1. Ein Neuwagen mit einem Dieselpartikelfilter ist nicht mangelhaft, obwohl er sich für einen reinen Kurzstreckenbetrieb nur bedingt eignet, weil zur Reinigung des Filters von Zeit zu Zeit Regenerationsfahrten erforderlich sind (im Anschluss an BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08).
  2. Ein Neuwagenverkäufer muss den (potenziellen) Käufer eines Fahrzeugs mit Dieselpartikelfilter bei den Vertragsverhandlungen jedenfalls dann nicht eigens darauf hinweisen, dass und in welcher Weise Regenerationsfahrten durchgeführt werden müssen, wenn sich diese Informationen aus der Betriebsanleitung ergeben. Daran ändert nichts, dass die Anleitung dem Käufer regelmäßig erst mit dem Fahrzeug selbst übergeben wird; denn der Käufer darf nicht erwarten, dass der Verkäufer ihm Informationen, die sich in der Bedienungsanleitung finden, schon bei den Vertragsverhandlungen erteilt. Ebenso hat der Verkäufer während der Vertragsverhandlungen grundsätzlich nicht die Pflicht, auf mögliche Unklarheiten in der Anleitung aufmerksam zu machen.

OLG Hamm, Urteil vom 14.11.2013 – 28 U 33/13

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.

Mit verbindlicher Bestellung vom 18.04.2008 erwarb der Kläger von der Beklagten, einer Vertragshändlerin, in deren Niederlassung in J. ein Neufahrzeug (Renault Grand Scénic 1.9 dCi FAP Avantage), das mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet war. Den Kaufpreis von 22.019,99 € finanzierte der Kläger teils durch Inzahlunggabe seines Altfahrzeugs, teils über einen mit der Renault-Bank geschlossenen Darlehensvertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren.

Das gekaufte Fahrzeug wurde dem Kläger einige Wochen nach Abschluss des Kaufvertrags übergeben. Das Handbuch, das& er zugleich erhielt, enthielt Vorgaben für die Regenerationsfahrt, derer es bei Erscheinen der Meldung „Katalysator regenerieren“ bedurfte. Die Vorgaben lauteten:

„Fahren Sie zur Reinigung des Partikelfilters innerhalb von 100 km nach dem Erscheinen der Meldung mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h … unter Berücksichtigung der Verkehrssituation und unter Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen bis zum Erlöschen der Kontrolllampe. Wenn der Motor vor dem Erlöschen der Kontrolllampe abgestellt wird, muss das Verfahren eventuell neu begonnen werden.

Hinweis: In diesem Fall kann die Regeneration bis zu 20 Minuten dauern.“

Im August 2008 wurde das Fahrzeug, das die Tochter und der Schwiegersohn des Klägers nutzten, zur Beklagten gebracht, weil die Partikelfilter-Anzeige dauerhaft leuchtete. Die Beklagte reinigte den Filter ohne Berechnung und händigte der Tochter des Klägers ein Merkblatt aus, in dem es hieß:

„Diese Warnlampe oder dieser Hinweis … informieren Sie darüber, dass die Fahrbedingungen Ihres Fahrzeugs keine rechtzeitige Regeneration des Filters zugelassen haben. Während der nächsten 100 km nach Erscheinen dieses Warnhinweises oder Aufleuchten der Warnlampe muss eine Mindestgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten werden, um die Regeneration zu aktivieren; danach – sofern die Verkehrsbedingungen bzw. die Verkehrsvorschriften es zulassen – bis zum Erlöschen des Warnhinweises oder der Warnlampe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h weitfahren. Dieser Regenerationsprozess kann 20 Minuten dauern.

Hinweis: Wenn das Fahrzeug vor Erlöschen der Warnlampe oder des Warnhinweises angehalten wird, muss der Regenerationsprozess eventuell wiederholt werden.“

Am 01.10.2008 wurde das Fahrzeug wegen desselben Problems erneut in der Werkstatt der Beklagten vorgestellt. Die Beklagte reinigte wiederum den Filter und stellte dem Kläger hierfür unter dem 02.10.2008 einen Betrag von 165,23 € in Rechnung, der unter Vorbehalt gezahlt wurde.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 24.11.2008 zur Rückzahlung des Kaufpreises und zur Erstattung der Werkstattkosten auf.

Er hat behauptet, der im Fahrzeug verbaute Rußpartikelfilter arbeite nicht störungsfrei. Außerdem sei das Dieselfahrzeug für den der Beklagten im Zuge der Verkaufsverhandlungen mitgeteilten Zweck – ein reinen Kurzstreckenbetrieb – nicht geeignet. Zudem hat der Kläger der Beklagten die Verletzung von Beratungspflichten vorgeworfen: Er meint, die Beklagte habe wegen des mitgeteilten Verwendungszwecks vom Erwerb des Dieselfahrzeugs abraten oder jedenfalls auf die Notwendigkeit von Regenerationsfahrten und deren Anforderungen hinweisen müssen. Zumindest habe sie in den Vertragsverhandlungen darauf hinweisen müssen, dass die Elektronik des Fahrzeugs nur zehn Versuche zulasse, den Dieselpartikelfilter durch Freibrennfahrten zu reinigen, und nach dem& erfolglosen Abbruch von zehn Regenerationsfahrten eine Filterreinigung nur noch in einer Werkstatt erfolgen könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht bestehe, weil das Fahrzeug bei Übergabe keinen Sachmangel aufgewiesen habe. Der Sachverständige habe festgestellt, dass der Rußpartikelfilter einwandfrei funktioniere. Dass Regenerationsfahrten durchgeführt werden müssten, um den Filter zu reinigen, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Mangel. Für einen – möglicherweise als Verwendungszweck vereinbarten – Kurzstreckenbetrieb sei der Wagen geeignet.

Die Berufung des Klägers, mit der er nur noch die Verletzung von Aufklärungspflichten geltend macht, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … 1. Der Kläger kann nicht die Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs vom 18.04.2008 verlangen.

a) Die Voraussetzungen eines entsprechenden Gewährleistungsanspruchs, sei es aus Rücktritt gemäß den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB, sei es aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß den §§ 280, 281, 437 Nr. 3, 434 BGB, liegen nicht vor.

Das verkaufte Fahrzeug wies bei Übergabe keinen Sachmangel auf.

aa) Dass der im Fahrzeug verbaute Rußpartikelfilter einwandfrei funktionierte, hat das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme mit Bindungswirkung für den Senat gemäß den §§ 529, 531 ZPO festgestellt. Insoweit greift die Berufung das Urteil auch nicht an.

bb) Das Landgericht hat des Weiteren – auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056) – zutreffend ausgeführt, dass der Umstand, dass das Fahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet ist, weil zwecks Filterreinigung von Zeit zu Zeit Regenerationsfahrten über Land erforderlich sind, keinen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB begründet.

cc) Soweit der Kläger daran festhält, dass die Vorgaben in der Betriebsanleitung sowie in dem von der Beklagten vorgelegten Merkblatt für die Durchführung der Regenerationsfahrten unklar und unzulänglich seien, begründet auch das keinen Sachmangel des Fahrzeugs.

Dabei kann im Einzelfall eine fehlerhafte Bedienungsanleitung einen Mangel der gelieferten Sache selbst begründen. Das ist angenommen worden, wenn eine zur sinnvollen Verwendung der Sache erforderliche Bedienungsanleitung fehlt oder eine solche zwar vorhanden, aber in wesentlichen Punkten lücken- oder fehlerhaft ist (OLG München, Urt. v. 09.03.2006 – 6 U 4082/05, BeckRS 2006, 05360).

Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass ein Hinweis im Bedienhandbuch auf die Notwendigkeit von Freibrennfahrten zur Regenerierung des Dieselpartikelfilters zu verlangen ist, ist festzustellen, dass das mit dem Fahrzeug übergebene Handbuch eine solche Information enthält und darin auch die allgemeinen Anforderungen an die Durchführung von Regenerationsfahrten hinreichend deutlich beschrieben werden. Ob es darüber hinaus eines Hinweises auf die Folgen einer Vielzahl abgebrochener Freibrennfahrten bedurft hätte, kann offenbleiben. Selbst wenn dies bejaht würde, wäre die Auslassung nicht derart gravierend, dass daraus ein Mangel des Fahrzeugs im obigen Sinne folgt. Denn auch ohne einen solchen Hinweis ist die Betriebsanleitung nicht unbrauchbar, und der Käufer kann gleichwohl das Fahrzeug nutzen.

b) Der Kläger kann auch aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (§§ 280 I, 311 II BGB) wegen Verletzung einer Hinweis- oder Beratungspflicht keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufs herleiten.

Eine Aufklärungspflicht kommt nur hinsichtlich solcher Umstände in Betracht, die für den Vertragsschluss der anderen Partei erkennbar von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann.

aa) Bei den Vertragsverhandlungen musste der Kläger nicht gesondert über die Notwendigkeit von Regenerationsfahrten und deren spezifische Anforderungen aufgeklärt werden. Die für den Käufer notwendigen Informationen ergeben sich – wie ausgeführt – mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bedienhandbuch. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass ihm das Handbuch erst nach Vertragsschluss übergeben worden sei, ist das weder im Grundsatz noch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls zu beanstanden. Es ist üblich, dass Betriebsanleitungen erst mit Übergabe des Kaufgegenstandes ausgehändigt werden. In der Regel ist es nicht Bestandteil der berechtigten Käufererwartung, dass der Verkäufer ihm Wartungshinweise aus der Bedienungsanleitung bereits bei den Vertragsverhandlungen mitteilt. Ebenso wenig besteht grundsätzlich im Stadium der Vertragsverhandlungen eine Pflicht des Verkäufers, auf eine etwaige Unklarheit im Handbuch – hier bezogen auf die Folgen einer Vielzahl abgebrochener Regenerationsfahrten – aufmerksam zu machen.

bb) Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall eine andere Bewertung gebieten könnten, liegen nicht vor. Das gilt auch unter Berücksichtigung der streitigen Behauptung des Klägers, bei Vertragsschluss sei darauf hingewiesen worden, dass das Fahrzeug für (Kurzstrecken-)Fahrten zwischen Schule, Kindergarten, „Hobby“ und Wohnung der Familie F eingesetzt werden sollte. Wie der BGH in der angegebenen Entscheidung ausgeführt hat, ist auch ein Fahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im überwiegenden oder reinen Kurzstreckenbetrieb geeignet, sofern der Filter bei Bedarf gereinigt wird. Die hiermit verbundenen Unannehmlichkeiten sind kein Umstand, die im konkreten Fall eine Hinweispflicht der Beklagten vor Vertragsschluss begründeten.

2. Der Kläger kann auch nicht Erstattung der ihm unter dem 02.10.2008 in Rechnung gestellten Kosten für die Filterreinigung in der Werkstatt der Beklagten verlangen.

a) Ein Anspruch auf Ersatz dieser Kosten aus den §§ 280 I, 311 BGB wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung scheidet aus den vorgenannten Gründen aus.

b) Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht gemäß den §§ 280 I, 433 II BGB ist nicht schlüssig dargelegt.

Das gilt selbst, wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass die Beklagte gehalten gewesen wäre, bei Übergabe des Fahrzeugs oder jedenfalls anlässlich der werkstattmäßigen Filterreinigung im August 2008 darauf hinzuweisen, dass die Elektronik des Fahrzeugs eine technische Limitierung der Freibrennfahrten auf zehn Versuche vorsieht.

Der Kläger hat – trotz Hinweises des Senats – nichts dazu vorgetragen, wie sich die Nutzer des Fahrzeugs bei vertragsgemäßer Aufklärung verhalten hätten, und ob es dann nicht zu dem Werkstattaufenthalt des Fahrzeugs Anfang Oktober 2008 mit den daraus erwachsenen Kosten gekommen wäre …

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