Archiv: 2021
Ein Gericht verletzt den Anspruch einer Prozesspartei auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG), wenn es – ohne zuvor einen entsprechenden Hinweis zu erteilen – seinem Urteil nicht die in der mündlichen Verhandlung geäußerte, ihr günstige Rechtsauffassung zur Beweislast zugrunde legt. Das gilt auch dann, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung lediglich eine „vorläufige“ Einschätzung geäußert hatte. Denn auch in diesem Fall durfte die Partei grundsätzlich auf das Fortbestehen der Rechtsauffassung des Gerichts vertrauen und deshalb von eigenen Beweisangeboten absehen.
BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 25.05.2021 – 2 BvR 1719/16
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Zur Frage, wann der Käufer eines Pkw aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls erwarten darf, dass das als „Vorführwagen“ angebotene Fahrzeug ein bestimmtes Alter nicht überschreitet.
OLG Nürnberg, Urteil vom 25.05.2021 – 3 U 3615/20
(vorangehend: LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 15.10.2020 – 7 O 206/20)
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Zwischen den Parteien eines Kaufvertrags kommt regelmäßig ein Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) zustande, wenn sie vereinbaren, dass die verkaufte und bereits übereignete und bezahlte Sache (hier: ein historischer Ackerschlepper „LANZ Eilbulldog“) einstweilen bei dem Verkäufer verbleibt und der Käufer sie dort später abholt. Eine bloße Gefälligkeit des Verkäufers liegt hinsichtlich der Aufbewahrung der Kaufsache regelmäßig nicht vor.
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Der Verkäufer eines wertvollen historischen Fahrzeugs (hier: eines Ackerschleppers „LANZ Eilbulldog“), das ohne Schlüssel in Gang gesetzt werden kann, verletzt grob fahrlässig die ihn als Verwahrer treffenden Pflichten, wenn er das Fahrzeug über mehrere Tage und Nächte im Freien abstellt, ohne es auch nur irgendwie gegen eine Wegnahme zu sichern. Deshalb kann sich der Verkäufer, wenn das Fahrzeug entwendet wird, einem Anspruch des Käufers auf Schadensersatz nicht mit dem Hinweis darauf entziehen, dass er gemäß § 690 BGB nur für diejenige Sorgfalt einzustehen habe, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflege.
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Das Gericht ist nicht gehindert, den Wert eines historischen Sammlerfahrzeugs (hier: eines Ackerschleppers „LANZ Eilbulldog“) gemäß § 287 ZPO zu schätzen, wenn zwei gerichtlich bestellte Sachverständige trotz im Wesentlichen übereinstimmender gutachterlicher Ausführungen unterschiedliche, sich nicht überschneidende Wertspannen angeben und die Voraussetzungen für die Einholung eines ein weiteren Gutachtens (§ 412 I ZPO) nicht vorliegen. Stehen in einem solchen Fall genauere Erkenntnisquellen ersichtlich nicht zur Verfügung, ist es sachgerecht, jeweils die untersten obersten angegebenen Werte als Extremwerte zu vernachlässigen und im Wege der Schätzung den sich aus der so gewonnenen neuen Wertspanne ergebenden Mittelwert als Wert festzusetzen.
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Bewertungen von Sammlerfahrzeugen („Oldtimern“) durch private kommerzielle Unternehmen sind den Ausführungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen allenfalls dann vorzuziehen, wenn sie sich nachvollziehbar und für den Einzelfall erheblich auf andere – insbesondere bessere – Erkenntnisquellen stützen als der Sachverständige.
OLG Braunschweig, Urteil vom 20.05.2021 – 9 U 8/20
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Ein bei Gefahrübergang vorliegender, dem Alter, der Laufleistung und der Qualitätsstufe entsprechender – „normaler“, nicht ungewöhnlicher oder atypischer – Verschleiß, der die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt, ist bei einem für den Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeug kein Sachmangel. Das gilt auch dann, wenn sich daraus in absehbarer Zeit, insbesondere bei der durch Gebrauch und Zeitablauf zu erwartenden weiteren Abnutzung, ein Erneuerungsbedarf ergibt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 150/18, juris Rn. 22 f.).
AG Recklinghausen, Urteil vom 18.05.2021 – 16 C 130/19
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Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist dieser Vertrag nicht einheitlich dort rückabzuwickeln, wo sich das Fahrzeug vertragsgemäß befindet. Erfüllungsort der die Bank treffenden Rückgewährpflicht ist vielmehr der Sitz der Bank. Dieser steht ohnehin so lange ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug von dem – vorleistungspflichtigen – Verbraucher zurückerhalten hat.
OLG Stuttgart, Urteil vom 04.05.2021 – 6 U 769/20
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Zur sekundären Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei dem beklagten Fahrzeughersteller getroffen und ob der Vorstand hiervon Kenntnis hatte.
BGH, Urteil vom 04.05.2021 – VI ZR 81/20
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Der Schaden, den der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs erlitten hat, entfällt nicht dadurch, dass er das Fahrzeug weiterveräußert. Denn dieser Schaden liegt im Abschluss des ungewollten Kaufvertrags über das Fahrzeug; er wird durch dessen Veräußerung allenfalls zum Teil kompensiert.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.2021 – 17 U 31/20
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- Dass beide Parteien eines Kaufvertrags (hier: über eine gebrauchte Motoryacht) von einem sehr guten Wartungszustand der Kaufsache ausgehen, begründet jedenfalls dann keine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB, wenn der Verkäufer dem Käufer – hier: durch Übergabe der Rechnungen – offenlegt, welche Wartungsarbeiten in der Vergangenheit im Einzelnen durchgeführt worden sind, und keine Partei beurteilen kann, ob in Gestalt dieser Wartungsarbeiten alles Erforderliche unternommen worden ist und sämtliche Wartungsintervalle eingehalten worden sind. Denn in einem solchen Fall will der Verkäufer ersichtlich nicht dafür einstehen, dass alle jeweils erforderlichen Wartungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden sind.
- Ein neben einer Beschaffenheitsvereinbarung vereinbarter Gewährleistungsausschluss ist dahin auszulegen, dass er nicht für einen Mangel i. S. von § 434 I 1 BGB, sondern nur für Mängel i. S. von § 434 I 2 BGB gelten soll (im Anschluss an BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VIII ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 22 m. w. Nachw.). Denn würde sich der Gewährleistungsausschluss auch auf das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit erstrecken, wäre die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer ohne Sinn und Wert.
LG Flensburg, Urteil vom 30.04.2021 – 2 O 19/20
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Die Volkswagen AG schuldet dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neu- oder Gebrauchtwagens auch dann noch gemäß §§ 826, 31 BGB Schadensersatz, wenn dieser Anspruch nach §§ 195, 199 I BGB verjährt ist. Das ergibt sich aus § 852 Satz 1 BGB, der nicht zugunsten der Volkswagen AG teleologisch zu reduzieren ist (im Anschluss an OLG Oldenburg, Urt. v. 02.03.2021 – 12 U 161/20, BeckRS 2021, 3326 Rn. 32 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 09.03.2021 – 10 U 339/20, BeckRS 2021, 5075 Rn. 52).
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Nach § 852 Satz 1 BGB ist der Ersatzpflichtige, der durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt zehn Jahre nach seiner Entstehung (§ 852 Satz 2 BGB).
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§ 852 Satz 1 BGB lässt den deliktischen Charakter des Anspruchs (hier: aus § 826 BGB) unberührt. Die Vorschrift enthält keine Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812 ff. BGB, sondern eine bloße Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 818 ff. BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86 = NJW 1978, 1377, 1379 f. – Fahrradgepäckträger II).
LG Trier, Urteil vom 28.04.2021 – 5 O 545/20
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- Ein Kraftfahrzeug – hier: ein Audi Q7 3.0 TDI –, das bei seiner Herstellung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen wurde, ist mangelhaft, weil wegen der Gefahr einer behördlichen Betriebbeschränkung oder -untersagung (§ 5 I FZV) sein weiterer (ungestörter) Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist und sich das Fahrzeug daher nicht für die gewöhnliche Verwendung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB eignet (vgl. BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.).
- Dass ein Fahrzeughersteller – hier: die AUDI AG – bewusst „serienmäßig“ mit einem Sachmangel versehene Fahrzeuge in den Verkehr bringt, ist jedenfalls dann sittenwidrig i. S. von § 826 BGB, wenn die Mangelhaftigkeit evident ist. Das ist der Fall, wenn die Verwendung der Abschalteinrichtung ganz offensichtlich nicht gemäß Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässig ist.
LG Berlin, Urteil vom 23.04.2021 – 3 O 550/20
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