1. Nach § 476 BGB wird nicht vermutet, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Der Käufer eines Gebrauchtwagens, der den Verkäufer auf Nacherfüllung in Anspruch nimmt, muss deshalb beweisen, dass es sich bei einem Defekt (hier: des Getriebes) um einen Mangel und nicht lediglich um eine Verschleißerscheinung handelt.
  2. Gibt der Verkäufer nach der Beanstandung durch den Kunden eine ausgebaute Fahrzeugkomponente an den Importeur zurück, und kann der Käufer deshalb den Beweis, dass nicht lediglich eine Verschleißerscheinung gegeben ist, nicht (mehr) führen, kann dies zu einer Umkehr der Beweislast führen. In diesem Fall hat der Verkäufer zu beweisen, dass lediglich eine Verschleißerscheinung, aber kein Mangel beanstandet wurde.

AG Offenbach, Urteil vom 19.03.2007 – 340 C 23/06

Sachverhalt: Mit verbindlicher Bestellung vom 24.06.2005 erwarb der Kläger von der Beklagten, einer R-Fachhändlerin, ein gebrauchtes Kraftfahrzeug mit einem Kilometerstand von 125.500. Der Verkauf erfolgte im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung; darüber hinaus wurde eine einjährige „CarGarantie“ gewährt.

Am 04.07.2005 trat bei Kilometerstand 126.055 ein Fehler am Elektroventil des Automatikgetriebes auf. Das Fahrzeug wurde repariert. Anfang Dezember 2005 trat ein Totalschaden des Automatikgetriebes auf. Nach Abzug der Leistungen aus der „CarGarantie“ in Höhe von 1.250 € verblieb ein Reparaturkostenbetrag von 3.056,07 € brutto. Die Reparatur wurde bei der Beklagten durchgeführt, indem in das Fahrzeug des Klägers ein Austauschgetriebe eingebaut wurde. Um sein Fahrzeug mitnehmen zu können, zahlte der Kläger unter Vorbehalt einen Betrag von 2.500 € an die Beklagte.

Im vorliegenden Klageverfahren möchte der Kläger die von ihm unter Vorbehalt gezahlten 2.500 € zurückerhalten. Er macht geltend, dass das Fahrzeug im Hinblick auf das Getriebe an einem Sachmangel gelitten habe, für den die Beklagte im Zuge ihrer gesetzlichen Gewährleistung habe einstehen müssen. Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger kann von der Beklagten … Rückzahlung der von ihm am 13.12.2005 unter Vorbehalt gezahlten 2.500 € gemäß § 812 I BGB verlangen. Der Kläger hatte am genannten Tag 2.500 € an die Beklagte unter Vorbehalt gezahlt, da er sonst das reparierte Auto nicht herausgegeben bekommen hätte. Hierin liegt eine Vereinbarung der Parteien dahin gehend, dass dem Kläger die Rückforderung der unter Vorbehalt gezahlten Summe dann möglich sein sollte, wenn er im Verhältnis zur Beklagten die Reparaturkosten nicht zu tragen hätte. Dies ist vorliegend der Fall. Denn dem Reparaturauftrag des Klägers lag vorliegend ein Sachmangel des gekauften Kfz zugrunde, für den die Beklagte einzustehen hat …

Gemäß § 433 I 2 BGB hatte die Beklagte dem Kläger das Kfz frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Wie noch auszuführen sein wird, wies das Kfz einen rechtlich beachtlichen Sachmangel auf, als welcher der Getriebeschaden einzustufen ist. Auch wenn der Getriebeschaden erst knapp innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang auftrat, so gilt doch zugunsten des Klägers § 476 BGB, wonach vermutet wird, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Diese Vermutung ist durch die Beklagte vorliegend nicht widerlegt. Daher konnte der Kläger gemäß §§ 437, 439 BGB von der Beklagten Mangelbeseitigung verlangen, welche im Rahmen der Gewährleistung kostenfrei zu erfolgen hat, sodass im Ergebnis die Beklagte die Reparaturkosten selbst zu übernehmen und den Kläger von diesen Kosten freizustellen hatte. Der Kläger konnte damit von der Beklagten gemäß § 812 I BGB Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten 2.500 € verlangen.

Wie bereits ausgeführt, legt das Gericht vorliegend einen rechtlich beachtlichen Sachmangel im Hinblick auf den aufgetretenen Getriebeschaden zugrunde. Diesen bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Sachmangel hätte der Kläger zwar trotz § 476 BGB vollumfänglich beweisen müssen, da die genannte Vorschrift nur die Vermutung ausspricht, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war, wenn er sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigt. Nicht vermutet wird durch die genannte Bestimmung jedoch, dass ein Sachmangel überhaupt vorliegt. Insoweit hatte die Beklagtenseite sich damit verteidigt, dass lediglich normaler Verschleiß zu dem Auftreten des Getriebeschadens geführt habe. Den ihm an sich obliegenden Beweis des Vorliegens eines Sachmangels konnte der Kläger jedoch nicht führen, weil das defekte Getriebe für eine Begutachtung durch den Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung stand. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung der R-Niederlassung Frankfurt erhielt diese am 13.12.1005 das defekte Getriebe, welches am 15.12.2005 an den Importeur zurückgesandt wurde. Damit ging das Beweismittel verloren, auf das es vorliegend ankam. Dies geht hier zulasten der Beklagten.

Die Beklagte hat nämlich fahrlässig die dem Kläger obliegende Beweisführung vereitelt. Denn sie überließ das streitgegenständliche defekte Getriebe der R-Niederlassung Frankfurt, von wo aus es an den Importeur zurückging. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte jedoch erkennen können und müssen, dass das Getriebe noch für Zwecke der Beweisführung – gerade auch in einem Rechtsstreit – benötigt werden könnte und deswegen für eine eventuelle Untersuchung noch zur Verfügung stehen können müsste. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bei Erteilung des Reparaturauftrags oder bei Bezahlung darauf hingewiesen hat, dass das defekte Getriebe aufzubewahren sei. Denn aus dem Umstand, dass der Kläger … „nur unter Vorbehalt“ den „hohen Betrag von 2.500 €“ an die Beklagte zahlte, musste für diese ersichtlich sein, dass der Kläger beabsichtigte, diesen Betrag von der Beklagten zurückzuerhalten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits einige Zeit zuvor schon ein Fehler am Elektroventil des Automatikgetriebes aufgetreten war, sodass sich die Frage nach der Ursache des neuerlichen Getriebedefekts aufdrängte, mögen beide Defekte technisch miteinander auch nicht im Zusammenhang gestanden haben. Für die Beklagte letztlich hätte es jedoch auf der Hand liegen müssen, dass sich jedenfalls der Kläger fragen würde, inwieweit er seinerzeit ein mangelfreies oder ein mangelbehaftetes gebrauchtes Kfz bei der Beklagten erworben hatte.

Ferner tritt hinzu, dass die genauen Abläufe im Hinblick auf die Rückgabe des defekten Getriebes und den Erhalt eines Austauschgetriebes lediglich der Beklagten bekannt waren, nicht aber dem Kläger bekannt sein mussten. Von daher wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihrerseits den Kläger darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit bestand, das ausgebaute, defekte Getriebe gegen eine Pfandzahlung aufzubewahren. Dann hätte es für Begutachtungszwecke zur Verfügung gestanden. Ein solcher Hinweis wäre für die Beklagte auch geboten gewesen, weil eine derartige Hinweispflicht als Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag, der ja auch Gewährleistungsansprüche beinhaltet, anzuerkennen ist. Hier handelte es sich um Umstände, die der Beklagten bekannt waren, nicht aber dem Kläger bekannt sein mussten. Danach ergibt sich, dass die schuldhafte Nichterfüllung einer nebenvertraglichen Hinweispflicht durch die Beklagte dazu geführt hat, dass darauf verzichtet wurde, das defekte Getriebe aufzubewahren. Dass das Getriebe noch benötigt werden würde für Begutachtungszwecke, war für die Beklagte auch erkennbar, da der Kläger nur unter Vorbehalt gezahlt hatte, sodass die Geltendmachung der Rückforderung durch den Kläger gegenüber der Beklagten auf der Hand lag. In diesen Zusammenhang war für die Beklagte weiter auch erkennbar, dass es dann darauf ankommen würde, dass das Getriebe untersucht werden könnte, um festzustellen, welche Ursache der aufgetretene Defekt hatte. Dadurch, dass die Beklagte durch ihr Vorgehen diese Beweisführung für den Kläger unmöglich gemacht hat, hat sie fahrlässig die Möglichkeit des Klägers vereitelt, ein Beweis dahingehend zu führen, dass ein rechtlich relevanter Sachmangel an dem Fahrzeug vorlag (und nicht nur normaler Verschleiß). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass am 13.12.2005 der Kläger unter Vorbehalt Zahlung leistete, jedoch erst am 15.12.2005 das defekte Getriebe an den Importeur zurückging, wie die von der Beklagten vorgelegte Bescheinigung der R-Niederlassung Frankfurt ergibt. Am 13.12.2005 hätte daher für die Beklagte die Möglichkeit bestanden, ggf. nach einer entsprechenden Rückfrage an den Kläger die Rücksendung des defekten Getriebes an den Importeur zu verhindern; dann hätte das Getriebe im vorliegenden Rechtsstreit auch noch untersucht werden können.

Die Folge der fahrlässigen Beweisvereitlung durch die Beklagte ist hier, dass eine Beweislastumkehr stattfindet. Somit hatte vorliegend die Beklagte zu beweisen, dass dem Getriebedefekt kein beachtlicher Sachmangel zu Grunde lag, sondern lediglich normaler Verschleiß. Diesen Beweis wiederum kann die Beklagte nicht führen, da das zu untersuchende Getriebe nicht mehr zur Verfügung steht. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Basis lediglich statistischer Erkenntnisse … war vorliegend nicht veranlasst. Denn daraus hätten sich allenfalls gewisse, auf Erfahrungswerten beruhende Wahrscheinlichkeiten für die Ursache des Getriebedefekts ergeben, nicht aber der für den konkreten Fall geforderten Nachweis einer bestimmten Ursache für den aufgetretenen Getriebedefekt.

Nach alledem konnten die Beklagten nicht beweisen, dass lediglich normaler Verschleiß dem aufgetretenen Getriebedefekt zugrunde gelegen hat. Zugunsten des Klägers ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Sachmangel i. S. des § 434 BGB bereits bei Übergabe des Kfz vorlag, der für den Kläger die entsprechenden Gewährleistungsrechte auslöste und dazu führt, dass der Kläger für die Reparaturkosten nicht einzustehen hat, so dass er die unter Vorbehalt gezahlten 2.500 € von den Beklagten zurückverlangen kann.

Im Übrigen spricht hier für die Vorlage eines bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Mangels auch der Umstand, dass der Kläger nach Übergabe des Kfz nur ca. 6.000 km damit gefahren ist, bis der Getriebeschaden auftrat. Eine derartig kurze Fahrstrecke im Vergleich zur Gesamtlaufleistung legt die Vermutung nahe, dass der Getriebeschaden als „Grundmangel“ bereits beim Kauf des Fahrzeuges angelegt war und bei der seinerzeitigen Übergabe-Überprüfung lediglich noch nicht bemerkt wurde bzw. bemerkt werden konnte …

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