst als „Fach­werk­statt“ für ei­ne be­stimm­te Mar­ke be­zeich­net, muss sich auch dann dar­über in­for­mie­ren, ob ein ihm zur In­spek­ti­on über­las­se­nes Fahr­zeug die­ser Mar­ke we­gen ei­nes si­cher­heits­re­le­van­ten Man­gels von ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on des Her­stel­lers be­trof­fen ist, wenn er le­dig­lich ei­ne „klei­ne“ In­spek­ti­on durch­füh­ren soll.

OLG Hamm, Ur­teil vom 08.02.2017 – 12 U 101/16

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ist Ei­gen­tü­me­rin ei­nes im Ok­to­ber 2010 er­wor­be­nen Dodge Ram 1500. Da­bei han­delt es sich um ein in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka her­ge­stell­tes und als „Grau­im­port“ nach Deutsch­land ge­lang­tes Fahr­zeug. Im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum exis­tier­ten in Deutsch­land kei­ne Nie­der­las­sun­gen des Fahr­zeug­her­stel­lers und kein au­to­ri­sier­tes Händ­ler­netz.

Die Be­klag­te be­treibt ei­ne Kfz-Fach­werk­statt und wirbt für sich als „au­to­ri­sier­te Ser­vice-Ver­trags­werk­statt“ für Fahr­zeu­ge der Mar­ke Dodge. Bei ihr ließ die Klä­ge­rin nach dem Er­werb des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs Re­pa­ra­tur- und War­tungs­ar­bei­ten vor­neh­men.

Ab Fe­bru­ar 2013 fand we­gen ei­ner nicht aus­rei­chend ge­si­cher­ten Mut­ter im Ge­trie­be­rad der Hin­ter­ach­se ei­ne Rück­ruf­ak­ti­on des Fahr­zeug­her­stel­lers („Im­portant Safe­ty Re­call N08“) statt, die auch das Fahr­zeug der Klä­ge­rin be­traf. Die­se wur­de vom Her­stel­ler nicht über die Rück­ruf­ak­ti­on in­for­miert. Bei War­tungs­ar­bei­ten, die die Be­klag­te am 31.10.2013 am Fahr­zeug der Klä­ge­rin vor­nahm, wur­den die in dem „Im­portant Safe­ty Re­call N08“ be­schrie­be­nen Ab­hil­fe­maß­nah­men nicht um­ge­setzt.

Im April 2014 er­litt das Fahr­zeug der Klä­ge­rin auf­grund ei­ner Blo­cka­de der Hin­ter­ach­se wäh­rend der Fahrt er­heb­li­che Be­schä­di­gun­gen, die ei­nen voll­stän­di­gen Aus­tausch der Hin­ter­ach­se er­for­der­lich mach­ten. Wä­re die Mut­ter, die Ge­gen­stand des „Im­portant Safe­ty Re­call N08“ ist, nach den An­wei­sun­gen des Her­stel­lers ge­si­chert wor­den, wä­re die­ser Scha­den nicht ent­stan­den.

Nach­dem die Klä­ge­rin auf­grund ei­ge­ner Nach­for­schun­gen Kennt­nis von der Rück­ruf­ak­ti­on er­lang­te hat­te, lei­te­te sie ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein, in dem der Sach­ver­stän­di­ge L ein Gut­ach­ten so­wie ein Er­gän­zungs­gut­ach­ten er­stat­te­te.

Mit der Kla­ge be­gehrt die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten auf der Grund­la­ge ei­nes Kos­ten­vor­an­schlags die Zah­lung fik­ti­ver Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von 6.058,32 € net­to so­wie den Aus­gleich ei­nes mer­kan­ti­len Min­der­werts (2.521,01 €). Sie hat ge­meint, die Be­klag­te ha­be ei­ne werk­ver­trag­li­che Auf­klä­rungs­pflicht ver­letzt, weil sie auf die Rück­ruf­ak­ti­on nicht hin­ge­wie­sen ha­be, ob­wohl sie ihr hät­te be­kannt sein müs­sen. Dar­über hin­aus ha­be es die Be­klag­te im Rah­men der am 13.10.2013 vor­ge­nom­me­nen War­tungs­ar­bei­ten ver­säumt, das in dem „Im­portant Safe­ty Re­call N08“ be­han­del­te Pro­blem zu be­sei­ti­gen.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, im Ok­to­ber 2013 sei le­dig­lich ei­ne „klei­ne“ In­spek­ti­on am Fahr­zeug der Klä­ge­rin durch­ge­führt wor­den. Die Klä­ge­rin – so hat die Be­klag­te ge­meint – hät­te sich selbst über ihr Fahr­zeug be­tref­fen­de Rück­ruf­ak­tio­nen in­for­mie­ren müs­sen und müs­se sich we­gen des Scha­dens, den ihr Fahr­zeug er­lit­ten ha­be, an des­sen Ver­käu­fer oder Im­por­teur wen­den. Sie, die Be­klag­te, sei nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, sich hin­sicht­lich mög­li­cher Rück­ruf­ak­tio­nen zu in­for­mie­ren, weil das Fahr­zeug der Klä­ge­rin nicht in Deutsch­land ver­trie­ben und auch nicht of­fi­zi­ell nach Deutsch­land im­por­tiert wor­den sei.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge nach An­hö­rung des Sach­ver­stän­di­gen L in Hö­he von 8.579,33 € nebst Zin­sen statt­ge­ge­ben und sie im Üb­ri­gen ab­ge­wie­sen. Es hat aus­ge­führt, der Klä­ge­rin ste­he ge­mäß §§ 631, 280 I, 249 ff. BGB ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz zu. Die Par­tei­en hät­ten im Ok­to­ber 2013 ei­nen Werk­ver­trag ge­schlos­sen. In­ner­halb die­ser ver­trag­li­chen Be­zie­hung sei die Be­klag­te als In­ha­be­rin ei­ner – wie sie sich selbst be­zeich­ne – Ver­trags­werk­statt ver­pflich­tet ge­we­sen, aus ei­ge­ner Ver­an­las­sung zu prü­fen, ob auf­grund ei­ner Rück­ruf­ak­ti­on Maß­nah­men zu tref­fen sei­en. Die­se Pflicht ha­be auch dann be­stan­den, wenn das mit ei­nem Her­stel­lungs­feh­ler be­haf­te­te Fahr­zeug nicht von der Be­klag­ten aus­ge­lie­fert wor­den sei.

Aus ei­nem Werk­ver­trag kön­ne für die Be­klag­te als Ver­trags­werk­statt durch­aus die Pflicht re­sul­tie­ren, ent­we­der durch Ein­ga­be der Fahr­zeug­da­ten in den Zen­tral­com­pu­ter des Her­stel­lers oder in ähn­li­cher Wei­se zu er­mit­teln, ob ein Kon­struk­ti­ons­feh­ler be­reits durch ei­ne an­de­re Werk­statt be­ho­ben wor­den sei, oder den Hal­ter schlicht da­nach zu be­fra­gen. Dies be­las­te sie nicht mit hand­werk­li­chem Ar­beits­auf­wand. Zwar set­ze dies das Wis­sen vor­aus, dass ein der Be­klag­ten zur In­spek­ti­on über­las­se­nes Fahr­zeug je­den­falls ur­sprüng­lich ei­nen Feh­ler auf­ge­wie­sen ha­be. Die­se Kennt­nis müs­se in­des bei ei­ner Ver­trags­werk­statt in der Re­gel vor­aus­ge­setzt wer­den. Ei­ne sol­che Werk­statt müs­se so or­ga­ni­siert sein, dass Feh­ler­war­nun­gen des Her­stel­lers nicht in Ver­ges­sen­heit ge­rie­ten. Et­was an­de­res mö­ge bei lan­ge zu­rück­lie­gen­den In­for­ma­tio­nen gel­ten; ein Zeit­raum von cir­ca acht Mo­na­ten rei­che da­für aber nicht aus.

Die Be­klag­te kön­ne sich ei­ner Haf­tung nicht we­gen feh­len­der Kennt­nis vom Rück­ruf ent­zie­hen. Viel­mehr hät­te sie die­se Kennt­nis ha­ben oder sich be­schaf­fen kön­nen. Zwar ge­be die Be­klag­te an, sie ha­be kei­nen Zu­griff auf den Zen­tral­com­pu­ter des Her­stel­lers. Es wä­re ihr in­des oh­ne gro­ße Um­stän­de mög­lich ge­we­sen, ei­ne ent­spre­chen­de Ab­fra­ge über die In­ter­net­sei­te des Her­stel­lers zu ver­an­las­sen. Das Ge­richt fol­ge in­so­weit den in je­der Hin­sicht schlüs­si­gen, nach­voll­zieh­ba­ren und über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen. Des­halb kön­ne da­hin­ste­hen, ob die Be­klag­te Zu­griff auf den Zen­tral­com­pu­ter des Her­stel­lers ha­be; auch kön­ne of­fen­blei­ben, ob In­for­ma­tio­nen über die hier in­ter­es­sie­ren­de Rück­ruf­ak­ti­on be­reits beim Kraft­fahrt-Bun­des­amt ab­ruf­bar ge­we­sen sei­en. Die Ver­pflich­tung, sich mit­hil­fe der In­ter­net­sei­te des Fahr­zeug­her­stel­lers zu in­for­mie­ren, ha­be ins­be­son­de­re des­halb be­stan­den, weil die Be­klag­te als be­son­ders qua­li­fi­zier­te Fach­werk­statt für die Mar­ke Dodge auf­tre­te. Dies kön­ne aus der Sicht ei­nes ob­jek­ti­ven Emp­fän­gers nur so ver­stan­den wer­den, dass die Be­klag­te über ei­ne be­son­de­re Fach­kun­de und Ex­per­ti­se be­züg­lich die­ser Mar­ke ver­fü­ge. In­so­fern kön­ne es nicht dar­auf an­kom­men, ob es sich bei der Be­klag­ten um ei­ne Ver­trags­werk­statt oder le­dig­lich um ei­nen au­to­ri­sier­ten Ser­vice­punkt han­de­le. Ab­ge­se­hen da­von, dass sie sich selbst als Ver­trags­werk­statt be­zeich­ne, kom­me es aus­schließ­lich auf ih­ren Auf­tritt und den er­zeug­ten Ein­druck nach au­ßen an. Wenn die Be­klag­te da­mit wer­be, ei­ne au­to­ri­sier­te Fach­werk­statt mit weit­rei­chen­den Dia­gno­se- und War­tungs­mög­lich­kei­ten zu sein, müs­se sie sich auch als sol­che be­han­deln las­sen.

Auf­grund des Auf­tre­tens der Be­klag­ten ha­be ei­ne ge­stei­ger­te In­for­ma­ti­ons- und Nach­for­schungs­pflicht be­stan­den. Aus den An­ga­ben der Be­klag­ten kön­ne ver­nünf­ti­ger­wei­se nur ge­schlos­sen wer­den, dass sie selbst den An­spruch an sich stel­le, voll­um­fäng­lich über Fahr­zeu­ge der Mar­ke Dodge in­for­miert zu sein. Die Klä­ge­rin ha­be des­halb er­war­ten kön­nen, dass die Be­klag­te nach Maß­ga­be der Hin­wei­se und Richt­li­ni­en des Her­stel­lers han­de­le. Der vom 13.02.2013 stam­men­de Rück­ruf hät­te der Be­klag­ten vor der streit­ge­gen­ständ­li­chen War­tung am 31.10.2013 be­kannt sein kön­nen, weil da­von aus­zu­ge­hen sei, dass die Rück­ruf­ak­ti­on En­de Ok­to­ber 2013 auf der Sei­te des Her­stel­lers pu­blik ge­macht ge­we­sen sei.

Ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung er­ge­be sich nicht dar­aus, dass es hier um ein Im­port­fahr­zeug ge­he. Auch sei un­er­heb­lich, dass Fahr­zeu­ge der Mar­ke Dodge seit 2011 nicht mehr in Deutsch­land ver­trie­ben und nicht mehr of­fi­zi­ell nach Deutsch­land im­por­tiert wür­den. Denn die Pflicht, sich über Rück­ruf­ak­tio­nen zu in­for­mie­ren, be­schrän­ke sich nicht auf sol­che Fahr­zeu­ge, die auf dem deut­schen Markt ver­trie­ben wür­den, und sei auch nicht auf die auf dem deut­schen Markt be­kann­ten In­for­ma­tio­nen be­grenzt.

Der Klä­ge­rin kön­ne auch nicht an­ge­las­tet wer­den, dass sie kei­ne In­for­ma­tio­nen zum Rück­ruf er­hal­ten ha­be, weil ihr Fahr­zeug ein Im­port­fahr­zeug sei. Auch wenn die Klä­ge­rin sich selbst hät­te in­for­mie­ren kön­nen, sei es ihr nicht zu­zu­mu­ten, oh­ne je­de Ver­an­las­sung re­gel­mä­ßi­ge Re­cher­chen an­zu­stel­len. Die Klä­ge­rin müs­se sich auch nicht an den Händ­ler oder den Im­por­teur ih­res Fahr­zeugs ver­wei­sen las­sen.

Die an­ge­nom­me­ne Über­prü­fungs­pflicht über­span­ne nicht die An­for­de­run­gen an die ver­trag­lich ge­schul­de­te Sorg­falt der Be­klag­ten. Denn In­halt ih­res mit der Klä­ge­rin ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges sei ei­ne In­spek­ti­on ge­we­sen, die je­den­falls die Prü­fung der Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs er­for­dert ha­be und bei der die Klä­ge­rin ei­ne Be­rück­sich­ti­gung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Rück­ruf­ak­ti­on ha­be er­war­ten dür­fen. Das gel­te un­ab­hän­gig da­von, ob es sich um ei­ne „klei­ne“ oder um ei­ne „gro­ße“ In­spek­ti­on ge­han­delt ha­be.

Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg. Eben­so blieb die An­schluss­be­ru­fung der Klä­ge­rin er­folg­los, mit der sie ei­ne Ver­zin­sung des ihr vom Land­ge­richt zu­er­kann­ten Be­tra­ges be­reits ab dem 07.05.2014 und nicht erst ab dem 08.09.2015 er­rei­chen woll­te.

Aus den Grün­den: B. … I. Der Klä­ge­rin steht der gel­tend ge­mach­te Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 280 I, 634 Nr. 4, 633 II Nr. 2 BGB zu.

1. Un­strei­tig hat die Klä­ge­rin die Be­klag­te am 31.10.2013 mit der In­spek­ti­on ih­res Fahr­zeugs … be­auf­tragt. In der Sa­che han­delt es sich um ei­nen Werk­ver­trag, dar­auf ge­rich­tet, das Kraft­fahr­zeug für die nächs­te Zeit ge­brauchs- und fahr­be­reit zu ma­chen (Pa­landt/Sprau, BGB, 73. Aufl., Einf. v. § 631 Rn. 30).

2. Die Be­klag­te hat ei­ne ihr aus dem Werk­ver­trag ob­lie­gen­de Pflicht ver­letzt, in­dem sie es un­strei­tig un­ter­las­sen hat, die Klä­ge­rin – nach Über­prü­fung der In­ter­net­sei­te des Fahr­zeug­her­stel­lers auf Hin­wei­se über ei­nen Rück­ruf be­grün­den­de Män­gel – über das Be­ste­hen des „Safe­ty Re­call N08“ zu in­for­mie­ren.

a) Die Be­klag­te war auf­grund des War­tungs­ver­tra­ges ver­pflich­tet, sich die zu­mut­bar zu er­lan­gen­de Kennt­nis von der­art schwer­wie­gen­den, si­cher­heits­re­le­van­ten Män­geln zu ver­schaf­fen.

Ge­gen­stand des Auf­trags vom 31.10.2013 war un­strei­tig zu­min­dest ei­ne „klei­ne In­spek­ti­on“. Auch wenn der Ar­beits­um­fang im Ver­hält­nis zu ei­ner „gro­ßen In­spek­ti­on“ ge­rin­ger ge­we­sen wä­re, hat­te aus der be­rech­tig­ten Sicht des Fahr­zeug­hal­ters, auf de­ren Ein­be­zie­hung in den Ver­trag der Be­trei­ber der Werk­statt sich nach Treu und Glau­ben mit Rück­sicht auf die Ver­kehrs­sit­te ein­las­sen muss­te, ei­ne um­fas­sen­de Prü­fung der Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs zu er­fol­gen. Dies be­inhal­te­te auch die Über­prü­fung zu­mut­bar zur Ver­fü­gung ste­hen­der In­for­ma­ti­ons­quel­len, wie hier die In­ter­net­sei­te des Her­stel­lers, auf ver­kehrs­si­cher­heits­re­le­van­te Rück­ruf­ak­tio­nen. Die Klä­ge­rin ist nach au­ßen als Fach­werk­statt ge­ra­de für Fahr­zeu­ge der Mar­ke Dodge auf­ge­tre­ten. Die Klä­ge­rin konn­te da­her – wie die üb­ri­gen Kun­den – in be­rech­tig­ter Wei­se an­neh­men, dass die Be­klag­te in Be­zug auf Dodge-Fahr­zeu­ge ei­ne voll­stän­di­ge Kennt­nis über al­les Not­wen­di­ge für die Ver­kehrs- und Be­triebs­si­cher­heit hat oder sich – so­weit nicht vor­han­den – vor Durch­füh­rung ent­spre­chen­der In­spek­ti­ons­auf­trä­ge be­sorgt.

b) Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass es sich bei dem Fahr­zeug der Klä­ge­rin um ei­nen so­ge­nann­ten „Grau­im­port“ han­delt. Wie das Land­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, be­wirbt die Be­klag­te ihr Un­ter­neh­men als „au­to­ri­sier­te Ser­vice-Ver­trags­werk­statt“ un­ter an­de­rem für die Mar­ke Dodge, oh­ne ei­ne Be­schrän­kung auf in Deutsch­land ver­trie­be­ne oder of­fi­zi­ell im­por­tier­te Fahr­zeu­ge vor­zu­neh­men. Da­mit war aus der maß­geb­li­chen Sicht ei­nes ob­jek­ti­ven Emp­fän­gers an der Stel­le der Klä­ge­rin nicht zu er­ken­nen, dass „grau im­por­tier­te“ Fahr­zeu­ge ei­ner we­ni­ger ef­fek­ti­ven Feh­ler­kon­trol­le un­ter­la­gen als re­gu­lär ver­trie­be­ne oder ein­ge­führ­te Fahr­zeu­ge.

Viel­mehr hät­te es der Be­klag­ten ge­ra­de im Hin­blick auf ein „grau im­por­tier­tes“ Fahr­zeug, hin­sicht­lich des­sen die Be­klag­te nach ei­ge­nen An­ga­ben kei­nen Zu­griff auf Com­pu­ter­pro­gram­me des Her­stel­lers ha­ben will, in de­nen Rück­ruf­ak­tio­nen ein­zu­se­hen ge­we­sen wä­ren, ob­le­gen, sich über an­de­re ihr zu­gäng­li­che Quel­len zu in­for­mie­ren. Hier­zu ge­hört die In­ter­net­sei­te des Her­stel­lers, auf der die Be­klag­te nach den nicht an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts durch Ein­ga­be der Fahr­ge­stell­num­mer ei­ne ent­spre­chen­de Ab­fra­ge hät­te durch­füh­ren kön­nen. Der Be­klag­ten war be­kannt, dass es sich bei dem Fahr­zeug der Klä­ge­rin um ei­nen „Grau­im­port“ han­deln muss­te und die Klä­ge­rin vom Her­stel­ler nicht über Rück­ruf­ak­tio­nen in­for­miert wird. Auch aus die­sem Grund war es des­halb im Rah­men des ge­schlos­se­nen Werk­ver­tra­ges ih­re Auf­ga­be als Fach­werk­statt, sich selbst zu in­for­mie­ren.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten wer­den hier­durch die werk­ver­trag­li­chen Pflich­ten nicht über Ge­bühr aus­ge­wei­tet. Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Über­prü­fung die Be­klag­te nicht mit hand­werk­li­chem Ar­beits­auf­wand be­las­tet hät­te, die Über­prü­fung auf Rück­ruf­ak­tio­nen aber für die Auf­trag­ge­ber so­wohl un­ter si­cher­heits­re­le­van­ten Ge­sichts­punk­ten als auch bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tung von be­son­de­rer Be­deu­tung ist.

d) Es kann da­hin­ste­hen, ob das Kraft­fahrt-Bun­des­amt erst spä­ter über die Rück­ruf­ak­ti­on „Safe­ty Re­call N08“ in­for­miert wor­den ist. Es ob­lag der Be­klag­ten, sich selbst ak­tiv um die not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen zu küm­mern und nicht auf die In­for­ma­ti­on Drit­ter zu war­ten. Zu­dem ist we­der er­sicht­lich noch vor­ge­tra­gen, dass die Be­klag­te im Re­gel­fall von ei­ner zeit­na­hen Ver­öf­fent­li­chung von Rück­ruf­ak­ti­on auch bei Grau­im­por­ten aus­ge­hen konn­te oder oh­ne Ver­schul­den hier­von aus­ge­gan­gen ist.

3. Ein Ver­tre­ten­müs­sen der Be­klag­ten wird ver­mu­tet (§ 280 I 2 BGB). An­halts­punk­te für ein feh­len­des Ver­schul­den sind we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich.

4. Ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung war nicht er­for­der­lich, da be­reits ein Scha­den am Fahr­zeug ein­ge­tre­ten ist, der durch ein Nach­ho­len des pflicht­ge­mä­ßen Ver­hal­tens nicht be­sei­tigt wür­de.

5. Das Land­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten 6.058,32 € be­tra­gen und auch nach der Re­pa­ra­tur ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert von 2.521,01 € ver­bleibt. Dies grei­fen die Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht an. Es han­delt sich um ge­mäß §§ 249 I, 251 I BGB er­satz­fä­hi­gen Scha­den. Die Kau­sa­li­tät des un­ter­las­se­nen Hin­wei­ses auf die Rück­ruf­ak­ti­on für den ein­ge­tre­te­nen Scha­den ist zwi­schen den Par­tei­en nicht (mehr) im Streit.

6. Ein An­spruchs­aus­schluss folgt nicht aus den Re­ge­lun­gen des Pro­dukt­haf­tungs­ge­set­zes. Die im hie­si­gen Rechts­streit gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che ha­ben mit Pro­dukt­haf­tung im Sin­ne die­ses Ge­set­zes nichts zu tun. Nach § 15 II Prod­HaftG bleibt auch ei­ne Haf­tung nach an­de­ren Vor­schrif­ten aus­drück­lich un­be­rührt.

II. Den zu­er­kann­ten Zins­an­spruch hat die Be­klag­te be­reits nicht zu­läs­sig mit der Be­ru­fung an­ge­grif­fen, da es in­so­weit an ei­ner den An­for­de­run­gen des § 520 III ZPO ge­nü­gen­den Be­ru­fungs­be­grün­dung fehlt. Je­den­falls folgt der An­spruch aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I BGB und §§ 291, 288 I 2 BGB.

C. Die zu­läs­si­ge An­schluss­be­ru­fung der Klä­ge­rin ist eben­falls un­be­grün­det. Der Klä­ge­rin steht ein An­spruch auf Ver­zin­sung des zu­er­kann­ten Be­tra­ges vor dem 08.09.2015 nicht zu. Ein sol­cher An­spruch folgt nicht aus §§ 280 I, II, 286 I 1, II, 288 I BGB. Die Be­klag­te be­fand sich vor dem 08.09.2015 mit dem Aus­gleich der Scha­dens­er­satz­for­de­rung nicht in Zah­lungs­ver­zug.

Ei­ne Mah­nung der Klä­ge­rin im Hin­blick auf den gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­be­trag kann nicht fest­ge­stellt wer­den. Ins­be­son­de­re ent­hal­ten die Schrei­ben der Klä­ge­rin vom 28.04.2014 und 13.05.2014 kei­ne ein­deu­ti­ge Auf­for­de­rung zur Leis­tung des Scha­dens­er­satz­be­tra­ges. Viel­mehr hat die Klä­ge­rin die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 28.04.2014 le­dig­lich auf­ge­for­dert, die Ver­pflich­tung zum Scha­dens­er­satz dem Grun­de nach an­zu­er­ken­nen. Das Schrei­ben vom 13.05.2014 ent­hält ei­ne Auf­for­de­rung zur Man­gel­be­sei­ti­gung, nicht zur Scha­dens­er­satz­leis­tung.

Ei­ne die Mah­nung ent­behr­lich ma­chen­de ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung (§ 286 II Nr. 3 BGB) er­gibt sich nicht aus dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 06.05.2014. An das Vor­lie­gen ei­ner ernst­haf­ten und end­gül­ti­gen Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len. Die Wei­ge­rung muss als letz­tes Wort auf­zu­fas­sen sein. Zwar hat die Be­klag­te in die­sem Schrei­ben ein An­er­kennt­nis dem Grun­de nach so­wie An­sprü­che so­wohl dem Grun­de als auch der Hö­he nach ab­ge­lehnt. Die­se Ab­leh­nung hat sie aber im We­sent­li­chen da­mit be­grün­det, dass ihr ein zu­ste­hen­des Nach­bes­se­rungs­recht nicht ein­ge­räumt wor­den sei. Auch wenn der Be­klag­ten tat­säch­lich kein Nach­bes­se­rungs­recht zu­stand, da der Scha­den durch ei­ne er­folg­te Nach­er­fül­lung nicht hät­te be­sei­tigt wer­den kön­nen, hat sie durch ihr Ver­hal­ten je­den­falls nicht zum Aus­druck ge­bracht, dass sie Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che ernst­haft und end­gül­tig ab­lehnt. Im Hin­blick auf den streit­ge­gen­ständ­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch gilt dies um­so mehr, als die Klä­ge­rin zu die­sem Zeit­punkt ih­ren Scha­den noch nicht ein­mal be­zif­fert hat­te.

D. …

E. Auf den An­trag der Be­klag­ten war die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen. Der Rechts­sa­che kommt ei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung zu, und ei­ne Ent­schei­dung des Re­vi­si­ons­ge­richts ist we­gen der Fort­bil­dung des Rechts er­for­der­lich (§ 543 II ZPO). Der BGH hat bis­her le­dig­lich über ei­ne Ver­pflich­tung ei­ner Ver­trags­werk­statt ent­schie­den, ein zur War­tung über­ge­be­nes Fahr­zeugs dar­auf zu über­prü­fen, ob die Be­sei­ti­gung ei­nes Feh­lers, der be­kannt war oder be­kannt hät­te sein müs­sen, be­reits er­folgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2004 – X ZR 60/03, NJW-RR 2004, 1427 Rn. 18 ff.).

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