Wird ei­ne Be­ru­fung aus­schließ­lich auf neu­es Vor­brin­gen ge­stützt, kann sie oh­ne Wei­te­res durch Be­schluss ver­wor­fen wer­den, wenn die Be­ru­fungs­be­grün­dung kei­ne An­ga­ben zu den Tat­sa­chen ent­hält, die ei­ne Zu­las­sung des neu­en Vor­brin­gens nach § 531 II ZPO recht­fer­ti­gen. Dass das Vor­brin­gen zu­zu­las­sen wä­re, wenn es sich im Ver­lauf des Be­ru­fungs­ver­fah­rens als un­strei­tig er­wie­se, steht dem nicht ent­ge­gen (im An­schluss an BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465).

BGH, Be­schluss vom 12.10.2021 – VI ZB 76/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz im Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb ei­nes ge­brauch­ten Pkw Au­di A6 2.0 TDI. Die­ses Fahr­zeug, das mit ei­nem von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten Mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet ist, er­warb der Klä­ger am 05.08.2017 von ei­nem Drit­ten. Der EA189-Mo­tor ent­hielt ei­ne Soft­ware, die er­kann­te, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Rol­len­prüf­stand be­trie­ben wur­de, um un­ter ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen „La­bor­be­din­gun­gen“ sei­ne Schad­stoff­emis­sio­nen im Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) zu mes­sen. Die Ver­wen­dung die­ser – für die Zu­las­sungs­fä­hig­keit des Pkw re­le­van­ten – Soft­ware hat­te die Be­klag­te we­der im Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren noch bei der Be­wer­bung des Fahr­zeugs am Markt of­fen­ge­legt. Mit Be­stä­ti­gung vom 27.05.2016 hat­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ein Soft­ware­up­date für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ frei­ge­ge­ben, das der Vor­be­sit­zer und Ver­käu­fer des hier in­ter­es­sie­ren­den Pkw schon vor dem Ver­kauf des Fahr­zeugs an den Klä­ger hat­te in­stal­lie­ren las­sen.

Erst­in­stanz­lich hat der Klä­ger die gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­sprü­che mit der Be­grün­dung auf § 826 BGB und § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB ge­stützt, er sei dar­über ge­täuscht wor­den, dass durch das Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates die Män­gel des Fahr­zeugs be­ho­ben wor­den sei­en. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, der Klä­ger ha­be bei sei­ner An­hö­rung ent­ge­gen dem schrift­sätz­li­chen Vor­trag er­klärt, dass er im Zeit­punkt des Fahr­zeug­kaufs kei­ne Kennt­nis vom „Die­selskan­dal“ ge­habt ha­be und nicht wis­se, ob vor dem Kauf ein Soft­ware­up­date statt­ge­fun­den ha­be. Es feh­le so­mit an ei­ner Täu­schung und an der haf­tungs­be­grün­den­den Kau­sa­li­tät.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat der Klä­ger Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se auch frist­ge­recht be­grün­det. Mit dem an­ge­foch­te­nen Be­schluss hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Be­ru­fung – nach ei­nem Hin­weis an den Klä­ger – als un­zu­läs­sig ver­wor­fen, da die Be­ru­fungs­be­grün­dung nicht den Er­for­der­nis­sen des § 520 III 2 Nr. 2 bis 4 ZPO ent­spre­che. Sie las­se jeg­li­chen Be­zug zur an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung ver­mis­sen. Die Um­stän­de, aus de­nen sich die Rechts­ver­let­zung und de­ren Er­heb­lich­keit für die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­gä­ben, sei­en eben­so we­nig be­zeich­net wie kon­kre­te An­halts­punk­te, die Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der Tat­sa­chen­fest­stel­lung im an­ge­foch­te­nen Ur­teil be­grün­de­ten, und wie neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel so­wie die Tat­sa­chen, auf­grund de­rer die neu­en An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel nach § 531 II ZPO zu­zu­las­sen wä­ren.

Die da­ge­gen ge­rich­te­te Rechts­be­schwer­de des Klä­gers hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: [3]    II. Die Rechts­be­schwer­de ist ge­mäß § 574 I 1 Nr. 1, § 522 I 4 ZPO statt­haft und ge­nügt den ge­setz­li­chen Frist- und For­mer­for­der­nis­sen. Sie ist aber un­zu­läs­sig, weil die Vor­aus­set­zun­gen des § 574 II ZPO, die auch bei ei­ner Rechts­be­schwer­de ge­gen ei­nen die Be­ru­fung als un­zu­läs­sig ver­wer­fen­den Be­schluss ge­wahrt sein müs­sen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.01.2010 – I ZB 97/08, ju­ris Rn. 5; Beschl. v. 14.04.2020 – VI­II ZB 27/19, ju­ris Rn. 1; je­weils m. w. Nachw.), nicht er­füllt sind. Ins­be­son­de­re ist ei­ne Ent­schei­dung des Rechts­be­schwer­de­ge­richts zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung (§ 574 II Nr. 2 ZPO) nicht er­for­der­lich.

[4]    1. Nach § 520 III 2 Nr. 2 ZPO muss die Be­ru­fungs­be­grün­dung die Um­stän­de be­zeich­nen, aus de­nen sich nach An­sicht des Be­ru­fungs­klä­gers die Rechts­ver­let­zung und de­ren Er­heb­lich­keit für die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­ge­ben. Zur Dar­le­gung der Rechts­ver­let­zung ge­hört die aus sich her­aus ver­ständ­li­che An­ga­be, wel­che be­stimm­ten Punk­te des an­ge­foch­te­nen Ur­teils der Be­ru­fungs­klä­ger be­kämpft und wel­che Grün­de er ih­nen ent­ge­gen­setzt. Er­for­der­lich und aus­rei­chend ist die Mit­tei­lung der Um­stän­de, die aus der Sicht des Be­ru­fungs­klä­gers den Be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ge­fähr­den; die Vor­schrift stellt kei­ne be­son­de­ren for­ma­len An­for­de­run­gen hier­für auf. Für die Zu­läs­sig­keit der Be­ru­fung ist auch oh­ne Be­deu­tung, ob die Aus­füh­run­gen in sich schlüs­sig oder recht­lich halt­bar sind. Zur Be­zeich­nung des Um­stands, aus dem sich die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Ver­let­zung ma­te­ri­el­len Rechts er­gibt, ge­nügt re­gel­mä­ßig die Dar­le­gung ei­ner Rechts­an­sicht, die dem Be­ru­fungs­klä­ger zu­fol­ge zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis als dem des an­ge­foch­te­nen Ur­teils führt. Die Be­ru­fungs­be­grün­dung muss aber auf den kon­kre­ten Streit­fall zu­ge­schnit­ten sein. Es reicht nicht aus, die Auf­fas­sung des Erst­ge­richts mit for­mu­lar­mä­ßi­gen Sät­zen oder all­ge­mei­nen Re­de­wen­dun­gen zu rü­gen oder le­dig­lich auf das Vor­brin­gen in ers­ter In­stanz zu ver­wei­sen. Da­bei ist aber stets zu be­ach­ten, dass for­mel­le An­for­de­run­gen an die Ein­le­gung ei­nes Rechts­mit­tels im Zi­vil­pro­zess nicht wei­ter ge­hen dür­fen, als es durch ih­ren Zweck ge­bo­ten ist (st. Rspr.; vgl. nur Se­nat, Beschl. v. 08.06.2021 – VI ZB 22/20, WM 2021, 1354 Rn. 6 m. w. Nachw.).

[5]    2. Die­sen An­for­de­run­gen wird die Be­ru­fungs­be­grün­dung des Klä­gers nicht ge­recht.

[6]    a) So­weit die Rechts­be­schwer­de gel­tend macht, dass der Klä­ger in sei­ner Be­ru­fungs­be­grün­dung vor­ge­tra­gen ha­be, dass die Be­klag­te in ei­nem an­de­ren Rechts­streit vor dem LG Stutt­gart zu­ge­stan­den ha­be, dass nach dem er­folg­ten Soft­ware­up­date ein so­ge­nann­tes Ther­mo­fens­ter exis­tie­re, das – so der Klä­ger – ge­mes­sen an Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung dar­stel­le, und des­halb die Scha­dens­er­satz­an­sprü­che auch auf § 823 II BGB i. V. mit Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu stüt­zen sei­en, ge­nügt die­se Be­grün­dung nicht den An­for­de­run­gen des § 520 III 2 ZPO. Die Rechts­be­schwer­de räumt selbst ein, dass es sich bei die­sem Vor­trag um neu­en Sach­vor­trag in der Be­ru­fungs­in­stanz han­delt. Nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung kann zwar ei­ne Ab­än­de­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils auch aus­schließ­lich mit neu­en An­griffs- oder Ver­tei­di­gungs­mit­teln be­grün­det wer­den und be­darf es in ei­nem sol­chen Fall auch kei­ner Aus­ein­an­der­set­zung mit den Grün­den des an­ge­foch­te­nen Ur­teils (vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.03.2007 – VI­II ZB 123/06, NJW-RR 2007, 934 Rn. 8). Dies macht es aber nicht ent­behr­lich, in der Be­ru­fungs­be­grün­dung ge­mäß § 520 III 2 Nr. 4 ZPO die Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, auf­grund de­rer das neue Vor­brin­gen nach An­sicht des Be­ru­fungs­füh­rers zu­zu­las­sen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465 Rn. 8 m. w. Nachw.). An die­sem Vor­brin­gen in der Be­ru­fungs­be­grün­dung fehlt es je­doch. Erst mit sei­ner Stel­lung­nah­me zum Hin­weis des Be­ru­fungs­ge­richts auf die be­ab­sich­ti­ge Ver­wer­fung der Be­ru­fung nach Ab­lauf der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­frist hat der Klä­ger dar­ge­tan, dass er zur Schaf­fung ei­ner il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung in Ge­stalt ei­nes Ther­mo­fens­ters durch Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates nicht frü­her ha­be vor­tra­gen kön­nen, weil die Ein­las­sung der Be­klag­ten in ei­nem Ver­fah­ren vor dem LG Stutt­gart erst im Jah­re 2019 er­folgt sei.

[7]    So­weit die Rechts­be­schwer­de wei­ter gel­tend macht, ent­spre­chen­der Sach­vor­trag feh­le nicht, da es sich bei voll­stän­di­ger Wür­di­gung des Sach­ver­halts um un­strei­ti­gen Sach­ver­halt hand­le, ins­be­son­de­re weil sich die Be­klag­te in Wi­der­spruch zu Sach­vor­trag in an­de­ren Rechts­strei­tig­kei­ten set­zen wür­de, der Klä­ger sei­ne An­sprü­che al­so auf ei­nen nach sei­nen Dar­le­gun­gen un­strei­ti­gen Sach­vor­trag stüt­ze, ver­kennt sie in­so­weit die Grund­sät­ze der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung. Dass im Be­ru­fungs­rechts­zug nicht (mehr) be­strit­te­ne oder un­strei­tig ge­stell­te Tat­sa­chen nach der Recht­spre­chung des BGH nicht als neue An­griffs- oder Ver­tei­di­gungs­mit­tel i. S. von § 531 II ZPO be­han­delt wer­den und da­mit der Präk­lu­si­on ent­zo­gen sind (vgl. grund­le­gend BGH, Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10 ff. m. w. Nachw.), macht es nicht ent­behr­lich, in der Be­ru­fungs­be­grün­dung ge­mäß § 520 III 2 Nr. 4 ZPO die Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, auf­grund de­rer das neue Vor­brin­gen nach An­sicht des Be­ru­fungs­füh­rers zu­zu­las­sen ist. Im Rah­men der Zu­läs­sig­keits­prü­fung ist da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich bei neu­em tat­säch­li­chen Vor­brin­gen des Rechts­mit­tel­füh­rers, mit dem das erst­in­stanz­li­che Ur­teil zu Fall ge­bracht wer­den soll, um ein neu­es An­griffs­mit­tel i. S. von § 531 II ZPO han­delt. Wird die Be­ru­fung aus­schließ­lich hier­auf ge­stützt, sind des­halb die in § 520 III 2 Nr. 4 ZPO ge­nann­ten An­ga­ben er­for­der­lich. Feh­len die­se, kann die Be­ru­fung oh­ne Wei­te­res nach § 522 I ZPO zu­rück­ge­wie­sen wer­den. Dass das neue Vor­brin­gen kein neu­es An­griffs­mit­tel (mehr) wä­re, wenn es von der Ge­gen­sei­te nicht be­strit­ten wird, ist in die­sem Ver­fah­rens­sta­di­um nicht re­le­vant (BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465 Rn. 8 f.). Das Ge­richt ist auch nicht ge­hal­ten, ei­ne münd­li­che Ver­hand­lung an­zu­be­rau­men. Der Be­ru­fungs­klä­ger hat kei­nen An­spruch dar­auf, dass al­lein we­gen der – meist oh­ne­hin nur theo­re­ti­schen – Mög­lich­keit, dass das neue Vor­brin­gen im Ver­lauf des Be­ru­fungs­rechts­zu­ges un­strei­tig wird, von der in § 522 I ZPO vor­ge­se­he­nen Mög­lich­keit ei­ner Ver­wer­fung der Be­ru­fung durch Be­schluss ab­ge­se­hen wird (BGH, Beschl. v. 09.10.2014 – V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465 Rn. 10).

[8]    An ent­spre­chen­dem Vor­trag des Klä­gers fehlt es hier. Den vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen und von ihm in Be­zug ge­nom­me­nen Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts kann un­strei­ti­ger Vor­trag in­so­weit auch nicht ent­nom­men wer­den. Die Rechts­be­schwer­de­er­wi­de­rung weist im Üb­ri­gen zu­tref­fend dar­auf hin, dass die Be­klag­te be­reits erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen ha­be, dass das Fahr­zeug je­den­falls nach Durch­füh­rung des Up­dates den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten ent­spro­chen ha­be und das Up­date auch durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt frei­ge­ge­ben wor­den sei. Dies dürf­te als Be­strei­ten ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­stan­den wer­den kön­nen.

[9]    b) Die Rechts­be­schwer­de macht fer­ner gel­tend, der Klä­ger ha­be sich in der Be­ru­fungs­be­grün­dung – dort im Rah­men sei­ner Aus­füh­run­gen zu ei­nem An­spruch aus § 823 II BGB, § 263 StGB – auch dar­auf be­ru­fen, dass die Be­klag­te durch Un­ter­las­sen ge­täuscht ha­be. Die­se Be­grün­dung ge­nüg­te aber eben­falls nicht den An­for­de­run­gen des § 520 III 2 ZPO. Die dor­ti­gen Aus­füh­run­gen ein­schließ­lich der in ei­ner län­ge­ren Pas­sa­ge zi­tier­ten Ent­schei­dung ei­nes an­de­ren Land­ge­richts be­zie­hen sich – wie im Üb­ri­gen auch wei­te­re nicht auf den vor­lie­gen­den Fall be­zo­ge­ne Ver­satz­stü­cke aus an­de­ren Ver­fah­ren in der Be­ru­fungs­be­grün­dung – auf den Kauf ei­nes Fahr­zeugs der Be­klag­ten mit ei­nem EA189-Mo­tor vor Be­kannt­wer­den des Die­selskan­dals. Sie ste­hen in kei­nem dar­ge­leg­ten Zu­sam­men­hang mit dem der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt, in dem ein Fahr­zeug nach Be­kannt­wer­den des Die­selskan­dals und nach ei­ner be­reits beim Vor­ei­gen­tü­mer er­folg­ten Nach­rüs­tung mit ei­nem Soft­ware­up­date er­wor­ben wor­den ist.

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