Wird einer Kfz-Werkstatt ein konkreter Reparaturauftrag – hier: Überprüfung und Instandsetzung des funktionslosen digitalen Tachometers bei einem Motorrad (Honda Fireblade SC 59) – erteilt, dann besteht seitens der Werkstatt keine (Neben-)Pflicht, das Fahrzeug im Übrigen zu überprüfen. Das gilt umso mehr, wenn eine im Anschluss an eine Reparaturmaßnahme – hier: Austausch der Fahrzeugbatterie – durchgeführte Probefahrt ergibt, dass der dem Reparaturauftrag zugrunde liegende Defekt nicht mehr vorhanden ist, und das Fahrzeug während der Probefahrt auch im Übrigen tadellos funktioniert.
OLG Koblenz, Urteil vom 18.07.2019 – 1 U 242/19
Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die eine Motorradwerkstatt betreibende Beklagte nach einem Unfall mit ihrem Motorrad, bei dem sie ungebremst in eine Leitplanke fuhr, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, auch das elektronische Bremssystem des Motorrads der Klägerin zu überprüfen, als sie sich die Maschine wegen eines Defekts des Tachometers bei ihr zur Reparatur befand.
Die Klägerin erwarb im Dezember 2015 ein Motorrad Honda Fireblade SC 59, das im Februar 2016 zugelassen wurde. Dieses Motorrad verfügt über das elektronisches Bremssystem C-ABS („brake by wire“), das woe folgt funktioniert: Solange das Fahrzeug steht, bauen Fuß- und Handbremshebel wie bei einer üblichen hydraulischen Bremse Druck in der Bremspumpe auf, der über die Bremsschläuche hin zum Bremssattel gelangt und die Bremsbeläge an die Bremsscheibe drückt. Sobald sich das Fahrzeug in Bewegung setzt, wird jedoch der direkte Fluss der Bremsflüssigkeit von der Pumpe zur Bremse hin von der „Valve Unit“ unterbrochen. Der gewünschte Bremsdruck wird dann von einem Sensor gemessen, und ein Steuergerät (ECU) sorgt dafür, dass der nötige Druck aufgebaut und in Richtung der Bremszange weitergegeben wird. Auch eine hydraulische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterbremse besteht nicht mehr; für eine optimale Bremslastverteilung sorgt das Steuergerät. Dieses erzeugt beim Betätigen der Bremse durch den Fahrer auch einen künstlichen Gegendruck im Bremshebel, sodass der Fahrer das Gefühl hat, auf herkömmliche Weise zu bremsen. Bei einem Ausfall dieser Elektronik steht dem Fahrer automatisch wieder die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung und die Verzögerung der Geschwindigkeit wird wieder durch die direkte Verbindung zwischen Bremshebel und Bremszylinder ausgelöst.
Am 07.06.2016 brachte die Klägerin ihr Motorrad wegen eines Defekts des digitalen Tachometers in die Werkstatt der Beklagten. Der Werkstattauftrag wurde wie folgt schriftlich festgehalten: „Tachoeinheit prüfen – ohne Funktion“. Über die Bremsen des Motorrads wurde bei Erteilung des Werkstattauftrags nicht gesprochen. Die Beklagte tauschte die Batterie des Motorrads. Nachdem einer ihrer Mitarbeiter eine Probefahrt unternommen hatte, bei der der Tachometer wieder funktionierte und es auch sonst keine Auffälligkeiten gab, holte die Klägerin ihr Motorrad am 24.06.2016 ab. Auf der Rückfahrt zu ihrem Wohnort verunglückte die Klägerin nach wenigen Kilometern auf der Bundesstraße 54 beim Durchfahren einer Kurve; sie fuhr ungebremst in eine Leitplanke und verletzte sich erheblich: Die Klägerin erlitt eine Gehirnerschütterung, eine Fraktur des rechten Mittelfingers sowie eine Prellung des rechten Knies und wurde vom 24.06. bis zum 28.06.2016 stationär im Krankenhaus behandelt.
Nach dem Unfall gab die Polizei ein DEKRA-Gutachten zum Unfallhergang in Auftrag.
Darin ist festgehalten, die Klägerin habe gegenüber dem Sachverständigen angegeben, dass sie die Werkstatt der Beklagten wegen eines Ausfalls der digitalen Geschwindigkeitsanzeige aufgesucht habe. Seitens der Beklagten sei eine zu schwache Batterie festgestellt und diese erneuert worden. Danach habe die Geschwindigkeitsanzeige wieder funktioniert. Bei der Fahrt auf der Bundesstraße 54 habe sie, die Klägerin, vor einer Linkskurve bremsen wollen; es habe sich jedoch keine Bremswirkung gezeigt, obwohl sie noch versucht habe, durch mehrfaches Betätigen des Bremshebels Druck aufzubauen.
Der DEKRA-Gutachter konnte beim Auslesen des Fehlerspeichers des Motorrads keine Fehlermeldung feststellen. Sein Gutachten vom 25.07.2016 kommt zu folgendem Ergebnis:
„Bei dem hier gegenständlichen Unfallgeschehen wurde an dem Krad ON 01 insbesondere an beiden Bremssätteln der Vorderradbremsscheiben eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit festgestellt, welche deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur lag. Das geschilderte Bremsversagen der Fahrerin des Krades ON 01 ist plausibel auf die deutlich verringerte Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit zurückzuführen. Da die Bremsflüssigkeit hygroskopische Eigenschaften aufweist und somit einem betriebsbedingten Verschleiß unterliegt, war hier von einem Wartungsmangel auszugehen.“
Zu dem beschriebenen Wartungsmangel wurde eine ergänzende DEKRA-Stellungnahme eingeholt. In dieser Stellungnahme vom 06.03.2017 wird ausgeführt, dass sich nur über die Siedetemperatur feststellen lasse, ob eine Bremsflüssigkeit verschlissen sei. Das Erscheinungsbild der Bremsscheiben des Vorderrads zeige jedoch, dass die Bremsanlage übermäßig stark beansprucht worden sei, sodass von einem schnelleren Verschleiß der Bremsflüssigkeit auszugehen sei.
Die Klägerin leitete ein selbstständiges Beweisverfahren ein. In ihrer Antragsschrift heißt es:
„1. Bei dem Motorrad der Antragstellerin … ist an beiden Bremssätteln der Vorderradbremsscheiben eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit feststellbar, welche deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur liegt.
2. Lässt sich das Alter der Bremsflüssigkeit ermitteln bzw. kann gesagt werden, ob die Bremsflüssigkeit bereits bei Kauf des Motorrads in dem Motorrad war oder erst später eingefüllt wurde?“
Die nach dem Unfall entnommene Bremsflüssigkeit war jedoch bereits vernichtet worden, sodass der im selbstständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige anhand der vorhandenen Anknüpfungstatsachen keine konkrete Aussage zu einem möglichen Ausfall der Bremsen treffen konnte. Er konnte lediglich festhalten, dass allein aus blauen Verfärbungen an den vorderen Bremsen nicht der Schluss gezogen werden könne, dass ein Bremsversagen vorgelegen habe. Weiter führte der Sachverständige aus:
„Bei der Plausibilitätsprüfung fällt weiter auf, dass von einem Zeugen vorgetragen wird, dass an dem Motorrad keine Bremslichter aufgeleuchtet hätten. Die rückwärtige Bremsleuchte an dem gegenständlichen Motorrad wird über mechanische Schalter betätigt, sowohl an der Vorderradbremse als auch an der Hinterradbremse. Unabhängig davon, ob sich der Druck im Bremssystem aufbaut, wird die Bremsleuchte beim Betätigen der Vorder- oder Hinterradbremse eingeschaltet. Wenn das Bremslicht nicht aufgeleuchtet hat, so wäre zuerst einmal davon auszugehen, dass dann die Bremse auch nicht betätigt worden ist, da Probleme mit der Elektrik oder dem Motorlauf, die zu einem Ausfall der Stromversorgung geführt haben könnten, bisher nicht als unfallursächlich vorgetragen worden sind.“
Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, sie habe beim Einfahren in die Kurve drei Mal die Bremse betätigt, ohne dass eine Bremswirkung eingetreten sei. Die den Unfall aufnehmenden Polizisten hätten noch vor Ort die Bremse überprüft und festgestellt, dass sie ohne Funktion gewesen sei.
Die Beklagte habe den ihr erteilten Reparaturauftrag nur unzulänglich ausgeführt; sie hätte sie, die Klägerin, auf die Gefahr eines Bremsversagens hinweisen müssen, denn die Elektronikprobleme könnten bei diesem Motorradtyp auch Bremsprobleme nach sich ziehen. Hinreichende Indikatoren seien der Ausfall des Hauptlichts, den sie gegenüber der Beklagten erwähnt habe, und der Ausfall des Tachos. Die Beklagte hätte sich nicht mit einen Batteriewechsel begnügen dürfen; die Batterie habe nicht die Fehlerursache sein können, da man das Motorrad noch habe starten können.
Die Ausführungen in dem DEKRA-Gutachten vom 25.07.2016 – so hat die Beklagte weiter geltend gemacht – seien unzutreffend und fehlerhaft. Der Gutachter habe an beiden Bremssätteln der Vorderradbremse eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit festgestellt, die deutlich unter der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur gelegen habe. Die von dem Gutachter festgestellte Verfärbung der Bremsscheiben hätte für die Beklagte Anlass genug sein müssen, auch die Bremsflüssigkeit zu überprüfen.
Die körperlichen Schäden die sie, die Klägerin, erlitten habe, rechtfertigten ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 €; die Sachschäden beliefen sich auf 14.943,10 €.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der ihr erteilte Reparaturauftrag habe sich darauf beschränkt, dass der Tachometer des Motorrads der Klägerin ohne Funktion gewesen sei. Einen Ausfall des Hauptlichts – so hat die Beklagte behauptet – habe die Klägerin nicht erwähnt. Bei der Fehlersuche sei festgestellt worden, dass die Batterie defekt gewesen sei; diese sei deshalb ausgetauscht worden. Die Klägerin bremse stets sehr spät ab; dies führe zu einer hohen thermischen Belastung und zu den in dem DEKRA-Gutachten festgestellten Verfärbungen der Bremsscheiben. Zwischen dem Batteriewechsel und der Bremswirkung bestehe kein Zusammenhang. Die elektronisch gesteuerte Bremse sei nicht ausgefallen; ein Ausfall wäre überdies durch das Aufleuchten einer Kontrollleuchte angezeigt worden. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gar nicht gebremst habe. Der betriebsbedingte Verschleiß der Bremsflüssigkeit sei ein Wartungsmangel, der seine Ursache darin habe, dass der sehr sportliche Fahrstil der Klägerin die Bremsanlage übermäßig beanspruche. Der Klägerin seien die Probleme mit den Bremsen auch bekannt gewesen; sie und ihr Vater hätten in Internetforen von einem wandernden Druckpunkt berichtet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargelegt und bewiesen, dass die Beklagte eine werkvertragliche Nebenpflicht verletzt habe (§§ 631, 280 I, 241 II BGB).
Ausweislich des schriftlichen Werkstattauftrags sei Gegenstand des zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Werkvertrags lediglich die Überprüfung des nicht funktionierenden elektronischen Tachometers gewesen. Über die Bremsen sei gerade nicht gesprochen worden. Nachdem die Beklagte die Batterie ausgetauscht habe, hätten bei einer anschließenden Probefahrt sowohl der Tachometer als auch die Bremsen funktioniert. Bei dieser Sachlage sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, von sich aus weitere mögliche Fehlerquellen ausfindig zu machen, auf die die Klägerin den von ihr am 24.06.2016 erlittenen Unfall letztlich zurückführe. Allenfalls die verfärbten Bremsscheiben könnten als Anhaltspunkt dafür herangezogen werden, dass eine Untersuchung der Bremsen und der Bremsflüssigkeit notwendig gewesen sei. Ausweislich des DEKRA-Gutachtens sei die Nasssiedetemperatur der Bremsflüssigkeit zu niedrig gewesen, was sich als Wartungsmangel und mögliche Fehlerursache darstelle. Diesbezüglich sei die Beklagte aber nicht von sich aus zu einer Überprüfung verpflichtet gewesen, zumal das einzige Indiz – die Verfärbung der Bremsscheiben – für sich genommen noch nichts über den Zustand der Bremsflüssigkeit besage. Die Klägerin habe der Beklagten gegenüber Probleme mit den Bremsen gerade nicht erwähnt, obwohl sie in Internetforen von einem mitunter nachlassenden Druckpunkt berichtet habe. Für die Beklagte habe bei dieser Sachlage keine Veranlassung bestanden, von sich aus die Bremsen des Motorrades zu überprüfen.
Im Übrigen habe die Klägerin ihren Sachvortrag zur Unfallursache gewechselt. Nachdem sich die von ihr noch im selbstständigen Beweisverfahren behaupteten Mängel der Bremsflüssigkeit nicht mehr hätten verifizieren lassen, da die Bremsflüssigkeit nicht mehr vorhanden gewesen sei, habe die Klägerin vorgetragen, dass ein Fehler des elektronischen Bremssystems die Unfallursache gewesen sei.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihre werkvertraglichen Pflichten aus dem Werkstattauftrag vom 07.06.2016 verletzt haben könnte, gebe es nicht.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageziele in vollem Umfang weiterverfolgt und geltend gemacht, das Landgericht hätte in die Beweisaufnahme eintreten und das von ihr, der Klägerin, angebotene Sachverständigengutachten einholen müssen. Dieses Gutachten hätte bestätigt, dass ein Ausfall des Tachometers zugleich ein elektronisches Problem am gesamten Motorrad nahelege, welches zu einem Bremsversagen führen könne.
Die Beklagte hätte bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den die Betriebssicherheit des Motorrads beeinträchtigenden Mangel erkennen können; deshalb habe sie sehr wohl werkvertragliche Hinweis- und Aufklärungspflichten verletzt, woraus sich ihre Haftung ergebe (§§ 280 , 241 II BGB).
Weiter führte die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung aus, dass verfärbte Bremsscheiben für sich genommen zwar kein Problem seien. Wenn aber – wie hier – an einem Motorrad bereits einzelne elektronische Komponenten (hier: die Tachoeinheit) ausgefallen seien und zusätzlich Verfärbungen vorlägen, müsse im zwingend die gesamte elektronische Bremsanlage auf einen möglicherweise vorliegenden Defekt überprüft werden, um ein Bremsversagen, wie es hier eingetreten sei, auszuschließen. Insoweit bot die Klägerin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass inzwischen noch ein weiterer Fall eines Bremsversagens bei einem baugleichen Motorrad bekannt geworden sei, also möglicherweise eine generelle Schwachstelle zu dem Unfall geführt habe. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Beklagten auch deshalb nicht zur Überprüfung der Bremsen verpflichtet gewesen sein dürfte,, weil bei einem Ausfall der elektronischen Bremse immer noch die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung gestanden haben dürfte, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ergänzt, dass dies nur bei einem vollständigen Ausfall des elektronischen Bremssystems der Fall sei. Hier gehe es aber gerade um einen nur teilweisen Ausfall des C-ABS. Außerdem habe die Bremse ausweislich des DEKRA-Gutachtens zwar am nächsten Tag wieder funktioniert; derjenige, der das Motorrad abgeschleppt habe, könne aber bezeugen, dass dies unmittelbar nach dem Unfall nicht so gewesen sei.
Die Beklagte hat in zweiter Instanz betont, dass bei den bereits durchgeführten sachverständigen Überprüfungen des streitgegenständlichen Motorrads gerade keine Elektronikprobleme festgestellt worden seien, und bestritten, dass ein Ausfall des Tachometers ein Indiz für ein potenzielles Bremsversagen sei. Darüber hinaus hat die Beklagte bestritten, dass von verfärbten Bremsscheiben auf ein elektronisches Problem geschlossen werden könne. Die Verfärbungen – so hat die Beklagte behauptet – seien vielmehr auf die äußerst sportliche Fahrweise der Klägerin zurückzuführen, die vor dem Unfall gar nicht gebremst habe. Das C-ABS könne funktionsbedingt nicht teilweise ausgefallen sein. Der gegenteilige Vortrag der Klägerin stehe in Widerspruch zu ihren bisherigen Darlegungen, wonach es gar keine Bremswirkung gegeben habe.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II.… Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin wegen ihrer erlittenen Unfallschäden gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld aus §§ 631, 280 I, 241 II, 253 BGB zusteht, denn die Beklagte hat keine werkvertraglichen Nebenpflichten verletzt.
1. Nach allgemeinen Grundsätzen treffen den Unternehmer bei einem Werkvertrag nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten, deren Inhalt und Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, insbesondere nach dem Beratungsbedarf des Bestellers und dem Fachwissen des Unternehmers, von dessen Vorhandensein im erforderlichen Umfang der Besteller ausgehen kann. Der Unternehmer ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Besteller auf alle Umstände hinzuweisen, die dieser nicht kennt, deren Kenntnis aber für dessen Willensbildung und Entschlüsse hinsichtlich des Werks von Bedeutung sind. Erkennt oder kann bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eine Kfz-Werkstatt einen die Betriebssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Mangel erkennen, dann begründet dies dem Kunden gegenüber eine Mitteilungspflicht, damit dieser eine Entschließung über Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels herbeiführen kann. Die Aufklärungs- und Beratungspflichten einer sachkundigen Werkstatt gegenüber dem Kunden erstrecken sich aber grundsätzlich nur auf das in Auftrag gegebene Werk und die damit zusammenhängenden Umstände. Die vertraglich übernommenen Verpflichtungen bestimmen und begrenzen insoweit auch den Umfang der Beratungspflichten. Vom Unternehmer, dem ein konkreter Reparaturauftrag erteilt worden ist, kann nicht verlangt werden, dass er auch sämtliche übrigen Teile des Gegenstands, an dem er seine Werkleistung zu erbringen hat, ohne besonderen Auftrag überprüft (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.02.2016 – 4 U 60/15, NJOZ 2016, 806, 808 m. w. Nachw.).
2. Gemessen hieran kann der Beklagten im vorliegenden Fall keine Verletzung nebenvertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten zum Nachteil der Klägerin angelastet werden.
Die Situation stellte sich für die Beklagte wie folgt dar: Der Werkstattauftrag, den die Klägerin ihr erteilt hatte, war konkret und bezog sich nur auf den Ausfall der Anzeige des digitalen Tachometers. Die Klägerin sprach die Bremsen gegenüber der Beklagten überhaupt nicht an. Soweit die Klägerin weiter anführt, dass sie der Beklagten auch mitgeteilt habe, dass es in der Vergangenheit zu einem Ausfall des Hauptlichts gekommen sei, kann dieser Vortrag nicht berücksichtigt werden, denn die entsprechenden Ausführungen sind von der Beklagten bestritten worden und die Klägerin hat für ihr streitiges Vorbringen keinen Beweis angeboten. Nach dem Austausch der Batterie funktionierte der Tachometer bei einer anschließenden Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Beklagten wieder; Probleme mit den Bremsen traten bei der Probefahrt nicht auf. Auch als die Klägerin das Motorrad am Unfalltag bei der Beklagten abholte, funktionierte die Tachoanzeige. Bei dieser Sachlage hatte die Beklagte keinen Anlass anzunehmen, dass durch den von ihr vorgenommenen Austausch der Batterie der Fehler nicht behoben worden worden war, sondern vielmehr noch immer ein bislang unentdeckter Fehler vorlag, der auch noch geeignet war, die Funktionstüchtigkeit des elektronischen Bremssystems in Mitleidenschaft zu ziehen.
Der erteilte Werkstattauftrag bezog sich konkret auf den Tachometer, mithin auf ein klar abgrenzbares Teil des Motorrads, dessen Funktion zunächst mit den Bremsen überhaupt nicht zusammenhängt. Eine intensive Überprüfung ganz anderer Bauteile des Motorrads konnte die Klägerin aber ohne gesonderte Vergütung nicht erwarten; auf der anderen Seite wäre sie aber auch nicht zur Zahlung verpflichtet und sicher auch nicht bereit gewesen, wenn die Beklagte eigeninitiativ Überprüfungen an Teilen vorgenommen hätte, die in keinem Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag standen.
Das Landgericht hat auf der Grundlage der Gutachten der DEKRA zutreffend ausgeführt, dass das einzig erkennbare Indiz, die Verfärbung der Bremsscheiben, noch nichts über den Zustand der Bremsflüssigkeit aussagt bzw. darüber, wann diese ausgetauscht worden ist, sodass sich hieraus allein auch keine nebenvertragliche Hinweispflicht der Beklagten herleiten lässt, wenn diese – wie im vorliegenden Fall – nicht auch mit allgemeinen Wartungs- und Inspektionsarbeiten, sondern allein damit beauftragt worden ist, den Tachometer zu reparieren.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Anzeige des Tachometers elektrisch ist und das Motorrad der Klägerin auch über ein elektronisches Bremssystem verfügt.
Nebenvertragliche Hinweispflichten in Bezug auf die Betriebssicherheit des Motorrads bestehen im Übrigen schon deshalb nicht, weil bei einem Ausfall des elektronischen Bremssystems automatisch die herkömmlichen hydraulischen Bremsen wirken und für Verzögerung sorgen. Vor diesem Hintergrund würde es – eine Pflichtverletzung der Beklagten unterstellt – jedenfalls an einer Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für die unfallbedingten Schäden der Klägerin fehlen.
Außerdem ist festzuhalten, dass auch die Klägerin selbst die Unfallursache zunächst gar nicht in einem Versagen des elektronischen Bremssystems gesehen, sondern ein selbstständiges Beweisverfahren zu einer ganz anderen Frage angestrengt hat, nämlich dazu, ob die in dem Motorrad enthaltene Bremsflüssigkeit mangelhaft war. Erst nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Bremsflüssigkeit nicht mehr vorhanden war, und der in dem selbstständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.01.2018 darauf hingewiesen hatte, dass ein Zeuge kein Aufleuchten des Bremslichts der Klägerin in der Unfallsituation gesehen habe und daher davon auszugehen sei, dass die Klägerin gar nicht gebremst habe, da bislang Probleme mit der Elektrik, die zu einem Ausfall der Stromversorgung geführt haben könnten, nicht erwähnt worden seien, hat die Klägerin mit ihrer Klageschrift vom 12.06.2018 im vorliegenden Verfahren erstmals vorgetragen, dass es zu Problemen mit der Elektrik und deshalb zu einem Ausfall des elektronischen Bremssystems gekommen sei. Diese Entwicklung des Parteivortrags spricht gerade nicht für einen sich aufdrängenden Zusammenhang zwischen der ausgefallenen Tachoanzeige und dem Funktionieren des elektronischen Bremssystems.
Nachdem das erstinstanzliche Urteil ergangen war, hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung einen neuen Kausalzusammenhang vorgetragen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt:
„Besteht jedoch an einem Motorrad – wie vorliegend – ganz offensichtlich ein elektronisches Problem, welches bereits zum Ausfall einzelner elektronischer Komponenten geführt hat (Tachoeinheit), und sind die Bremsen zusätzlich blau angelaufen, so muss im Umkehrschluss tatsächlich zwingend die gesamte (elektronische) Bremsanlage auf einen potenziellen, ebenfalls bestehenden elektronischen Defekt überprüft werden, um das vorliegend eingetretene, drohende Bremsversagen wirksam auszuschließen.“
Dieser von der Beklagten bestrittene neue Vortrag ist gemäß § 531 II Nr. 3 ZPO im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, denn es ist nicht ersichtlich, warum dieser Vortrag nicht bereits in erster Instanz möglich gewesen sein sollte. Es fehlen auch die nach § 520 III Nr. 4 ZPO erforderlichen Ausführungen in der Berufungsbegründung dazu, warum dieser neue Vortrag nach § 531 II ZPO zuzulassen wäre. Davon abgesehen hat die Verfärbung der Bremsscheiben nach den vorliegenden Gutachten der DEKRA eine andere Ursache; hiermit setzt sich die Klägerin jedoch nicht auseinander.
Aus den gleichen prozessualen Gründen ist auch der im Termin zur mündlichen Verhandlung erstmals gehaltene und von der Beklagten ebenfalls bestrittene Vortrag der Klägerin, dass es zu einem nur teilweisen Ausfall des C-ABS gekommen sei und bei einem solchen teilweisen Ausfall (im Gegensatz zu einem vollständigen Ausfall) die hydraulische Bremse nicht funktioniere, in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigungsfähig.
Der wechselnde Vortrag der Klägerin wirkt angepasst an die Entwicklung des Prozesses und ist vor diesem Hintergrund insgesamt nicht geeignet, die Verletzung werkvertraglicher Nebenpflichten durch die Beklagte plausibler erscheinen zu lassen.
Im Übrigen wirft die Klägerin der Beklagten hier ein pflichtwidriges Unterlassen vor. Nach der Rechtsprechung ist ein Unterlassen für einen Schaden aber nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt insoweit nach § 286 ZPO nicht. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Geschädigte (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.02.2016 – 4 U 60/15, NJOZ 2016, 806, 809 m. w. Nachw.). Im vorliegenden Fall stehen aber als mögliche Unfallursachen auch im Raum, dass die Klägerin überhaupt nicht gebremst hat (möglicherweise aufgrund einer Fehleinschätzung der Verkehrssituation), oder aber ein Versagen der (hydraulischen) Bremsen, weil die Bremsflüssigkeit verschlissen war, möglicherweise aufgrund eines Wartungsmangels bei starker Beanspruchung des Bremssystems. Damit kommen jedenfalls auch Unfallursachen in Betracht, hinsichtlich derer die Pflichtverletzung, die die Klägerin der Beklagten vorwirft, nicht kausal ist. …