1. Haben die Parteien eines Kaufvertrags über einen hochpreisigen Oldtimer eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts getroffen, dass das Fahrzeug über einen matching numbers-Motor verfügt, dann liegt ein erheblicher, den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigender Mangel (§ 434 I 1 BGB) vor, wenn der Oldtimer tatsächlich nicht mehr mit dem ursprünglich vom Fahrzeughersteller eigebauten Motor ausgestattet ist. Daran ändert nichts, dass die Nummer des Austauschmotors und die Nummer des Originalmotors identisch sind.
  2. Eine Rücktrittserklärung i. S. von § 349 BGB bedarf zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich nicht der Angabe eines Rücktrittsgrunds.

LG Hamburg, Urteil vom 29.01.2021 – 329 O 59/18

Sachverhalt: Der Kläger hat von der Beklagten zu 1, die auf den Verkauf von Oldtimern spezialisiert und deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, einen seltenen Oldtimer erworben. Er begehrt die Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz, und zwar insbesondere deshalb, weil der Motor des Fahrzeugs kein matching numbers-Motor1Der Begriff matching numbers („übereinstimmende Nummern“) oder number matching („Nummernübereinstimmung“) wird in Bezug auf Oldtimer verwendet, um die Echtheit von Fahrzeugen in Sammler- oder Investitionsqualität zu beschreiben. Er besagt im Allgemeinen, dass ein bestimmtes Fahrzeug noch seine ursprünglichen Hauptkomponenten oder Hauptkomponenten enthält, die genau mit den Hauptkomponenten übereinstimmen, die das Fahrzeug hatte, als es neu war. sei.

Die Beklagte erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug in den Niederlanden und bot es sodann ihrerseits im Herbst 2015 zum Kauf an. Dabei bewarb das Fahrzeug als Jaguar XK 150 S Roadster mit Linkslenkung und 3,8-Liter-Motor aus dem Jahr 1960, das „seltenste Modell aller innerhalb der XK-Serie produzierten Fahrzeuge“, von dem es nur 14 Exemplare weltweit gebe. Es handele sich um ein „super Investment“. Die Motornummer des streitgegenständlichen Fahrzeugs wurde wie folgt angegeben: „VAS 1193‑9 – ‚Matching Numbers‘“.

Der Kläger kaufte das so angepriesene Fahrzeug am 26.10.2015 zu privaten Zwecken zum Preis von 305.000 €. Im schriftlichen Kaufvertrag findet sich im Abschnitt „Fahrzeugbeschreibung/​Zubehör“ ebenfalls der Verweis auf einen matching numbers-Motor. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde am 09.11.2015 an den Kläger übergeben, der im Gegenzug an die Beklagte zu 1 135.000 € in bar zahlte. Im Übrigen gab der Kläger einen bis dahin in seinem Eigentum stehenden Jaguar XK 150 bei der Beklagten zu 1 in Zahlung. Dieses Fahrzeug bewerteten die Parteien übereinstimmend mit 170.000 €. Den in Zahlung gegebenen Pkw hat die Beklagte zu 1 mittlerweile weiterveräußert.

In der Folgezeit – bis November 2015 – legte der Kläger mit dem neu erworbenen Fahrzeug, das für ihn in erster Linie ein Liebhaber- und Sammlerstück und kein Gebrauchsgegenstand war, lediglich 300 km zurück. Im Herbst 2017 entschloss sich der Kläger sodann, den Oldtimer zu veräußern. In diesem Zusammenhang erfuhr er erstmals davon, dass das Fahrzeug in einschlägigen Internetforen als „Fälschung“ qualifiziert wurde. Der Kläger verlangte daraufhin von der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 16.10.2017 die umgehende Rückabwicklung des Kaufvertrags, was die Beklagte zu 1 ablehnte. Daraufhin nahm der Kläger anwaltliche Hilfe in Anspruch und ließ die Beklagte zu 1 auffordern, an ihn bis zum 19.12.2017 Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Pkw insgesamt 305.000 € zu zahlen. Nachdem die der Beklagten zu 1 gesetzte Frist erfolglos abgelaufen war, ließ der Kläger das hier interessierende Fahrzeug von Sachverständigen begutachten. Für insgesamt drei sachverständige Stellungnahmen zahlte er (2.508 €+ 1.796,76 € + 1.849,68 € =) 6.154,44 €.

Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen hat der Kläger sein Rückabwicklungsbegehren weiterverfolgt. Er behauptet mit Blick auf diverse Unregelmäßigkeiten, die sich bei den Untersuchungen des streitgegenständliche Fahrzeugs gezeigt hätten, dass der Pkw eine Fälschung sei. Das echte Fahrzeug sei im Besitz eines Amerikaners, der über ein Echtheitszertifikat des Jaguar Daimler Heritage Trust verfüge. Er, der Kläger, sei einem Schwindel aufgesessen.

Unabhängig davon – so hat der Kläger geltend gemacht – sei der Motor, mit dem der (gefälschte) Oldtimer ausgestattet sei, kein matching numbers-Motor. Matching numbers-Motor bedeute, dass ein Fahrzeug mit genau dem Motor vom Band gelaufen sei, der sich auch heute noch darin befinde. Das sei hier jedoch nicht der Fall; das streitgegenständliche Fahrzeug sei vielmehr mit einem Austauschmotor ausgestattet. Das sei schon daran zu erkennen, dass im Motorblock die Zahlenfolge „17‑4‑64“ eingegossen sei, die für das offizielle Gussdatum (17.04.1964) stehe. Wenn aber der Motorblock erst im Jahr 1964 gegossen worden sei, dann könne es sich bei dem Motor gerade nicht um den „Erstmotor“ des schon im Jahr 1960 gebauten Fahrzeugs handeln. Durch den Einbau eines Austauschmotors habe sich der Wert des Fahrzeugs erheblich vermindert.

Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Rückzahlung des Kaufpreises (305.000 €) zuzüglich Zinsen und abzüglich einer Nutzungsentschädigung (3.900 €), Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sowie den Ersatz von Sachverständigenkosten (6.154,44 € nebst Zinsen) und vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (3.880,47 € nebst Zinsen) verlangt. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten zu 1 begehrt.

Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben und in Abrede gestellt, dass das an den Kläger veräußerte Fahrzeug eine Fälschung sei. Der Wagen – so haben die Beklagten geltend gemacht – sei auch, wie vertraglich vereinbart, mit einem matching numbers-Motor ausgestattet. Der Kläger verstehe diesen Begriff falsch; in der Branche sei anerkannt, dass ein Austausch des Motors den Grad der Originalität des Fahrzeugs nicht beeinträchtige, sofern er noch während der normalen Gebrauchsphase des Fahrzeugs stattgefunden habe. Dem liege zugrunde, dass im Jahr 1960 gefertigte Motoren, bei denen die zu erwartende Gesamtlaufleistung durchschnittlich nur 20.000 km betragen habe, nicht die Baufestigkeit gehabt hätten, die unter heutigen Produktionsbedingungen zu erreichen sei. Ein mehrfacher Austausch des Motors während der Gebrauchsphase eines Fahrzeugs sei daher völlig normal und berühre den Status des Fahrzeugs als matching numbers-Fahrzeug nicht. Matching numbers bezeichne damit lediglich die alphanummerische Übereinstimmung aller in den Produktions- und Auslieferungspapieren aufgeführten und gekennzeichneten Bauteilen mit den tatsächlichen Bauteilen. Diese Übereinstimmung sei hier gegeben, da der Motor die – vom Fahrzeughersteller angegebene – Nummer „VAS 1193‑9“ aufweise. Im Übrigen sei es auch heutzutage möglich, einen originalen Jaguar-Motorblock zu bestellen und – mit der ursprünglichen Motornummer versehen – in das eigene Fahrzeug einbauen zu lassen. Es handele sich also keineswegs um eine anrüchige Praxis.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung gegen die Beklagte zu 1 zu (1). Er kann auch die geltend gemachten Sachverständigen- (2) und Rechtsanwaltskosten (3) von ihr ersetzt verlangen. Der Beklagte zu 2 haftet neben der Beklagten zu 1 akzessorisch gemäß §§ 161 II, 128 Satz 1 HGB.

1. Der Kläger kann von der Beklagten zu 1 gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, § 434 I 1, §§ 323, 326 V, § 346 BGB die Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags verlangen. Ein matching numbers-Motor ist entgegen der expliziten Parteiabrede in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verbaut, sodass ein Sachmangel vorliegt, (§ 434 I 1 BGB; a) Auch die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts sind erfüllt (b). Die Rücktrittserklärung erfolgte auch in unverjährter Zeit (c). Die Modalitäten der Rückabwicklung richten sich nach §§ 346 I, II 1 Nr. 2 BGB (d).

a) Sachmangel (§ 434 I 1 BGB)

Die Parteien haben in dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag ausdrücklich vereinbart, dass das Fahrzeug einen matching numbers-Motor enthält. Nach der hierzu durchgeführten Beweisaufnahme ist ein solcher matching numbers-Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug jedoch nicht verbaut. Es steht nämlich zur Überzeugung des Gerichts fest, (i) dass der im Fahrzeug verbaute Motor frühestens im Jahr 1964 hergestellt worden ist und (ii) dass ein Fahrzeug mit ausgetauschtem Motor nicht dem branchenüblichen Verständnis eines matching numbers-Motors entspricht.

(i) Motor aus dem Jahr 1964

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auf dem im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motorblock die Zahlenfolge „17‑4‑64“ eingeprägt ist (vgl. auch drittes Gutachten des Sachverständigen R, dort Abb. 2); gestritten wird jedoch darum, ob es sich hierbei um das Gussdatum dieses Bauteils handelt.

Der Kläger hat insofern neben den hier vorgelegten privatsachverständigen Stellungnahmen und Auszügen aus der Fachliteratur auch eine Stellungnahme des Jaguar Heritage Trust eingeholt, einem gemeinnützigen Verein, der sich für die Aufrechterhaltung und Förderung historischer Kraftfahrzeuge einsetzt, die von Jaguar Cars Ltd. hergestellt und verkauft worden sind. In dieser Stellungnahme heißt es zu der aufgeworfenen Frage (ins Deutsche übersetzt) ausdrücklich:

„Die in den Motorblock eingestanzte Nummer bezeichnet das Datum, an dem die Gussteile in der britischen Gießerei gegossen wurden. Die Nummer ist in dem Format AA‑BB‑CC gegossen und steht für: AA: Tag, BB: Monat, CC: Jahr.“

Der Kläger hat das Fahrzeug zudem auch noch einmal beim Hersteller selbst begutachten lassen. In dem hierüber angefertigten Fahrzeugbericht von Jaguar Land Rover finden sich zunächst dieselben Ausführungen und sodann die Feststellung:

„Die Nummer im Motorblock lautet 17‑4‑64 und zeigt an, dass der Motor am 17.04.1964 gegossen wurde.“

Die Beklagten, die zuvor noch behaupteten hatten, eine solche Vorgehensweise sei wirtschaftlich unsinnig, bedeute sie doch, das jeden Arbeitstag die Gussform hätte geändert werden müssen (vgl. Protokoll vom 05.10.2018), sind dem weiteren Vortrag des Klägers zu diesem Punkt (Schriftsatz vom 17.01.2019) nicht mehr substanziiert entgegengetreten (§ 138 III ZPO).

Nach alldem gilt im prozessualen Sinne als zugestanden, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motorblock erst am 17.04.1964 gegossen und zu einem unbekannten Zeitpunkt danach in das Kfz eingebaut wurde. Das sind nahezu vier Jahre, nachdem das Fahrzeug am 26.05.1960 gebaut wurde. Da es sich bei dem Motorblock um den zentralen Baustein des Motors handelt, kann hier nach dem Dafürhalten des Gerichts von einem „Austauschmotor“ im Ganzen gesprochen werden. Entscheidungserheblich ist dies letztlich nicht, da selbst dann, wenn man zwischen ausgetauschtem Motor und ausgetauschtem Motorblock unterscheiden wollte, die Bezeichnung matching numbers-Motor hier nicht eingehalten wäre (dazu ii).

(ii) Branchenübliches Verständnis von matching numbers-Motor

Die Tatsache, dass in dem Fahrzeug nicht mehr der Motor verbaut ist, mit dem das Fahrzeug ursprünglich vom Band gelaufen ist, steht der Abrede der Parteien entgegen, wonach ein matching numbers-Motor geschuldet war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den sorgfältigen, fundierten und in sich widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen R der das hier maßgebliche branchenübliche Verständnis der Begrifflichkeit (§§ 133, 157 BGB) in umfassender Weise aufgearbeitet und seine Einschätzung auf dieser Basis für das Gericht überzeugend erläutert hat.

Danach existiert in der Oldtimerbranche zwar kein eineindeutiges Verständnis der Begrifflichkeit; bei einer überwiegenden Mehrheit der Verkehrsteilnehmer werde die Bezeichnung eines Fahrzeugbauteils als matching numbers aber so verstanden, dass es sich um ein Originalbauteil handele, das bereits bei der Auslieferung vorhanden war und nicht etwa im Nachhinein ausgetauscht wurde. Der Begriff erschöpfe sich also gerade nicht in der bloß alphanummerischen Übereinstimmung der Ziffern auf dem Bauteil mit den Auslieferungsbelegen, sondern signalisiere darüber hinaus die Originalität des fraglichen Bauteils, hier also des Motors. Mit Originalität sei der Zeitpunkt gemeint, zu dem das Fahrzeug vom Band gelaufen sei. Gerade im hochpreisigen Segment des Oldtimermarkts wirke sich die Originalität bestimmter Bauteile auch werterhöhend aus, weswegen matching numbers in diesem Marktsegment ein wesentlicher den Preis bestimmender Faktor sei. Je teurer das Fahrzeug sei, umso wichtiger sei dies. Auch das hier streitgegenständliche Fahrzeug gehöre zu diesem oberen Marktsegment (vgl. insofern die umfassenden Ausführungen im schriftlichen Gutachten vom 20.10.2020 sowie die ergänzende Anhörung des Sachverständigen vom 18.12.2020). Vergleiche man das vertraglich vereinbarte mit dem tatsächlich gelieferten Fahrzeug, so handele es sich nicht um dasselbe, da die Abrede „matching numbers“ nicht eingehalten sei (Protokoll, S. 5–6).

Der Sachverständige stützt diese Einschätzung nicht lediglich auf seine eigene Expertise – so verfügt er über jahrzehntelange Erfahrung in der Old- und Youngtimer-Szene und hat mehrere Jahre als Chefsachverständiger der DEKRA in diesem Bereich weltweit verschiedenste Fahrzeuge persönlich begutachtet. Vielmehr hat er für die Beantwortung der hiesigen Beweisfrage auf ein Netzwerk von über 50 Personen zurückgegriffen, die als Oldtimmersammler, – verkäufer, -versicherer oder -gutachter in der Branche bundesweit, teilweise auch international, tätig sind. Zudem hat er Stellungnahmen von Kommissaren der Fédération Internationale des Véhicules Anciens (FIVA), das heißt dem Weltverband der Oldtimer-Organisationen, eingeholt. Allen diesen Beteiligten hat er in anonymisierter Form das hier streitgegenständliche Fahrzeug mit dem vier Jahre jüngeren Motor beschrieben und sie dann gebeten mitzuteilen, ob es sich nach ihrer Einschätzung um einen matching numbers-Motor handele. Die überwiegende Zahl der Befragten habe dies verneint, lediglich ein „geringer einstelliger prozentualer Anteil“ habe dem Begriffsverständnis zugeneigt, wie es hier von der Beklagtenseite vertreten wird, nämlich, dass ein Austausch während der Gebrauchsphase für die Originalität unschädlich sei (vgl. Protokoll der mündlichen Anhörung vom 18.12.2020, dort S. 6). Der Sachverständige hat seine Einschätzung zudem mit einer umfassenden Auswertung der Fachliteratur untermauert und dabei auch die im Rahmen des Prozesses von den Parteien vorgelegten privatsachverständigen Stellungnahmen gewürdigt (vgl. Gutachten vom 20.10.2020).

Der Sachverständige hat schließlich auch dezidiert zu den Einwänden der Beklagtenseite Stellung genommen und diese mit überzeugenden Argumenten widerlegt. So hat er insbesondere ausgeführt, dass auch in dem Fall, dass lediglich der Motorblock und nicht der gesamte Motor erst im Jahr 1964 hergestellt worden sei, nicht von uneingeschränkten „matching numbers“ gesprochen werden könne. Ein zentrales Bauteil des Motors sei dann eben nicht original. Gerade weil es sich aber um ein besonderes wertbildendes Merkmal im Markt für hochpreisige Oldtimer – wie dem hiesigen Fahrzeug – handele, müsse man hier sehr genau hingucken (vgl. Protokoll der mündlichen Anhörung, S. 7). Der Sachverständige hat auf Nachfrage der Beklagtenseite weiter klargestellt, dass das Begriffsverständnis von „matching numbers“ in den letzten zehn Jahren zwar durchaus „ein bisschen strenger“ geworden sei und die Debatte sich „fokussiert“, ein grundlegender Wandel aber nicht stattgefunden habe (vgl. Protokoll der mündlichen Anhörung, S. 10). So sei es zwar durchaus möglich, dass im Jahr 2015 – dem Jahr des Vertragsschlusses – einige Personen noch ein lockeres Begriffsverständnis hierzu vertreten hätten und damit der Anteil derjenigen, die der Ansicht der Beklagtenseite zuneigten, „vielleicht etwas größer gewesen wäre“. Sicher feststellen lasse sich dies jedoch nicht. Daraus ergibt sich für das Gericht aber jedenfalls keine Veränderung des mehrheitlich in der Branche vorhandenen Verständnisses. Maßgeblich ist für das Gericht insofern auch, dass der Sachverständige auf weitere Nachfrage mitgeteilt hat, dass kein einziger seiner „Umfrageteilnehmer“ bei der Beantwortung der Frage einen solchen Unterschied hinsichtlich des Zeitpunkts des Vertragsschlusses gemacht habe. Ein Großteil der Befragten habe sich vielmehr sehr eindeutig geäußert (Protokoll, S. 10).

Dies wird weiter gestützt durch einen dem hiesigen Verfahren durchaus verwandten Fall, der bereits 2014 vom OLG Karlsruhe entschieden worden ist. Auch dort wurde über die Frage verhandelt, ob ein nachträglich in einen Jaguar XK 150 S Roadster (dort Baujahr 1958) eingebauter Motor einen Sachmangel darstelle. An einer ausdrücklichen Beschaffenheitsvereinbarung fehlte es im damaligen Fall. Das dortige Gericht führte hierzu nach sachverständiger Beratung im Urteil aus, dass

„ein Käufer, der Wert auf den Originalzustand des Oldtimers legt, im Kaufvertrag für eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung sorgen muss. Beim Verkauf von Oldtimern ist es teilweise üblich, dass die Originalität bestimmter Bauteile wie zum Beispiel des Motors durch sogenannte matching numbers beschrieben wird.“ (OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.11.2014 – 9 U 234/12, juris Rn. 27).

Auch dies festigt die Überzeugung des Gerichts, das bereits zum damaligen Zeitpunkt die Begrifflichkeit „matching numbers“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen so verstanden worden ist wie hier vom Sachverständigen dargelegt.

Im Rahmen der Auslegung der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung ist zudem auch zu berücksichtigen, dass es die Beklagte – als anerkannter Oldtimer-Fachbetrieb – war, die die Begrifflichkeit in die Vertragsverhandlungen eingebracht hat, indem sie sie in ihre Werbung mit aufgenommen und dort – fett gedruckt – als besonderes, wertbildendes Merkmal des Fahrzeugs angepriesen hat (vgl. „matching numbers“, „ein super Investment“). Etwaige Restzweifel hinsichtlich des zum damaligen Zeitpunkt vorherrschenden Begriffsverständnisses müssten, wenn sie denn bestünden, daher ohnehin zu ihren Lasten gehen. Das Gericht hat indes nach den Darlegungen des Sachverständigen auch keine solchen Restzweifel. Vielmehr wird durch diese Anzeige die Einschätzung des Gutachters gerade gestützt, wonach es sich im hochpreisigen Markt für Oldtimern bei matching numbers um einen wesentlichen wertrelevanten Faktor handelt. Eine solche erhebliche Wertsteigerung ist aber nur gerechtfertigt, wenn damit auch eine Aussage über die Originalität der Bauteile verbunden und nicht lediglich die alphanummerische Übereinstimmung mit den Auslieferungspapieren gemeint ist.

Schließlich gibt auch keinen Anlass zu anderweitiger Beurteilung, dass – wie die Beklagte vorgetragen hat – es seitens Jaguar die Möglichkeit gibt, auch heute noch einen historischen Motorblock liefern, einbauen und mit der Originalnummer versehen zu lassen. Denn wie sich aus den vom Kläger hierzu vorgelegten – unbestrittenen – Unterlagen ergibt, wird ein solcher Motorblock, wenn er mit der Originalnummer versehen wird, auch mit einem Sternchen (*) versehen, um zu zeigen, dass der Motorblock ausgetauscht wurde (vgl. Anlage HL 40: “The stamp will include an asterix to reflect the engine block replacement.”). Dem Markt wird damit also gerade signalisiert, dass ein Austausch des Motorblocks unter Beibehaltung der Originalnummer stattgefunden hat, das heißt, dass es sich dann gerade nicht mehr um matching numbers handelt.

Ob das Fahrzeug daneben noch weitere Sachmängel aufweist, insbesondere ob es sich tatsächlich um eine Fälschung (§ 434 III BGB) handelt, muss nach alldem nicht weiter aufgeklärt werden, da es sich bereits bei dem vorbezeichneten Mangel um einen hinreichenden Rücktrittsgrund handelt.

b) Auch die weiteren Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt sind erfüllt. Vor dem Hintergrund der Wertrelevanz der matching numbers handelt es sich jedenfalls um einen erheblichen Mangel (§ 323 V 2 BGB), auch wenn der Sachverständige sich zur Höhe dieser Wertminderung nicht abschließend festlegen wollte (vgl. Protokoll der Anhörung, S. 4–5: maximal 20 %, letztlich aber auch abhängig vom Käuferinteresse).

Auch eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist vor diesem Hintergrund entbehrlich (§§ 323, 326 V BGB). Denn eine Nachbesserung ist tatsächlich unmöglich (§ 275 I BGB). Wo sich der Originalmotorblock aus dem Baujahr 1960 befindet bzw. ob er überhaupt noch existiert, ist unbekannt. Naheliegend ist – so, wie die Beklagte dies im Allgemeinen berichtet hat – dass der Motorblock keine (für heutige Verhältnisse) besonders lange Lebensdauer hatte und nach seinem Austausch schlicht vernichtet worden ist. Das streitgegenständliche Fahrzeug mit dem Originalmotor herzurichten, um die Parteivereinbarung zu erfüllen, ist daher ausgeschlossen. Auch die Nachlieferung ist unmöglich, obgleich bereits aus rechtlichen Gründen. Es handelt sich hier um eine konkretisierte Stückschuld, die auch nach dem Willen der Parteien (anders als z. B. bei einem Gebrauchtwagen) nicht austauschbar war (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris Rn. 34 m. w. Nachw.). Vielmehr handelt es sich hier um ein seltenes Fahrzeugmodell von herausgehobenem Wert, von dem weltweit nur 14 Exemplare existieren und das hinsichtlich seiner Eigenschaften und Ausstattung einzigartig ist.

Schließlich greift auch der im Vertrag vorgesehene Ausschluss der Sachmängelgewährleistung nicht, da hier ausdrücklich eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden ist, die dem Gewährleistungsausschluss insoweit vorgeht (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31; Urt. v. 13.03.2013 – VIII ZR 172/12, juris Rn. 19).

c) Der Rücktritt ist schließlich auch in noch unverjährter Zeit wirksam erklärt worden (§ 218 I 1, § 438 I Nr. 3, II BGB). Die Verjährung begann mit der Ablieferung der Sache beim Kläger am 09.11.2015 und lief für zwei Jahre, das heißt bis zum 09.11.2017 (§ 188 II BGB). Der Kläger hat seinen Rücktritt im Schreiben vom 16.10.2017 und damit in noch unverjährter Zeit erklärt. Die Rücktrittserklärung war hinreichend deutlich („Daher verlange ich die Rückabwicklung des Vertrages und fordere Sie auf, mir gegen Rückgabe des Fahrzeugs meinen Kaufpreis zu erstatten.“); eine Fristsetzung war nicht erforderlich (s. oben). Der Kläger hat sein Rücktrittsrecht damit wirksam ausgeübt.

Weitere Anforderungen an die Ausübung dieses Gestaltungsrechts gibt es nicht. Insbesondere ist die Angabe eines Rücktrittsgrunds grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 22.06.2011 – 4 U 165/10, juris Rn. 51 ff.; Staudinger/​Schwarze, BGB, Neubearb. 2020, § 323 Rn. D 10; jeweils m. w. Nachw.). Unabhängig davon hat der Kläger seine Gründe sogar in Kürze angegeben, auch wenn in diesem Schreiben noch der Vorwurf der Fälschung des Fahrzeugs im Vordergrund gestanden hat. In diesem Zusammenhang hat der Kläger aber auch bereits ausgeführt, dass es Hinweise gebe „dass die Nummern auf Chassis und Motor später eingestanzt wurden“ – das Problem der matching numbers ist hier also auch schon angesprochen. Nochmals vertieft wurden die Ausführungen hierzu dann im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.10.2017 (vgl. Anlage HL 13c, dort S. 2: „Ein nachweislich im Jahr 1964 hergestellter Motor kann jedoch ersichtlich kein Original aus dem Jahr 1960 sein …“). Die Beklagten waren damit auch hinreichend über den Rücktrittsgrund ins Bild gesetzt.

Der Kläger ist von dem von ihm geäußerten unbedingten und sofortigen Rückabwicklungsverlangen auch nicht in widersprüchlicher Weise abgerückt. Die in den darauffolgenden anwaltlichen Schreiben gesetzten Fristen zur Nacherfüllung sind wie folgt eingeleitet:

„Im Namen unseres Mandanten machen wir aufgrund des dargelegten nicht hinzunehmenden Mangels an dem streitgegenständlichen Fahrzeug kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gem. §§ 437, 434 BGB geltend. Zwar nehmen wir nicht an, dass eine Nacherfüllung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB Ihrerseits möglich ist. Der guten Ordnung halber fordern wir Ihre Mandantschaft dennoch auf, an unseren Mandanten bis zum 09.11.2017 einen originalen Jaguar XK 150 S 3,8 l LHD entsprechend der im Kaufvertrag … konkret vereinbarten Beschaffenheit zu liefern.“

Damit wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers – in der Sache zutreffend – wegen Unmöglichkeit von einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung ausgegangen sind und lediglich aus anwaltlicher Vorsicht eine letztlich rechtlich unbedeutende Frist gesetzt haben. Daran, dass der Kläger durch sein Schreiben vom 16.10.2017 sein Gestaltungsrecht bereits wirksam ausgeübt und den Vertrag damit in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt hatte, ändert dies nichts.

d) Die Modalitäten der Rückabwicklung ergeben sich hinsichtlich des Klägers aus §§ 346 I, 348 BGB. Dieser hat das Fahrzeug an die Beklagte zu 1 herauszugeben und zurückzuübereignen und die gezogenen Nutzungen zu erstatten. Die vom Kläger hierfür vorgeschlagene Berechnungsmethodik ist angesichts des besonderen Charakters des Fahrzeugs als Liebhaber- und Sammelobjekt nach dem Dafürhalten des Gerichts angemessen (§ 287 BGB). Eine Berechnung rein nach Kilometern, wie sie sonst üblich ist, ginge in diesem Fall dagegen an der Sache vorbei. Die Beklagten sind dieser Berechnungsmethode auch weder dem Grund noch der Höhe nach entgegengetreten. Nach alldem hat der Kläger einen Nutzungsersatz in Höhe von 3.900 € zu zahlen.

Die Beklagte zu  1 hat im Gegenzug das erhaltene Bargeld in Höhe von 135.000 € herauszugeben und Wertersatz für das in Zahlung gegebene Fahrzeug in Höhe von 170.000 € zu leisten, insgesamt also 305.000 € zu zahlen (§ 346 I, II Nr. 2, § 348 I BGB).

Da sich die Zahlungsansprüche in Höhe. 305.000 € und 3.900 € als gleichartige Ansprüche synallagmatisch gegenüberstehen, hat das Gericht sie insoweit direkt verrechnet (Tenor zu 1). Auch der klägerseits gestellte Antrag zu 1 wird hier entsprechend verstanden (§ 308 I ZPO).

e) Der Kläger kann auf den verbleibenden Zahlungsanspruch in Höhe von 301.100 € auch Verzugszinsen seit dem 20.12.2017 verlangen (§ 286 I 1, §§ 288 I, 187 I BGB.

Er hat die Beklagte zu 1 unter Fristsetzung bis zum 19.12.2017 zur Rückabwicklung des hier streitgegenständlichen Vertrags aufgefordert. Konkret hat er die Rückzahlung von 305.000 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verlangt. Hierbei handelt es sich um eine ordnungsgemäße verzugsbegründende Mahnung i. S. des § 286 I 1 BGB, auch wenn der vom Kläger an die Beklagte zu 1 zu leistende Nutzungsersatz in Höhe von 3.900 € hierbei betragsmäßig noch nicht berücksichtigt worden war. Es handelt sich vor dem Hintergrund des Gesamtvolumens des Vertrags um eine nur minimale Abweichung der Höhe nach, die die Beklagte auch ohne Weiteres hätte überprüfen und korrigieren können. Stattdessen hat sie die Rückabwicklung insgesamt verweigert. Jede weitere Mahnung wäre vor diesem Hintergrund ohnehin entbehrlich gewesen (§ 286 II Nr. 3 BGB).

Die Beklagte zu 1 befand sich zudem seit dem 20.12.2017 auch im Annahmeverzug im Hinblick auf ihre Rücknahmeverpflichtung. Das entsprechende Schreiben des Klägers stellt unter Berücksichtigung des vorher Gesagten ein hinreichend konkretes Angebot dar (§§ 293 ff. BGB).

2. Der Kläger kann zudem die ihm entstandenen Kosten für die sachverständige Begutachtung des Fahrzeugs von der Beklagten zu 1 ersetzt verlangen. Die Schadenersatzpflicht folgt dem Grunde nach aus §§ 346 IV, 280 I, 241 II, 249 I BGB. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Rücknahme des Fahrzeugs verletzt, indem sie sie hartnäckig in Abrede gestellt und nicht erfüllt hat. Daraufhin hat der Kläger, um seine Rechte zu wahren, die privatsachverständige Begutachtung des Fahrzeugs in Auftrag gegeben. Die hierdurch entstandenen Kosten sind notwendige und zweckmäßige Kosten der Rechtsverfolgung.

Der Kläger, der hier als Verbraucher gehandelt hat, musste sich gegenüber der Beklagten zu 1, bei der es sich um einen deutschlandweit bekannten Fachbetrieb für den Vertrieb von Oldtimern handelt, zunächst einmal das nötige technische Fachwissen verschaffen, um die Durchsetzung seiner Ansprüche vorzubereiten. Zu diesem Zweck hat er den Privatsachverständigen R eingeschaltet, der dann Feststellungen zu dem hier streitgegenständlichen Motor und Motorblock getroffen hat. Dass die hierfür entstandenen Kosten der Höhe nach nicht angemessen sein sollen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Sie sind dem Kläger demnach zu ersetzen.

Der damit einhergehende Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 I BGB und beginnt gemäß § 187 I BGB einen Tag nach Rechtshängigkeit (08.03.2018).

3. Aus denselben Gründen sind auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers erstattungsfähig. Es handelt sich um notwendige und zweckmäßige Kosten der Rechtsverfolgung. Insbesondere hatte der Kläger die Beklagte zu 1 vorab persönlich gemahnt und eine Frist zur Rückabwicklung gesetzt und erst, nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, die hier tätigen Rechtsanwälte eingeschaltet. Auch der Höhe nach sind die geltend gemachten Kosten nicht zu beanstanden. Abgerechnet wurde eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach dem hiesigen Gegenstandswert zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, was den geltend gemachte Betrag in Höhe von 3.880,47 € ergibt.

Der damit einhergehende Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB und beginnt gemäß § 187 I BGB einen Tag nach Rechtshängigkeit (08.03.2018). …

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