1. Auch bei einem Verbrauchsgüterkauf muss der Käufer beweisen, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Die in § 476 BGB vorgesehene Beweislastumkehr kommt ihm nicht zugute, denn sie bezieht sich nur auf die Frage, ob ein festgestellter Mangel schon zu einem bestimmten Zeitpunkt (bei der Übergabe der Kaufsache) vorlag.
  2. Zur Darlegung eines Rücktrittsgrundes genügt es zunächst, wenn ein Kfz-Käufer Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass das gekaufte Fahrzeug eine Beschaffenheit aufweist, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist und die er (deshalb) nicht zu erwarten brauchte (vgl. § 434 I 2 Nr. 2 BGB). Dafür muss der Käufer den Istzustand des Fahrzeugs – also die aufgetretenen Mangelsymptome – so konkret wie möglich umschreiben; Vermutungen über die technische Ursache der aufgetretenen Symptome braucht er nicht anzustellen.
  3. Verteidigt sich der Verkäufer damit, die aufgetretenen Symptome hätten wechselnde Ursachen, die nicht im Übrigen zwingend mit einem technischen Defekt zusammenhängen müssten, sondern ebenso gut durch Verschleiß oder eine falsche Benutzung begründet sein könnten, muss über das Vorliegen eines Sachmangels Beweis erhoben werden.

OLG Hamm, Urteil vom 16.10.2014 – 28 U 180/13

Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen (Alfa Romeo 159 Sportwagon). Dieses Fahrzeug war am 26.02.2007 erstzugelassen worden und wurde von dem Beklagten im Frühjahr 2012 mit einer Laufleistung von 69.800 km zum Kauf angeboten.

Der Kläger, der das Fahrzeug privat nutzen wollte, unterzeichnete am 19.05.2012 eine verbindliche Gebrauchtwagenbestellung. Die Fahrzeugübergabe erfolgte dann am 31.05. oder am 02.06.2012, und zwar gegen Zahlung des Kaufpreises von 14.500 €.

Am 04.08.2012 leuchtete während einer Autobahnfahrt die Motorkontrollleuchte auf, und das Fahrzeug konnte nur noch mit maximal 80 km/h bewegt werden. Der Kläger suchte deshalb am 06.08.2012 die Werkstatt des Beklagten auf und sprach dort mit dem Zeugen O. Dieser las den Fehlerspeicher des Fahrzeugs aus und überprüfte visuell das Ansaugsystem, das Abgassystem und die sichtbaren Stecker.

Nach seiner Darstellung erhielt der Kläger das Fahrzeug am Nachmittag des 06.08.2012 wieder zurück. Am Nachmittag des 07.08.2012 soll dann erneut die Motorkontrollleuchte aufgeleuchtet haben, und es soll – wie schon am 04.08.2012 – wieder zu einer Aktivierung des Notlaufprogramms gekommen sein. Daraufhin, so behauptet der Kläger, habe er den Alfa Romeo am 08.08.2012 erneut in der Werkstatt des Beklagten vorgestellt. Nach Abschluss der Werkstattarbeiten habe er mit dem Fahrzeug nach Hause fahren wollen, sei aber nach fünf Kilometern in die Werkstatt zurückgekehrt, weil wiederum – bei gleichzeitigem Aufleuchten der Motorkontrollleuchte – das Notlaufprogramm aktiviert worden sei. Er habe das Fahrzeug in der Werkstatt des Beklagten zurückgelassen und ein Ersatzfahrzeug erhalten, mit dem er nach Hause gefahren sei. Seinen Alfa Romeo habe er am 09.08.2012 mit dem Bemerken zurückerhalten, dass die Einspritzdüse und vorsichtshalber erneut der Stecker gewechselt worden seien.

In den folgenden Monaten funktionierte das Fahrzeug fehlerfrei.

Nach Darstellung des Klägers leuchtete jedoch am 13.10.2012 abermals die Motorkontrollleuchte auf, und das Notlaufprogramm schalteten sich ein. Der Kläger versuchte daraufhin, mit dem Zeugen O telefonisch Kontakt aufzunehmen, erreichte ihn aber nicht.

Mit einem noch am 13.10.2012 aufgesetzten Schreiben, auf das der Beklagte nicht reagierte, erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 13.920 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Alfa Romeo, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 € zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Beklagte sei zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung verpflichtet, weil der Kläger die Mangelhaftigkeit des Alfa Romeo als Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts bewiesen habe. Die Vernehmung der Zeugin C habe ergeben, dass das Fahrzeug zwischen dem 06.08. und dem 09.08.2012 insgesamt dreimal wegen desselben Mangelsymptoms in der Werkstatt des Beklagten gewesen sei. Die Zeugin habe auch in allen drei Fällen miterlebt, dass die Motorkontrollleuchte aufgeleuchtet und sich die Motorleistung verringert habe. Es bestehe auch kein Zweifel daran, dass sich im Oktober 2012 dasselbe Mangelsymptom gezeigt habe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen, weil die Mangelsymptome (Aufleuchten der Kontrollleuchte, Leistungsabfall) auch ein Laie bekunden könne.

Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 1. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts hat der Kläger die Voraussetzungen des gesetzlichen Rücktrittsrechts nicht bewiesen.

Die wirksame Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts setzt nach §§ 346, 323, 440, 437 Nr. 2, §§ 434, 433 I 2 BGB voraus, dass der Alfa Romeo bei Übergabe mit einem Sachmangel behaftet war und dieser Sachmangel bis zum Rücktrittszeitpunkt fortdauerte, weil zwischenzeitige Nachbesserungsversuche fehlgeschlagen sind.

Zur Darlegung eines Rücktrittsgrundes genügt es zunächst, wenn der Käufer Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass die gekaufte Sache eine Beschaffenheit aufweist, die bei vergleichbaren Fahrzeugen nicht üblich ist und die er als Käufer nach der Art der Kaufsache nicht zu erwarten brauchte (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Dafür muss der Käufer den für mangelhaft gehaltenen Istzustand des Fahrzeugs so konkret wie möglich umschreiben; er braucht hingegen keine Vermutungen anzustellen über die technische Ursache der aufgetretenen Symptomatik.

Diesen Anforderungen wird der Klägervortrag „Motorkontrollleuchte springt an und Fahrzeug schaltet automatisch in Notlaufprogramm bis 80 km/h“ durchaus gerecht.

Sofern sich allerdings der Verkäufer – wie im Streitfall – mit dem Einwand verteidigt, die aufgetretene Symptomatik habe wechselnde Ursachen, die auch nicht zwingend mit einem technischen Defekt zusammenhängen müssten, sondern ebenso gut durch Verschleiß oder eine falsche Benutzung begründet sein können, muss über das tatsächliche Vorliegen des Sachmangels Beweis erhoben werden.

Auch bei einem Verbrauchsgüterkauf trägt der Käufer die volle Beweislast für das Vorliegen des Sachmangels. Die in § 476 BGB vorgesehene Beweislastumkehr kommt ihm nicht zugute, denn sie bezieht sich nur auf die Frage, ob ein positiv festgestellter Mangel im Zeitpunkt der Übergabe vorlag (BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 – Zahnriemen; Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 – Zylinderkopfdichtung).

Für den Beweis der Mangelhaftigkeit genügt es aber nicht, wenn die Ehefrau des Klägers, als Zeugin vernommen, die vom Kläger behauptete Symptomatik bestätigt. Vielmehr bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens, durch das der Käufer beweisen muss, dass die aufgetretene Symptomatik im Sinne einer Negativabweichung vom technischen Standard der Automobilindustrie auf einem Konstruktions-, Material- oder Fertigungsfehler beruht.

Der Senat hat zur Klärung dieser Frage den Sachverständigen Dipl.-Ing. V beauftragt, der den Alfa Romeo bei einer Laufleistung von 77.071 km untersucht und Probe gefahren hat. Das Ergebnis seiner Feststellungen geht aus der vorläufigen schriftlichen Zusammenfassung hervor und aus dem im Senatstermin mündlich erstatteten Gutachten:

Bei Abholung des Fahrzeugs bemerkte der Sachverständige eine aktivierte Motorkontrollleuchte und die Displayanzeige „Motor kontrollieren“, ansonsten aber keine Auffälligkeiten bis zum Abschluss der ersten Probefahrt (bis 77.102 km). Eine Auslesung des Fehlerspeichers ergab drei Fehlermeldungen (P1206, P0380, P0238), die nach Ansicht des Sachverständigen nicht ausschließbar mit der längeren Standzeit des Fahrzeugs seit Oktober 2012 zusammenhängen können. Eine Kontrolle des Drosselventils ergab jedenfalls keine Auffälligkeiten.

Auf der anschließenden Überführungsfahrt von Lemgo nach Dortmund stellte der Sachverständige dann die vom Kläger beschriebene Symptomatik fest, das heißt, auch bei ihm wurde die Motorkontrollleuchte aktiviert und das Fahrzeug ließ sich nur noch ohne Turboladerdruck im Notlauf bewegen (bis 130 km/h).

Bei der anschließenden Werkstattuntersuchung ergab sich die Fehlermeldung P2013 „Drosselventil sporadisch auf halbem Hub blockiert“. Bei der daraufhin durchgeführten Bauteilüberprüfung stellte der Sachverständige zweierlei fest:

Zum einen habe die Führung einer Drosselklappe ein übermäßiges Längsspiel aufgewiesen. Dabei handele es sich – so der Sachverständige – um einen übermäßigen Verschleiß, der bei der Laufleistung des Fahrzeugs nicht dem technischen Standard entspreche. Zum anderen seien im Bereich der Luftansaugbrücke, dort wo sich die Ansaugluft mit der Abgasluft verbindet, erhebliche Ablagerungen festzustellen gewesen. Solche Verkokungen im Bereich der Abgasrückführung würden allerdings bei Dieselfahrzeugen herstellerübergreifend auftreten und einen Normalzustand darstellen. Es könne vorkommen, dass aus der Verkokungsrinde ein Stück herausbreche, dann in der Drosselklappe hängenbleibe und diese verklemme. Das – so der Sachverständige – wäre eine plausible Erklärung für die bei seiner Überführungsfahrt aufgetretene Fehlermeldung.

Der Sachverständige führte darüber hinaus aus, dass einer Werkstatt beim Auftreten einer vergleichbaren Fehlermeldung nichts anderes übrig bleibe, als im Sinne eines kaskadenartigen Vorgehens einzelne in Betracht kommende Ursachen ausfindig zu machen bzw. der Reihe nach auszuschließen. Zunächst würde sich eine Sichtprüfung und Reinigung des Ansaugstutzens empfehlen, weil der Bereich der Ansaugbrücke häufig Ursache von Fehlermeldungen sei. Um den Erfolg der Arbeiten zu überprüfen, habe die Werkstatt aber letztlich keine andere Chance als mehrere hundert Kilometer Probefahrten zu unternehmen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus Folgendes:

Es lässt sich nicht feststellen, dass die am Klägerfahrzeug im Zeitraum vom 04.08. bis 08.08. und am 13.10.2012 aufgetretenen Probleme auf einem Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB beruhten. Sie könnten auch mit den vom Sachverständigen angesprochenen herstellerübergreifend üblichen Verkokungen zusammengehangen haben.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers für die im August 2012 aufgetretene Symptomatik einen Sachmangel unterstellen wollte, könnte dieser nicht ausschließbar in der Werkstatt des Beklagten behoben worden sein, sodass die im Oktober 2012 aufgetretene Fehlermeldung auf einer anderen Ursache beruhte als die vom August 2012. Für eine solche zwischenzeitig erfolgreiche Nachbesserung spricht die längere störungsfreie Nutzungszeit zwischen August und Oktober 2012 sowie der Umstand, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. V bei seiner ersten Probefahrt ebenfalls nichts feststellen konnte, was auf einen Sachmangel hindeutete. Ein solcher Sachmangel hätte aber eigentlich vorhanden sein müssen, wenn man die Darstellung des Klägers zugrunde legt, dass er den Alfa Romeo seit Oktober 2012 nicht mehr genutzt habe.

Darüber hinaus hätte der Kläger im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 13.10.2012 auch nicht davon ausgehen dürfen, dass die im August 2012 stattgefundenen Nachbesserungsversuche i. S. des § 440 Satz 2 BGB fehlgeschlagen waren. Erstens hätte der Kläger aufgrund der monatelangen störungsfreien Fahrzeugnutzung ins Kalkül ziehen müssen, dass die Fehlermeldung nunmehr eine andere Ursache hatte. Und zweitens hätte der Kläger berücksichtigen müssen, dass die Voraussetzungen eines Fehlschlagens der Nachbesserung (zwei erfolglose Versuche) nicht vorlagen. Die Werkstattaufenthalte im August 2012 waren insgesamt als ein Versuch zu werten, die vom Kläger gerügte Mängelsymptomatik abzustellen. Insofern ergab sich aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass bei der Art der aufgetretenen Fehlermeldung einer Werkstatt letztlich nichts anderes übrig bleibe als nach der Trial-and-Error-Methode der Ursache des angezeigten Fehlers auf die Spur zu kommen. Das erfordere eine aufwendige Vorgehensweise und Probefahrten von mehreren hundert Kilometern.

Die vom Zeugen O zunächst veranlassten Arbeiten an dem Fahrzeug (insbesondere Reinigung der Bauteile) konnten damit nicht als endgültiger Abschluss der Nachbesserung angesehen werden, sondern als erste Maßnahmen zum Auffinden der Fehlerursache, die bei erneuter Aktivierung der Motorkontrollleuchte weitergeführt werden mussten.

2. Auch aus den ergänzenden Ausführungen des Klägers in dem Schriftsatz vom 27.09.2014 lassen sich – soweit sie die bisherige Beweisaufnahme betreffen – keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. V unzutreffend sein könnten oder Anlass geben müssten zu einer weiteren Beweisaufnahme.

Der Kläger weist in seinem insoweit nachgelassenen Schriftsatz unter Berufung auf den Zeugen O darauf hin, dass das in der Werkstatt des Beklagten verwendete Testgerät zur Verfügung stehe und dass man daraus Rückschlüsse ziehen könne auf die seinerzeit angezeigten Fehlermeldungen. Aber selbst wenn daraus hervorginge, dass auch seinerzeit schon die Swirl- oder Drallklappe hängengeblieben war, wäre damit kein Sachmangel als Ursache der Funktionsbeeinträchtigung bewiesen. Vielmehr könnte auch insofern eine bloß verschleißbedingte Verkokung vorgelegen haben, die vom Zeugen O durch Reinigung behoben wurde, bis sie im Oktober 2012 erneut auftrat.

3. Soweit der Kläger in dem Schriftsatz vom 27.09.2014 darüber hinaus erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil er im Zuge weiterer Ermittlungen in Erfahrung gebracht habe, dass der Alfa Romeo vor der Übergabe an ihn bereits einen Unfall gehabt und der Beklagte ihn darüber nicht aufgeklärt habe, handelt es sich um neues Vorbringen, das nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a ZPO nicht berücksichtigungsfähig ist, denn den Parteien war lediglich nachgelassen worden, zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. …

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