Ein bei Ge­fahr­über­gang vor­lie­gen­der, dem Al­ter, der Lauf­leis­tung und der Qua­li­täts­stu­fe ent­spre­chen­der – „nor­ma­ler“, nicht un­ge­wöhn­li­cher oder aty­pi­scher – Ver­schleiß, der die Ver­kehrs­si­cher­heit nicht be­ein­träch­tigt, ist bei ei­nem für den Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­se­nen Kraft­fahr­zeug kein Sach­man­gel. Das gilt auch dann, wenn sich dar­aus in ab­seh­ba­rer Zeit, ins­be­son­de­re bei der durch Ge­brauch und Zeit­ab­lauf zu er­war­ten­den wei­te­ren Ab­nut­zung, ein Er­neue­rungs­be­darf er­gibt (im An­schluss an BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VI­II ZR 150/18, ju­ris Rn. 22 f.).

AG Reck­ling­hau­sen, Ur­teil vom 18.05.2021 – 16 C 130/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb als Ver­brau­cher von dem be­klag­ten Kraft­fahr­zeug­händ­ler am 12.02.2019 ei­nen ge­brauch­ten, 2011 erst­zu­ge­las­se­nen Pkw ŠKO­DA Oc­ta­via mit ei­ner Lauf­leis­tung von 151.976 km. Den Kauf­preis in Hö­he von 10.000 € zahl­te der Klä­ger am sel­ben Tag in bar an den Be­klag­ten.

§ 4 des schrift­li­chen Kauf­ver­trags lau­tet

„Das Fahr­zeug wird ver­kauft un­ter Aus­schluss jeg­li­cher Sach­män­gel­ge­währ­leis­tung. […] Die ge­setz­li­che Händ­ler­ge­währ­leis­tung wird auf 12 Mo­na­te be­schränkt.“

Nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs stell­te der Klä­ger, der mit dem ŠKO­DA Oc­ta­via täg­lich ins­ge­samt 140 km zu sei­ner Ar­beits­stel­le und zu­rück fährt, Män­gel an dem Pkw fest, na­ment­lich ein de­fek­tes Rad­la­ger und ei­ne de­fek­te Dros­sel­klap­pe. Die­se (be­haup­te­ten) Män­gel zeig­te er dem Be­klag­ten an und ver­lang­te ih­re Be­sei­ti­gung. Der Be­klag­te ver­wei­ger­te ei­ne Nach­bes­se­rung un­ter Be­ru­fung auf § 4 des Kauf­ver­trags.

Er wur­de des­halb mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 19.07.2019 noch­mals zur Be­sei­ti­gung der (be­haup­te­ten) Män­gel auf­ge­for­dert; da­für wur­de dem Be­klag­ten ei­ne Frist bis zum 25.07.2019 ge­setzt. Mit Schrei­ben vom 23.07.2019 wies der Be­klag­te das Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gen des Klä­gers mit Blick auf den Zeit­ab­lauf und die vom Klä­ger mit dem Pkw zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter zu­rück.

Der Klä­ger hol­te so­dann die Re­pa­ra­tur der des de­fek­ten Rad­la­gers und der de­fek­ten Dros­sel­klap­pe be­tref­fen­de Kos­ten­vor­an­schlä­ge der B-GbR in Her­ne ein. Die­se ver­an­schlag­te für den Aus­tausch des Rad­la­gers Kos­ten in Hö­he von 388,32 € brut­to und für den Aus­tausch der Dros­sel­klap­pe Kos­ten in Hö­he von 955,21 € brut­to. An­schlie­ßend ließ der Klä­ger das Rad­la­ger aus­tau­schen und wand­te da­für Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von 388,32 € auf.

Mit sei­ner Kla­ge hat er den Be­klag­ten auf Er­stat­tung die­ser Kos­ten und auf Er­satz der fik­ti­ven Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von 955,21 € in An­spruch ge­nom­men, ins­ge­samt al­so die Zah­lung von (388,32 € + 955,21 € =) 1.343,53 € nebst Zin­sen ver­langt. Er be­haup­tet, der ŠKO­DA Oc­ta­via ha­be ab ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 150 km/h „zu heu­len“ an­ge­fan­gen, und zwar erst­mals ein­ein­halb bis zwei Mo­na­te nach dem Kauf. Zu die­sem Zeit­punkt hab­ge er viel­leicht 9.000 bis 10.000 km mit dem Pkw zu­rück­ge­legt ge­habt. Er ha­be da­her ver­mu­tet, dass et­was mit dem Rad­la­ger nicht in Ord­nung sei; die­se Ver­mu­tung ha­be sich in ei­ner Kfz-Werk­statt be­stä­tigt. Kur­ze Zeit nach der Über­ga­be an ihn,d den Klä­ger, sei der ŠKO­DA Oc­ta­via zu­dem im Stand (Stau) mehr­fach hin­ter­ein­an­der aus­ge­gan­gen und die Mo­tor­kon­troll­leuch­te ha­be auf­ge­leuch­tet. Dies so­wie die mo­nier­ten Ge­räu­sche ha­be er dem Be­klag­ten ge­schil­dert. Die­ser – so macht der Klä­ger gel­tend – dür­fe sich auf den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss im schrift­li­chen Kauf­ver­trag nicht be­ru­fen; viel­mehr sei die­ser Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss un­wirk­sam.

Der Be­klag­te hat sich ge­gen die Kla­ge mit der Be­haup­tung ver­tei­digt, das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug sei vor dem Ver­kauf an den Klä­ger ei­ner Sicht- und Funk­ti­ons­prü­fung un­ter­zo­gen wor­den, und sei – des Be­klag­ten – Mit­ar­bei­ter M ha­be den Pkw eben­falls ge­nutzt. Män­gel sei­en nicht fest­stell­zu­stel­len ge­we­sen. Der Klä­ger ha­be zu­dem selbst ei­ne Pro­be­fahrt mit dem ŠKO­DA Oc­ta­via un­ter­nom­men. Die Män­gel, die der Klä­ger gel­tend ma­che, sei­en erst fünf bis sechs Mo­na­te nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs und ei­ner wei­te­ren Lauf­leis­tung von 14.432 km auf­ge­tre­ten. Soll­ten, wie der Klä­ger be­haup­te, tat­säch­lich Fahr­zeug­tei­le de­fekt sein, dann sei dies folg­lich aus­schließ­lich auf ei­nen ge­brauchs­be­ding­ten Ver­schleiß zu­rück­zu­füh­ren. Je­den­falls kön­ne der Klä­ger nicht den Er­satz noch nicht an­ge­fal­le­ner Um­satz­steu­er ver­lan­gen. Oh­ne­hin sei­en die gel­tend ge­mach­ten Re­pa­ra­tur­kos­ten un­an­ge­mes­sen hoch, weil gleich­wer­ti­ge Er­satz­tei­le zu weit­aus güns­ti­ge­ren Prei­sen er­hält­lich sei­en.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 1.343,53 € ge­mäß § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I und III, 281 I 1, § 434 I BGB, da das Fahr­zeug die gel­tend ge­mach­ten Sach­män­gel am Rad­la­ger und an der Dros­sel­klap­pe nicht auf­weist.

Bei dem Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug han­delt es sich um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I 1 BGB, der den be­son­de­ren ver­brau­cher­schüt­zen­den Re­ge­lun­gen der §§ 475 ff. BGB un­ter­liegt. Der im Kauf­ver­trag ge­re­gel­te Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ist da­her ge­mäß § 476 I 1 BGB un­wirk­sam, so­dass dem Klä­ger als Käu­fer grund­sätz­lich die Rech­te aus den §§ 437 ff. BGB zu­ste­hen.

Un­ab­hän­gig vom Vor­lie­gen der wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen ist es dem Klä­ger je­doch be­reits nicht ge­lun­gen, das Vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs zu be­wei­sen.

Ge­mäß § 434 I 1 BGB ist die Sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit auf­weist. Ist ei­ne Be­schaf­fen­heit nicht ver­ein­bart, ist die Sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung eig­net (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB), sonst, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Ein Sach­man­gel des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs er­gibt sich vor­lie­gend ins­be­son­de­re nicht dar­aus, dass es sich nicht für die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) oder für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) ge­eig­net hät­te. Nach bei­den Al­ter­na­ti­ven kommt es dar­auf an, ob der von dem Klä­ger er­wor­be­ne (äl­te­re) Ge­braucht­wa­gen zur Ver­wen­dung als Fahr­zeug im Stra­ßen­ver­kehr nicht oder nur ein­ge­schränkt ge­eig­net war. Zu be­rück­sich­ti­gen ist dies­be­züg­lich, dass Ver­schleiß­tei­le ei­nes Kraft­fahr­zeugs in Ab­hän­gig­keit von Al­ter, Lauf­leis­tung, An­zahl der Vor­be­sit­zer, Art der Vor­be­nut­zung so­wie Qua­li­tät des Fahr­zeugs ei­ner kon­ti­nu­ier­li­chen Ab­nut­zung un­ter­lie­gen. So­weit die Ver­kehrs­si­cher­heit nicht be­trof­fen ist, ist ein „nor­ma­ler“, das heißt ein ins­be­son­de­re nach Al­ter, Lauf­leis­tung und Qua­li­täts­stu­fe nicht un­ge­wöhn­li­cher oder aty­pi­scher Ver­schleiß da­her nicht als Sach­man­gel ein­zu­stu­fen. Dies gilt auch dann, wenn sich dar­aus in ab­seh­ba­rer Zeit – ins­be­son­de­re bei der durch Ge­brauch und Zeit­ab­lauf zu er­war­ten­den wei­te­ren Ab­nut­zung – ein Er­neue­rungs­be­darf er­gibt (vgl. BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VI­II ZR 150/18, ju­ris Rn. 22 f.).

Die tech­ni­sche Be­gut­ach­tung des Fahr­zeu­ges hat die vom Klä­ger an­ge­führ­ten Män­gel nicht be­stä­tigt. Der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. D hat nach­voll­zieh­bar aus­ge­führt, dass sich Män­gel an dem Fahr­zeug nicht fest­stel­len und sich ins­be­son­de­re am Rad­la­ger nur Ver­schleiß­er­schei­nun­gen fin­den lie­ßen.

Der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. D hat im Rah­men sei­ner Be­gut­ach­tung den Dia­gno­se­spei­cher von ei­nem Ver­trags­händ­ler des Fahr­zeug­her­stel­lers aus­le­sen las­sen und um­fang­rei­che Pro­be­fahr­ten un­ter Be­tei­li­gung des Klä­gers im in­ner­städ­ti­schen Be­reich und auf Au­to­bah­nen durch­ge­führt. Er hat die vom Klä­ger be­reits aus­ge­bau­te Rad­na­ben­ein­heit eben­falls ei­ner Be­gut­ach­tung un­ter­zo­gen. Bei der Un­ter­su­chung sei auf der Lauf­flä­che des Ku­gel­la­gers be­triebs­be­ding­ter Ver­schleiß zu er­ken­nen ge­we­sen. De­fek­te sei­en da­ge­gen nicht ge­fun­den wor­den. Auch auf den in­ne­ren und äu­ße­ren La­ger­flä­chen köt­nnen nur ein nor­ma­ler Ver­schleiß und ent­spre­chen­de Lauf­spu­ren fest­ge­stellt wer­den. Die La­ger­kä­fi­ge der Ku­gel­la­ger so­wie die zu­ge­hö­ri­gen Ku­geln sei­en da­ge­gen un­auf­fäl­lig ge­we­sen.

Auch ei­nen De­fekt an der Dros­sel­klap­pe hat der Sach­ver­stän­di­ge nicht fest­stel­len kön­nen. Im Dia­gno­se­spei­cher sei­en kei­ne Er­eig­nis­se hin­ter­legt ge­we­sen, die dar­auf schlie­ßen lie­ßen, dass ei­ne Fehl­funk­ti­on an der Dros­sel­klap­pe be­stan­den ha­be.

Dass das Fahr­zeug, wie vom Klä­ger an­ge­führt, ei­ne Ge­räusch­ent­wick­lung bei ho­hen Ge­schwin­dig­kei­ten auf­weist, wur­de von Be­klag­ten­sei­te grund­sätz­lich nicht ex­pli­zit be­strit­ten, es wur­de aber be­strit­ten, dass dies ei­nen Man­gel dar­stel­le, der zu Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­chen des Klä­gers be­rech­ti­ge. Der Zeu­ge M hat dies­be­züg­lich aber auch be­kun­det, er ha­be den streit­ge­gen­ständ­li­chen Wa­gen mehr­mals ge­fah­ren, um Stand­schä­den zu ver­mei­den. Da­bei sei er viel­leicht vier­mal mit dem Wa­gen ge­fah­ren, in ei­nem Ab­stand von zwei bis drei Wo­chen. Das letz­te Mal ha­be er den Wa­gen cir­ca zwei Wo­chen vor dem Ver­kauf be­wegt. Bei den Fahr­ten sei er auch auf der Au­to­bahn ge­fah­ren, durch­aus auch mit ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 170 bis 180 km/h. Schä­den oder Män­gel sei­en ihm nicht auf­ge­fal­len. Das Fahr­zeug sei nicht von selbst aus­ge­gan­gen; auch bei den hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten sei­en ihm kei­ne un­ge­wöhn­li­chen Ge­räu­sche wie ein Jau­len auf­ge­fal­len.

Selbst bei Zu­grun­de­le­gung der vom Klä­ger an­ge­führ­ten Ge­räusch­ent­wick­lung er­gibt sich je­doch recht­lich kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung, da dem Klä­ger selbst dann nicht die Be­wei­ser­leich­te­rung des § 477 BGB zu­gu­te­kom­men kann. Im Streit­fall ist ein man­gel­haf­ter Zu­stand (Man­gel­er­schei­nung), an den die Ver­mu­tung des § 477 BGB an­knüp­fen könn­te, in­ner­halb der Sechs­mo­nats­frist nicht auf­ge­tre­ten. Die von dem Klä­ger in­ner­halb der ers­ten sechs Mo­na­te nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs be­an­stan­de­te star­ke Ge­räusch­ent­wick­lung beim Fah­ren mit ho­hen Ge­schwin­dig­kei­ten mag zwar dar­auf schlie­ßen las­sen, dass an dem Rad­la­ger mög­li­cher­wei­se et­was nicht in Ord­nung war. Dies dürf­te nach den sach­ver­stän­di­gen Aus­füh­run­gen je­doch – wenn über­haupt – auf den nor­ma­len Ver­schleiß zu­rück­zu­füh­ren ge­we­sen sein.

Bei dem hier in Re­de ste­hen­den Fahr­zeug – ei­nem acht Jah­re al­ten ge­brauch­ten Wa­gen mit ei­ner Lauf­leis­tung von über 150.000 km im Über­ga­be­zeit­punkt und in­ner­halb der ers­ten wei­te­ren acht Mo­na­te zu­sätz­lich ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern von knapp 20.000 km – sind Ver­schleiß­er­schei­nun­gen, wel­che je­den­falls wie hier kei­ne si­cher­heits­re­le­van­ten Aus­wir­kun­gen ha­ben, näm­lich nicht aty­pisch oder un­ge­wöhn­lich, son­dern hal­ten sich im Rah­men der zu er­war­ten­den nor­ma­len Ab­nut­zung, was für sich ge­nom­men aber nach den obi­gen Aus­füh­run­gen ge­ra­de kei­nen Sach­man­gel dar­stellt.

Der gel­tend ge­mach­te Zins­an­spruch be­steht man­gels ei­nes An­spruchs in der Haupt­sa­che eben­falls nicht. …

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