1. Die An­nah­me gro­ber Fahr­läs­sig­keit (§ 199 I Nr. 2 BGB) setzt im Zu­sam­men­hang mit dem so­ge­nann­ten Die­selskan­dal zu­min­dest in ei­nem ers­ten Schritt die Fest­stel­lung vor­aus, dass der ge­schä­dig­te Fahr­zeu­ger­wer­ber von dem so­ge­nann­ten Die­selskan­dal Kennt­nis er­langt hat.
  2. Die Hem­mung der Ver­jäh­rung ge­mäß § 204 I Nr. 1a BGB setzt le­dig­lich vor­aus, dass die Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge selbst in­ner­halb der Ver­jäh­rungs­frist er­ho­ben wird. Da­ge­gen kann die An­spruchs­an­mel­dung zum Kla­ge­re­gis­ter – im zeit­li­chen Rah­men des § 608 I ZPO – auch spä­ter er­fol­gen.
  3. Die Be­ru­fung auf den Hem­mungs­tat­be­stand des § 204 I Nr. 1a BGB ver­stößt nicht al­lein des­halb ge­gen Treu und Glau­ben, weil der Gläu­bi­ger sei­nen An­spruch aus­schließ­lich zum Zweck der Ver­jäh­rungs­hem­mung zum Kla­ge­re­gis­ter der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge an­ge­mel­det hat.

BGH, Ur­teil vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb im Sep­tem­ber 2013 in ei­nem Au­to­haus für 22.490 € ei­nen ge­brauch­ten VW Ti­gu­an. Die­ses von der Be­klag­ten her­ge­stell­te Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 (Eu­ro 5) aus­ge­stat­tet.

Am 22.09.2015 er­klär­te die Be­klag­te in ei­ner Ad-hoc-Mit­tei­lung nach § 15 WpHG a.F., dass bei welt­weit rund elf Mil­lio­nen Fahr­zeu­gen mit EA189-Mo­to­ren auf­fäl­li­ge Ab­wei­chun­gen zwi­schen den auf dem Prüf­stand ge­mes­se­nen Schad­stoff­emis­sio­nen und den im rea­len Fahr­zeug­be­trieb emit­tier­ten Schad­stof­fen fest­ge­stell­ten wor­den sei­en. An­fang Ok­to­ber 2015 rich­te­te die Be­klag­te ei­ne In­ter­net­platt­form ein, auf der Fahr­zeug­hal­ter er­mit­teln konn­ten, ob ihr kon­kre­tes Fahr­zeug vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist.

Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt kam mit Be­scheid vom 15.10.2015 zu dem Er­geb­nis, dass die Mo­to­ren der Bau­rei­he EA189 mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. von Art. 5 II der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 aus­ge­rüs­tet sei­en. Es gab der Be­klag­ten auf, im Rah­men ei­nes Rück­rufs des be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge die­se Ab­schalt­ein­rich­tung zu ent­fer­nen und ge­eig­ne­ter Maß­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung der Vor­schrifts­mä­ßig­keit der Fahr­zeu­ge zu er­grei­fen. Die Be­klag­te in­for­mier­te die Öf­fent­lich­keit mit Pres­se­mit­tei­lun­gen vom 15.10., vom 25.11. und vom 10. und 16.12.2015 über tech­ni­sche Lö­sun­gen, mit de­ren Um­set­zung ab Ja­nu­ar 2016 be­gon­nen wer­de, und teil­te mit, dass die be­trof­fe­nen Fahr­zeug­hal­ter an­ge­schrie­ben und über die wei­te­ren Schrit­te in­for­miert wür­den. Die Me­di­en be­rich­te­ten um­fang­reich über die ge­nann­ten Ge­scheh­nis­se.

Am 17.09.2019 ver­äu­ßer­te der Klä­ger sein Fahr­zeug zum Preis von 10.000 € wei­ter.

Der Klä­ger be­haup­tet, er ha­be sich im De­zem­ber 2018 zum Kla­ge­re­gis­ter zu ei­ner ge­gen die Be­klag­te ge­führ­ten Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge an­ge­mel­det und die An­mel­dung im Ju­ni 2019 wie­der zu­rück­ge­nom­men. Mit sei­ner im Ju­li 2019 ein­ge­reich­ten Kla­ge hat er die Be­klag­te zu­letzt auf Er­satz des Kauf­prei­ses nebst De­likts- und Pro­zess­zin­sen, Zug um Zug ge­gen Zah­lung ei­nes Wert­er­sat­zes von höchs­tens 10.000 € (statt Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw), in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat der Klä­ger die Fest­stel­lung be­gehrt, dass ihm die Be­klag­te wei­te­re Schä­den er­set­zen müs­se, und er hat den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten ver­langt. Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, und un­ter an­de­rem die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Die Kla­ge ist in den Vor­in­stan­zen oh­ne Er­folg ge­blie­ben. Auf die Re­vi­si­on des Klä­gers, der da­mit sein Be­geh­ren wei­ter­ver­folg­te, wur­de das Ur­teil des Ber­fungs­ge­richts (OLG Naum­burg, Urt. v. 25.06.2020 – 8 U 34/20, BeckRS 2020, 30657) auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [7]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sei­ne … Ent­schei­dung da­mit be­grün­det, dass ein et­wai­ger An­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB ge­mäß §§ 195, 199 I BGB mit Ab­lauf des Jah­res 2018 ver­jährt sei.

[8]    Zur Fra­ge des Ver­jäh­rungs­be­ginns hat das Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­führt, dass ei­ne auch En­de des Jah­res 2015 noch be­ste­hen­de Un­kennt­nis des Klä­gers von den nach § 826 BGB an­spruchs­be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners auf gro­ber Fahr­läs­sig­keit be­ru­hen wür­de. Be­reits im letz­ten Quar­tal des Jah­res 2015 sei­en al­le Um­stän­de in der Öf­fent­lich­keit be­kannt ge­wor­den, die dem Klä­ger die not­wen­di­ge Kennt­nis von der be­wuss­ten Ma­ni­pu­la­ti­on von Die­sel­mo­to­ren durch die Be­klag­te und der da­mit ver­bun­de­nen Ge­fahr ei­ner Be­triebs­still­le­gung hät­ten ver­mit­teln kön­nen. Bei die­ser Sach­la­ge ha­be es sich dem Klä­ger ge­ra­de­zu auf­drän­gen müs­sen, dass auch sein Fahr­zeug be­trof­fen sein konn­te, und er ha­be un­schwer ent­spre­chen­de Er­kun­di­gun­gen ein­ho­len kön­nen. Auf ei­ne ent­spre­chen­de In­for­ma­ti­on durch die Be­klag­te oder den Händ­ler ha­be er sich nicht ver­las­sen dür­fen. Der Ver­jäh­rungs­be­ginn zum En­de des Jah­res 2015 sei nicht we­gen Un­zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung hin­aus­ge­scho­ben ge­we­sen.

[9]    Die Ver­jäh­rung sei auch nicht ge­mäß § 204 I Nr. 1a BGB durch Bei­tritt zur Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ge­hemmt wor­den. Der Klä­ger ha­be trotz ei­nes ge­richt­li­chen Hin­wei­ses kei­ne Be­stä­ti­gung des Bun­des­amts für Jus­tiz für ei­ne An­mel­dung noch im Jah­re 2018 vor­ge­legt. Ei­ne spä­te­re An­mel­dung ha­be kei­ne rück­wir­ken­de Ver­jäh­rungs­hem­mung be­wir­ken kön­nen. Im Üb­ri­gen wä­re, so das Be­ru­fungs­ge­richt wei­ter, selbst ei­ne recht­zei­ti­ge An­mel­dung rechts­miss­bräuch­lich ge­we­sen, da der Klä­ger nicht in Ab­re­de stel­le, dass die An­mel­dung von vorn­her­ein nur er­folgt sei, um nach ih­rer Rück­nah­me auch noch im Jahr 2019 In­di­vi­dual­kla­ge er­he­ben zu kön­nen.

[10]   II. Die­se Er­wä­gun­gen hal­ten der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann die Kla­ge nach den bis­lang ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht we­gen Ver­jäh­rung ab­ge­wie­sen wer­den.

[11]   1. Mit Er­folg wen­det sich die Re­vi­si­on be­reits ge­gen die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist ha­be mit dem Schluss des Jah­res 2015 be­gon­nen. Auf der Grund­la­ge der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen lässt sich dem Klä­ger kei­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit i. S. des § 199 I Nr. 2 Fall 2 BGB vor­wer­fen.

[12]   a) Ge­mäß § 195 BGB be­trägt die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist drei Jah­re. Sie be­ginnt ge­mäß § 199 I BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist (§ 199 I Nr. 1 BGB) und der Gläu­bi­ger von den den An­spruch be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit er­lan­gen müss­te (§ 199 I Nr. 2 BGB).

[13]   b) Zwar un­ter­liegt die tatrich­ter­li­che Be­ur­tei­lung, ob ei­ner Par­tei der Vor­wurf grob fahr­läs­si­ger Un­kennt­nis zu ma­chen ist, der Nach­prü­fung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt nur da­hin, ob der Streitstoff um­fas­send, wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­stoß ge­gen Denk- und Er­fah­rungs­sät­ze ge­wür­digt wor­den ist und ob der Tatrich­ter den Be­griff der gro­ben Fahr­läs­sig­keit ver­kannt oder bei der Be­ur­tei­lung des Gra­des der Fahr­läs­sig­keit we­sent­li­che Um­stän­de au­ßer Be­tracht ge­las­sen hat (vgl. zu­letzt et­wa Se­nat, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 16 m. w. Nachw.). Auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ses ein­ge­schränk­ten Prü­fungs­maß­stabs ist die Wür­di­gung des Be­ru­fungs­ge­richts aber rechts­feh­ler­haft.

[14]   c) Gro­be Fahr­läs­sig­keit setzt ei­nen ob­jek­tiv schwe­ren und sub­jek­tiv nicht ent­schuld­ba­ren Ver­stoß ge­gen die An­for­de­run­gen der im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt vor­aus. Grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis liegt dann vor, wenn dem Gläu­bi­ger die Kennt­nis fehlt, weil er die im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt in un­ge­wöhn­lich gro­bem Ma­ße ver­letzt und auch ganz na­he­lie­gen­de Über­le­gun­gen nicht an­ge­stellt oder das nicht be­ach­tet hat, was je­dem hät­te ein­leuch­ten müs­sen. Ihm muss per­sön­lich ein schwe­rer Ob­lie­gen­heits­ver­stoß in sei­ner ei­ge­nen An­ge­le­gen­heit der An­spruchs­ver­fol­gung vor­ge­wor­fen wer­den kön­nen (Se­nat, Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 19).

[15]   Da­bei be­zieht sich die grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis eben­so wie die Kennt­nis auf Tat­sa­chen, auf al­le Merk­ma­le der An­spruchs­grund­la­ge und bei der Ver­schul­dens­haf­tung auf das Ver­tre­ten­müs­sen des Schuld­ners, wo­bei es auf ei­ne zu­tref­fen­de recht­li­che Wür­di­gung nicht an­kommt. Aus­rei­chend ist, wenn dem Gläu­bi­ger auf­grund der ihm grob fahr­läs­sig un­be­kannt ge­blie­be­nen Tat­sa­chen hät­te zu­ge­mu­tet wer­den kön­nen, zur Durch­set­zung sei­ner An­sprü­che ge­gen ei­ne be­stimm­te Per­son aus­sichts­reich, wenn auch nicht ri­si­ko­los Kla­ge – sei es auch nur in Form ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge – zu er­he­ben (Se­nat, Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 20 m. w. Nachw.).

[16]   Den Ge­schä­dig­ten trifft da­bei im All­ge­mei­nen we­der ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht, noch be­steht für ihn ei­ne ge­ne­rel­le Ob­lie­gen­heit, im In­ter­es­se des Schä­di­gers an ei­nem mög­lichst früh­zei­ti­gen Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist In­itia­ti­ve zur Klä­rung von Scha­dens­her­gang oder Per­son des Schä­di­gers zu ent­fal­ten. Für die Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Gläu­bi­ger zur Ver­mei­dung der gro­ben Fahr­läs­sig­keit zu ei­ner ak­ti­ven Er­mitt­lung ge­hal­ten ist, kommt es viel­mehr auf die Um­stän­de des Ein­zel­falls an (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 21 f.; BGH, Urt. v. 15.03.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34; je­weils m. w. Nachw.).

[17]   d) Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für Be­ginn und Ab­lauf der Ver­jäh­rung und da­mit für die Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis des Gläu­bi­gers ge­mäß § 199 I Nr. 2 BGB trägt der Schuld­ner. So­weit es um Um­stän­de aus der Sphä­re des Gläu­bi­gers geht, hat die­ser aber an der Sach­auf­klä­rung mit­zu­wir­ken und er­for­der­li­chen­falls dar­zu­le­gen, was er zur Er­mitt­lung der Vor­aus­set­zun­gen sei­ner An­sprü­che und der Per­son des Schuld­ners ge­tan hat (vgl. BGH, Ver­säum­nis­urt. v. 17.06.2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 12; Urt. v. 03.06.2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 25 m. w. Nachw.).

[18]   e) Nach die­sen Grund­sät­zen durf­te das Be­ru­fungs­ge­richt nicht oh­ne Wei­te­res von der fest­ge­stell­ten Öf­fent­lich­keits­ar­beit der Be­klag­ten und des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes so­wie der sich hier­an an­schlie­ßen­den um­fang­rei­chen Me­di­en­be­richt­er­stat­tung über den so­ge­nann­ten Die­selskan­dal auf ei­ne grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis des Klä­gers i. S. des § 199 I Nr. 2 Fall 2 BGB schlie­ßen. Da­zu hät­te es zu­min­dest in ei­nem ers­ten Schritt noch der er­gän­zen­den Fest­stel­lung be­durft, dass der Klä­ger die­se Be­richt­er­stat­tung wahr­ge­nom­men und da­mit all­ge­mein vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal Kennt­nis er­langt hat. Oh­ne die­sen Zwi­schen­schritt knüpft der Vor­wurf der gro­ben Fahr­läs­sig­keit letzt­lich an die un­ter­blie­be­ne Kennt­nis­nah­me des Klä­gers von der Me­di­en­be­richt­er­stat­tung über den so­ge­nann­ten Die­selskan­dal an; dem Klä­ger wird mit an­de­ren Wor­ten das Un­ter­las­sen ei­nes we­nigs­tens ge­le­gent­li­chen Nach­rich­ten- und Me­di­en­kon­sums zum Vor­wurf ge­macht. Dies ist rechts­feh­ler­haft, denn nie­mand ist von Rechts we­gen ge­hal­ten, im Ver­jäh­rungs­in­ter­es­se et­wai­ger de­lik­ti­scher Schuld­ner ge­ne­rell die Me­di­en zu ver­fol­gen (vgl. KG, Urt. v. 01.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, ju­ris Rn. 27; Münch­Komm-BGB/​Gro­the, 8. Aufl., § 199 Rn. 31).

[19]   Zwar mag es na­he­lie­gen, dass der Klä­ger all­ge­mein vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal Kennt­nis ge­nom­men hat. Dies fest­zu­stel­len ist je­doch Sa­che des Tatrich­ters, wo­bei der Se­nat auf die Mit­wir­kungs­pflicht des Gläu­bi­gers (so­eben sub d) und dar­auf hin­weist, dass sich der Tatrich­ter be­wusst sein soll­te, dass ei­ne Über­zeu­gungs­bil­dung i. S. des § 286 I ZPO nicht im­mer ei­ne ma­the­ma­tisch lü­cken­lo­se Ge­wiss­heit vor­aus­setzt (Se­nat, Urt. v. 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339, 346 = ju­ris Rn. 28). Selbst nach dem stren­gen Maß­stab des § 286 ZPO be­darf es kei­nes na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Kau­sa­li­täts­nach­wei­ses und auch kei­ner an Si­cher­heit gren­zen­den Wahr­schein­lich­keit, viel­mehr ge­nügt ein für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­rer Grad von Ge­wiss­heit, der ver­blei­ben­den Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet, oh­ne sie völ­lig aus­zu­schlie­ßen (st. Rspr.; vgl. Se­nat, Urt. v. 01.10.2019 – VI ZR 164/18, NJW 2020, 1072 Rn. 8 m. w. Nachw.).

[20]   f) So­weit die Be­klag­te gel­tend macht, es sei un­strei­tig be­zie­hungs­wei­se nach § 138 III ZPO als zu­ge­stan­den an­zu­se­hen, dass der Klä­ger Kennt­nis vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal hat­te, hat das Be­ru­fungs­ge­richt hier­zu kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Dem Re­vi­si­ons­ge­richt ist es aber ver­wehrt, ent­spre­chen­de Fest­stel­lun­gen zu tref­fen (vgl. nur Se­nat, Urt. v. 16.03.2021 – VI ZR 140/20, VersR 2021, 798 Rn. 17).

[21]   2. Der von der Be­klag­ten er­ho­be­nen Ein­re­de nach § 214 I BGB steht dar­über hin­aus ei­ne Hem­mung der Ver­jäh­rung durch die An­mel­dung des ent­spre­chen­den klä­ge­ri­schen An­spruchs zum Kla­ge­re­gis­ter der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ent­ge­gen. Die Hem­mungs­wir­kung nach § 204 I Nr. 1a BGB tritt im Fal­le ei­nes wirk­sam an­ge­mel­de­ten An­spruchs grund­sätz­lich be­reits mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge und nicht erst mit wirk­sa­mer An­mel­dung des An­spruchs zu de­ren Re­gis­ter ein, auch wenn die An­spruchs­an­mel­dung selbst erst nach Ab­lauf der ur­sprüng­li­chen Ver­jäh­rungs­frist er­folgt. Dem Klä­ger ist es auch nicht nach § 242 BGB ver­wehrt, sich auf die­sen Hem­mungs­tat­be­stand zu be­ru­fen.

[22]   a) Ge­mäß § 204 I Nr. 1a BGB, in Kraft ge­tre­ten am 01.11.2018 (Art. 6, 11 I des Ge­set­zes zur Ein­füh­rung ei­ner zi­vil­pro­zes­sua­len Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge vom 12.07.2018, BGBl. 2018 I 1151), hemmt die Er­he­bung ei­ner Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge (§§ 606 ff. ZPO) die Ver­jäh­rung für ei­nen An­spruch, den ein Gläu­bi­ger zu dem zu der Kla­ge ge­führ­ten Kla­ge­re­gis­ter wirk­sam an­ge­mel­det hat, wenn dem an­ge­mel­de­ten An­spruch der­sel­be Le­bens­sach­ver­halt zu­grun­de liegt wie den Fest­stel­lungs­zie­len der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge.

[23]   b) Im Streit­fall ist man­gels ge­gen­tei­li­ger Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu un­ter­stel­len, dass vor Ab­lauf des Jah­res 2018 ei­ne Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ge­gen die Be­klag­te er­ho­ben wur­de, dass der Klä­ger die nun­mehr streit­ge­gen­ständ­li­chen An­sprü­che wirk­sam zum ent­spre­chen­den Kla­ge­re­gis­ter an­ge­mel­det hat (vgl. § 608 I, II und VI ZPO) und den An­sprü­chen der­sel­be Le­bens­sach­ver­halt zu­grun­de liegt wie den Fest­stel­lungs­zie­len der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen war die Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ge­mäß § 204 I Nr. 1a BGB grund­sätz­lich ge­eig­net, die Ver­jäh­rung der Kla­ge­for­de­rung zu hem­men, und zwar auch dann, wenn – wie vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men – ei­ne An­mel­dung zum Kla­ge­re­gis­ter noch im Jahr 2018 nicht fest­stell­bar ist, was für die re­vi­si­ons­recht­li­che Prü­fung da­her da­hin­ste­hen kann.

[24]   aa) Die Hem­mung der Ver­jäh­rung ge­mäß § 204 I Nr. 1a BGB setzt ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts le­dig­lich vor­aus, dass die Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge selbst in­ner­halb der Ver­jäh­rungs­frist er­ho­ben wird, wäh­rend die An­spruchs­an­mel­dung zum Kla­ge­re­gis­ter im zeit­li­chen Rah­men des § 608 I ZPO auch spä­ter er­fol­gen kann (eben­so OLG Bran­den­burg, Urt. v. 08.03.2021 – 1 U 56/20, ju­ris Rn. 36; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 31.03.2021 – 13 U 354/20, ju­ris Rn. 41; OLG Naum­burg, Urt. v. 01.04.2020 – 12 U 198/19, ju­ris Rn. 70; OLG Schles­wig, Urt. v. 16.07.2020 – 7 U 169/19, BeckRS 2020, 17081 Rn. 55; Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83 ff.; Rö­the­mey­er, Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge, 2. Aufl., § 204 BGB Rn. 2; Boe­se/​Bleck­wenn, in Nord­holtz/​Me­kat, Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge, § 5 Rn. 56 ff.; Rü­sing, NJW 2020, 2588 Rn. 19; Beck­mann/​Waß­muth, WM 2019, 89, 94 f.; Zöl­ler/​Voll­kom­mer, ZPO, 33. Aufl., § 608 Rn. 5; Pe­ters/​Ja­co­by, in: Stau­din­ger, BGB, Neu­be­arb. 2019, § 204 Rn. 48h, Stand: 18.06.2020,; BeckOGK/​Mel­ler-Han­nich, Stand: 01.06.2021, § 204 BGB Rn. 117; Be­ckOK-ZPO/​Lutz, Stand: 01.03.2021, § 608 Rn. 18; Stad­ler, in: Mu­sielak/​Voit, ZPO, 18. Aufl., § 608 Rn. 1; dies., ZHR 2018, 623, 634; Zies­ke/​Mei­er, VersR 2020, 1504, 1509; Ja­ensch, jM 2020, 322, 324; To­la­ni, NJW 2019, 2751, 2753; Heese, JZ 2019, 429, 435; U. Schmidt, WM 2018, 1966, 1970; zwei­felnd Win­dau, jM 2019, 404, 405 ff.; a. A. OLG Mün­chen, Beschl. v. 05.02.2020 – 3 U 7392/19, ju­ris Rn. 5; OLG Stutt­gart, Urt. v. 07.04.2020 – 10 U 455/19, ju­ris Rn. 68 ff.; Münch­Komm-ZPO/​Men­ges, ZPO, 6. Aufl., § 606 Rn. 50 ff.; ten­den­zi­ell auch De­iß/​Graf/​Sal­ger, BB 2018, 2883 ff.). Die­se Aus­le­gung ent­spricht in der Ge­samt­be­trach­tung von Wort­laut, Sys­te­ma­tik, Ent­ste­hungs­ge­schich­te und Zweck des § 204 I Nr. 1a BGB dem in der Norm zum Aus­druck kom­men­den ob­jek­ti­vier­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers (vgl. zur Aus­le­gung von Ge­set­zen et­wa BVerfG, Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10 und 2 BvR 2155/11, BVerfGE 133, 168 Rn. 66).

[25]   (1) Nach dem Wort­laut von § 204 I Nr. 1a BGB wird die Ver­jäh­rung ge­hemmt „durch die Er­he­bung ei­ner Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge“. Die­se zu­nächst ein­deu­tig er­schei­nen­de For­mu­lie­rung gibt al­ler­dings für sich ge­nom­men noch kei­nen zwin­gen­den Hin­weis auf den Wil­len des Ge­setz­ge­bers, weil die Hem­mung nach dem wei­te­ren Norm­text (nur) „für ei­nen An­spruch [greift], den ein Gläu­bi­ger zu dem zu der Kla­ge ge­führ­ten Kla­ge­re­gis­ter wirk­sam an­ge­mel­det hat, wenn dem an­ge­mel­de­ten An­spruch der­sel­be Le­bens­sach­ver­halt zu­grun­de liegt wie den Fest­stel­lungs­zie­len der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge“. Die Ver­wen­dung der voll­ende­ten Ver­gan­gen­heits­form („an­ge­mel­det hat“, „an­ge­mel­de­ter An­spruch“) kann zwar nicht so ver­stan­den wer­den, als ob die An­spruchs­an­mel­dung der Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge vor­an­ge­hen müs­se, da ei­ne sol­che Ab­fol­ge tat­säch­lich gar nicht mög­lich ist (vgl. § 607 I Nr. 6, II, § 608 II Nr. 2 ZPO; Pe­ters/​Ja­co­by, in: Stau­din­ger, a. a. O.,§ 204 Rn. 48b). Sie lässt aber im­mer­hin Raum für die An­nah­me, auch die An­mel­dung des An­spruchs zum Kla­ge­re­gis­ter müs­se noch in un­ver­jähr­ter Zeit er­fol­gen (so et­wa Münch­Komm-ZPO/​Men­ges, a. a. O., § 606 Rn. 52; De­iß/​Graf/​Sal­ger, BB 2018, 2883; auf die miss­ver­ständ­li­che For­mu­lie­rung hin­wei­send be­reits Schmidt-Kes­sel, Stel­lung­nah­me zum Ge­setz­ent­wurf, BT-Aus­schuss für Recht und Ver­brau­cher­schutz, Prot.-Nr. 19/15, S. 107, 129).

[26]   (2) Dass al­lein die Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge den Zeit­punkt be­stimmt, in dem die Hem­mung be­ginnt, er­hellt je­doch in sys­te­ma­ti­scher Hin­sicht ein Ver­gleich mit der (äl­te­ren) Vor­schrift des § 204 I Nr. 6a BGB, der zu­fol­ge die Ver­jäh­rung „durch die Zu­stel­lung der An­mel­dung zu ei­nem Mus­ter­ver­fah­ren“ nach dem Ka­pi­tal­an­le­ger-Mus­ter­ver­fah­rens­ge­setz ge­hemmt wird (vgl. § 10 II bis IV Kap­MuG). Die Hem­mung be­ginnt hier nach dem aus­drück­li­chen Ge­set­zes­wort­laut erst mit der An­mel­dung und da­mit der in­di­vi­du­el­len Rechts­ver­fol­gungs­maß­nah­me des vom Mus­ter­ver­fah­ren be­trof­fe­nen Gläu­bi­gers; auf den Zeit­punkt der Stel­lung des Mus­ter­fest­stel­lungs­an­trags kommt es nicht an. In deut­li­chem Ge­gen­satz hier­zu stellt die For­mu­lie­rung in § 204 I Nr. 1a BGB auf die Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ab. Fol­ge­rich­tig hat der Ge­setz­ge­ber die Vor­schrift nicht et­wa als Hem­mungs­tat­be­stand Nr. 6b, son­dern als Nr. 1a und da­mit in sys­te­ma­ti­scher Fol­ge zu § 204 I Nr. 1 BGB (Hem­mung durch Er­he­bung der Kla­ge) ein­ge­passt (vgl. Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 84 m. w. Nachw.).

[27]   (3) Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te von § 204 I Nr. 1a BGB be­stä­tigt, dass es für den Be­ginn der Ver­jäh­rungs­hem­mung auf den Zeit­punkt der Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge an­kommt (vgl. Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 84 f.; Rö­the­mey­er, a. a. O., § 204 BGB Rn. 2 f.).

[28]   Der Bun­des­rat bat in sei­ner Stel­lung­nah­me ge­mäß Art. 76 II GG zum Re­gie­rungs­ent­wurf, der die Ein­füh­rung von § 204 I Nr. 1a BGB in sei­ner jet­zi­gen Fas­sung vor­sah (BT-Drs. 19/2439, S. 12), die in Aus­sicht ge­nom­me­ne Re­ge­lung mit fol­gen­der Be­grün­dung zu prü­fen:

„Die im Ge­setz­ent­wurf vor­ge­se­he­ne Re­ge­lung führt […] da­zu, dass […] ge­ge­be­nen­falls auch erst lan­ge Zeit nach dem ei­gent­li­chen Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist durch ei­ne An­mel­dung qua­si rück­wir­kend noch ei­ne Hem­mung der Ver­jäh­rung des in­di­vi­du­el­len An­spruchs er­reicht wer­den kann. Es soll­te ver­tieft ge­prüft wer­den, wie ‚aus­ufern­de‘ Ver­jäh­rungs­läu­fe und die da­mit ver­bun­de­ne Rechts­un­si­cher­heit ver­mie­den wer­den kön­nen.“ (BR-Drs. 176/18, S. 10 f.).

Die Bun­des­re­gie­rung äu­ßer­te sich zu die­ser Prüf­bit­te wie folgt:

„Die Bun­des­re­gie­rung sieht den vom Bun­des­rat dar­ge­leg­ten Prüf­be­darf nicht, da die Re­ge­lung über den Ein­tritt der Ver­jäh­rungs­hem­mung mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ein­deu­tig ist. Mit der Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge wird, wie auch sonst nach § 204 Ab­satz 1 Num­mer 1 des Bür­ger­li­chen Ge­setz­bu­ches bei Kla­ge­er­he­bung üb­lich, die Ver­jäh­rung der noch nicht ver­jähr­ten An­sprü­che ge­hemmt un­ter der Be­din­gung, dass die Ver­brau­che­rin oder der Ver­brau­cher den An­spruch, dem der­sel­be Le­bens­sach­ver­halt zu­grun­de liegt, in dem Kla­ge­re­gis­ter an­mel­det. Er­folgt kei­ne frist­ge­rech­te, wirk­sa­me An­mel­dung des in­di­vi­du­el­len An­spruchs zum Kla­ge­re­gis­ter, ent­fällt die ver­jäh­rungs­hem­men­de Wir­kung für die­sen An­spruch wie­der. Da­mit kann sich der Be­klag­te mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge dar­auf ein­stel­len, dass bei An­sprü­chen mit dem­sel­ben Le­bens­sach­ver­halt zu­nächst Ver­jäh­rungs­hem­mung ein­tritt und nur für die Ver­brau­cher wie­der ent­fällt, die ih­re An­sprü­che nicht bzw. nicht wirk­sam zum Kla­ge­re­gis­ter an­mel­den.“ (BT-Drs. 19/2701, S. 9 f.; zum Norm­ver­ständ­nis der Bun­des­re­gie­rung s. auch BT-Drs. 19/2710, S. 3, so­wie die Be­grün­dung zur Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­gen­re­gis­ter-Ver­ord­nung, BAnz AT 19.11.2018 B1, S. 3).

[29]   Der fe­der­füh­ren­de Aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges für Recht und Ver­brau­cher­schutz nahm die Äu­ße­rung der Bun­des­re­gie­rung zur Kennt­nis und emp­fahl die An­nah­me des dem Re­gie­rungs­ent­wurf ent­spre­chen­den zur Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung par­al­lel ein­ge­brach­ten Frak­ti­ons­ent­wurfs (BT-Drs. 19/2507) be­züg­lich § 204 I Nr. 1a BGB oh­ne Än­de­rung auf der Grund­la­ge des fol­gen­den Norm­ver­ständ­nis­ses der Bun­des­re­gie­rung:

„Hin­sicht­lich der Fra­ge der Ver­jäh­rung sei fest­zu­hal­ten, dass die Ver­jäh­rungs­hem­mungs­re­ge­lung zur Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge in das all­ge­mei­ne Prin­zip der Hem­mung von Ver­jäh­rung ein­ge­baut wor­den sei. Da­nach wer­de mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge die Ver­jäh­rung ge­hemmt. Der wei­te­re Akt der An­mel­dung sei hier­von los­ge­löst. Dem­entspre­chend sei ein An­spruch auch nicht ver­jährt, wenn er spä­ter zum Kla­ge­re­gis­ter an­ge­mel­det wer­de.“ (BT-Drs. 19/2741, S. 23).

Der Bun­de­tag folg­te die­ser Be­schluss­emp­feh­lung (Ple­nar­pro­to­koll 19/39, S. 3753B). Dass der Ge­setz­ge­ber hier­von ab­wei­chend ei­ne Hem­mung der Ver­jäh­rung nur be­ab­sich­tig­te, wenn auch die An­mel­dung in­ner­halb der Ver­jäh­rungs­frist er­folgt ist, lässt sich aus den von der Be­klag­ten zi­tier­ten Fund­stel­len im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren nicht ab­lei­ten.

[30]   (4) Sinn und Zweck des § 204 I Nr. 1a BGB ent­spre­chen die­sem Norm­ver­ständ­nis. Das po­li­ti­sche Ziel, durch Ein­füh­rung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ei­ne zum Ab­lauf des Jah­res 2018 be­fürch­te­te Ver­jäh­rung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen im so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal zu ver­hin­dern (vgl. Ko­ali­ti­ons­ver­trag CDU, CSU und SPD zur 19. Le­gis­la­tur­pe­ri­ode, S. 124) und die Rechts­ver­fol­gung in Ver­brau­cher­streit­ver­fah­ren mit Brei­ten­wir­kung zur Über­win­dung des so­ge­nann­ten ra­tio­na­len Des­in­ter­es­ses der be­trof­fe­nen Ver­brau­cher zu bün­deln (vgl. BT-Drs. 19/2439, S. 2, 14), stützt die auf­ge­zeig­te ver­brau­cher­freund­li­che In­ter­pre­ta­ti­on (vgl. Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 85; BeckOGK/​Mel­ler-Han­nich, a. a. O., § 204 BGB Rn. 118).

[31]   bb) Ob die Er­he­bung ei­ner Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge rechts­tech­nisch zu­nächst die Ver­jäh­rung al­ler po­ten­zi­ell be­trof­fe­nen An­sprü­che hemmt und die Hem­mung im Sin­ne ei­ner (auf­lö­sen­den) Be­din­gung für sol­che An­sprü­che wie­der ent­fällt, die nicht wirk­sam zum Kla­ge­re­gis­ter an­ge­mel­det wer­den (vgl. Bun­des­re­gie­rung, BT-Drs. 19/2701, S. 9 f.; Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 84), oder erst die wirk­sa­me An­spruchs­an­mel­dung die Hem­mung aus­löst und dann ih­rer­seits auf den Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung zu­rück­wirkt (so et­wa Be­ckOK-ZPO/​Lutz, a. a. O., § 608 Rn. 18.1; BeckOGK/​Mel­ler-Han­nich, a. a. O., § 204 BGB Rn. 118; Rü­sing, NJW 2020, 2588 Rn. 20 f. m. w. Nachw.), kann im Streit­fall da­hin­ste­hen.

[32]   cc) § 204 I Nr. 1a BGB in der dar­ge­leg­ten Aus­le­gung be­geg­net ent­ge­gen ei­ner in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung (OLG Mün­chen, Beschl. v. 07.09.2020 – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 28274 Rn. 25) und Li­te­ra­tur (Grzes­zick, NJW 2019, 3269 ff.; ders., JZ 2020, 459 ff.; H. Prüt­ting, ZIP 2020, 197, 202) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung kei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken (eben­so Pie­ken­brock, JZ 2020, 122 ff. und JZ 2020, 461 f.; Rü­sing, NJW 2020, 2588 Rn. 22 ff.).

[33]   (1) In Er­man­ge­lung ei­ner be­son­de­ren Über­gangs­vor­schrift fin­det § 204 I Nr. 1a BGB – ei­nem all­ge­mei­nen Rechts­ge­dan­ken ent­spre­chend (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2018 – KZR 56/16, VersR 2019, 310 Rn. 67 m. w. Nachw.) – An­wen­dung auch auf An­sprü­che, die be­reits vor In­kraft­tre­ten der Norm am 01.11.2018 ent­stan­den sind, zu die­sem Zeit­punkt aber noch nicht ver­jährt wa­ren. Es han­delt sich um ei­nen Fall der un­ech­ten Rück­wir­kung (tat­be­stand­li­chen Rück­an­knüp­fung), die grund­sätz­lich mit der Ver­fas­sung ver­ein­bar ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 10.04.2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rn. 136; BVerfG [1. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 20.09.2016 – 1 BvR 1299/15, NVwZ 2017, 702 Rn. 20; je­weils m. w. Nachw.; zu ei­ner zi­vil­recht­li­chen Ver­jäh­rungs­ver­län­ge­rung BVerfG, Beschl. v. 09.06.1964 – 2 BvL 9/62, BVerfGE 18, 70, 84 = ju­ris Rn. 43; spe­zi­ell zu § 204 I Nr. 1a BGB Pie­ken­brock, JZ 2020, 122, 124; Rü­sing, NJW 2020, 2588 Rn. 27 f.; a. A. Grzes­zick, NJW 2019, 3269, 3270: ech­te Rück­wir­kung). Un­zu­läs­sig ist ein un­echt rück­wir­ken­des Ge­setz erst dann, wenn die Rück­wir­kung zur Er­rei­chung des Ge­set­zes­zwecks nicht ge­eig­net oder er­for­der­lich ist oder wenn die Be­stands­in­ter­es­sen der Be­trof­fe­nen die Ver­än­de­rungs­grün­de des Ge­setz­ge­bers über­wie­gen (BVerfG [1. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 20.09.2016 – 1 BvR 1299/15, NVwZ 2017, 702 Rn. 23 m. w. Nachw.), was im Hin­blick auf § 204 I Nr. 1a BGB je­weils nicht der Fall ist (a. A. Grzes­zick, NJW 2019, 3269, 3270 ff.). Ins­be­son­de­re ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass sich die Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge auch für den je­wei­li­gen Be­klag­ten in öko­no­mi­scher Wei­se als po­si­tiv er­wei­sen kann, weil sie ge­eig­net ist, zahl­rei­che Par­al­lel­pro­zes­se zu ver­mei­den und das hier­aus fol­gen­de Kos­ten­ri­si­ko zu sen­ken (vgl. BT-Drs. 19/2439, S. 17).

[34]   (2) Von der un­ech­ten Rück­wir­kung des Ge­set­zes zu un­ter­schei­den ist der ma­te­ri­ell-recht­li­che Ge­sichts­punkt, dass die An­mel­dung ei­nes An­spruchs zum Kla­ge­re­gis­ter – recht­lich oder zu­min­dest tat­säch­lich, vgl. so­eben un­ter bb – auf den Zeit­punkt der Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge zu­rück­wirkt. Auch in­so­weit be­ste­hen in­des kei­ne ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, da mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge in un­ver­jähr­ter Zeit ein schutz­wür­di­ges Ver­trau­en des Mus­ter­fest­stel­lungs­be­klag­ten in die künf­ti­ge Ver­jäh­rung an­mel­de­fä­hi­ger An­sprü­che schon nicht ent­ste­hen kann (Rü­sing, NJW 2020, 2588 Rn. 26; vgl. auch Pie­ken­brock, JZ 2020, 122, 126 ff.; a. A. in­so­weit un­ter dem As­pekt der un­ech­ten Rück­wir­kung Grzes­zick, NJW 2019, 3269, 3270 ff.; ähn­lich H. Prüt­ting, ZIP 2020, 197, 202).

[35]   c) Nicht frei von Rechts­feh­lern ist schließ­lich auch die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger kön­ne der Be­klag­ten die­se Hem­mung un­ter den be­son­de­ren Um­stän­den des Streit­falls nicht ent­ge­gen­hal­ten (§ 242 BGB).

[36]   aa) Die Vor­schrif­ten über die Ver­jäh­rung ent­hal­ten ei­ne for­ma­le Re­ge­lung, die im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit auf­ge­stellt wor­den ist, wes­halb sich ih­re Aus­le­gung grund­sätz­lich eng an den Wort­laut des Ge­set­zes an­leh­nen muss (vgl. Se­nat, Urt. v. 06.07.1993 – VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 343 = ju­ris Rn. 18 m. w. Nachw.). Es ist grund­sätz­lich le­gi­tim und be­grün­det im Re­gel­fall kei­nen Rechts­miss­brauch, wenn ein Gläu­bi­ger ei­ne ver­jäh­rungs­hem­men­de Maß­nah­me aus­schließ­lich zum Zweck der Ver­jäh­rungs­hem­mung er­greift (vgl. zum Gü­te­ver­fah­ren Se­nat, Urt. v. 06.07.1993 – VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 344 f. = ju­ris Rn. 22; BGH, Urt. v. 25.05.2016 – IV ZR 211/15, VersR 2016, 907 Rn. 17; Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 33).

[37]   bb) Dies schließt es zwar nicht aus, dass sich das Be­ru­fen auf ei­nen Hem­mungs­tat­be­stand im Ein­zel­fall als rechts­miss­bräuch­lich dar­stel­len kann (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 157/11, NJW 2012, 995 Rn. 9 f.; vgl. auch Se­nat, Urt. v. 06.07.1993 – VI ZR 306/92, BGHZ 123, 337, 345 = ju­ris Rn. 22; BGH, Urt. v. 28.09.2004 – IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259, 266 = ju­ris Rn. 20; Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 34; Urt. v. 17.02.2016 – IV ZR 374/14, ju­ris Rn. 12; Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 24; Urt. v. 16.07.2015 – III ZR 238/14, WM 2015, 1559 Rn. 23; vgl. zu­dem be­reits RG, Urt. v. 26.10.1907 – V 58/07, RGZ 66, 412, 414 f.). Ei­nen Rechts­miss­brauch hat der BGH in der Ver­gan­gen­heit et­wa zu § 204 I Nr. 3 BGB bei be­wusst wahr­heits­wid­ri­gen An­ga­ben des Gläu­bi­gers im Mahn­be­scheids­an­trag (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 157/11, NJW 2012, 995 Rn. 7 ff.; Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 24; Urt. v. 16.07.2015 – III ZR 238/14, WM 2015, 1559 Rn. 23 ) und zu § 204 I Nr. 4 lit. a BGB bei feh­len­der Mit­wir­kungs­be­reit­schaft des An­trags­geg­ners im Gü­te­ver­fah­ren an­ge­nom­men, wenn der An­trags­geg­ner dies dem An­trag­stel­ler schon im Vor­feld in ein­deu­ti­ger Wei­se mit­ge­teilt hat­te (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2015 – IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 34; Beschl. v. 17.02.2016 – IV ZR 374/14, ju­ris Rn. 12).

[38]   cc) Dem ist der vor­lie­gen­de Le­bens­sach­ver­halt nicht al­lein des­halb ver­gleich­bar, weil der Klä­ger nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht in Ab­re­de ge­stellt hat, dass die An­mel­dung von vorn­her­ein nur er­folgt sei, um nach ih­rer Rück­nah­me auch noch im Jahr 2019 In­di­vi­dual­kla­ge er­he­ben zu kön­nen. Die­ser Um­stand recht­fer­tigt nicht die An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen Treu und Glau­ben ge­gen­über der Be­klag­ten (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 13.01.2021 – 13 U 232/20, BeckRS 2021, 943 Rn. 84 m. w. Nachw.; Urt. v. 31.03.2021 – 13 U 354/20, BeckRS 2021, 6368 Rn. 45; LG Saar­brü­cken, Urt. v. 13.12.2019 – 12 O 100/19, zfs 2020, 199 Rn. 26 ff.; Be­ckOK-BGB/​Hen­rich, Stand: 01.05.2021, § 204 Rn. 20b; Pe­ters/​Ja­co­by, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 204 Rn. 48h.1; Rö­the­mey­er, a. a. O., § 204 BGB Rn. 13; Stad­ler, in: Mu­sielak/​Voit, a. a. O., § 608 Rn. 1; Be­ckOK-BGB/​Sut­schet, Stand: 01.05.2021, § 242 Rn. 69; a. A. OLG Mün­chen, Beschl. v. 09.06.2020 – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 13124 Rn. 15 ff.; OLG Mün­chen, Beschl. v. 07.09.2020 – 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 28274 Rn. 24 ff.; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 10.08.2020 – 3 U 269/19, ju­ris Rn. 15; De­iß/​Graf/​Sal­ger, BB 2019, 1674, 1676; BeckOGK/​Käh­ler, Stand: 15.04.2021, § 242 BGB Rn. 1178.3; Man­sel, WM 2019, 1621, 1624; NK-BGB/​Man­sel, 4. Aufl., § 204 Rn. 55; Me­kat/​Nord­holtz, NJW 2019, 411, 412; Zies­ke/​Mei­er, VersR 2020, 1504, 1509 f.).

[39]   (1) Die Ver­jäh­rung ist im Fall des § 204 I Nr. 1a BGB grund­sätz­lich auch dann ge­hemmt, wenn der Gläu­bi­ger sei­ne An­mel­dung zum Kla­ge­re­gis­ter im wei­te­ren Ver­lauf des Mus­ter­fest­stel­lungs­ver­fah­rens wie­der zu­rück­nimmt, um im An­schluss In­di­vi­dual­kla­ge zu er­he­ben. Der Ge­setz­ge­ber hat den Hem­mungs­tat­be­stand des § 204 I Nr. 1a BGB nicht da­von ab­hän­gig ge­macht, dass der Gläu­bi­ger dau­er­haft zum Kla­ge­re­gis­ter an­ge­mel­det bleibt. Er hat dem Gläu­bi­ger viel­mehr be­wusst die Mög­lich­keit der Ab­mel­dung vom Kla­ge­re­gis­ter bis zu dem in § 608 III ZPO ge­re­gel­ten Zeit­punkt und der an­schlie­ßen­den Gel­tend­ma­chung der An­sprü­che im We­ge der In­di­vi­dual­kla­ge ein­ge­räumt (vgl. § 613 I 2 ZPO und hier­zu BT-Drs. 19/2439, S. 28) und für die­sen Fall ei­ne spe­zi­fi­sche Re­ge­lung über ei­ne nach­lau­fen­de Ver­jäh­rungs­hem­mung von sechs­mo­na­ti­ger Dau­er ge­trof­fen (§ 204 II 2 BGB). Da­mit ist dem Gläu­bi­ger aus­drück­lich die Op­ti­on er­öff­net wor­den, sei­ne Ent­schei­dung, in wel­cher Wei­se Rechts­schutz ge­sucht wird, zu än­dern und gleich­wohl noch für ei­nen ge­wis­sen (wei­te­ren) Zeit­raum von der durch die Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge und die An­mel­dung zu de­ren Re­gis­ter be­wirk­ten Ver­jäh­rungs­hem­mung zu pro­fi­tie­ren (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 31.03.2021 – 13 U 354/20, ju­ris Rn. 44).

[40]   Der Ge­setz­ge­ber hat den Zeit­punkt nach § 608 III ZPO, bis zu dem die An­mel­dung wirk­sam zu­rück­ge­nom­men wer­den kann, zu­guns­ten des ge­schä­dig­ten Ver­brau­chers im Lauf des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren so­gar noch ge­ring­fü­gig, aber ent­schei­dend nach hin­ten ge­scho­ben (jetzt: Ab­lauf des Ta­ges des Be­ginns der münd­li­chen Ver­hand­lung in der ers­ten In­stanz; dem­ge­gen­über Ent­wurfs­fas­sung: Ab­lauf des Ta­ges vor Be­ginn des ers­ten Ter­mins, BT-Drs. 19/2439, S. 10) und dar­auf ab­ge­stimmt, dass zu die­sem Zeit­punkt das Ge­richt be­reits auf sach­dien­li­che Kla­ge­an­trä­ge hin­zu­wir­ken hat­te (§ 610 IV ZPO). Da­mit hat der Ge­setz­ge­ber dem Gläu­bi­ger ge­zielt er­mög­licht, sich noch vor Ab­lauf der Rück­nah­me­frist über die aus Sicht des Ge­richts sach­dien­li­chen An­trä­ge und da­mit über den ab­seh­ba­ren Ge­gen­stand des Mus­ter­fest­stel­lungs­ver­fah­rens zu in­for­mie­ren (vgl. Rö­the­mey­er, a. a. O., § 608 ZPO Rn. 41), und ihm da­mit die Ent­schei­dung er­leich­tert, ob er an sei­ner An­mel­dung fest­hal­ten will (BT-Drs. 19/2741, S. 25).

[41]   Nutzt der Gläu­bi­ger die­se ihm vom Ge­setz aus­drück­lich ein­ge­räum­te Mög­lich­keit der An­mel­dungs­rück­nah­me, han­delt es sich da­her grund­sätz­lich um ein­fa­chen Rechts­ge-, nicht Rechts­miss­brauch.

[42]   (2) Aus den Um­stän­den des Streit­fal­les er­gibt sich nichts an­de­res. We­der ist dem Klä­ger vor­zu­wer­fen, dass er bei der An­mel­dung sei­ner An­sprü­che zum Kla­ge­re­gis­ter der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge be­wusst wahr­heits­wid­ri­ge An­ga­ben ge­macht hät­te, noch war die An­mel­dung der An­sprü­che von vorn­her­ein ob­jek­tiv un­ge­eig­net, zu ei­ner Klä­rung der An­spruchs­be­rech­ti­gung und da­mit zu ei­nem er­folg­rei­chen Ab­schluss des Ver­fah­rens zu füh­ren. Die nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts von vorn­her­ein be­ste­hen­de Ab­sicht des Klä­gers, die An­mel­dung zum Kla­ge­re­gis­ter wie­der zu­rück­zu­neh­men, um auch noch im Jahr 2019 In­di­vi­dual­kla­ge er­he­ben zu kön­nen, wä­re als al­lein in­ne­re Wil­lens­bil­dung oh­ne je­den äu­ße­ren Nie­der­schlag viel­mehr je­der­zeit von ihm selbst re­vi­dier­bar ge­we­sen und stand ei­nem Er­folg des Ver­fah­rens da­her nicht end­gül­tig ent­ge­gen.

[43]   Auch im maß­geb­li­chen Ver­hält­nis zur Be­klag­ten ist das Ver­hal­ten des Klä­gers nicht als treu­wid­rig zu be­ur­tei­len. Ein dem Mahn- oder Gü­te­ver­fah­ren ver­gleich­ba­res ei­gen­stän­di­ges (vor­ge­richt­li­ches) Ver­fah­ren wur­de der Be­klag­ten, die oh­ne­hin be­reits Be­klag­te des Mus­ter­fest­stel­lungs­ver­fah­rens war, durch die vom Klä­ger vor­ge­nom­me­ne An­mel­dung sei­ner An­sprü­che zum Kla­ge­re­gis­ter nicht auf­ge­zwun­gen; in der Rück­nah­me der An­mel­dung meh­re­re Mo­na­te spä­ter liegt eben­falls kei­ne ei­gen­stän­di­ge Be­las­tung der Be­klag­ten. Die­se konn­te sich mit Er­he­bung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge und der nach­fol­gen­den An­mel­dung der streit­ge­gen­ständ­li­chen An­sprü­che zum Kla­ge­re­gis­ter viel­mehr be­reits auf die Mög­lich­keit ein­stel­len, dass der Klä­ger nach Rück­nah­me sei­ner An­mel­dung noch In­di­vi­dual­kla­ge er­he­ben könn­te. Dies­be­züg­lich wur­de die Be­klag­te auch in zeit­li­cher Hin­sicht nicht un­bil­lig be­las­tet, da die Op­ti­on zum Um­schwen­ken auf den Weg der In­di­vi­dual­kla­ge durch die Be­schrän­kung der Mög­lich­keit zur Rück­nah­me der An­mel­dung bis zum Ab­lauf des Ta­ges des Be­ginns der münd­li­chen Ver­hand­lung in ers­ter In­stanz (§ 608 III ZPO) und durch die nach­lau­fen­de Ver­jäh­rungs­hem­mung von sechs Mo­na­ten (§ 204 II 2 BGB) in zwei­fa­cher Hin­sicht zeit­lich li­mi­tiert ist (vgl. LG Saar­brü­cken, Urt. v. 13.12.2019 – 12 O 100/19, zfs 2020, 199 Rn. 28; Pe­ters/​Ja­co­by, Stau­din­ger, a. a. O., § 204 Rn. 48h.1).

[44]   3. Das Be­ru­fungs­ur­teil stellt sich auch nicht aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis als rich­tig dar (§ 561 ZPO).

[45]   Ein et­wai­ger An­spruch des Klä­gers aus §§ 826, 31 BGB (vgl. zur Haf­tung der Be­klag­ten dem Grun­de nach Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.) ist durch die Wei­ter­ver­äu­ße­rung des Fahr­zeugs am 17.09.2019 nicht oh­ne Wei­te­res er­lo­schen (vgl. auch zur An­rech­nung des Ver­äu­ße­rungs­er­lö­ses im We­ge des Vor­teils­aus­gleichs Se­nat, Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 533/20 und VI ZR 575/20, zVb).

[46]   III. Das Be­ru­fungs­ur­teil kann da­her kei­nen Be­stand ha­ben, son­dern ist auf­zu­he­ben und die Sa­che man­gels Ent­schei­dungs­rei­fe zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§§ 562 I, 563 I 1 ZPO).

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