Der mit einer mangelhaften Kaufsache belieferte Käufer kann vom Verkäufer in Ausübung seines Wahlrechts aus § 439 I BGB grundsätzlich auch dann Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) verlangen, wenn feststeht, dass der Mangel im Wege der Nachbesserung nicht vollständig beseitigt werden kann („Ausbesserungsanspruch“). Entscheidet sich der Käufer für eine „Ausbesserung“ der Kaufsache, kann er wegen des verbleibenden Mangels den Kaufpreis mindern.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.08.2023 – 8 U 85/23
Sachverhalt: Die Kläger verlangen von der Beklagten die Nachbesserung eines von ihr erworbenen Motorsportboots sowie den Ausgleich eines nach der Nachbesserung verbleibenden Minderwerts. Nachdem die Beklagte den Nachbesserungsanspruch anerkannt hat, geht es in der Berufung nur noch um den geltend gemachten Minderwert.
Die Kläger kauften von der Beklagten mit Vertrag vom 21.01.2018 ein neues Boot „Quicksilver Activ 875 Sundeck“ zum Preis von 90.000 € (Rechnung vom 21.03.2018). Dieses Boot wies Mängel auf, als es an die Kläger am 21.03.2018 in Mannheim ausgeliefert wurde. Die Kläger wandten sich deshalb mit Anwaltsschreiben vom 27.06.2018 an die Beklagte und verlangten Nachbesserung.
Am 23.11.2018 reiste ein Team zur Besichtigung und Beseitigung der Mängel am klägerischen Boot zum dessen Standort. Die Mängel wurden jedoch nicht beseitigt.
Daraufhin forderten die Kläger die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2018 erneut zur Nachbesserung auf. Mit Schriftsatz vom 08.02.2019 beantragten sie wegen der Mängel die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens.
Mit Anwaltsschreiben vom 07.03.2019 erklärte sich die Beklagte bereit, die von den Klägern gerügten Mängel kurzfristig am Standort des Boots zu beseitigen; Voraussetzung für die Durchführung der Arbeiten seien jedoch eine auf mindestens 15 °C beheizte Halle sowie ein Wasseranschluss vor Ort.
Zu einer Beseitigung der Mängel kam es in der Folgezeit nicht.
Nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens bot die Beklagte den Klägern mit mehreren Schreiben an ihre Prozessbevollmächtigten, die überwiegend unbeantwortet blieben, die Abholung des Boots und die Nachbesserung durch ein Serviceteam des Herstellers an. Mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2022 teilte die Beklagte mit, dass sie den Klägern während der Durchführung der Nachbesserungsarbeiten kein Leihboot zur Verfügung stellen könne und die Arbeiten aufgrund des Zeitablaufs nunmehr erst im Oktober 2022 durchgeführt werden könnten.
Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe nach den Ausführungen des Sachverständigen S im selbstständigen Beweisverfahren neben der Nachbesserung ein Anspruch auf Ersatz des nach der Nachbesserung verbleibenden merkantilen Minderwerts in Höhe von 21.000 € zu. Der Umstand, dass sie bei einer Weiterveräußerung des Boots die Nachbesserung gegenbüber dem Käufer offenlegen müssten, führe dazu, dass dieser nur bereit sei, das Boot zu einem reduzierten Preis zu erwerben. Die Nachbesserung sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß angeboten worden, da es nie zur tatsächlichen Durchführung gekommen sei. Die Verhandlungen der Beklagten im Spätjahr 2021 hätten nur der Zeitverzögerung gedient; ein konkretes Angebot habe die Beklagte nicht unterbreitet, sondern immer wieder gefordert, eine beheizte Halle zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die Schreiben der Beklagten vom Dezember 2021 und Januar 2022 hätten weder die Klägervertreterin noch sie – die Kläger – erreicht. Sie seien aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht zur Kenntnis der Klägervertreterin und nicht in deren Handakte gelangt.
Die Beklagte hat den von den Klägern geltend gemachten Nachbesserungsanspruch unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt. Sie ist der Auffassung, sie habe keine Veranlassung zur Klage gegeben, da sie den Klägern schon während des selbstständigen Beweisverfahrens wiederholt eine Nachbesserung angeboten habe. Die Nachbesserung – so hat die Beklagte geltend gemacht – habe zunächst nicht durchgeführt werden können, weil die Kläger keine Halle mit einer Mindesttemperatur von 15 °C zur Verfügung gestellt hätten. Mit Anwaltsschreiben vom 25.11.2021 habe sie – die Beklagte – erneut Male eine Nachbesserung angeboten. Auf das weitere Schreiben vom 03.12.2021, mit dem den Klägern die Abholung des Boots angeboten worden sei, hätten sich die Kläger nicht mehr gemeldet. Auch auf die Schreiben vom 16.12.2021 und vom 06.01.2022 hätten sich die Kläger nicht gemeldet.
Die Beklagte meint, ein merkantiler Minderwert könne nicht neben der Nachbesserung verlangt werden. Das Gewährleistungsrecht sehe ein Stufenverhältnis vor. Werde eine Nachbesserung verlangt, so bestünden daneben keine weiteren Ansprüche. Im Übrigen hält die Beklagte die Ausführungen des Sachverständigen S in den im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten für nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Der Sachverständige unterscheide schon nicht zwischen einem technischen und einem merkantilen Minderwert. Auffällig sei, dass er in seinem Ausgangsgutachten vom 04.12.2019 kurz und unmissverständlich klargestellt habe, dass bei fachgerechter Durchführung der notwendigen Nachbesserungsarbeiten kein merkantiler Minderwert nicht verbleibe. Erst auf Nachfrage der Kläger habe der Sachverständige – nicht nachvollziehbar – seine Meinung geändert.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 04.10.2022 entprechend ihrem Teilanerkenntnis zu der von den Klägern begehrten Nachbesserung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Zahlung eines merkantilen Minderwerts. Es sprächen gewichtige Gründe dagegen, dass eine Minderung neben einem Ausbesserungsverlangen geltend gemacht werden könne. Ein Käufer müsse jedenfalls zunächst die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Hinsichtlich des anerkannten Anspruchs habe die Beklagte die Kosten zu tragen, da ein sofortiges Anerkenntnis i. S. von § 93 ZPO nicht vorliege und die Beklagte durch ihr Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Die Beklagte habe wiederholt deutlich gemacht, dass die Kläger für die Nachbesserung eine Halle mit einer Mindesttemperatur von 15 °C zur Verfügung stellen müssten. In den Schreiben vom Dezember 2021 und vom Januar 2022 habe die Beklagte die Nacherfüllung zwar wie von den Klägern verlangt angeboten. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass diese Schreiben den Klägern tatsächlich zugegangen seien.
Mit ihrer Berufung haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein Nacherfüllungsverlangen die Geltendmachung einer Wertminderung ausschließe. Nach der Systematik des Gesetzes sei es wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht möglich, ein Rücktrittsrecht nach einem Nachbesserungsverlangen auszuüben, das in Kenntnis der Unmöglichkeit einer vollständigen Mängelbeseitigung erfolgt sei. In einem solchen Fall, in dem der Käufer von seinem Rücktrittsrecht Kenntnis hat, sei das Nachbesserungsverlangen als Rechtsverzicht zu werten. Bei der Minderung stelle sich die rechtliche Situation jedoch anders dar: Das Verlangen nach Beseitigung des ursprünglichen Mangels führe zwar dazu, dass ein nicht vollständig vertragsgemäßer Kaufgegenstand hingenommen werden müsse. Während jedoch bei einem Rücktritt nach einem Nachbesserungsverlangen ein Widerspruch zwischen Festhalten am Vertrag und Lösen vom Vertrag bestehe, bestehe dieser Widerspruch bei einer Minderung nach einem Nachbesserungsverlangen nicht. Sowohl hinsichtlich der Nachbesserung als auch hinsichtlich der Minderung bestehe der Käufer auf Erfüllung, wenn auch zu geänderten Bedingungen. Der Käufer erkläre sich bei einer Kombination von Nachbesserungsverlangen und Minderung bereit, eine Kaufsache zu behalten, deren Wert gemindert ist, und verlange, dass diese Wertminderung berücksichtigt werde und so das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung aufrechterhalten bleibe. Der Beklagten habe es freigestanden, die gleichzeitige Geltendmachung von Nachbesserung und Minderung abzulehnen und gegebenenfalls eine Unzumutbarkeit darzulegen.
Die Beklagte hat eingewandt, dass es für den geltend gemachten Zahlungsanspruch (21.000 €) an einer Anspruchsgrundlage fehle und der Anspruch nach Grund und Höhe nicht bestehe. Die Ausführungen des Sachverständigen S in den vorliegenden Gutachten seien nicht geeignet, den Anspruch zu begründen. Sie seien zum einen nicht nachvollziehbar und zum anderen auch in sich widersprüchlich. Insbesondere unterscheide der Sachverständige nicht zwischen einem technischen Minderwert und einem (möglichen) merkantilen Minderwert. Zudem verweise er ohne nähere Begründung auf eine Änderung seiner Auffassung hinsichtlich der Benennung von Unfallschäden beim Verkauf. Die ursprünglich an dem streitgegenständlichen Sportboot vorhandenen Mängel seien in keiner Weise mit einem Unfallschaden vergleichbar. Zudem habe der Sachverständige in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 26.02.2021 bestätigt, dass bei sach- und fachgerechter Ausführung der Arbeiten durch entsprechende Fachleute weder optische Beeinträchtigungen noch Auswirkungen auf die Dichtigkeit des Boots feststellbar seien. Die vom Sachverständigen vorgenommene Einstufung des Schadens nach der Intensität („Prozent-Klasse“) sei aus ihrer – der Beklagten – Sicht nicht nachvollziehbar. Auch der angenommene M-Wert beziehungsweise V-Faktor sei nicht ausreichend dargelegt und begründet worden. Darüber hinaus sei die anhand des Verkehrswerts und der Instandsetzungskosten vorgenommene Berechnung nicht geeignet, einen merkantilen Minderwert bei vollständiger Reparatur zu begründen.
Die Beklagte hat die Kostenentscheidung des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt, soweit ihr die Kosten des Teilanerkenntnisses und des selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt worden sind. Es liege ein sofortiges Anerkenntnis vor, sodass die Kläger auch insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen hätten, und die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens sei nicht erforderlich gewesen. Hinsichtlich der zur Überprüfung gestellten Kostenentscheidung des Landgerichts – so hat die Beklagte geltend gemacht – bedürfe es keiner Anschlussberufung. Die Kläger und die Klägervertreterin hätten zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass die Anwaltsschreiben vom Dezember 2021 und Januar 2022 versandt worden und in der Kanzlei der Klägervertreter eingegangen seien. Die als Anlagen B 8, B 9 und B 11 eingereichten Schreiben seien zudem jeweils vorab per Telefax übermittelt worden.
Die – zulässige – Berufung der Kläger hatte teilweise Erfolg. Sie führte indes insoweit zu einer den Klägern ungünstigen Kostenentscheidung, als den Klägern im Umfang des Teilanerkenntnisses der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.
Aus den Gründen: II. … 1. Die Kläger haben über den von der Beklagten anerkannten Nachbesserungsanspruch hinaus gemäß § 437 Nr. 2 Fall 2, §§ 440, 441 BGB Anspruch auf Erstattung des auf den geminderten Kaufpreis gezahlten Mehrbetrags in Höhe von 14.590,09 €.
a) Unstreitig ist das von den Klägern gekaufte Boot mangelhaft. Die Beklagte hat die von den Klägern behaupteten Mängel zugestanden, indem sie den mit dem Klageantrag geltend gemachten Nachbesserungsanspruch der Kläger, der sich aus § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 1 BGB ergibt, gemäß § 307 ZPO anerkannt hat.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts können die Kläger neben der von ihnen verlangten Nachbesserung den Kaufpreis wegen des nach der Nachbesserung verbleibenden merkantilen Minderwerts mindern. Der Minderungsbetrag beläuft sich nach den Feststellungen des Senats auf 14.590,09 €. Da die Kläger den vereinbarten Kaufpreis von 90.000 € bereits vollständig gezahlt haben, können sie den aufgrund des Minderwerts der Kaufsache gezahlten Mehrbetrag in Höhe von 14.590,09 € gemäß § 437 Nr. 2 Fall 2, § 326 I 1 Halbsatz 2, § 441 IV BGB von der Beklagten erstattet verlangen.
aa) Nach den überzeugenden Ausführungen des von dem Senat angehörten Sachverständigen S, denen sich der Senat anschließt, verbleibt bei dem Boot auch bei sach- und fachgerechter Ausführung der Nachbesserungsarbeiten ein merkantiler Minderwert. Nach sachverständiger Erfahrung ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der Strukturerschütterung von Laminat und Gelcoat im Bereich der schadhaften Stellen und außerhalb davon an Ecken, Kanten, Einbuchtungen und Nischen auch nach erfolgter Reparatur weitere Gelcoatschäden in Form von Rissen allein durch den normalen Gebrauch des Boots bilden können, die bislang nicht sichtbar geworden sind (sog. interstrukturelle Risse im Gelcoat). Aus sachverständiger Sicht sind die mangelbedingten Schäden an dem Boot daher einem Unfallschaden gleichzusetzen, sodass der Verkäufer im Falle eines Verkaufs gehalten ist, die Schäden und ihre Reparatur zu offenbaren.
Der Senat folgt der Einschätzung des Sachverständigen, dass ein Käufer, der die Wahl zwischen einem Boot im Originalzustand und einem im reparierten Zustand hat, sich stets für das nicht reparierte entscheiden und für das reparierte nur einen geringeren Kaufpreis zahlen würde. Das gilt jedenfalls bei der Art und dem Umfang der hier zutage getretenen Mängel, die auch bei fachgerechter Instandsetzung den Makel begründen, dass sie an den reparierten oder an anderen Stellen wieder auftreten können. Die von den Klägern in Ausübung ihres Wahlrechts gemäß § 439 I BGB verlangte Nachbesserung führt daher nicht zu einer vollständigen Beseitigung der Mängel.
bb) Nach überwiegend vertretener Auffassung, der der Senat folgt, kann der Käufer, wenn die von ihm verlangte Nachbesserung den Mangel nicht vollständig zu beseitigen vermag, diese gleichwohl verlangen („Ausbesserung“) und daneben den Ausgleich eines wegen der nicht vollständigen Nachbesserung verbleibenden Minderwerts der Kaufsache beanspruchen (vgl. Horn, NJW 2017, 289, 290; im Grundsatz auch BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, juris Rn. 12, und – jedenfalls sofern auch eine vollständige Nacherfüllung im Wege der Ersatzlieferung ausscheidet – Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 439 Rn. 32 und Rn. 100).
Für diese Auffassung spricht, dass der Käufer nach § 439 I BGB grundsätzlich zwischen Nachbesserung und Nachlieferung wählen kann. Für den Käufer kann die Nachbesserung gegenüber der Nachlieferung auch dann vorzugswürdig sein, wenn feststeht, dass der Mangel durch Nachbesserung nicht vollständig beseitigt werden kann. Entscheidet er sich in Kenntnis der Tatsache, dass eine vollständige Nachbesserung nicht möglich ist, für diese Variante der Nacherfüllung, kann die verlangte „Ausbesserung“ nicht mit der Begründung versagt werden, dass dem Verkäufer die gewählte Nacherfüllung unmöglich und deshalb gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen ist. Denn in dem eingeschränkten Umfang, in dem der Käufer die Nachbesserung verlangt, ist diese dem Verkäufer gerade nicht unmöglich (Horn, NJW 2017, 289, 290; Staudinger/Matusche-Beckmann, a. a. O., § 439 Rn. 100). Nach § 275 I BGB ist der Leistungsanspruch nur ausgeschlossen, „soweit“ die Leistung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
Da der Mangel durch die „Ausbesserung“ nicht vollständig beseitigt wird, kann der Käufer – sofern dieser, wie im Regelfall, mit dem Ausbesserungsverlangen nicht auf weitergehende Rechte verzichtet – gemäß §§ 440, 441 BGB den Kaufpreis mindern. Steht – wie im Streitfall – die Unmöglichkeit der vollständigen Mangelbeseitigung bereits fest, bedarf es zur Geltendmachung der Minderung wegen des verbleibenden Mangels sowohl nach § 323 II Nr. 3 BGB (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.08.2017 – I-16 U 68/17, juris Rn. 40 f.; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 323 Rn. 22) als auch nach § 326 V BGB keiner (nochmaligen) Nachfristsetzung durch den Käufer.
Durch die kombinierte Geltendmachung von „Ausbesserung“ und Minderung werden die Belange des Verkäufers nicht unzumutbar beeinträchtigt. Diesem bleibt die Möglichkeit, den Käufer gemäß § 275 II und III BGB oder gemäß § 439 IV BGB auf die – mögliche – Nachlieferung zu verweisen, wenn die Nachbesserung unter Berücksichtigung der zusätzlichen Kaufpreisminderung unverhältnismäßig und ihm deshalb nicht zumutbar ist. Er ist zudem dadurch geschützt, dass das Rücktrittsrecht des Käufers gemäß § 326 V BGB wegen des nicht vollständig beseitigen Mangels entweder aufgrund eines stillschweigenden Verzichts des Käufers (vgl. Horn, NJW 2017, 289, 292) oder jedenfalls wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB; vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, a. a. O., § 439 Rn. 100) ausgeschlossen ist.
cc) Die Höhe der Minderung beläuft sich auf 14.590,09 €.
(1) Der im Termin angehörte Sachverständige L hat den von ihm im selbstständigen Beweisverfahren mit 21.000 € veranschlagten merkantilen Minderwert (Ergänzungsgutachten vom 06.10.2020, S. 7 ff.) anhand der von der unabhängigen Sachverständigenorganisation Internationale Bootsexperten e. V. unter seiner Federführung entwickelten Methode zur Berechnung des merkantilen Minderwerts und der dazu herangezogenen Berechnungsparameter nachvollziehbar erläutert. Unter Zugrundelegung aller Parameter ergibt sich nach dieser Berechnungsmethode – auch rechnerisch nachvollziehbar – der von dem Sachverständigen ermittelte merkantile Minderwert von 20.726,40 € beziehungsweise (gerundet) 21.000 € (Wiederbeschaffungswert [129.540 €] × Prozentwert der Schadenklasse [8,0] + M-Wert [0,0] × 1/50 × V-Faktor [1,0] = 20.726,40 €).
Der Senat folgt diesen Ausführungen und legt den von dem Sachverständigen ermittelten merkantilen Minderwert seiner Entscheidung zugrunde. Die Berechnungsmethode des Sachverständigen wurde nach dessen Aussage von zahlreichen Verbänden übernommen und ist auch nach dem (nicht protokollierten) Eingeständnis des Beklagtenvertreters im Senatstermin „nicht ganz unverbreitet“. Soweit die Beklagte Zweifel an der Berechnung des merkantilen Minderwerts geäußert hat, hat der Sachverständige diese in seiner Anhörung ausgeräumt. Der Sachverständige hat die Einstufung in die Schadenklasse 6 und den von ihm angesetzten (hohen) Prozentwert der Schadenklasse von 8,0 nachvollziehbar mit der Schwere der mangelbedingten Schäden begründet, für deren Beseitigung Arbeiten am Rumpf und Schweißarbeiten erforderlich sind und die deshalb mit Unfallschäden gleichgesetzt werden können. Den Wert des Boots im mangelfreien< Zustand in Höhe von 129.540 € hat der Sachverständige zutreffend anhand der Preisliste des Verkäufers ermittelt. Auf den niedrigeren Kaufpreis von 90.000 € hat der Sachverständige zu Recht nicht abgestellt, weil den Klägern ein erheblicher Rabatt eingeräumt wurde. Dass der Sachverständige den ermittelten merkantilen Minderwert von 21.000 € sowohl für den Fall der Instandsetzung angenommen hat als auch für den Fall, dass diese unterbleibt, begründet keinen Widerspruch. Denn der merkantile Minderwert stellt die Wertminderung dar, die der Sache auch nach einer vollständigen Instandsetzung und damit unabhängig von dieser anhaftet.
(2) Der nach fachgerechter Nachbesserung verbleibende merkantile Minderwert ist aber nicht identisch mit dem nach § 441 III 1 BGB zu berechnenden Minderungsbetrag. Dieser beläuft sich nur auf 14.590,09 €.
Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem sich der Wert der mangelhaften Kaufsache zum Wert einer mangelfreien Kaufsache verhält. Die Berechnung des geminderten Kaufpreises erfolgt nach der Formel:
$${\frac{\text{tatsächlicher Wert der Kaufsache}\times\text{Kaufpreis}}{\text{Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand}}}$$
(vgl. jurisPK-BGB/Pammler, 10. Aufl., § 441 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Westermann, 8. Aufl., § 441 Rn. 12).
Nach den Ausführungen unter (1) beläuft sich der Wert des Boots in mangelfreiem Zustand auf 129.540 € und der tatsächliche Wert des Boots auf (129.540 € ? 21.000 € =) 108.540 €. Der vereinbarte Kaufpreis beträgt unstreitig 90.000 €. Daraus errechnet sich nach der genannten Formel ein geminderter Kaufpreis von
$${\frac{\text{108.540 €}\times\text{90.000 €}}{\text{129.540 €}} = 75.409,91 €.}$$
Da die Kläger den vereinbarten Kaufpreis von 90.000 € vollständig gezahlt haben, steht ihnen folglich gemäß § 441 IV BGB ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von (90.000 €? 75.409,91 € =) 14.590,09 € zu.
Der Kaufpreis ist daher im Ergebnis im selben Verhältnis herabzusetzen wie die Berechnung des merkantilen Minderwerts aus dem Wert des Boots im mangelfreien Zustand (16,21 %).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I, §§ 93, 97 I ZPO. Hierbei sind den Klägern gemäß § 93 ZPO die durch das Teilanerkenntnisurteil entstandenen Kosten aufzuerlegen.
a) Das angefochtene Urteil unterliegt der berufungsgerichtlichen Nachprüfung, soweit das Landgericht über die durch das Teilanerkenntnisurteil entstandenen Kosten entschieden hat.
Es kann insoweit dahinstehen, ob die Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Abänderung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils von Amts wegen im Rahmen eines zulässigen Rechtsmittels (vgl. BGH, Beschl. v. 13.06.1995 – V ZR 276/94, juris Rn. 3 für den Fall der abweichenden Streitwertfestsetzung; OLG Hamm, Beschl. v. 31.08.2018 – I-7 U 70/17, juris Rn. 37 für den Fall der Verkennung des § 344 ZPO) auch für die Kostenentscheidung bei einem Teilanerkenntnisurteil und die hierbei getroffene Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 93 ZPO gilt oder ob es in diesem Fall zur Nachprüfung und Abänderung der Kostenentscheidung der Einlegung eines eigenen Rechtsmittels oder Anschlussrechtsmittels durch die durch die Kostenentscheidung beschwerte Partei bedarf (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1955 – II ZR 232/54, BGHZ 17, 392 = juris Rn. 25; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 99 Rn. 10). Die Beklagte hat jedenfalls innerhalb der ihr gesetzten Frist zur Berufungserwiderung bis 30.03.2023 mit am 28.03.2023 eingegangenem Schriftsatz die Kostenentscheidung des Landgerichts bezüglich der auf das Teilanerkenntnisurteil entfallenden Kosten angegriffen und die Abänderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten beantragt. Dem Erfordernis einer Anfechtung im Wege einer gemäß § 524 ZPO zulässigen Anschlussberufung wäre somit Genüge getan.
b. Die durch das Teilanerkenntnisurteil entstanden Kosten fallen gemäß § 93 ZPO den Klägern zur Last, weil die Beklagte bezüglich der von den Klägern verlangten Nachbesserung keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den geltend gemachten Nachbesserungsanspruch sofort anerkannt hat.
aa) Zur Erhebung der Klage hat der Beklagte Veranlassung gegeben, wenn er sich – ohne Rücksicht auf Verschulden – vorprozessual so verhalten hat, dass der Kläger annehmen musste, ohne Anrufung des Gerichts sein Ziel nicht erreichen zu können (BGH, Beschl. v. 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, juris Rn. 5; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, a. a. O., § 93 Rn. 2). Bei fälligen Forderungen genügt dafür in der Regel, dass der Beklagte vor dem Prozess in Verzug geraten ist (Flockenhaus, in: Musielak/Voit, a. a. O., § 93 Rn. 2). Ein sofortiges Anerkenntnis liegt im – hier gegebenen – Fall der Bestimmung eines frühen ersten Termins vor, wenn das Anerkenntnis bereits in der Klageerwiderungsschrift abgegeben wird (HK-ZPO/Gierl, 9. Aufl., § 93 Rn. 28 m. w. Nachw.; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 93 Rn. 4).
bb) Nach diesen Grundsätzen sind die durch das Teilanerkenntnisurteil entstandenen Kosten von den Klägern zu tragen.
(1) Die Beklagte hat durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Die Beklagte hat zwar die von ihr angebotene Nachbesserung zunächst davon abhängig gemacht, dass die Kläger für die Durchführung der Arbeiten eine auf mindestens 15 °C beheizte Halle sowie einen Wasseranschluss vor Ort zur Verfügung stellen. Auf diese Bedingung mussten sich die Kläger nicht einlassen, da der Verkäufer nach § 439 II BGB die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen hat. Von der genannten Bedingung ist die Beklagte aber bereits in dem an die Prozessbevollmächtigten der Kläger gerichteten Anwaltsschreiben vom 03.12.2021 (Anlage B 8) – und damit vor Einreichung der Klage am 01.06.2022 – abgerückt und hat zur Durchführung sämtlicher von den Klägern verlangten Nachbesserungsarbeiten die Verbringung des Boots in die Werft des Herstellers angeboten. Zugleich hat die Beklagte um Mitteilung gebeten, wo sich das Boot befindet, sowie um Benennung eines Ansprechpartners sowie Angabe einer Telefonnummer vor Ort. Mit an die Prozessbevollmächtigten der Kläger gerichteten Anwaltsschreiben vom 16.12.2021 (Anlage B 9), vom 06.01.2022 (Anlage B 11) und vom 17.01.2022 (Anlage B 13) hat die Beklagte an die Beantwortung ihres Schreibens vom 03.12.2021 erinnert.
Die Kläger haben den Zugang der genannten Schreiben mit der Behauptung, diese Schreiben seien aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht zur Kenntnis und zur Handakte ihrer Prozessbevollmächtigten gelangt (Schriftsatz vom 22.07.2022, S. 3), bereits nicht hinreichend bestritten. Die Beklagte hat zudem in der Berufungserwiderungsschrift vom 28.03.2023 (dort S. 14 ff.) vorgetragen, dass sämtliche Schreiben – wie auf diesen vermerkt – den Prozessbevollmächtigten der Kläger vorab per Telefax übersandt worden seien, und die entsprechenden Sendeberichte vorgelegt (Anlagen B 18, B 19 und B 20). Auch diesen Vortrag haben die Kläger nicht bestritten. Da der „Ok-Vermerk“ in den Sendeprotokollen ein Indiz für den Zugang der Telefaxe begründet, hätten sie sich ohnehin nicht auf ein einfaches Bestreiten des Zugangs beschränken können (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.2014 – IV ZR 163/13, juris Rn. 27 ff.). Der Senat hat seiner Entscheidung daher zugrunde zu legen, dass die vorgenannten Schreiben den Prozessbevollmächtigten der Kläger sowohl im Original als auch vorab per Telefax zugegangen sind.
Indem die Beklagte sich zur Durchführung der von den Klägern verlangten Nachbesserungsarbeiten und zur Verbringung des Boots in die Werft des Herstellers bereit erklärte, hat sie den Klägern die geschuldete Leistung in Annahmeverzug (§ 293 BGB) begründender Weise angeboten. Da es für die Erbringung der geschuldeten Leistung der genauen Angabe des Standorts des Boots und damit der Mitwirkung der Kläger bedurfte, genügte zur Begründung des Annahmeverzugs ein wörtliches Angebot (§ 295 Satz 1 Fall 2 BGB). Der Annahmeverzug ließ die Wirkungen des zuvor begründeten Schuldnerverzugs der Beklagten entfallen (vgl. BGH, Urt. v. 03.04.2007 – X ZR 104/04, juris Rn. 7).
Mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2022 (Anlage B 15) ließ die Beklagte zwar erklären, dass die Arbeiten aufgrund des Zeitablaufs nunmehr erst im Oktober durchgeführt werden könnten. Dem Schreiben war jedoch eine E-Mail des Herstellers des Boots vom 16.02.2022 (Anlage B 14) beigefügt, in der es lediglich heißt, dass mangels Rückmeldung der Gegenpartei eine Werksreparatur „vor Saisonbeginn“ nicht mehr bewerkstelligt werden könne. Eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nachbesserung insgesamt oder einer Nachbesserung vor dem in dem Anwaltsschreiben vom 16.02.2022 genannten Zeitpunkt kann diesem Schreiben daher nicht entnommen werden.
Da vor Klageerhebung eine weitere Leistungsaufforderung durch die Kläger nicht erfolgt ist, befand sich die Beklagte folglich zu diesem Zeitpunkt nicht im Schuldnerverzug und hat zur Klageerhebung keine Veranlassung gegeben.
(2) Die Beklagte hat den geltend gemachten Nachbesserungsanspruch in der Klageerwiderungsschrift vom 21.06.2022 anerkannt. Darin liegt ein sofortiges Anerkenntnis.
c) Die bei – im Streitfall vorliegender – Identität der Parteien und des Streitgegenstands zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens gehörenden Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens (vgl. BGH, Beschl. v. 08.10.2013 – VIII ZB 61/12, juris Rn. 9) hat die Beklagte im Umfang ihres erstinstanzlichen Unterliegens zu tragen. Der Rechtsgedanke des § 93 ZPO findet insoweit keine entsprechende Anwendung, weil die zur Nachbesserung verpflichtete Beklagte die Abholung des Boots zur Durchführung der Nachbesserung erst mit Anwaltsschreiben vom 03.12.2021 und damit knapp drei Jahre nach Einleitung des selbstständigen Beweisverfahren durch die Kläger mit Schriftsatz vom 08.02.2019 angeboten hat.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. …