Zu den Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten, ins­be­son­de­re Prüf­pflich­ten ei­ner Kraft­fahr­zeug­ver­trags­händ­le­rin bei der Be­stel­lung und Wei­ter­ga­be von Er­satz­schlüs­seln für Kraft­fahr­zeu­ge.

BGH, Ur­teil vom 28.03.2023 – VI ZR 19/22

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin nimmt die be­klag­te Ver­trags­händ­le­rin der Volks­wa­gen AG aus über­ge­gan­ge­nem Recht auf Er­satz von Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen für ge­stoh­le­ne Kraft­fahr­zeu­ge in An­spruch.

Die Klä­ge­rin hat als Kas­ko­ver­si­che­rer di­ver­se Kraft­fahr­zeu­ge ge­gen Dieb­stahl ver­si­chert. In den Jah­ren 2015 und 2016 wur­den vier bei ihr ver­si­cher­te Fahr­zeu­ge, drei der Mar­ke VW und ei­nes der Mar­ke Au­di, ge­stoh­len. Da­bei setz­ten die Die­be ech­te Er­satz­schlüs­sel ein, die – strei­tig zu­letzt nur noch be­züg­lich des Fahr­zeugs der Mar­ke Au­di – von der Be­klag­ten bei der Volks­wa­gen AG be­stellt und dann an ein Un­ter­neh­men in Li­tau­en, die U-UAB, wei­ter­ge­ge­ben wor­den wa­ren. Die­se Ge­sell­schaft ist ein so­ge­nann­ter NO­RA-Kun­de („Nicht or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­bun­de­ner ra­batt­be­güns­tig­ter Ab­neh­mer“ von Ori­gi­nal­tei­len) der Volks­wa­gen AG. Um die­sen Sta­tus zu er­rei­chen, muss ein Un­ter­neh­men ei­nen Werk­statt­be­trieb nach­wei­sen, der nicht Ser­vice­part­ner der Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on des Volks­wa­gen­kon­zerns sein darf, al­so ent­we­der ei­ne mar­ke­nun­ge­bun­de­ne Werk­statt oder ei­ne Mar­ken­werk­statt ei­nes an­de­ren Fahr­zeug­her­stel­lers ist.

Für die Schlüs­sel­be­stel­lung teil­te die U-UAB den Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten le­dig­lich die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer (FIN) zu dem je­wei­li­gen Fahr­zeug mit. Ei­ne wei­te­re Prü­fung der Be­rech­ti­gung der Be­stel­lung be­zie­hungs­wei­se der Fra­ge, ob sich der Ver­an­las­ser der Be­stel­lung im Be­sitz des je­wei­li­gen Fahr­zeugs be­fin­det, er­folg­te nicht. Ins­be­son­de­re wur­de kei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on in Form von Aus­weis­pa­pie­ren oder Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen ver­langt.

Die ge­stoh­le­nen Fahr­zeu­ge wur­den teil­wei­se in ei­ne Zer­le­ge­hal­le ver­bracht, wo im Zu­ge po­li­zei­li­cher Durch­su­chun­gen so­wohl Fahr­zeug­tei­le als auch Be­le­ge über die Schlüs­sel­be­stel­lun­gen bei der Be­klag­ten so­wie nach­be­stell­te Schlüs­sel selbst auf­ge­fun­den wur­den.

Die Volks­wa­gen AG emp­fiehlt zum Ver­fah­ren bei feh­len­den und de­fek­ten Fahr­zeug­schlüs­seln in Kun­den­dienst und Han­del für die Be­schaf­fung ei­nes Er­satz­schlüs­sels im Auf­trag ei­nes Kun­den ei­ne be­son­de­re Ver­fah­rens­wei­se und Do­ku­men­ta­ti­on („Nach­weis­kar­te“), um Miss­brauch zu ver­hin­dern. Sie for­dert ne­ben der An­ga­be der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer (FIN) un­ter an­de­rem ei­nen Fahr­zeug-Be­sitz­nach­weis in Ver­bin­dung mit ei­ner Le­gi­ti­ma­ti­on (Pass/​Aus­weis), wenn der Kun­de nicht per­sön­lich be­kannt ist, und regt ei­ne Be­stä­ti­gung durch Un­ter­schrift so­wie bei Ver­lust/​Dieb­stahl des Alt­schlüs­sels die In­for­ma­ti­on der Po­li­zei und/​oder der Ver­si­che­rung des Kun­den an.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, die Schlüs­sel sei­en von der U-UAB an Die­be ge­langt, wel­che die Fahr­zeu­ge hier­mit pro­blem­los ge­öff­net und ent­wen­det hät­ten. Sie ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te hät­te die Nach­be­stel­lung von Er­satz­schlüs­seln le­dig­lich ge­gen ein­deu­ti­ge Be­rech­ti­gungs­nach­wei­se – et­wa in Form von Aus­weis­pa­pie­ren oder Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen – ab­wi­ckeln dür­fen. Al­lein die Über­mitt­lung der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer (FIN) rei­che hier­für nicht aus, weil die­se an je­dem Fahr­zeug frei er­kenn­bar sei und da­her je­der­zeit aus­ge­späht wer­den kön­ne.

Mit ih­rer Kla­ge be­gehrt die Klä­ge­rin Er­satz der von ihr re­gu­lier­ten Ver­si­che­rungs­schä­den in Hö­he von 57.656,99 € nebst Zin­sen.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge voll­um­fäng­lich statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te ab­ge­se­hen von ei­ner ge­ring­fü­gi­gen Kor­rek­tur des Zins­an­spruchs kei­nen Er­folg. Die Rev­si­on der Be­klag­ten, mit der die­se ih­ren An­trag auf Ab­wei­sung der Kla­ge wei­ter­ver­folg­te, blieb eben­falls er­folg­los.

Aus den Grün­den: [9]    I. Nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts hat die Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 823 I BGB i. V. mit § 86 VVG. Die Fahr­zeug­dieb­stäh­le sei­en der Be­klag­ten vor­werf­bar zu­zu­rech­nen, wo­für nicht die Be­schaf­fung und Wei­ter­lei­tung der Er­satz­schlüs­sel, son­dern die un­ter­las­se­ne Prü­fung der Be­rech­ti­gung des Be­stel­lers maß­geb­lich sei. Da die Be­klag­te als Ver­trags­part­ner der Volks­wa­gen AG die Mög­lich­keit ha­be, Fahr­zeu­gersatz­schlüs­sel zu be­sor­gen und in den Ver­kehr zu brin­gen, fol­ge hier­aus ei­ne ge­stei­ger­te Ver­ant­wor­tung und da­mit ei­ne be­son­de­re Prüf­pflicht. Die Emp­feh­lung der Volks­wa­gen AG zum Ver­fah­ren bei feh­len­den be­zie­hungs­wei­se de­fek­ten Fahr­zeug­schlüs­seln in Kun­den­dienst und Han­del zei­ge, dass auch die­se – für die Be­klag­te of­fen­kun­dig – ei­ne ge­stei­ger­te Miss­brauchs­mög­lich­keit bei Fahr­zeu­gersatz­schlüs­seln se­he. Die Ver­si­che­rungs­neh­mer der Klä­ge­rin sei­en von der Sorg­falts­pflicht der Be­klag­ten bei der Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung um­fasst, weil sie als Fahr­zeug­ei­gen­tü­mer von der Ge­fahr ei­ner miss­bräuch­li­chen Ver­wen­dung der Er­satz­schlüs­sel un­mit­tel­bar be­trof­fen sei­en. Der Be­klag­ten als Fach­werk­statt müs­se be­kannt sein, dass die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer (FIN) von Nicht­be­rech­tig­ten in Er­fah­rung ge­bracht wer­den kön­ne und von ihr als Be­rech­ti­gungs­nach­weis nicht ak­zep­tiert wer­den dür­fe. Die Über­prü­fung der Be­stell­be­rech­ti­gung sei der Be­klag­ten so­wohl mög­lich als auch zu­mut­bar ge­we­sen. Selbst wenn es Auf­ga­be der U-UAB ge­we­sen wä­re, die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne recht­mä­ßi­ge Er­satz­schlüs­sel­be­schaf­fung zu prü­fen, hät­te dies die Be­klag­te nicht von ih­rer ei­ge­nen Prüf­pflicht ent­bun­den. Für ei­ne rechts­ge­schäft­li­che Über­tra­gung der Si­che­rungs­pflich­ten fän­den sich im Vor­trag der Be­klag­ten kei­ne An­halts­punk­te. Die­se ha­be als Be­stel­le­rin der Er­satz­schlüs­sel die pri­mä­re Mög­lich­keit der Ge­fah­ren­be­herr­schung durch Ab­leh­nung der Er­satz­be­schaf­fung ge­habt.

[10]   Die Wei­ter­lei­tung der Schlüs­sel an die U-UAB sei im Sin­ne ei­ner Mit­ver­ur­sa­chung ad­äquat kau­sal für die je­wei­li­gen Fahr­zeug­dieb­stäh­le, da an der Ver­wen­dung der Er­satz­schlüs­sel zur Be­ge­hung der Fahr­zeug­dieb­stäh­le kei­ne ver­nünf­ti­gen Zwei­fel be­stän­den und ei­ne an­de­re Be­ge­hungs­form ob­jek­tiv nicht in Be­tracht kom­me. Da­bei rei­che es aus, dass mit dem Er­satz­schlüs­sel das Fahr­zeug ge­öff­net und das Lenk­rad­schloss ent­rie­gelt wer­den kön­ne, um das Fahr­zeug auf­zu­la­den und ab­zu­trans­por­tie­ren. Fer­ner kön­ne sich die Be­klag­te nicht un­ter Hin­weis auf die feh­len­de Über­prüf­bar­keit der Be­rech­ti­gung mit dem Ein­wand des recht­mä­ßi­gen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens ent­las­ten, zu­mal es auch in Li­tau­en Aus­weis­do­ku­men­te ge­be, die dem Be­stel­l­an­trag hät­ten bei­ge­fügt wer­den kön­nen und ei­ne Fest­stel­lung der Iden­ti­tät des Be­stel­lers er­mög­licht hät­ten. Durch das Er­for­der­nis der Aus­weis­vor­la­ge wür­den je­den­falls der Auf­wand und das Ri­si­ko der Ent­de­ckung grö­ßer, so­dass die Tat­aus­füh­rung zwar nicht in je­dem Fall ver­hin­dert, aber doch er­heb­lich er­schwert wer­de. Der Be­klag­ten sei zu­min­dest an­zu­las­ten, dass sie sich be­züg­lich der Mög­lich­kei­ten ei­ner Iden­ti­fi­zie­rung und Über­prü­fung bei Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lun­gen aus Li­tau­en nicht er­kun­digt ha­be. Der Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang zwi­schen Pflicht­ver­let­zung und Scha­den be­ste­he trotz des Dieb­stahls der Fahr­zeu­ge durch Drit­te, da die Be­klag­te durch die un­ge­prüf­te Ver­sen­dung der Er­satz­schlüs­sel die ers­te Ur­sa­che ge­setzt und die da­durch be­grün­de­te Ge­fah­ren­la­ge sich ge­ra­de in dem nach­fol­gen­den Dieb­stahl aus­ge­wirkt ha­be. Das Ver­hal­ten ih­rer Mit­ar­bei­ter sei der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen, da sie als Ar­beit­ge­ber die Ver­ant­wor­tung für die Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­triebs­ab­läu­fe tra­ge und es ihr ob­le­gen ha­be, kon­kre­te Vor­ga­ben zur Über­prü­fung der Be­rech­ti­gung des Be­stel­lers auch in Be­zug auf NO­RA-Händ­ler zu ma­chen so­wie die Ein­hal­tung die­ser Vor­ga­ben zu über­wa­chen. Die Klä­ge­rin ha­be zu­dem ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch ge­gen die Be­klag­te ge­mäß § 831 I 1 BGB, § 86 I 1 VVG, da de­ren Mit­ar­bei­ter Ver­rich­tungs­ge­hil­fen sei­en und Vor­trag der Be­klag­ten zur Exkul­pa­ti­on nicht vor­lie­ge.

[11]   II. Das Ur­teil hält re­vi­si­ons­recht­li­cher Über­prü­fung stand. Zu Recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt Scha­dens­er­satz­an­sprü­che der Klä­ge­rin aus über­ge­gan­ge­nem Recht hin­sicht­lich der vier Au­to­dieb­stäh­le be­jaht (§§ 823 I, 831 I 1 BGB i. V. mit § 86 VVG).

[12]   1. Die Re­vi­si­on wen­det sich oh­ne Er­folg ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Be­klag­te hin­sicht­lich der Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lun­gen und -lie­fe­run­gen ih­re Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten in Ge­stalt von Prüf- und Kon­troll­pflich­ten ver­letzt hat.

[13]   a) Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH ist der­je­ni­ge, der ei­ne Ge­fah­ren­la­ge – gleich wel­cher Art – schafft, grund­sätz­lich ver­pflich­tet, die not­wen­di­gen und zu­mut­ba­ren Vor­keh­run­gen zu tref­fen, um ei­ne Schä­di­gung an­de­rer mög­lichst zu ver­hin­dern. Zu be­rück­sich­ti­gen ist da­bei, dass nicht je­der abs­trak­ten Ge­fahr vor­beu­gend be­geg­net wer­den kann. Ein all­ge­mei­nes Ver­bot, an­de­re nicht zu ge­fähr­den, wä­re uto­pisch. Ei­ne Ver­kehrs­si­che­rung, die je­de Schä­di­gung aus­schließt, ist im prak­ti­schen Le­ben nicht er­reich­bar. Haf­tungs­be­grün­dend wird ei­ne Ge­fahr da­her erst dann, wenn sich für ein sach­kun­di­ges Ur­teil die na­he­lie­gen­de Mög­lich­keit er­gibt, dass Rechts­gü­ter an­de­rer ver­letzt wer­den. Des­halb muss nicht für al­le denk­ba­ren Mög­lich­kei­ten ei­nes Scha­den­s­ein­tritts Vor­sor­ge ge­trof­fen wer­den. Es sind viel­mehr die Vor­keh­run­gen zu tref­fen, die ge­eig­net sind, ei­ne Schä­di­gung an­de­rer tun­lichst ab­zu­wen­den. Der im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt ist ge­nügt, wenn im Er­geb­nis der­je­ni­ge Si­cher­heits­grad er­reicht ist, den die in dem ent­spre­chen­den Be­reich herr­schen­de Ver­kehrs­auf­fas­sung für er­for­der­lich hält. Da­her reicht es an­er­kann­ter­ma­ßen aus, die­je­ni­gen Si­cher­heits­vor­keh­run­gen zu tref­fen, die ein ver­stän­di­ger, um­sich­ti­ger, vor­sich­ti­ger und ge­wis­sen­haf­ter An­ge­hö­ri­ger der be­trof­fe­nen Ver­kehrs­krei­se für aus­rei­chend hal­ten darf, um an­de­re Per­so­nen vor Schä­den zu be­wah­ren, und die den Um­stän­den nach zu­zu­mu­ten sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, NJW 2021, 1090 Rn. 8 f.; Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 210/18, VersR 2021, 452 Rn. 24 f.; Urt. v. 11.02.2020 – VI ZR 286/19, NJW 2020, 2116 Rn. 14; Urt. v. 25.02.2014 – VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 8 f.; Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 6 f.; BGH, Urt. v. 23.04.2020 – III ZR 251/17, NJW 2020, 3106 Rn. 24; Urt. v. 19.07.2018 – VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956 Rn. 17 f.).

[14]   In Be­zug auf ein und die­sel­be Ge­fah­ren­quel­le kann sich da­bei auch die Ver­ant­wort­lich­keit meh­re­rer Per­so­nen er­ge­ben (vgl. Be­ckOK-BGB/​Förs­ter, Stand: 01.02.2023, § 823 Rn. 307; Grü­ne­berg/​Sprau, BGB, 82. Aufl., § 823 Rn. 48). In die­sem Fall en­den die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten für den­je­ni­gen, der die Ge­fahr ge­schaf­fen hat, erst, wenn si­cher­ge­stellt ist, dass der nach­fol­gen­de Be­herr­scher ei­ner Ge­fah­ren­quel­le die Ge­fahr er­kannt hat und ver­nünf­ti­ger­wei­se da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die­ser Si­che­rungs­maß­nah­men ein­lei­tet (vgl. Se­nat, Urt. v. 12.11.1996 – VI ZR 270/95, NJW 1997, 582 = ju­ris Rn. 16; OLG Ros­tock, Urt. v. 18.12.2020 – 5 U 91/18, ju­ris Rn. 88; BeckOGK/Spind­ler, Stand: 01.11.2022, § 823 BGB Rn. 433). Un­klar­hei­ten in der Ab­gren­zung der Si­che­rungs­zu­stän­dig­kei­ten dür­fen da­bei nicht im Sin­ne ei­ner wech­sel­sei­ti­gen Ent­las­tung der Si­che­rungs­pflich­ti­gen zu­las­ten des Ge­schä­dig­ten ge­hen; ge­ge­be­nen­falls haf­ten die meh­re­ren Si­che­rungs­pflich­ti­gen ge­mäß § 840 I BGB als Ge­samt­schuld­ner (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.1985 – III ZR 206/83, VersR 1985, 641 = ju­ris Rn. 17; Stau­din­ger/​Ha­ger, BGB, Neu­be­arb. 2021, § 823 Rn. E 56; Münch­Komm-BGB/Wag­ner, 8. Aufl., § 823 Rn. 520).

[15]   Dar­über hin­aus kön­nen Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten mit der Fol­ge ei­ge­ner Ent­las­tung de­le­giert wer­den, wo­durch sich die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten des ur­sprüng­lich Ver­ant­wort­li­chen auf Kon­troll- und Über­wa­chungs­pflich­ten ver­kür­zen und der Über­neh­men­de sei­ner­seits de­lik­tisch ver­ant­wort­lich wird. Vor­aus­set­zung hier­für ist, dass die Über­tra­gung klar und ein­deu­tig ver­ein­bart wird. Ei­nes wirk­sa­men Ver­trags be­darf es in­so­weit nicht. Ent­schei­dend ist, dass der in die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht Ein­tre­ten­de fak­tisch die Ver­kehrs­si­che­rung für den Ge­fah­ren­be­reich über­nimmt und im Hin­blick hier­auf Schutz­vor­keh­run­gen durch den pri­mär Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ti­gen un­ter­blei­ben, weil sich die­ser auf das Tä­tig­wer­den des Be­auf­trag­ten ver­lässt (vgl. Se­nat, Urt. v. 13.06.2017 – VI ZR 395/16, NJW 2017, 2905 Rn. 9; Urt. v. 22.01.2008 – VI ZR 126/07, NJW 2008, 1440 Rn. 9; Urt. v. 04.06.1996 – VI ZR 75/95, NJW 1996, 2646 = ju­ris Rn. 13; BGH, Urt. v. 23.04.2020 – III ZR 251/17, NJW 2020, 3106 Rn. 28; Be­ckOK-BGB/​Förs­ter, a. a. O., § 823 Rn. 352 ff.; BeckOGK/​Spind­ler, a. a. O., § 823 Rn. 435; Grü­ne­berg/​Sprau, a. a. O., § 823 Rn. 50; Münch­Komm-BGB/Wag­ner, a. a. O., § 823 Rn. 526 ff.).

[16]   b) Nach die­sen Grund­sät­zen hat das Be­ru­fungs­ge­richt Ver­let­zun­gen der Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht der Be­klag­ten mit Recht be­jaht.

[17]   Hier er­gab sich vor­aus­schau­end für ein sach­kun­di­ges Ur­teil die na­he­lie­gen­de Ge­fahr, dass Rechts­gü­ter an­de­rer ver­letzt wer­den kön­nen. Wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend er­kennt, hat die Be­klag­te durch die Über­las­sung von Er­satz­schlüs­seln an die U-UAB oh­ne vor­he­ri­ge Prü­fung, ob die­se sich be­rech­tigt im Be­sitz der mit den Er­satz­schlüs­seln zu ver­sor­gen­den Kraft­fahr­zeu­ge be­fand oder be­rech­tigt für die je­wei­li­gen Hal­ter/​Ei­gen­tü­mer han­del­te, die er­heb­li­che Ge­fah­ren­la­ge für die­se Ei­gen­tü­mer ge­schaf­fen, dass ihr Fahr­zeug von Un­be­fug­ten ge­nutzt und/​oder ent­wen­det wird. Durch die Nach­be­stel­lung und das In­ver­kehr­brin­gen des Er­satz­schlüs­sels wird ei­ne un­mit­tel­ba­re Zu­griffs­mög­lich­keit auf das Fahr­zeug ge­schaf­fen, wel­che die Ge­fahr des Miss­brauchs durch Un­be­fug­te in sich trägt (vgl. zu Si­che­rungs­pflich­ten des Fahr­zeug­be­sit­zers be­züg­lich der Fahr­zeug­schlüs­sel bzw. zur Ver­hin­de­rung von Schwarz­fahr­ten: Se­nat, Urt. v. 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971, 459 = ju­ris Rn. 28; OLG Hamm, Urt. v. 17.02.2004 – 9 U 161/03, NJW-RR 2004, 1097 = ju­ris Rn. 7; OLG Je­na, Urt. v. 08.07.2003 – 5 U 177/03, VersR 2004, 879; Gei­gel/​Haag, Haft­pflicht­pro­zess, 28. Aufl., Kap. 14 Rn. 188; Stau­din­ger/Ha­ger, a. a. O., § 823 Rn. E 401; BeckOGK/​Spind­ler, a. a. O., § 823 Rn. 414; Münch­Komm-BGB/Wag­ner, a. a. O., § 823 Rn. 454; vgl. zur Miss­brauchs­ge­fahr bei Woh­nungs­schlüs­seln: BGH, Urt. v. 05.03.2014 – VI­II ZR 205/13, NJW 2014, 1653 Rn. 19; Schmidt-Fut­te­rer/​Ei­sen­schmid, Miet­recht, 15. Aufl., § 535 Rn. 533). Dass die Ge­fahr sich aus miss­bräuch­li­chem Ver­hal­ten Drit­ter speist, steht der An­nah­me ei­ner Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht nicht ent­ge­gen. Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten die­nen auch der Ver­hü­tung sol­cher Ge­fah­ren, die aus un­be­fug­tem oder miss­bräuch­li­chem Ver­hal­ten ent­ste­hen, wenn die Ge­fahr zweck­wid­ri­ger Be­nut­zung groß ist und dem Si­che­rungs­pflich­ti­gen Vor­keh­run­gen ge­gen die miss­bräuch­li­che Nut­zung mög­lich und zu­mut­bar sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 11.03.1980 – VI ZR 66/79, NJW 1980, 1745 = ju­ris Rn. 8 [zu miss­bräuch­li­chem Ver­hal­ten des Rechts­guts­in­ha­bers]).

[18]   Die­ser Ge­fahr und den tat­säch­lich ein­ge­tre­te­nen Rechts­guts­ver­let­zun­gen durch die Kfz-Dieb­stäh­le hät­te – wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend sieht – durch Prü­fung der Be­rech­ti­gung der Schlüs­sel­an­for­de­rung und Plau­si­bi­li­sie­rung des Schlüs­sel­ver­lus­tes vor­ge­beugt wer­den kön­nen. Vor­keh­run­gen – et­wa in Form der Vor­la­ge ei­nes Be­stell­schrei­bens des be­trof­fe­nen Fahr­zeug­hal­ters nebst Aus­weis­pa­pie­ren oder Zu­las­sungs­be­schei­ni­gun­gen so­wie ei­nes Nach­wei­ses über den De­fekt oder das Ab­han­den­kom­men des Erst­schlüs­sels – wa­ren der Be­klag­ten mög­lich und zu­mut­bar. Dass ei­ne sol­che Hand­ha­bung der Er­war­tung der be­trof­fe­nen Ver­kehrs­krei­se ent­sprach, er­gibt sich be­reits aus den Emp­feh­lun­gen der Volks­wa­gen AG zur Ver­fah­rens­wei­se und Do­ku­men­ta­ti­on bei Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lun­gen zur Ver­hin­de­rung von Miss­brauch, auch wenn die­se aus­drück­lich die Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung durch den Kun­den an­spricht und auf das vor­lie­gen­de Ver­hält­nis ei­nes Ver­trags­händ­lers zu ei­nem NO­RA-Kun­den nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar sein soll­te. Da die U-UAB für die Er­satz­schlüs­sel­be­schaf­fung nicht den di­rek­ten Weg zum Her­stel­ler wähl­te, weil ihr die­ser auch als NO­RA-Kun­de ver­schlos­sen war, son­dern die Be­klag­te da­mit be­auf­trag­te, muss­te die­se als ver­stän­di­ge, um­sich­ti­ge, vor­sich­ti­ge und ge­wis­sen­haf­te Ver­trags­händ­le­rin mit der Be­fug­nis zur Er­satz­schlüs­sel­be­schaf­fung im Be­wusst­sein der Miss­brauchs- und Dieb­stahls­ge­fah­ren auch ge­gen­über der U-UAB die Vor­sicht wie ge­gen­über je­dem nach­be­stel­len­den Kun­den wal­ten las­sen, selbst wenn dies die Ver­ein­ba­run­gen der Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on nicht ex­pli­zit vor­ge­se­hen ha­ben soll­ten und die bis­he­ri­gen stich­pro­ben­ar­ti­gen Über­prü­fun­gen der U-UAB, die sich auf den Ein­bau ge­lie­fer­ter Er­satz­tei­le be­zo­gen ha­ben sol­len, kei­ne Hin­wei­se auf Or­ga­ni­sa­ti­ons­lü­cken oder Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten er­ge­ben ha­ben soll­ten.

[19]   Zu Recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt es für un­er­heb­lich ge­hal­ten, dass die Be­stel­lung der Er­satz­schlüs­sel durch und de­ren Aus­lie­fe­rung an ei­nen in die NO­RA-Or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­bun­de­nen Händ­ler er­folgt ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on durf­te das Be­ru­fungs­ge­richt die ge­nann­ten Si­cher­heits­vor­keh­run­gen trotz der Ge­schäfts­be­zie­hung der Be­klag­ten zur U-UAB für zu­mut­bar hal­ten. Dass dies die gel­tend ge­mach­te, seit 2004 be­ste­hen­de lang­jäh­ri­ge Ver­trau­ens­be­zie­hung zur U-UAB be­droht und die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Be­klag­ten da­mit ernst­lich be­ein­träch­tigt hät­te, er­scheint fern­lie­gend, nach­dem die Be­klag­te selbst vor­ge­tra­gen hat, die U-UAB zwi­schen 2012 und 2016 jähr­lich be­sucht und stich­pro­ben­ar­tig auf die ord­nungs­ge­mä­ße Ver­bau­ung der ge­lie­fer­ten Er­satz­tei­le kon­trol­liert zu ha­ben, und die Be­klag­te sich für ih­re An­for­de­run­gen auf den Schutz der ge­mein­sa­men Kun­den und die Emp­feh­lun­gen des Her­stel­lers hät­te be­ru­fen kön­nen. So­weit der Se­nat in der Ver­gan­gen­heit im Zu­sam­men­hang mit der Be­auf­sich­ti­gung ei­nes Fach­un­ter­neh­mens ent­schie­den hat, dass der Be­auf­sich­ti­gung durch das Er­for­der­nis ei­ner ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit so­wie durch die Selbst­stän­dig­keit und Wei­sungs­un­ab­hän­gig­keit des Fach­un­ter­neh­mens Gren­zen ge­setzt sei­en und ei­ne Kon­trol­le auf Schritt und Tritt nicht ver­langt wer­den kön­ne (vgl. Se­nat, Urt. v. 01.10.2013 – VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16; Urt. v. 26.09.2006 – VI ZR 166/05, NJW 2006, 3628 Rn. 11; Urt. v. 30.09.1986 – VI ZR 274/85, NJW-RR 1987, 147 = ju­ris Rn. 8 m. w. Nachw.; Be­ckOK-BGB/​Förs­ter, a. a. O., § 823 Rn. 369), lässt sich dies auf den Streit­fall nicht über­tra­gen, weil schon nicht fest­ge­stellt wor­den ist, dass von der Be­klag­ten im Zu­sam­men­hang mit der Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten auf die U-UAB de­le­giert wor­den wä­ren. Dass in­so­weit Sach­vor­trag zu ei­ner De­le­ga­ti­on über­gan­gen wor­den wä­re, macht die Re­vi­si­on nicht gel­tend, auch nicht, dass der U-UAB als NO­RA-Kun­de auf­grund von Ver­ein­ba­run­gen mit der Be­klag­ten oder der Volks­wa­gen AG ei­ne der Be­klag­ten ver­gleich­ba­re Prü­fungs­pflicht ob­le­gen hät­te. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat viel­mehr un­an­ge­grif­fen fest­ge­stellt, dass die U-UAB – an­ders als die Be­klag­te in ih­rer Funk­ti­on als Ver­trags­händ­le­rin der Volks­wa­gen AG – nicht be­fugt war, die Schlüs­sel di­rekt von der Volks­wa­gen AG zu be­zie­hen, wo­durch die U-UAB letzt­lich – auch im Ver­hält­nis zur Be­klag­ten – ei­nem pri­va­ten End­kun­den gleich­ge­stellt wird. Das et­wai­ge Feh­len un­mit­tel­bar ein­schlä­gi­ger Ver­haltens­emp­feh­lun­gen der Volks­wa­gen AG für die Aus­lie­fe­rung von Er­satz­schlüs­seln an NO­RA-Kun­den so­wie das Be­ste­hen ei­ner lang­jäh­ri­gen Ver­trau­ens­be­zie­hung der Be­klag­ten zur U-UAB sind hier­für un­er­heb­lich.

[20]   Da­nach kann sich die Be­klag­te – an­ders als die Re­vi­si­on meint – nicht da­mit ent­las­ten, dass die der maß­geb­li­chen Ver­kehrs­auf­fas­sung zu Prüf- und Kon­troll­pflich­ten bei der Er­satz­schlüs­sel­be­schaf­fung und -wei­ter­ga­be ent­spre­chen­de Emp­feh­lung der Volks­wa­gen AG zum Ver­fah­ren bei feh­len­den be­zie­hungs­wei­se de­fek­ten Fahr­zeug­schlüs­seln in Kun­den­dienst und Han­del ver­bind­li­che Re­geln nur für den Fall vor­se­he, dass der Part­ner der Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on den Auf­trag zur Be­schaf­fung ei­nes Er­satz­schlüs­sels un­mit­tel­bar vom End­ab­neh­mer ent­ge­gen­neh­me.

[21]   Dass das Be­ru­fungs­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen ist, dass die Be­klag­te we­gen der ihr im Zu­sam­men­hang mit der Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung ob­lie­gen­den in­ter­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Über­wa­chungs­pflich­ten für ih­re für sie han­deln­den Mit­ar­bei­ter ein­zu­ste­hen hat (§ 831 BGB), greift die Re­vi­si­on nicht an. Rechts­feh­ler sind in­so­weit auch nicht zu er­ken­nen.

[22]   3. Auch den Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen den Pflicht­ver­let­zun­gen, den Dieb­stäh­len und dem Scha­den hat das Be­ru­fungs­ge­richt oh­ne Rechts­feh­ler be­jaht.

[23]   a) Die Re­vi­si­on rügt oh­ne Er­folg, hin­sicht­lich des vier­ten Dieb­stahls (ei­nes Pkw der Mar­ke Au­di) feh­le es an wi­der­spruchs­frei­en und da­mit das Re­vi­si­ons­ge­richt bin­den­den Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen, um die­sen der Be­klag­ten zu­rech­nen zu kön­nen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat nicht of­fen­ge­las­sen, ob be­züg­lich die­ses Fahr­zeugs ein Er­satz­schlüs­sel oder ei­ne Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung in der Zer­le­ge­hal­le auf­ge­fun­den wur­den. Zwar fin­det sich ei­ne ent­spre­chen­de For­mu­lie­rung in dem in Be­zug ge­nom­me­nen Tat­be­stand des land­ge­richt­li­chen Ur­teils („Schlüs­sel bzw. der Be­leg über die Schlüs­sel­be­stel­lung“), das Be­ru­fungs­ge­richt hat dies aber auf das Auf­fin­den ei­ner Schlüs­sel­be­stel­lung kon­kre­ti­siert, in­dem es von Be­le­gen für Schlüs­sel­be­stel­lun­gen für zwei der streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ge ge­spro­chen und da­zu den Er­mitt­lungs­be­richt und das dar­in be­find­li­che As­ser­va­ten­ver­zeich­nis kon­kret in Be­zug ge­nom­men hat. Dort ist für den Au­di nur ei­ne Schlüs­sel­be­stel­lung ver­zeich­net.

[24]   Oh­ne Er­folg bleibt auch die Rü­ge der Re­vi­si­on, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be den Sach­vor­trag der Be­klag­ten un­be­ach­tet ge­las­sen, wo­nach die Be­klag­te an die U-UAB Er­satz­tei­le für Fahr­zeu­ge der Mar­ke Volks­wa­gen ge­lie­fert ha­be, wes­halb der Dieb­stahl ei­nes Wa­gens der Mar­ke Au­di nicht zu­ge­rech­net wer­den kön­ne. Ab­ge­se­hen da­von, dass die­se Aus­sa­ge im Sin­ne ei­ner Be­schrän­kung auf Er­satz­tei­le al­lein der Mar­ke Volks­wa­gen die­sem schrift­li­chen Vor­trag nicht klar zu ent­neh­men ist, wä­re ei­ne der­ar­ti­ge Be­haup­tung auch nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich, da sie der streit­ge­gen­ständ­li­chen Er­satz­schlüs­sel­be­stel­lung für ein Fahr­zeug der Mar­ke Au­di, ei­ner Kon­zern­mar­ke der Volks­wa­gen AG, nicht ent­ge­gen­stün­de. Da­für spricht auch, dass die In­stanz­ge­rich­te sich die Über­zeu­gung ge­bil­det ha­ben, dass es sich bei der in der Zer­le­ge­hal­le auf­ge­fun­de­nen Schlüs­sel­be­stel­lung um ei­ne sol­che der Be­klag­ten auch bei dem PKW Au­di han­del­te.

[25]   b) Auch die An­nah­me ei­nes Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hangs zwi­schen Pflicht­ver­let­zung und ein­ge­tre­te­nem Scha­den trotz der Be­ge­hung der Dieb­stahl­sta­ten durch Drit­te wird von der Re­vi­si­on nicht in Ab­re­de ge­stellt. Rechts­feh­ler sind nicht er­sicht­lich.

[26]   c) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat der Be­klag­ten auch den Ein­wand des recht­mä­ßi­gen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens zu Recht ver­sagt. Dem tritt die Be­klag­te mit ih­rer Re­vi­si­on nicht ent­ge­gen.

[27]   4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on sind die der Be­klag­ten auf­er­leg­ten Prüf­pflich­ten nicht zur Be­schrän­kung der Wa­ren­ver­kehrs­frei­heit ge­eig­net. Sie stel­len kei­ne un­zu­läs­si­gen Maß­nah­men glei­cher Wir­kung ge­mäß Art. 35 AEUV dar.

[28]   a) Die der Be­klag­ten zum Schutz der Fahr­zeug­ei­gen­tü­mer vor der Aus­lie­fe­rung der Er­satz­schlüs­sel auf­er­leg­ten (de­liktsrecht­li­chen) Prüf- be­zie­hungs­wei­se Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten be­tref­fen im Sin­ne der Dif­fe­ren­zie­rung im Drit­ten Teil Ti­tel II Ka­pi­tel 3 AEUV („Ver­bot von men­gen­mä­ßi­gen Be­schrän­kun­gen zwi­schen den Mit­glied­staa­ten“) zwi­schen Ein­fuhr- (Art. 34) und Aus­fuhr­be­schrän­kun­gen (Art. 35) ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on nicht Art. 34, son­dern Art. 35 AEUV.

[29]   Nach Art. 35 AEUV sind men­gen­mä­ßi­ge Aus­fuhr­be­schrän­kun­gen so­wie al­le Maß­nah­men glei­cher Wir­kung zwi­schen den Mit­glied­staa­ten ver­bo­ten. Hier­un­ter fal­len na­tio­na­le Maß­nah­men, die tat­säch­lich Aus­fuh­ren – das heißt Wa­ren, die den Markt des Aus­fuhr­mit­glied­staats ver­las­sen – stär­ker be­tref­fen als den Ab­satz der Wa­ren auf dem in­län­di­schen Markt die­ses Mit­glied­staats (vgl. EuGH, Urt. v. 17.09.2020 – C-648/18, ECLI:EU:C:2020:723 = ju­ris Rn. 29 – Hi­dro­electri­ca; Urt. v. 28.02.2018 – C-518/16, ECLI:EU:C:2018:126 = ju­ris Rn. 43 m. w. Nachw. – ZPT; Be­cker, in: Schwar­ze/​Be­cker/​Hat­je/​Schoo, EU-Kom­men­tar, 4. Aufl., Art. 35 AEUV Rn. 12). Na­tio­na­le Maß­nah­men, die spe­zi­fi­sche Be­schrän­kun­gen der Aus­fuhr­strö­me be­zwe­cken oder be­wir­ken und da­mit un­ter­schied­li­che Be­din­gun­gen für den Bin­nen­han­del ei­nes Mit­glied­staats und für sei­nen Au­ßen­han­del schaf­fen, so­dass die na­tio­na­le Pro­duk­ti­on oder der Bin­nen­markt des be­trof­fe­nen Staats zum Nach­teil der Pro­duk­ti­on oder des Han­dels an­de­rer Mit­glied­staa­ten ei­nen be­son­de­ren Vor­teil er­langt, sind als Maß­nah­men mit glei­cher Wir­kung wie men­gen­mä­ßi­ge Aus­fuhr­be­schrän­kun­gen ein­ge­stuft wor­den (EuGH, Urt. v. 08.11.1979 – 15/79, ECLI:EU:C:1979:253 = Slg. 1979, 3409 Rn. 7 – Gro­en­veld; Urt. v. 16.12.2008 – C-205/07, ECLI:EU:C:2008:730 = Slg. 2008, I-9947 Rn. 40 – Gys­brechts und San­tu­rel In­ter). Die­se Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len die der Be­klag­ten auf­er­leg­ten Prüf­pflich­ten aber nicht. Dem in­län­di­schen Händ­ler wer­den le­dig­lich be­züg­lich der Be­stel­lung und Aus­lie­fe­rung von Fahr­zeu­gersatz­schlüs­seln an ei­ne Re­pa­ra­tur­werk­statt be­stimm­te Ver­hal­tens­pflich­ten in Form ei­ner Prü­fung der Be­rech­ti­gung des Be­stel­lers auf­er­legt. Dies be­rührt den in­län­di­schen wie den grenz­über­schrei­ten­den Ver­trieb von Fahr­zeu­gersatz­schlüs­seln recht­lich und tat­säch­lich in glei­cher Wei­se. Die Fra­ge, ob der aus­län­di­sche Ver­trags­part­ner die Über­prü­fung der Be­rech­ti­gung eben­so zu­ver­läs­sig über­neh­men könn­te, ist für die Fra­ge nach ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Wa­ren­ver­kehrs­frei­heit un­er­heb­lich.

[30]   b) Ei­ne Vor­la­ge an den EuGH nach Art. 267 III AEUV zur Klä­rung der Fra­ge, ob sich die von dem Be­ru­fungs­ge­richt auf­ge­stell­ten An­for­de­run­gen bei der Ver­ga­be von Er­satz­schlüs­seln „als gleich­wir­ken­de Maß­nah­me i. S. des Art. 34 AEUV (rich­tig: Art. 35 AEUV) auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des Art. 36 AEUV“ dar­stel­len, ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on nicht ver­an­lasst. Die Rechts­la­ge ist in­so­weit von vorn­her­ein ein­deu­tig (ac­te clair, vgl. EuGH, Urt. v. 06.10.2021 – C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33 – ECLI:EU:C:2021:799 = Con­sor­zio Ita­li­an Ma­nage­ment e Ca­ta­nia Mul­ti­ser­vi­zi; Urt. v. 06.10.1982 – 283/81, = ECLI:EU:C:1982:335 = Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 = ju­ris Rn. 21 – CIL­FIT; BVerfG [2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 14.01.2021 – 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005 Rn. 15 m. w. Nachw.; We­ge­ner, in: Cal­liess/​Ruf­fert, EUV/​AEUV, 6. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 33).

    PDF er­stel­len