- Bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) ist als Rechtsmangel i. S. von § 435 BGB zu qualifizieren. Denn die damit für den Käufer verbundenen Nachteile erschöpfen sich keineswegs in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Vielmehr besteht die durch die SIS-Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengenraums auf das Fahrzeug fort, bis die SIS-Eintragung beseitigt ist. Der Käufer kann deshalb mit dem Fahrzeug selbst dann, wenn er dessen Eigentümer geworden sein sollte, gerade nicht i. S. von § 903 Satz 1 unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben verfahren (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 22 ff.; Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 10, 13).
- Ein Rechtsmangel (§ 435 BGB) liegt grundsätzlich auch bei einer unberechtigten SIS-Eintragung vor, da auch sie Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengenraums auf das Kraftfahrzeug begründet. Ein Rechtsmangel könnte allenfalls zu verneinen sein, wenn es dem Käufer mit vertretbarem Aufwand und kurzfristig möglich ist, die SIS-Eintragung zu beseitigen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 25.03.2014 – 3 U 185/13, juris Leitsatz 1).
OLG Brandenburg, Urteil vom 16.03.2023 – 10 U 120/22
Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein KTM-Motorrad in Anspruch.
Er erwarb diese Maschine am 08.09.2019 für 9.000 €. Bei dem Versuch, das Motorrad am 19.09.2019 bei der Zulassungsstelle in W. zuzulassen, wurde es wegen einer bereits am 08.09.2019 bestehenden Eintragung im Schengener Informationssystem (SIS) polizeilich sichergestellt und auf dem Gelände der G-GmbH untergebracht. Der SIS-Eintrag datiert vom 20.11.2017 und stammt aus dem Vereinigten Königreich. Dort und in Polen war das Motorrad seit dem 20.11.2017 mehrfach weiterveräußert worden.
Mit Schreiben vom 20.01.2020 forderte der Kläger den Beklagten – erfolglos – auf, die SIS-Eintragung bis zum 05.02.2020 zu beseitigen. Mit Schreiben vom 12.02.2020 erklärte der Kläger sodann den Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag.
Das Land Brandenburg veräußerte das Motorrad am 25.09.2020 für 2.150 € freihändig an die X-GmbH für 2.150 €. Mit Beschluss vom 08.07.2021 entschied das AG Potsdam, dass der Kläger dem Grunde nach gemäß § 2 II Nr. 4 StrEG zu entschädigen sei. In dem sich anschließenden Betragsverfahren erklärte die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg mit Verfügung vom 20.04.2022, dass sie nicht tätig werden könne, bevor in dem vorliegenden Rechtsstreit rechtskräftig über das Eigentum an dem Motorrad entschieden worden sei.
Der Kläger meint, dass dem Motorrad wegen der SIS-Eintragung ein Rechtsmangel angehaftet habe. Diesen habe der Beklagte innerhalb der ihm dafür gesetzten Frist nicht beseitigt, weshalb er – der Kläger – wirksam von dem Kaufvertrag über das Fahrzeug zurückgetreten sei.
Mit dieser Begründung hat der Kläger von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises – hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung von Ersatzansprüchen gegen das Land Brandenburg und Dritte wegen des Verlusts des Motorrads durch dessen Veräußerung – sowie den Ersatz von Fahrtkosten (192 €) verlangt, die im Rahmen der Besichtigung und der Abholung des Motorrads angefallen seien. Außerdem hat der Kläger die Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € und die Feststellung begehrt, dass der Beklagte mit der Annahme der Abtretung in Verzug sei.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass jedenfalls im Streitfall die SIS-Eintragung kein Mangel sei, da sie fehlerhaft erfolgt sei und daher auch der Kläger sie ohne Weiteres habe beseitigen können. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Land Brandenburg das – viel höherwertige – Motorrad zu einem Preis von nur 2.150 € verkauft habe.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 9.000 €, Zug um Zug gegen Abtretung möglicher Ersatzansprüche des Klägers wegen des Verlusts des Motorrads, verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte mit der Annahme der Abtretung in Verzug sei. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat das Landgericht dem Kläger außerdem über einen Anspruch auf Ersatz von Fahrtkosten (192 €) und außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten (887,03 €) zugesprochen, aber die entsprechende Tenorierung versäumt. Über den deshalb gestellten Berichtigungsantrag vom 01.07.2022 hat das Landgericht nicht entschieden.
Zur Begründung seines Urteils hat das Landgericht ausgeführt, die SIS-Eintragung stelle einen Rechtsmangel dar, der den Kläger zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt habe. Den Kaufpreis habe der Beklagte dem Kläger indes nur nur Zug um Zug gegen Abtretung von Ersatzansprüchen des Klägers zurückzugewähren.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, Ersatzansprüche des Klägers nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) dürfen gemäß § 13 II StrEG nicht abtgetreten werden. Die Zug-um-Zug-Einschränkung, die das Landgericht vorgenommen habe, sei deshalb fehlerhaft. Da das Land Brandenburg das Motorrad veräußert habe, müsse der Kläger ihm – dem Beklagten – zwar nicht das Motorrad herausgegeben, jedoch dessen Wert Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises ersetzen. Den Wert müsse ein Gutachter ermitteln; er habe mindestens 11.500 € betragen, da es um ein sehr begehrtes Motorrad gehe. Im Übrigen – so hat der Beklagte geltend gemacht – hätte der Kläger gegen die Sicherstellung und die anschließende Veräußerung des Motorrads vorgehen müssen, sodass es letztlich ihm anzulasten sei, dass das Motorrad veräußert worden sei. Schließlich habe es das Landgericht fehlerhaft unterlassen, die den vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des StrEG-Verfahrens gemäß § 148 ZPO auszusetzen.
Der Kläger hat mit seiner Anschlussberufung den Wegfall der Zug-um-Zug-Einschränkung erreichen wollen. Insoweit teike er im Grundsatz die Auffassung des Beklagten, wonach das landgerichtliche Urteil mit Blick auf § 13 II StrEG fehlerhaft sei. Allerdings müsse er weder Wertersatz leisten noch sonst etwas herausgegeben, da er nicht mehr bereichert sei. Er habe nämlich (noch) keine Entschädigung erhalten, sondern werde eine solche allenfalls nach Durchführung eines gegen die Generalstaatsanwaltschaft gerichteten Klageverfahrens erhalten. § 346 III BGB verlange dagegen nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähigen Bereicherung. Abgesehen davon hätte der Beklagte selbst die Freigabe des Motorrads von der Staatsanwaltschaft fordern können.
Beide Rechtsmittel hatten nur geringen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Berufung des Beklagten ist … überwiegend erfolglos (1). Die Anschlussberufung des Klägers hat im Hinblick auf die nunmehr nicht mehr uneingeschränkte Abtretung der Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen teilweise Erfolg (2). Für den vom Landgericht nicht beschiedenen Berichtigungsantrag besteht kein Rechtsschutzinteresse (3). Eine Aussetzung des Rechtsstreits war nicht anzuordnen (4).
1. Die Berufung des Beklagten bleibt überwiegend erfolglos. Denn der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung von 9.000 € Zug um Zug gegen Verpflichtung zur Abtretung der Ansprüche aus dem Verfahren nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nach dessen rechtskräftigen Abschluss verlangen (a). Erfolg hat die Berufung dagegen insoweit, als dem Kläger kein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs (b), auf Zahlung von 192 € Fahrtkosten (c) und auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (d) zusteht.
a) Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 9.000 € Zug um Zug gegen Verpflichtung zur Abtretung der künftigen Ansprüche aus dem Verfahren nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 435, 440, 323, 326 V, §§ 346 ff. BGB zu. Die Rücktrittsvoraussetzungen sind erfüllt (aa). Die danach erforderliche Rückabwicklung führt zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Abtretung der künftigen Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (bb).
aa) Mit der Berufungsbegründung ist die landgerichtliche Entscheidung nicht angegriffen, soweit die Anspruchsvoraussetzungen für den Rücktrittbejaht worden sind. Erst nach Ablauf der Begründungsfrist hat der Beklagte vorgetragen, dass nur eine berechtigte SIS-Eintragung einen Mangel darstelle. Es kann offenbleiben, ob dieses Vorbringen des Beklagten noch zu berücksichtigen ist. Denn die Rücktrittsvoraussetzungen sind erfüllt. Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 435, 440, 323, 326 V, §§ 346 ff. BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch nach § 346 I BGB dem Grunde nach zu.
Dabei kann offenbleiben, ob der Beklagte seiner Eigentumsverschaffungspflicht im Hinblick auf § 935 I BGB genüge getan hat. Soweit das Landgericht dies bejaht hat, ist schon offengeblieben, ob die Frage des Abhandenkommens nicht nach deutschem Sachenrecht, sondern gemäß Art. 43 EGBGB zu beurteilen ist, da sich das Abhandenkommen nach dem Vortrag der Parteien vollständig im Vereinigten Königreich abgespielt haben soll. Jedenfalls liegt ein Rechtsmangel gemäß § 435 BGB auch dann vor, wenn ein verkauftes Kfz im Schengener Informationssystem zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung eingetragen und damit europaweit zur Fahndung ausgeschrieben ist. Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengenraums bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er – was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist – Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 22; Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 10; Staudinger/Beckmann, Eckpfeiler des Zivilrechts, Neubearb. 2020, Rn. N 78).
Dabei liegt ein Rechtsmangel auch bei einer unberechtigten Eintragung im Schengener Informationssystem vor, da auch die unberechtigte Eintragung Zugriffsrechte der Behörden eröffnet. Ob ein Rechtsmangel erst dann zu bejahen ist, wenn es dem Käufer nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist, die Eintragung im Schengener Informationssystem zu beseitigen (so OLG Köln, Urt. v. 25.03.2014 – 3 U 185/13, juris Leitsatz 1), kann offenbleiben. Denn eine solche Beseitigung wäre vorliegend allenfalls mit großem Aufwand und erst nach langer Zeit möglich gewesen.
Schließlich ist auch eine erfolglose Fristsetzung erfolgt, sodass offenbleiben kann, ob sie nicht ohnehin entbehrlich war (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 35). Angesichts der erfolgten Rücktrittserklärung des Klägers sind die Rücktrittsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllt.
bb) Aufgrund des wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag hat sich das Vertragsverhältnis der Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt mit der Folge, dass die Parteien die bereits erbrachten Leistungen gemäß §§ 346 ff. BGB rückabzuwickeln haben, wobei die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien gemäß § 348 BGB Zug um Zug zu erfüllen sind. Der Beklagte hat insoweit den vom Kläger gezahlten Kaufpreis in Höhe von 9.000 € zurückzugeben.
Zudem folgt aus § 346 I BGB, dass der den Rücktritt Erklärende – also der Kläger – die erhaltenen Leistungen zurückzugeben hat. Da das Motorrad zwischenzeitlich veräußert worden ist, hat der Kläger grundsätzlich Wertersatz nach § 346 II BGB zu leisten ((1)). Die Pflicht zum Wertersatz ist hier ausgeschlossen ((2)). Der Kläger muss sich allerdings gemäß § 346 III 2 BGB dazu verpflichten, zukünftige Ersatzansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen an den Beklagten abzutreten ((3)).
(1) Der Kläger, dem die Rückgabe des Fahrzeugs durch den am 25.09.2020 erfolgten Weiterverkauf nicht mehr möglich ist, hat insoweitgemäß § 346 II 1 Nr. 3 BGB grundsätzlich Wertersatz in Geld zu leisten.
§ 346 II 1 Nr. 3 BGB sieht eine Pflicht des Rückgewährschuldners zum Wertersatz vor, wenn der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; dies erfasst auch Verfügungen über die Sache im Wege der Zwangsvollstreckung (jurisPK-BGB/Faust, 9. Aufl., § 346 BGB Rn. 63, Stand: 16.11.2021). Nichts anderes ist bei dem vorliegenden freihändigen Verkauf durch die Strafverfolgungsbehörden der Fall. Denn ebenso wie in der Zwangsvollstreckung fehlt es an einer zur Veräußerung der Sache führenden Entscheidung des Rücktrittsberechtigten, also des Klägers. Dafür spricht auch, dass die Wertersatzpflicht in analoger Anwendung des § 346 II 1 Nr. 3 BGB auf alle Fälle zu erstrecken ist, in denen dem Rückgewährschuldner die Rückgewähr unmöglich ist (Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 346 Rn. 149 m. w. Nachw.; vgl. auch, eine Beschlagnahme als zum Wertersatz verpflichtend annehmend: BGH, Urt. v. 07.05.1997 – VIII ZR 253/96, juris Rn. 18). Daher ist § 346 II 1 Nr. 3 BGB vorliegend anwendbar.
Der Rückgewährschuldner ist auch dann zum Wertersatz verpflichtet, wenn die Verschlechterung oder der Untergang erst nach Entstehen der Rückgewährpflicht (also z. B. nach Erklärung des Rücktritts) eintritt (jurisPK-BGB/Faust, a. a. O., § 346 Rn. 62). Daher steht der Pflicht zum Wertersatz nicht entgegen, dass die Veräußerung des Motorrads durch die Strafverfolgungsbehörden erst nach der Erklärung des Rücktritts erfolgt ist.
Für die Verpflichtung des Klägers, Wertersatz zu leisten, ist schließlich unerheblich, ob der Kläger überhaupt Eigentümer des Motorrads war. Denn die zum Wertersatz führende Unmöglichkeit der Herausgabe ist schon durch die Veräußerung des Motorrads durch die Strafverfolgungsbehörden eingetreten.
(2) Die Pflicht zum Wertersatz ist allerdings ausgeschlossen.
(a) Soweit § 346 III 1 Nr. 2 BGB ein Entfallen der Pflicht zum Wertersatz insbesondere dann vorsieht, wenn der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift allerdings nicht erfüllt. Zwar wäre die Sicherstellung des Motorrads samt Verwertung wohl auch beim Beklagten eingetreten. wenn er ebenfalls die Zulassung versucht hätte. Allerdings greift § 346 III 1 Nr. 2 BGB nicht ein, wenn der Kaufgegenstand aufgrund einer nachträglichen hypothetischen Reserveursache Schaden genommen hätte (Röthel/Metzger, in: Erman, BGB, § 346 Rn. 24). Das ist auch vorliegend der Fall, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststehen dürfte, dass der Beklagte, der das Motorrad verkaufen wollte, es ebenso wie der Kläger zugelassen hätte. Auch hat der Beklagte den Verlust des Motorrads nicht zu vertreten. Dass ihm die Fahndung im Schengener Informationssystem hätte bekannt sein müssen, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
(b) Allerdings ist die Pflicht des Rückgewährschuldners zum Wertersatz immer dann ausgeschlossen, wenn die Ursache für die Verschlechterung oder den Untergang aus der Sphäre des Rückgewährgläubigers stammt. Ein Vertretenmüssen gemäß § 346 III 1 Nr. 2 BGB liegt damit namentlich vor, wenn die Verschlechterung oder der Untergang auf einem Mangel beruht, und zwar unabhängig davon, ob der Rückgewährgläubiger den Mangel zu vertreten hat oder ob er ihn kennen musste (Staudinger/Kaiser, a. a. O., § 346 Rn. 193; jurisPK-BGB/Faust, a. a. O., § 346 Rn. 71; HK-BGB/Fries/Schulze, 11. Aufl. [2021], § 346 Rn. 16; Schwabe, JuS 2002, 630, 634; ausdrücklich auch in Bezug auf Rechtsmängel: Staudinger/Kaiser, a. a. O., § 346 Rn. 195; BeckOGK/Schall, Stand: 01.12.2022, § 346 BGB Rn. 593; s. auch mit dem Argument, der dingliche Anspruch sei stärker als das Recht des Verkäufers gegen den Käufer auf Rückgabe der Sache: BGH, Urt. v. 28.05.1952 – I ZR 111/51 –, BGHZ 5, 337, 339 f.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der Verkauf des Motorrads durch die Strafverfolgungsbehörden auf dessen SIS-Eintragung und damit dem Mangel des Motorrads beruhte. Danach ist die Pflicht zum Wertersatz ausgeschlossen, zumal der Kläger sonst gleichsam zweimal den Kaufpreis – den ehemalig an den Beklagten gezahlten Kaufpreis sowie Wertersatz in Höhe des Kaufpreises – zahlen müsste, diesen aber von dem Beklagten nur einmal zurückerhalten würde.
(3) Nach dem Vorstehenden besteht keine Pflicht des Klägers, an den Beklagten Wertersatz zu leisten. Allerdings muss sich der Kläger dazu verpflichten, zukünftige Ersatzansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß § 346 III 2 BGB an den Beklagten abzutreten. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Kläger trotz Ausschlusses der Wertersatzpflicht eine dennoch verbleibende Bereicherung herauszugeben hat. Sie ist als Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht zu verstehen (BT-Drs. 14/6040, S. 196) und ist gemäß § 348 BGB Zug um Zug mit der Rückerstattung des Kaufpreises zu erfüllen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt ((a)). Allerdings ist die vom Landgericht ausgeurteilte Abtretung von Ansprüchen gegen sonstige Dritte zu unbestimmt ((b)) und im Übrigen gemäß § 13 II StrEG nichtig ((c)). Daher kann der Vorteilsausgleich nur dadurch erfolgen, dass sich der Kläger zur Abtretung zukünftiger Ansprüche verpflichtet ((d)).
(a) Die Voraussetzungen des § 346 III 2 BGB sind erfüllt. Dabei sind vorliegend die Ersatzansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen schon derart konkret, dass sie als „verbleibende Bereicherung“ i. S. von § 346 III BGB aufgefasst werden können. Unzweifelhaft dabei ist, dass nicht erst die ausgezahlte Ersatzleistung, sondern auch schon der darauf gerichtete Anspruch nach § 346 III 2 BGB herauszugeben ist (so für Haftpflichtansprüche BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VIII ZR 38/14 –, juris Rn. 17). Erlangt i. S. von § 346 III 2 BGB ist etwas aber erst dann, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (BGH, Urt. v. 07.01.1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131). Das hat der BGH in einer Konstellation verneint, in der die Haftpflichtversicherung nicht auf den Versicherungsfall gezahlt und ihre Einstandspflicht für denHaftpflichtfall verneint hat. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung keine herausgabefähige Bereicherung i. S. des § 346 III 2 BGB darstelle (BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VIII ZR 38/14, juris Rn. 19).
Allerdings sind die vorstehend angeführten Maßstäbe nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Denn das AG Potsdam hat mit Beschluss vom 08.07.2021 entschieden, dass der Kläger dem Grunde nach gemäß § 2 II Nr. 4 StrEG entschädigt wird. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und vermittelt dem Kläger bereits eine hinreichend gesicherte Rechtsposition, die zur Anwendbarkeit von § 346 III 2 BGB berechtigt. Das Verfahren nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gliedert sich in zwei Abschnitte, nämlich die Entscheidung des Strafrichters nach §§ 8, 9 StrEG, in der die Entschädigungspflicht der Staatskasse dem Grunde nach festgestellt wird, und das anschließende Betragsverfahren vor der Landesjustizverwaltung und gegebenenfalls den Zivilgerichten nach den §§ 10, 13 StrEG, in dem die Höhe der Entschädigung festgesetzt wird. Durch die Entscheidung des Strafgerichts wird über den Anspruchsgrund abschließend entschieden. Die Fragen, die im ersten Verfahrensabschnitt vor den Strafgerichten zu klären sind, werden in diesem Verfahren endgültig erledigt und können im anschließenden Betragsverfahren nicht nochmals aufgerollt werden (BGH, Urt. v. 15.02.1979 – III ZR 164/77, juris Rn. 23). Diese Bindungswirkung besteht auch in Bezug auf den vorliegenden Beschluss des AG Potsdam, der eine Entschädigungspflicht dem Grund nach bejaht (vgl. OLG München, Urt. v. 28.04.2011 – 1 U 2652/10, juris Rn. 40). Damit steht vorliegend bereits rechtskräftig fest, dass ein Ersatzanspruch zugunsten des Klägers besteht.
(b) Soweit das Landgericht allerdings die Abtretung von Ansprüchen gegen Dritte wegen des Verlustes des Motorrads angeordnet hat, ist diese Entscheidung zu unbestimmt. Angesichts der Vielzahl von vorherigen Besitzern des Motorrads ist weder für den Kläger noch für den Beklagten hinreichend ermittelbar, wer diese Dritten sein sollen (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2017 – IX ZR 238/15, juris Rn. 28), sodass die Abtretung insoweit unwirksam ist.
(c) Darüber hinaus ist die Entscheidung des Landgerichts insoweit gemäß § 13 II StrEG i. V. mit § 134 BGB unzutreffend, als es die Abtretung der Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen angeordnet hat. Der Entschädigungsanspruch ist gemäß § 13 II StrEG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Anspruch nicht übertragbar. Zwar hat das Amtsgericht bereits rechtskräftig über den Grund des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs entschieden. Allerdings findet § 13 II StrEG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auch der Höhe nach Anwendung (OLG Koblenz, Beschl. v. 11.02.2008 – 1 W 855/07, juris Rn. 9; BeckOK-StPO/Cornelius, Stand: 01.10.2022, § 13 StrEG Rn. 2; MünchKomm-StPO/[&hspace]Kunz, 2018, § 13 StrEG Rn. 16). Da dieses Verfahren der Höhe nach noch nicht abgeschlossen ist, ist die durch das Landgericht dennoch angeordnete Abtretung der Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß § 134 BGB nichtig.
(d) Dass der Entschädigungsanspruch vor rechtskräftiger Entscheidung darüber nicht wirksam an den Beklagten abgetreten werden kann, führt aber nicht dazu, dass er beim Kläger verbleibt. Wenn im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung ein erlangter Vorteil herausgeben werden müsste beziehungsweisevorhandene Ansprüche abgetreten werden müssten, dies aber wegen einer gesetzlich angeordneten Unübertragbarkeit nicht möglich ist, muss sich der Kläger als „Weniger“ dazu Zug um Zug verpflichten, mögliche spätere Zahlungen an den Beklagten auszukehren (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 04.05.2011 – 5 U 502/10, VersR 2011, 1441, 1444). Dies hat der Senat daher auch vorliegend angeordnet.
(e) Der damit ebenfalls zugesprochene Zinsanspruch folgt aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286 I, 288 I BGB.
b) Die landgerichtlich erfolgte Feststellung des Annahmeverzugs scheitert schon daran, dass die vom Landgericht angeordnete Abtretung der Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen infolge des Abtretungsverbots nach § 13 II StrEG nichtig war. Das landgerichtliche Urteil war auch insoweit abzuändern.
c) Der Kläger kann von dem Beklagten als Folge der pflichtwidrigen Veräußerung des mangelhaften Fahrzeugs gemäß § 437 Nr. 3, § 280 1 BGB außerdem grundsätzlich den Ersatz der Fahrtkosten verlangen, die er durch die zweimaligen Fahrten zum Beklagten aufwenden musste, mithin 192 €. Allerdings hat der Beklagte die Verursachung dieser Kosten nicht zu vertreten. Zwar wird das Vertretenmüssen nach § 280 I 2 BGB vermutet. Diese Vermutung wird aber schon durch den unstreitigen Sachverhalt widerlegt, wonach das Motorrad einige Verkäufe zuvor im Vereinigten Königreich unter dubiosen Umständen veräußert worden sein könnte und deshalb eine SIS-Eintragung aufwies.
d) Der Ersatz von Rechtsanwaltskosten unter Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB kommt nicht in Betracht, da die Rechtsanwälte des Klägers verzugsbegründend tätig waren. Ein Ersatz unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Schadensersatzes scheidet nach den vorstehenden Ausführungen unter 1 a bb (3) (c) aus.
2. Nach den vorstehenden Maßstäben hat die Anschlussberufung teilweise Erfolg, weil die Zug-um-Zug-Verurteilung im Hinblick auf die einschränkungslose Abtretung der Ansprüche nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen unzutreffend ist. Hinsichtlich der darüber hinaus verfolgten einschränkungslosen Verurteilung des Beklagten hat die Anschlussberufung dagegen keinen Erfolg (vgl. oben unter 1).
3. Die vom Kläger beantragte Berichtigung des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der fehlenden Erwähnung der Klagestattgabe in Höhe von Fahrtkosten über 192 € und Rechtsanwaltskosten über 887,03 € im Tenor ist nicht gesondert zu bescheiden. Es handelt sich bei den vorliegenden Tenorierungsfehlern des Landgerichts zwar um offenkundige Fehler, die auch durch das Berufungsgericht während des schwebenden Berufungsverfahrens berichtigt werden können (BGH, Urt. v. 20.08.2009 – VII ZR 205/07, BGHZ 182, 158 Rn. 67; Beschl. v. 09.02.1989 – V ZB 25/88, BGHZ 106, 370, 373 f. = juris Rn. 13). Da die zu berichtigenden Ansprüche aber entgegen der landgerichtlichen Auffassung nicht bestehen (vgl. ober unter 1 c und d, besteht für eine entsprechende Berichtigung kein Rechtschutzbedürfnis.
4. Schließlich war eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht angezeigt, weil der Rechtsstreit auch ohne die ausstehende Entscheidung im Betragsverfahren nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen entscheidungsreif ist.
Soweit die Generalstaatsanwaltschaft das Betragsverfahren im Hinblick das hiesige Verfahren deshalb ausgesetzt hat, weil hier eine Klärung der Eigentumsverhältnisse erfolgen werde, steht das der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Zwar hatte der Senat die Eigentumsverhältnisse mangels Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Allerdings war dennoch keine Aussetzung des hiesigen Verfahrens im Hinblick auf das StrEG-Verfahren anzuordnen. Denn gemäß § 7 I StrEG wird der durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Vermögensschaden entschädigt. Vermögensschaden ist jede durch die Strafverfolgungsmaßnahme verursachte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Beschuldigten, die sich in Geldwert ausdrücken lässt, eingeschlossen die Nachteile im Fortkommen und Erwerb, vor allem der Verdienstausfall und der entgangene Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls hätte erwartet werden können (BT-Drs. VI/460, S. 8; MünchKomm-StPO/[&hspace]Kunz, a. a. O., § 7 StrEG Rn. 8). Sofern also der Kläger gemäß § 935 I BGB oder den nach Art. 43 EGBGB anwendbaren Vorschriften kein Eigentum am Motorrad erworben haben sollte, könnte ihm möglicherweise durch die Veräußerung ein Vermögensschaden in Höhe des als Kaufpreis für das Kraftfahrzeug hingegebenen Geldbetrags von 9.000 € entstanden sein(vgl. BGH, Beschl. v. 21.05.2019 – 4 StR 574/18, juris). Die Gefahr, dass der Kläger dabei doppelt entschädigt werden könnte, kann durch die Regelung des § 255 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 26.01.1989 – III ZR 192/87, BGHZ 106, 313, 320 f.) verhindert werden. Daher besteht im Hinblick auf den mit der vorliegenden Entscheidung rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Rechtsstreits kein Anlass für die Annahme, dass das Betragsverfahren dennoch nicht alsbald zum Abschluss gelangen wird, sodass eine Aussetzung des hiesigen Rechtsstreits im Hinblick auf das Betragsverfahren nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu unterbleiben hatte. …