- Lässt ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler ein Fahrzeug kurz vor der Übergabe an den Käufer einer Hauptuntersuchung (§ 29 StVZO) unterziehen, bei der keine Mängel festgestellt werden und dem Fahrzeug eine Prüfplakette zugeteilt wird, so ist davon auszugehen, dass der Händler von der Mangelfreiheit des Fahrzeugs überzeugt war und sich deshalb nicht den Vorwurf gefallen lassen muss, dem Käufer Mängel arglistig verschwiegen zu haben.
- Es streitet auch dann kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine abgesendete E-Mail dem Empfänger zugegangen ist, wenn der Absender keine Fehlermeldung erhalten hat (im Anschluss an OLG Rostock, Beschl. v. 03.04.2024 – 7 U 2/24, juris Rn. 4).
LG Amberg, Urteil vom 25.02.2025 – 11 O 695/24
Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von der Beklagten, einer gewerblichen Gebrauchtwagenhändlerin, mit schriftlichem Vertrag vom 10.02.2024 für private Zwecke einen gebrauchten Citroën Jumpy mit einer Laufleistung von 155.269 km zum Preis von 14.400 €. Dieses Fahrzeug wurde der Klägerin am Tag des Vertragsschlusses übergeben.
Es war zuletzt am 08.02.2024 einer Hauptuntersuchung unterzogen worden. Dabei war ihm eine Prüfplakette zugeteilt worden.
Am 07.03.2024 ließ die Klägerin an dem Fahrzeug defekte Radlager austauschen und wendete dafür 842,60 € auf. Hierüber informierte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 22.04.2024. Zugleich machte sie einen Mangel des Fahrzeugs in Gestalt eines defekten Klimakondensators geltend und übersandte der Beklagten hierzu einen Kostenvoranschlag. In dem Schreiben der Klägerin heißt es unter anderem:
„4) Zusammenfassung
Ich mache hiermit die unter 2) und 3) beschriebenen Sachmängel geltend und verweise auf mein Recht auf Gewährleistung durch Sie als Verkäufer.
Hiermit fordere ich Sie auf, die verauslagten Reparaturkosten für die beiden Radlager in Höhe von 842,60 € zu übernehmen. Überweisung bitte auf folgendes Konto: …. Weiterhin bitte ich um Ihren Vorschlag zur Instandsetzung des defekten Klimakondensators.
Als Frist für den Geldeingang bzw. Ihren Vorschlag habe ich mir den 03.05.2024 vorgemerkt. Sollten Sie wiederum keine Reaktion zeigen und die Frist verstreichen lassen, übergebe ich den Vorgang an unseren Rechtsanwalt. In der Hoffnung, dass es nicht soweit kommen muss und Sie Ihren Verpflichtungen nachkommen, verbleibe ich …“
Mit Schreiben vom 29.04.2024, der Klägerin zugegangen am 02.05.2024, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Fahrzeug besichtigen und den Mangel beseitigen wolle. Die Beklagte schrieb unter anderem:
Sehr geehrte Frau F!
Danke für Ihr Schreiben vom 22.04.2024.
Gerne würden wir uns Ihren Citroën Jumpy … ansehen. Falls ein Mangel im Sinne des Gesetzes vorliegen sollte, dann werden wir diesen gerne beseitigen. …“
Mit Anwaltsschreiben vom 05.07.2024 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte wurde zur Rückzahlung des Kaufpreises bis spätestens 19.07.2024 aufgefordert.
Am 30.08.2024 ließ die Klägerin den Klimakondensator des Fahrzeugs reparieren und wendete hierfür 570,81 € auf.
Die Klägerin macht geltend, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bereits bei der Übergabe an sie wegen defekter Radlager und eines defekten Klimakondensators mangelhaft gewesen. Diese Mängel, die der Beklagten bekannt gewesen seien, habe die Beklagte ihr arglistig verschwiegen und sie dadurch arglistig getäuscht. Bei Kenntnis der Mängel hätte sie – die Klägerin – den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen. Mit E-Mail vom 25.02.2024 habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass das Radlager vorne links defekt sei, und der Beklagten einen Kostenvoranschlag für die Reparatur übersandt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeugs sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Darüber hinaus hat sie die Beklagte – jeweils nebst Zinsen – auf Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von (842,60 € +570,81 =) 1.413,41 € sowie von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € in Anspruch genommen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat geltend gemacht, das streitgegenständliche Fahrzeug sei der Klägerin in ordnungsgemäßem Zustand übergeben worden. Dies ergebe sich aus dem von der Klägerin unterzeichneten Übergabeprotokoll sowie daraus, dass das Fahrzeug zwei Tage vor dem Kauf, am 08.02.2024, einer Hauptuntersuchung unterzogen worden sei, die keine Beanstandungen ergeben habe. Die Klägerin habe ihr erstmals mit Schreiben vom 22.04.2024 Mängel des Fahrzeugs angezeigt. Sie, die Beklagte, habe die Klägerin nicht arglistig getäuscht; Mängel des Fahrzeugs seien ihr bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Klägerin steht weder ein Rückabwicklungsanspruch gegen die Beklagte zu noch ein Schadensersatzanspruch.
1. Die Klägerin hat den Autokaufvertrag mit der Beklagten nicht wirksam gemäß §§ 142 I, 123 I Fall 1 BGB angefochten.
a) Die Klägerin hat den Autokaufvertrag durch Erklärung ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2024 schriftlich angefochten.
b) Ein Anfechtungsgrund wurde jedoch weder schlüssig dargelegt noch wurde für einen solchen Beweis angeboten.
Die Beklagte bestreitet, dass bei Gefahrübergang Mängel vorhanden gewesen seien, dass sie davon gewusst habe und diese arglistig verschwiegen habe. Darlegungs- und beweisbelastet ist insgesamt die Klagepartei.
Die Beklagte war grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug umfassend in allen Details zu überprüfen. Eine derart allgemeine Untersuchungspflicht kann von ihr nicht gefordert werden. Allerdings hat die Beklagte durch einen Prüfingenieur eine Hauptuntersuchung des Pkw zwei Tage vor Übergabe durchführen lassen. Anlässlich der Überprüfung wurden unstreitig keine Mängel festgestellt; unstreitig erhielt das Fahrzeug die TÜV-Plakette. Daher ist davon auszugehen, dass die Beklagte von der Mangelfreiheit des Fahrzeugs überzeugt war. Jedenfalls kann der Beklagten keine positive Kenntnis der Mängel bei Übergabe des Fahrzeugs und somit auch keine Täuschung der Klägerin diesbezüglich nachgewiesen werden.
Die Klagepartei hat weder dargelegt, wer aufseiten der beklagten Partei eine anderweitige Kenntnis von den Mängeln gehabt haben soll, noch hierfür Beweis angeboten.
2. Die Klägerin hat den Autokaufvertrag mit der Beklagten nicht durch Rücktritt gemäß §437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I, 323, 346 I BGB in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt.
a) Die Klägerin erklärte durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2024 schriftlich hilfsweise den Rücktritt von dem Kaufvertrag.
b) Jedoch war die Klägerin nicht berechtigt, von dem Kaufvertrag zurückzutreten (§ 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 BGB).
aa) Das Rücktrittsrecht aus § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 BGB setzt voraus, dass die Klägerin als Käuferin der Beklagten als Verkäuferin unter erfolgloser Setzung einer angemessenen Frist zunächst die Möglichkeit zur Nacherfüllung gibt. Erst wenn diese scheitert oder verweigert wird, kann der Rücktritt erklärt werden. Die Klägerin hat weder hinreichend dargelegt noch nachgewiesen, dass der Beklagten die Möglichkeit zur Nacherfüllung eingeräumt wurde.
(1) Hinsichtlich der defekten Radlager behauptet die Klagepartei, dass die Beklagte durch E-Mail-Schreiben vom 23.02.2024 informiert worden sei.
(a) Jedoch erhält dieses Schreiben bereits keine Frist zur Nacherfüllung.
(b) Weiterhin ist der Zugang dieses E-Mail-Schreibens auch nicht nachgewiesen. Einen allgemeinen Erfahrungssatz oder eine Vermutung dahin gehend, dass Briefe oder E-Mails grundsätzlich ankommen, existiert nicht. Das Versenden einer E-Mail und das Fehlen einer Fehlermeldung stellen keinen ausreichenden Beweis für den tatsächlichen Zugang der E-Mail beim Empfänger dar; es besteht kein Anscheinsbeweis dafür, dass eine abgesendete E-Mail auch beim Empfänger zugegangen ist (OLG Rostock, Beschl. v. 03.04.2024 – 7 U 2/24, juris Rn. 4). Der Nachweis des Zugangs eines Schreibens beim Empfänger muss vielmehr vom Absender erbracht werden. Entsprechender Beweis wurde nicht angetreten.
(c) Als das Schreiben vom 22.04.2024 die Beklagte erreichte, waren die Radlager bereits repariert, sodass eine Nacherfüllung nicht mehr in Betracht kam.
(2) Auch hinsichtlich des Defekts am Klimakondensator hat die Klagepartei der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt.
(a) Die Klägerin zeigte den Defekt am Klimakondensator der Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2024 an.
(b) Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 29.04.2024 mit, dass sie sich das Fahrzeug gerne ansehen würde und bestehende Mängel gegebenenfalls beseitigen würde. Die Beklagte erklärte sich mithin der Klägerin gegenüber zur Nacherfüllung bereit. Daraufhin erfolgte keine Reaktion der Klägerin.
bb) Eine Fristsetzung war vorliegend auch nicht entbehrlich. Die Nachbesserung war ohne Weiteres möglich.
cc) Daher war der Rücktritt vom Kaufvertrag durch die Klägerin nicht wirksam, da kein Rücktrittsrecht der Klägerin bestand. Es besteht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.
3. Mangels Aufforderung zur Nacherfüllung hat die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten als Schadenersatz aus § 437 Nr. 3 Fall 1, § 280 I BGB. Kosten einer eigenmächtigen Selbstvornahme durch den Käufer müssen vom Verkäufer, hier der Beklagten, dann nicht gezahlt werden, wenn ihr keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben wurde.
4. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Pkw auch nicht im Annahmeverzug, da der Rücktritt der Klägerin unwirksam war.
5. Mangels begründeter Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die Nebenforderungen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO. …