1. Ein Kauf­ver­trag über ei­ne be­weg­li­che Sa­che ist auf­grund ei­nes Rück­tritts, ei­nes Wi­der­rufs, ei­ner An­fech­tung oder der­glei­chen ein­heit­lich dort rück­ab­zu­wi­ckeln, wo sich die Kauf­sa­che im Zeit­punkt der Rück­tritts- be­zie­hungs­wei­se An­fech­tungs­er­klä­rung, der Ei­ni­gung über ei­ne Rück­ab­wick­lung oder Ähn­li­ches ver­trags­ge­mäß be­fin­det (sog. Aus­tauschort). Die­ser ge­mein­sa­me Er­fül­lungs­ort, an dem (auch) die Kauf­sa­che zu­rück­zu­ge­wäh­ren ist, be­grün­det im Re­gel­fall die ört­li­che Zu­stän­dig­keit des Ge­richts, in des­sen Be­zirk der Käu­fer sei­nen Wohn­sitz hat.
  2. § 29 I ZPO ist auch dann ein­schlä­gig, wenn der Ver­käu­fer sich (le­dig­lich) „aus Ku­lanz“ be­reit er­klärt, die an­geb­lich man­gel­haf­te Kauf­sa­che zu­rück­zu­neh­men. Denn dar­auf, aus wel­chem Grund der Kauf­ver­trag rück­ab­ge­wi­ckelt wird, kommt es für die An­wen­dung des § 29 I ZPO nicht an. Eben­so ist für die An­wen­dung des § 29 I ZPO un­er­heb­lich, ob der Ver­käu­fer den Kauf­ge­gen­stand schon zu­rück­er­hal­ten hat.
  3. Hält das an­ge­gan­ge­ne Ge­richt § 29 I ZPO al­lein des­halb nicht für ein­schlä­gig, weil der Käu­fer nicht (man­gel­be­dingt) vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten sei, son­dern die­ser ein­ver­nehm­lich – sei­tens des Ver­käu­fers aus „Ku­lanz“ – ha­be rück­ab­ge­wi­ckelt wer­den sol­len, so ist die­se Be­grün­dung der­art un­zu­rei­chend, dass ein Ver­wei­sungs­be­schluss ob­jek­tiv will­kür­lich und des­halb ent­ge­gen § 281 II 4 ZPO nicht bin­dend ist. Denn das an­ge­gan­ge­ne Ge­richt hät­te sich zu­min­dest mit der Fra­ge aus­ein­an­der­set­zen müs­sen, ob § 29 I ZPO auch bei ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags An­wen­dung fin­det.

OLG Schles­wig, Be­schluss vom 20.12.2022 – 2 AR 28/22

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten ei­ne Press­ma­schi­ne. Nach­dem er die­se er­hal­ten hat­te, rüg­te er ge­gen­über der Be­klag­ten Män­gel des Kauf­ge­gen­stands. Dar­auf­hin er­klär­te sich die Be­klag­te be­reit, die Ma­schi­ne aus Ku­lanz zu­rück­zu­neh­men.

In der Fol­ge kam es zwi­schen den Par­tei­en zum Streit über den Zu­stand, in dem die Be­klag­te die Press­ma­schi­ne zu­rück­er­hal­ten hat­te. Die Be­klag­te be­haup­te­te, die Ma­schi­ne wei­se Schä­den auf, und zahl­te dem Klä­ger mit die­ser Be­grün­dung le­dig­lich ei­nen Teil des Kauf­prei­ses zu­rück.

Der Klä­ger hat am 01.08.2022 Kla­ge beim AG Schwar­zen­bek er­ho­ben, in des­sen Be­zirk er sei­nen Wohn­sitz hat. Er ver­langt von der Be­klag­ten, die ih­ren Wohn­sitz im Be­zirk des AG Hu­sum hat, die Rück­zah­lung des rest­li­chen Kauf­prei­ses so­wie die Er­stat­tung von Ver­sand­kos­ten und vor­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­an­walts­kos­ten.

Mit Ver­fü­gung vom 22.08.2022 hat das AG Schwar­zen­bek dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es ört­lich un­zu­stän­dig sei. Der all­ge­mei­ne Ge­richts­stand der Be­klag­ten be­fin­de sich im Be­zirk des AG Hu­sum. Ein be­son­de­rer Ge­richts­stand im Be­zirk des AG Schwar­zen­bek dürf­te nicht be­grün­det sein. Zu der Ver­fü­gung hat der Klä­ger mit Schrift­satz vom 26.08.2022 Stel­lung ge­nom­men und ei­ne ört­li­che Zu­stän­dig­keit des AG Schwar­zen­bek ge­mäß § 29 I ZPO gel­tend ge­macht. Ört­lich Zu­stän­dig sei das Ge­richt, in des­sen Be­zirk sich der Kauf­ge­gen­stand im Zeit­punkt des Rück­tritts be­fin­de. Die Be­klag­te ha­be der Rück­nah­me der Press­ma­schi­ne aus Ku­lanz zu­ge­stimmt, als sich die­se Ma­schi­ne bei ihm – dem Klä­ger – be­fun­den ha­be.

Nach Ein­gang des klä­ge­ri­schen Schrei­bens hat das AG Schwar­zen­bek mit Ver­fü­gung vom 26.09.2022 um Mit­tei­lung ge­be­ten, ob ein Ver­wei­sungs­an­trag ge­stellt wer­de. Ein be­son­de­rer Ge­richts­stand ge­mäß § 29 I ZPO sei nicht er­öff­net, weil die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags nicht auf­grund der Aus­übung ei­nes ge­setz­li­chen oder ver­trag­li­chen Rück­tritts­rechts er­folgt sei. Dar­auf­hin hat der Klä­ger mit Schrift­satz vom 12.10.2022 mit­ge­teilt, er stim­me der Auf­fas­sung des AG Schwar­zen­bek nicht zu, be­an­tra­ge je­doch vor­sorg­lich die Ver­wei­sung des Rechts­streits an das AG Hu­sum.

Mit Be­schluss vom 17.10.2022 hat sich das AG Schwar­zen­bek für ört­lich un­zu­stän­dig er­klärt und den Rechts­streit auf An­trag des Klä­gers an das AG Hu­sum ver­wie­sen, weil Hu­sum der all­ge­mei­ne Ge­richts­stand der Be­klag­ten sei. Ein be­son­de­rer Ge­richts­stand, aus dem sich die ört­li­che Zu­stän­dig­keit des AG Schwar­zen­bek er­ge­be, sei nicht ge­ge­ben. Ins­be­son­de­re sei § 29 I ZPO nicht ein­schlä­gig, weil die Rück­ab­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags nicht auf der Aus­übung ei­nes ge­setz­li­chen oder ver­trag­li­chen Rück­tritts­rechts be­ru­he; der Klä­ger sei nicht von dem Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten.

Mit Ver­fü­gung vom 25.10.2022 hat das AG Hu­sum den Par­tei­en mit­ge­teilt, die Über­nah­me des Rechts­streits ab­leh­nen zu wol­len. Das AG Schwar­zen­bek sei ge­mäß § 29 I ZPO zu­stän­dig; der Ver­wei­sungs­be­schluss ent­fal­te kei­ne Bin­dungs­wir­kung. Der Klä­ger hat dar­auf­hin mit­ge­teilt, er tei­le die Auf­fas­sung des AG Hu­sum; die Be­klag­te hat mit­ge­teilt, sie tei­le die Auf­fas­sung des AG Schwar­zen­bek.

Mit Be­schluss vom 30.11.2022 hat das AG Hu­sum die Über­nah­me des Rechts­streits ab­ge­lehnt, sich für ört­lich un­zu­stän­dig er­klärt und die Sa­che dem OLG Schles­wig vor­ge­legt. Das AG Schwar­zen­bek – so hat das AG Hu­sum aus­ge­führt – sei ge­mäß § 29 I ZPO ört­lich zu­stän­dig. Der Klä­ger sei, wie sich aus sei­nem schlüs­si­gen Ver­hal­ten er­ge­be, von dem Kauf­ver­trag über die Press­ma­schi­ne zu­rück­ge­tre­ten. Selbst wenn man die Rück­nah­me aus Ku­lanz als Ver­trags­auf­he­bung oder als Wi­der­ruf ein­ord­nen wür­de, sei § 29 I ZPO ein­schlä­gig. Der Klä­ger ha­be sein Recht, un­ter meh­re­ren Ge­richts­stän­den zu wäh­len (§ 35 ZPO), aus­ge­übt, in­dem er Kla­ge beim AG Schwar­zen­bek er­ho­ben ha­be. Das AG Hu­sum sei da­her nicht (mehr) zu­stän­dig. Sei­ne Zu­stän­dig­keit fol­ge auch nicht aus dem Ver­wei­sungs­be­schluss des AG Schwar­zen­bek, denn die­ser sei ob­jek­tiv will­kür­lich und da­mit nicht bin­dend. Das AG Schwar­zen­bek ha­be ei­ne kla­re Zu­stän­dig­keits­norm (§ 29 I ZPO) nicht be­ach­tet. Auf wel­cher Grund­la­ge die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags nach Auf­fas­sung des AG Schwar­zen­bek er­folgt sein soll, ha­be es nicht dar­ge­legt.

Als ört­lich zu­stän­di­ges Ge­richt wur­de das AG Schwar­zen­bek be­stimmt.

Aus den Grün­den: II. …1. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 36 I Nr. 6 ZPO für ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung durch den Se­nat lie­gen vor. Mit dem AG Schwar­zen­bek und dem AG Hu­sum ha­ben sich ver­schie­de­ne Ge­rich­te, von de­nen ei­nes für den Rechts­streit zu­stän­dig ist, rechts­kräf­tig für un­zu­stän­dig er­klärt, ins­be­son­de­re auch – wie er­for­der­lich (vgl. Zöl­ler/​Schultz­ky, ZPO, 34. Aufl. [2022], § 36 Rn. 35) – die ih­re Zu­stän­dig­keit ver­nei­nen­den Ent­schei­dun­gen den Par­tei­en über­mit­telt.

Zur Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ist das OLG Schles­wig ge­mäß § 36 II ZPO be­ru­fen; das nächst­hö­he­re ge­mein­schaft­li­che Ge­richt (Rechts­mit­tel­zu­stän­dig­keit) ist der BGH, das zu­erst mit der Sa­che be­fass­te AG Schwar­zen­bek ge­hört zum Be­zirk des OLG Schles­wig.

2. Ört­lich zu­stän­dig ist das AG Schwar­zen­bek.

Das AG Schwar­zen­bek ist ört­lich zu­stän­dig (da­zu lit. a). Die Zu­stän­dig­keit des AG Hu­sum folgt auch nicht aus dem Ver­wei­sungs­be­schluss des AG Schwar­zen­bek vom 17.10.2022, weil die­ser ob­jek­tiv will­kür­lich und da­mit nicht bin­dend ist (da­zu lit. b).

a) Das AG Schwar­zen­bek ist ge­mäß § 29 I ZPO ört­lich zu­stän­dig, weil sich der Kauf­ge­gen­stand zum Zeit­punkt des Rück­tritts be­zie­hungs­wei­se der Ei­ni­gung auf ei­ne Rück­ab­wick­lung in sei­nem Be­zirk be­fand.

Nach § 29 I ZPO ist ein be­son­de­rer Ge­richts­stand an dem Ort be­grün­det, an dem die strei­ti­ge Ver­pflich­tung zu er­fül­len ist. Bei der hier vor­lie­gen­den Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über be­weg­li­che Sa­chen (auf­grund von Rück­tritt, Wi­der­ruf oder An­fech­tung etc.) ist ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort und da­mit Ge­richts­stand ge­mäß § 29 I ZPO der Ort, wo sich die Kauf­sa­che zum Zeit­punkt der Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags (durch Rück­tritts­er­klä­rung, Ei­ni­gung auf die Rück­ab­wick­lung, An­fech­tung etc.) ver­trags­ge­mäß be­fin­det (sog. Aus­tauschort), weil der Ge­gen­stand an die­sem Ort zu­rück­zu­ge­wäh­ren ist, was im Re­gel­fall auf ei­ne Zu­stän­dig­keit des Ge­richts am Wohn­sitz des Käu­fers hin­aus­läuft (ganz h. A.; vgl. KG, Beschl. v. 16.11.2020 – 2 AR 1053/20, ju­ris Rn. 9; Zöl­ler/​Schultz­ky, a. a. O., § 29 Rn. 25.51; vgl. auch die Nach­wei­se im Be­schluss des OLG Köln vom 21.04.2021 – I-8 AR 11/21, ju­ris Rn. 15).

Vor­lie­gend han­delt es sich um ei­nen Fall des Rück­tritts, weil der Käu­fer sich bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung auf ei­nen Rück­tritt stützt (da­zu aa). Selbst wenn man von ei­ner Rück­nah­me aus Ku­lanz oh­ne vor­he­ri­ge oder gleich­zei­ti­ge Rück­tritts­er­klä­rung sei­tens des Klä­gers aus­gin­ge, lä­ge ei­ne zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­te Rück­ab­wick­lung vor, die zu ei­nem ein­heit­li­chen Er­fül­lungs­ort am Be­le­gen­heits­ort der Sa­che führ­te (da­zu bb). Schließ­lich bleibt es auch nach Rück­ga­be des Kauf­ge­gen­stands bei ei­nem ein­heit­li­chen Er­fül­lungs­ort am Be­le­gen­heits­ort der Sa­che zum Zeit­punkt des Rück­tritts be­zie­hungs­wei­se der ein­ver­nehm­li­chen Ver­ein­ba­rung der Rück­ab­wick­lung (da­zu cc).

aa) Der Klä­ger stützt sei­ne Kla­ge vor­lie­gend auf ei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Schließ­lich hat der Klä­ger be­haup­tet, der Kauf­ge­gen­stand sei man­gel­haft ge­we­sen und die Män­gel ha­be er ge­gen­über der be­klag­ten Ver­käu­fe­rin ge­rügt. Die­se ha­be sich dar­auf­hin aus Ku­lanz mit ei­ner Rück­ab­wick­lung ein­ver­stan­den er­klärt, wor­auf­hin der Kauf­ge­gen­stand zu­rück­ge­schickt wor­den sei. Die­sen Vor­trag wird man bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung als Aus­übung ei­nes (be­haup­te­ten) Rück­tritts­rechts ein­ord­nen müs­sen. Dass die Be­klag­te den Stand­punkt ver­tritt, es ha­be kein Rück­tritts­recht be­stan­den, die Rück­nah­me sei (le­dig­lich) aus Ku­lanz er­folgt, ist für die Fra­ge der Zu­stän­dig­keit oh­ne Be­lang. Ob dem kla­gen­den Käu­fer der sich auf ei­nen wirk­sa­men Rück­tritt stützt, ein Rück­tritts­recht auch tat­säch­lich zu­steht, ist für die Zu­stän­dig­keit nach § 29 I ZPO oh­ne Be­deu­tung.

bb) Selbst wenn man mit dem AG Schwar­zen­bek da­von aus­gin­ge, dass der kla­gen­de Käu­fer nicht zu­rück­ge­tre­ten sei, wür­de dies zu ei­ner Zu­stän­dig­keit ge­mäß § 29 I ZPO füh­ren. Grund­la­ge der hier vor­lie­gen­den Rück­ab­wick­lung, von der auch das AG Schwar­zen­berg aus­weis­lich des Ver­wei­sungs­be­schlus­ses aus­ging, konn­te nur die Ei­ni­gung bei­der Sei­ten auf ei­ne Rück­ab­wick­lung sein (sei­tens der be­klag­ten Ver­käu­fe­rin „aus Ku­lanz“). Auch für der­ar­ti­ge Rück­ab­wick­lun­gen fin­det § 29 I ZPO An­wen­dung, weil § 29 I ZPO bei Rück­ab­wick­lun­gen gleich wel­cher Art greift (vgl. Zöl­ler/​Schultz­ky, a. a. O., § 29 Rn. 25.51: „Rück­ab­wick­lung (ges./​ver­tragl. Rück­tritt, Wi­der­ruf, An­fech­tung usw.).

cc) An der Zu­stän­dig­keit nach § 29 I ZPO än­dert sich auch nichts da­durch, dass der Kauf­ge­gen­stand schon an den Ver­käu­fer zu­rück­ge­ge­ben wor­den ist, da der Käu­fer nicht schlech­ter ste­hen soll, als hät­te er die Kauf­sa­che be­hal­ten (KG, Beschl. v. 16.11.2020 – 2 AR 1053/20, ju­ris Rn. 10; Zöl­ler/​Schultz­ky, a. a. O., § 29 Rn. 25.51; Hein­rich, in: Mu­sielak/​Voit, ZPO, 19. Aufl. [2022], § 29 Rn. 28).

Der Wohn­sitz des Klä­gers, an dem sich der Kauf­ge­gen­stand zum maß­geb­li­chen Zeit­punkt be­fand, liegt ge­mäß An­la­ge 1 IV. (Land­ge­richts­be­zirk Lü­beck) Nr. 7 zu § 30 I LJG1Lan­des­jus­tiz­ge­setz (LJG) Schles­wig-Hol­stein vom 17.04.2018 im Be­zirk des AG Schwar­zen­bek.

b) Die Zu­stän­dig­keit des AG Hu­sum folgt auch nicht aus dem Ver­wei­sungs­be­schluss des AG Schwar­zen­bek vom 17.10.2022, weil die­ser nicht bin­dend ist. Die Bin­dungs­wir­kung folgt ins­be­son­de­re nicht aus § 281 II 4 ZPO, wo­nach ein Be­schluss, durch den sich ein an­ge­gan­ge­nes Ge­richt für un­zu­stän­dig er­klärt und den Rechts­streit an ein an­de­res, für zu­stän­dig er­klär­tes Ge­richt ver­wie­sen hat, für das über­neh­men­de Ge­richt bin­dend ist.

Zwar sieht § 281 II 4 ZPO ei­ne strik­te Bin­dung von Ver­wei­sungs­be­schlüs­sen un­ab­hän­gig da­von vor, ob sie in der Sa­che rich­tig und ver­fah­rens­feh­ler­frei er­gan­gen sind. Sinn die­ser Re­ge­lung, wie auch der da­mit kor­re­spon­die­ren­den Un­an­fecht­bar­keit (§ 281 II 2 ZPO), ist es, un­nö­ti­ge, die in­halt­li­che Be­fas­sung und da­her die Er­le­di­gung des Ver­fah­rens­ge­gen­stands ver­zö­gern­de und ver­teu­ern­de Zu­stän­dig­keits­strei­tig­kei­ten zu ver­mei­den (BGH, Beschl. v. 08.04.1992 – XII ARZ 8/92, ju­ris Rn. 3; Zöl­ler/​Gre­ger, ZPO, 34. Aufl. [2022], § 281 Rn. 16). Der Grund­satz der Bin­dungs­wir­kung wird le­dig­lich in eng be­grenz­ten, ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­te­nen Aus­nah­me­fäl­len durch­bro­chen, na­ment­lich bei ei­ner Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs (Art. 103 I GG) oder des aus dem Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 III GG) ab­zu­lei­ten­den Will­kür­ver­bots (vgl. BGH, Beschl. v. 10.06.2003 – X ARZ 92/03, ju­ris; Beschl. v. 06.10.1993 – XII ARZ 22/93, ju­ris Rn. 5; Zöl­ler/​Gre­ger, a. a. O., § 281 Rn. 17 f.). Das ver­wei­sen­de Ge­richt kann sei­nen Be­schluss selbst dann nicht än­dern, wenn es sei­ne Un­zu­stän­dig­keit er­kennt (vgl. Zöl­ler/​Gre­ger, a. a. O., § 281 Rn. 17)

Vor­lie­gend ist je­doch ein der­ar­ti­ger Aus­nah­me­fall ge­ge­ben. Die Ent­schei­dung des AG Schwar­zen­bek vom 17.10.2022 ist ob­jek­tiv will­kür­lich.

Will­kür liegt nicht be­reits vor, wenn der Ver­wei­sungs­be­schluss in­halt­lich un­rich­tig oder sonst feh­ler­haft ist; Will­kür ist viel­mehr erst dann an­zu­neh­men, wenn dem Be­schluss je­de recht­li­che Grund­la­ge fehlt, et­wa wenn der Ver­wei­sungs­be­schluss bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung der das Grund­ge­setz be­herr­schen­den Ge­dan­ken nicht mehr ver­ständ­lich er­scheint und of­fen­sicht­lich un­halt­bar ist (BGH, Beschl. v. 10.06.2003 – X ARZ 92/03

, ju­ris Rn. 1; Beschl. v. 08.04.1992 – XII ARZ 8/92, ju­ris Rn. 3: Rechts­irr­tum ge­nügt nicht). Da­bei han­delt das Ge­richt selbst dann nicht will­kür­lich, wenn es ei­ne Zu­stän­dig­keits­norm über­sieht be­zie­hungs­wei­se falsch an­wen­det (vgl. Zöl­ler/​Gre­ger, a. a. O., § 281 Rn. 17; BGH, Beschl. v. 08.04.1992 – XII ARZ 8/92, ju­ris Rn. 3).

Ei­ne un­ter kei­nem Ge­sichts­punkt nach­voll­zieh­ba­re Ver­wei­sung liegt vor, wenn das ver­wei­sen­de Ge­richt mit sei­ner Ent­schei­dung von ei­ner in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur seit Jahr­zehn­ten na­he­zu ein­hel­lig ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung ab­weicht, oh­ne sich mit der herr­schen­den Mei­nung in sei­nem Ver­wei­sungs­be­schluss in­halt­lich aus­ein­an­der­zu­set­zen oder sie dort über­haupt nur zu er­wäh­nen (KG, Beschl. v. 16.11.2020 – 2 AR 1053/20, ju­ris Rn. 13). Ei­ne Ent­schei­dung, die von ei­ner ganz über­wie­gend ver­tre­te­nen Auf­fas­sung ab­weicht, ist (nur) dann nicht will­kür­lich, wenn die ent­spre­chen­de Ent­schei­dung aus­rei­chend be­grün­det wird, ins­be­son­de­re ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ar­gu­men­ten der herr­schen­den Auf­fas­sung statt­fin­det und Ge­gen­ar­gu­men­te an­ge­führt wer­den (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 21.04.2021 – I-8 AR 11/21, ju­ris Rn. 22).

Ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit den Um­stän­den des Falls oder ein be­grün­de­tes Ab­wei­chen von der herr­schen­den Auf­fas­sung ist hier je­doch nicht im An­satz er­folgt. Die blo­ße Be­haup­tung in dem Ver­wei­sungs­be­schluss, der Klä­ger sei nicht zu­rück­ge­tre­ten, ist als Be­grün­dung der­art un­zu­rei­chend, dass der Be­schluss ins­ge­samt nicht mehr nach­voll­zieh­bar ist. Selbst wenn man die An­nah­me des AG Schwar­zen­bek, der Klä­ger sei nicht zu­rück­ge­tre­ten, als noch ver­tret­bar an­se­hen wür­de, hät­te sich das Amts­ge­richt zwin­gend mit der Fra­ge aus­ein­an­der­set­zen müs­sen, ob nicht § 29 I ZPO auch für die im vor­lie­gen­den Fall er­folg­te Rück­ab­wick­lung An­wen­dung fin­det. Von ei­ner Rück­ab­wick­lung ging das ver­wei­sen­de Amts­ge­richt aus­weis­lich des Ver­wei­sungs­be­schlus­ses schließ­lich selbst aus. Auch auf die hier vor­lie­gen­de Rück­ab­wick­lung, zu der sich die Be­klag­te „aus Ku­lanz“ be­reit er­klärt hat, fin­det § 29 I ZPO – wie oben be­reits dar­ge­legt – An­wen­dung, weil § 29 I ZPO bei Rück­ab­wick­lun­gen gleich wel­cher Art greift. Da­mit hät­te sich das Amts­ge­richt zu­min­dest be­schäf­ti­gen müs­sen. Oh­ne die­se Aus­ein­an­der­set­zung ist die Ent­schei­dung un­ter kei­nem Ge­sichts­punkt mehr nach­voll­zieh­bar, so­dass sie kei­ne Bin­dungs­wir­kung ent­fal­tet.

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