Der Ge­schä­dig­te, des­sen noch fa­brik­neu­er Pkw bei ei­nem Un­fall er­heb­lich be­schä­digt wor­den ist, kann den ihm ent­stan­de­nen Scha­den auf Neu­wa­gen­ba­sis ab­rech­nen, so­bald er ein fa­brik­neu­es Er­satz­fahr­zeug ver­bind­lich be­stellt hat. Er muss sich je­doch scha­dens­min­dernd ei­nen Ra­batt an­rech­nen las­sen, den der Her­stel­ler des Er­satz­fahr­zeugs schwer­be­hin­der­ten Men­schen ge­ne­rell ge­währt.

OLG Frank­furt a. M., Ur­teil vom 03.06.2019 – 29 U 203/18
(nach­fol­gend: BGH, Ur­teil vom 14.07.2020 – VI ZR 268/19)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin macht Er­satz­an­sprü­che aus ei­nem Ver­kehrs­un­fall gel­tend, der sich am 15.11.2017 er­eig­net hat. Da­bei fuhr der Be­klag­te zu 1 mit sei­nem bei der Be­klag­ten zu 2 haft­pflicht­ver­si­cher­ten Fahr­zeug so hef­tig auf das Heck des lang­sam vor ei­ner ro­ten Am­pel aus­rol­len­den Pkw der Klä­ge­rin auf, dass die­ses Fahr­zeug auf das vor ihm an der ro­ten Am­pel be­reits zum Still­stand ge­kom­me­ne Fahr­zeug auf­ge­scho­ben wur­de.

Der Un­fall­her­gang und die al­lei­ni­ge Ein­stands­pflicht der Be­klag­ten sind dem Grun­de nach un­strei­tig; strei­tig ist aber die Hö­he des der Klä­ge­rin ent­stan­de­nen Scha­dens.

De­ren Fahr­zeug war erst ei­ne Wo­che alt, als sich der Un­fall er­eig­ne­te. Die Klä­ge­rin hat­te das fa­brik­neu­ge Fahr­zeug im Ok­to­ber 2017 für 30.525 € er­wor­ben, wo­bei ihr ein Ra­batt für Men­schen mit Be­hin­de­rung in Hö­he von 4.440,15 € (ent­spre­chend 15 % des Lis­ten­prei­ses) ge­währt wor­den war. Ei­nen sol­chen Ra­batt ge­währt die Fahr­zeug­her­stel­le­rin (Volks­wa­gen AG) un­ter an­de­rem Käu­fern mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung (GdB) von min­des­tens 50 für höchs­tens zwei Fahr­zeu­ge je Ka­len­der­jahr, die nach der Lie­fe­rung min­des­tens sechs Mo­na­te lang auf den Käu­fer zu­ge­las­sen blei­ben. Der Son­der­nach­lass und auch der be­hin­der­ten­ge­rech­te Um­bau von Fahr­zeu­gen wer­den von der Volks­wa­gen AG un­ter an­de­rem mit der Aus­sa­ge be­wor­ben, das Un­ter­neh­men tra­ge da­zu bei, „den All­tag von Men­schen mit Han­di­cap zu er­leich­tern“

Nach ei­ner von den Be­klag­ten erst­in­stanz­lich nicht mehr be­strit­te­nen Zu­sam­men­stel­lung des ADAC (Stand: Mai 2017) ge­wäh­ren die in Deutsch­land am Markt tä­ti­gen Kraft­fahr­zeug­her­stel­ler Men­schen mit Be­hin­de­rung in un­ter­schied­li­chem Um­fang und un­ter un­ter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­nen Nach­lass von 0 bis 25 % beim Kauf ei­nes Neu­wa­gens. Teils sind die Nach­läs­se ver­han­del­bar, teils mo­dell­ab­hän­gig; le­dig­lich für Fahr­zeu­ge der Volks­wa­gen AG und ei­nes an­de­ren Her­stel­ler be­trägt der Nach­lass je­weils fest 15 % des Lis­ten­prei­ses.

Nach dem Un­fall nahm die Klä­ge­rin ei­ne Er­satz­be­schaf­fung vor: Sie be­stell­te für sich am 22.11.2017 er­neut ein fa­brik­neu­es Volks­wa­gen-Fahr­zeug (an­de­res Mo­dell) zum Preis von 30.670 €. Auch dies­mal wur­de ihr ein 15-pro­zen­ti­ger Nach­lass für Men­schen mit Be­hin­de­rung ge­währt, und zwar in Hö­he von 4.720,50 €. Die Par­tei­en strei­ten dar­über, ob der Klä­ge­rin ein Scha­den le­dig­lich in Hö­he des tat­säch­lich ge­zahl­ten (ra­bat­tier­ten) Kauf­prei­ses oder in Hö­he des Lis­ten­prei­ses ent­stan­den ist.

Die Be­klag­ten ha­ben teils vor, teils nach Rechts­hän­gig­keit der Kla­ge auf den Fahr­zeug­scha­den 17.235,26 € ge­zahlt und der Klä­ge­rin im Üb­ri­gen – wie ver­langt – Sach­ver­stän­di­gen- und Ab­schlepp­kos­ten ein­schließ­lich ei­ner Un­kos­ten­pau­scha­le in Hö­he von ins­ge­samt 2.130,34 € er­setzt. Au­ßer­dem ha­ben die Be­klag­ten der Klä­ge­rin vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ne An­walts­kos­ten in Hö­he von 1.171,67 € er­stat­tet.

Die Klä­ge­rin hat dar­auf­hin den Rechts­streit in Be­zug auf den ur­sprüng­li­chen Kla­ge­an­trag zu 1 – Zah­lung von 22.950,34 € nebst Zin­sen – in Hö­he von (17.235,26 € + 2.130,34 € =) 19.365,60 € und in Be­zug auf den Kla­ge­an­trag zu 2 – Er­stat­tung von An­walts­kos­ten in Hö­he von 1.242,84 € – in Hö­he von 1.171,67 € für er­le­digt er­klärt. Zu­gleich hat im We­ge der Kla­ge­er­wei­te­rung die Zah­lung wei­te­rer 4.779,75 € ver­langt. Die­ser Be­trag er­gibt sich, wenn man vom Lis­ten­preis des bei dem Un­fall be­schä­dig­ten Fahr­zeugs (31.865,01 €) des­sen Rest­wert (9.850 €) so­wie den Be­trag sub­tra­hiert, den die Be­klag­ten we­gen des Un­fall­scha­dens ge­zahlt ha­ben (17.235,26 €).

Die Be­klag­ten ha­ben sich der Tei­ler­le­di­gungs­er­klä­rung un­ter Pro­test ge­gen die Kos­ten­last an­ge­schlos­sen.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen (LG Lim­burg, Urt. v. 16.10.2018 – 4 O 15/18), weil der Klä­ge­rin in Hö­he des ihr ge­währ­ten 15-pro­zen­ti­gen Nach­las­ses für Men­schen mit Be­hin­de­rung kein Scha­den ent­stan­den sei. Der Nach­lass sei zu­guns­ten der Be­klag­ten im We­ge des Vor­teils­aus­gleichs zu be­rück­sich­ti­gen, weil er Men­schen mit Be­hin­de­rung re­gel­mä­ßig ge­währt wer­de; er sei da­her zu be­han­deln wie ein Nach­lass für Werks­an­ge­hö­ri­ge oder Groß­kun­den, der oh­ne über­ob­li­ga­to­ri­sche An­stren­gun­gen zu er­lan­gen sei. Die Kos­ten des Rechts­streits hat das Land­ge­richt ins­ge­samt der Klä­ge­rin auf­er­legt. Es hat ge­meint, die Be­klag­ten wä­ren nicht in Ver­zug ge­we­sen, weil die Klä­ge­rin es ver­säumt ha­be, die Rech­nung über den Kauf­preis für das Er­satz­fahr­zeug vor­zu­le­gen.

Mit ih­rer Be­ru­fung mach­te die Klä­ge­rin gel­tend, der Nach­lass, den sie nur we­gen ih­rer Schwer­be­hin­de­rung beim Kauf des Er­satz­fahr­zeugs er­hal­ten ha­be, sei nicht zum Vor­teil der Be­klag­ten zu be­rück­sich­ti­gen. Es han­de­le sich um ei­nen von ei­nem per­sön­li­chen Merk­mal (Schwer­be­hin­de­rung) ab­hän­gi­gen und an ei­ne wei­te­re Be­din­gung (Hal­te­dau­er) ge­knüpf­ten, nicht markt­üb­li­chen wirt­schaft­li­chen Vor­teil, der nicht den Be­klag­ten, son­dern nur ihr per­sön­lich zu­gu­te­kom­men sol­le. Die Ge­wäh­rung des Nach­las­ses ha­be er­sicht­lich ei­ne so­zia­le Kom­po­nen­te und die­ne nicht der Pri­vi­le­gie­ren ei­nes Schä­di­gers. Falsch sei das Ur­teil des Land­ge­richts – so mein­te die Klä­ge­rin – auch hin­sicht­lich der Kos­ten­ent­schei­dung. Denn nach der Recht­spre­chung des BGH kön­ne ein Scha­den an ei­nem fa­brik­neu­en Pkw schon dann auf Neu­wa­gen­ba­sis ab­ge­rech­net wer­den, wenn der Ge­schä­dig­te ein fa­brik­neu­es Er­satz­fahr­zeug be­stellt ha­be.

Das Rechts­mit­tel führ­te le­dig­lich zu ei­ner Än­de­rung der land­ge­richt­li­chen Kos­ten­ent­schei­dung.

Aus den Grün­den: II. … B. Be­grün­det­heit

Das Rechts­mit­tel ist … un­be­grün­det. Die Ent­schei­dung des Land­ge­richts, der Klä­ge­rin die ma­te­ri­el­le Un­fall­ent­schä­di­gung le­dig­lich auf der Grund­la­ge des für Men­schen mit Be­hin­de­rung ra­bat­tier­ten Neu­wa­gen­prei­ses zu­zu­spre­chen, steht im Ein­klang mit der ma­te­ri­el­len Rechts­la­ge i. S. von § 513 I ZPO. Ab­zu­än­dern war das an­ge­foch­te­ne Ur­teil le­dig­lich hin­sicht­lich der Kos­ten­ent­schei­dung. Im Üb­ri­gen war die Be­ru­fung zu­rück­zu­wei­sen.

1. Haupt­for­de­rung

Das Land­ge­richt hat die Hö­he des Er­satz­an­spruchs aus dem Ver­kehrs­un­fall, für des­sen Fol­gen die Be­klag­ten al­lei­ne ein­zu­ste­hen ha­ben, zu­tref­fend be­mes­sen ge­mäß § 249 II 1 BGB.

a) Für die Be­mes­sung des Er­satz­an­spruchs ist nach der Dif­fe­renz­hy­po­the­se als Aus­gangs­punkt die Ver­mö­gens­ent­wick­lung beim Ge­schä­dig­ten mit und oh­ne das schä­di­gen­de Er­eig­nis zu bi­lan­zie­ren (ju­risPK-BGB/Rüß­mann, 8. Aufl. [2017], § 249 Rn. 5, Stand: 09.11.2018). Zu be­rück­sich­ti­gen sind da­bei nur ad­äquat-kau­sa­le Scha­dens­ent­wick­lun­gen und sol­che in­ner­halb des Schutz­be­reichs der die Er­satz­pflicht be­grün­den­den Norm (ju­risPK-BGB/Rüß­mann, a. a. O., § 249 Rn. 7). Durch das Er­eig­nis mit ver­ur­sach­te Vor­tei­le sind nach wer­ten­den Ge­sichts­punk­ten scha­dens­min­dernd in die Be­rech­nun­gen ein­zu­stel­len (ju­risPK-BGB/Rüß­mann, a. a. O., § 249 Rn. 7).

Im Rah­men der Vor­teils­aus­glei­chung wer­den mit dem schä­di­gen­den Er­eig­nis zu­flie­ßen­de Vor­tei­le nach wer­ten­den Ge­sichts­punk­ten in die Scha­dens­bi­lanz mit ein­ge­stellt. An­zu­rech­nen sind dem­nach nur ad­äquat ver­ur­sach­te Vor­tei­le (BGH, Urt. v. 15.11.1967 – VI­II ZR 150/65, BGHZ 49, 56, 61 f.). Die Vor­teil­s­an­rech­nung darf nicht zu ei­ner un­bil­li­gen Ent­las­tung des Schä­di­gers füh­ren (BGH, Urt. v. 22.09.1970 – VI ZR 28/69, BGHZ 54, 269, 272). Nach der Recht­spre­chung des BGH müs­sen die Vor- und Nach­tei­le bei wer­ten­der Be­trach­tung in Rech­nungs­ein­heit ver­bun­den sein (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, 209 f.).

Ver­tre­ten wird in­so­weit un­ter an­de­rem ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen un­selbst­stän­dig und selbst­stän­dig zu­flie­ßen­den Vor­tei­len (vgl. ju­risPK-BGB/Rüss­mann, a. a. O., § 249 Rn. 51 ff.). Bei un­selbst­stän­di­gen Vor­tei­len (z. B. er­spar­te Le­bens­hal­tungs­kos­ten wäh­rend ei­nes vom Schä­di­ger be­zahl­ten Kran­ken­haus­auf­ent­halts) hängt ei­ne An­rech­nung da­von ab, ob sie dem Ge­schä­dig­ten zu­mut­bar ist und nicht ge­gen recht­li­che Wer­tun­gen ver­stößt (BGH, Urt. v. 24.03.1959 – VI ZR 90/58, BGHZ 30, 29, 33 f. = NJW 1959, 1078 f.). Bei selbst­stän­di­gen Vor­tei­len (z. B. Wert­stei­ge­rung des Grund­stücks in­fol­ge Zer­stö­rung ei­nes un­ter Denk­mal­schutz ste­hen­den Hau­ses) ist der Ver­mö­gens­zu­fluss an­zu­rech­nen, so­lan­ge er nicht auf der Leis­tung ei­nes Drit­ten be­ruht.

Nicht zu­guns­ten des Schä­di­gers an­zu­rech­nen sind nach der Recht­spre­chung und der Li­te­ra­tur in der Re­gel frei­wil­li­ge Leis­tun­gen Drit­ter (ju­risPK-BGB/Rüß­mann, a. a. O., § 249 Rn. 55; MünchKomm-BGB/Oet­ker, 8. Aufl. [2019], § 249 Rn. 251 m. zahl­rei­chen Recht­spre­chungs­nachw.). Will der Drit­te nur dem Ge­schä­dig­ten ei­nen Vor­teil zu­wen­den, so soll die­ser den Vor­teil dar­aus über den rei­nen Ver­mö­gens­aus­gleich hin­aus beim Schä­di­ger li­qui­die­ren dür­fen (ju­risPK-BGB/Rüß­mann, a. a. O., § 249 Rn. 55). Als sol­che frei­wil­li­gen, nicht an­zu­rech­nen­den Leis­tun­gen an­er­kannt sind in der Recht­spre­chung Samm­lun­gen für den Ge­schä­dig­ten, frei­wil­li­ge Un­ter­halts­leis­tun­gen und frei­wil­li­ge Zu­wen­dun­gen des Ar­beit­ge­bers an Ar­beit­neh­mer.

Nicht an­zu­rech­nen sein sol­len auch Vor­tei­le, die aus Ver­trä­gen nach dem Scha­dens­fall erst ent­ste­hen (MünchKomm-BGB/Oet­ker, a. a. O., § 249 Rn. 253).

An­zu­rech­nen sind hin­ge­gen sol­che Vor­tei­le, die der Ge­schä­dig­te oh­ne be­son­de­re An­stren­gun­gen je­der­zeit wie­der er­rei­chen kann. Da­zu ge­hö­ren nach der Recht­spre­chung Ra­bat­te, die re­gel­mä­ßig ge­währt wer­den wie zum Bei­spiel an Werks­an­ge­hö­ri­ge bei dem Er­werb von Fahr­zeu­gen (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1974 – IV ZR 169/73, NJW 1975, 307 f. [zu § 13 2 AKB]; Urt. v. 18.10.2011 – VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 6 ff. [zu § 249 BGB]; LG Karls­ru­he, Urt. v. 28.06.2017 – 19 S 33/16, NJW 2017, 2924 Rn. 29 ff.).

Maß­geb­li­ches Kri­te­ri­um bei der wer­ten­den Be­trach­tung ist im­mer, ob die Leis­tung des Drit­ten auch den Zweck hat, den Schä­di­ger zu ent­las­ten, oder ob sie aus­schließ­lich im In­ter­es­se des Ge­schä­dig­ten er­bracht wird.

Aus dem Ur­teil des BGH vom 18.10.2011 (VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 9) ent­nimmt das Be­ru­fungs­ge­richt, dass wer­ten­de Kor­rek­tu­ren der Dif­fe­renz­hy­po­the­se an­ge­bracht sind, wenn die Ver­mö­gens­ein­bu­ße durch frei­wil­li­ge Leis­tun­gen Drit­ter, die den Schä­di­ger nicht ent­las­ten sol­len, rech­ne­risch aus­ge­gli­chen wird. Ei­ne Kor­rek­tur ist dem­nach nur an­ge­bracht, wenn nach ei­ner um­fas­sen­den Be­wer­tung der ge­sam­ten In­ter­es­sen­la­ge, wie sie durch das schä­di­gen­de Er­eig­nis zwi­schen Schä­di­ger, Ge­schä­dig­ten und dem frei­wil­lig leis­ten­den Drit­ten be­steht, so­wie un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Sinn und Zweck al­ler in Be­tracht kom­men­den Rechts­nor­men die Dif­fe­renz­bi­lanz der Scha­dens­ent­wick­lung nicht ge­recht wird.

b) Auf der Ba­sis der rei­nen Dif­fe­renz­hy­po­the­se ist der Klä­ge­rin durch das Un­fall­er­eig­nis kein Scha­den in Hö­he des Be­hin­der­ten­ra­bat­tes ent­stan­den. Denn sie hat die­sen Ra­batt so­wohl für den kurz vor dem Un­fall erst an­ge­schaff­ten Neu­wa­gen als auch für die durch­ge­führ­te Er­satz­be­schaf­fung ei­nes Neu­fahr­zeugs nach dem Un­fall er­hal­ten. Da­her hat sie rein rech­ne­risch kei­ne über die von den Be­klag­ten ge­leis­te­ten Zah­lun­gen hin­aus­ge­hen­de un­fall­be­ding­te Ver­mö­gens­ein­bu­ße er­lit­ten.

Das Be­ru­fungs­ge­richt ist im Rah­men der Ab­wä­gung nach den oben dar­ge­stell­ten Kri­te­ri­en zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass ei­ne Kor­rek­tur der Scha­dens­be­rech­nung nach der rei­nen Dif­fe­renz­hy­po­the­se auf­grund wer­ten­der Ge­sichts­punk­te nicht ge­bo­ten ist.

Für die in­di­vi­du­el­le Scha­dens­be­trach­tung nach wer­ten­den Ge­sichts­punk­ten ist die Abs­trakt­heit des Ent­schä­di­gungs­be­griffs eben­so zu be­ach­ten wie die Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis des Ge­schä­dig­ten. Ent­schie­de sich die Ge­schä­dig­te, die Ent­schä­di­gungs­leis­tung zur Er­satz­be­schaf­fung ei­nes Fahr­zeugs zu ver­wen­den, für das ihr kein Ra­batt ge­währt wird – die­ser ist nach den Fest­stel­lun­gen mar­ken­ab­hän­gig und un­ter­schied­lich hoch be­mes­sen –, so wä­re ihr schon nach der rei­nen Dif­fe­renz­hy­po­the­se der bei der An­schaf­fung des ge­schä­dig­ten Fahr­zeugs er­ziel­te Ra­batt als Scha­den ent­stan­den. Das­sel­be wür­de gel­ten, wenn sich die Ge­schä­dig­te ih­rer Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis ent­spre­chend ent­schlie­ßen wür­de, statt ei­nes Neu­wa­gens ein Ge­braucht­fahr­zeug zu er­wer­ben oder nach ei­nem Un­fall auf den Er­werb ei­nes Er­satz­fahr­zeugs zu ver­zich­ten und die Ent­schä­di­gungs­leis­tung an­der­wei­tig zu ver­wen­den, et­wa für Fahr­dienst­leis­tun­gen.

An­de­rer­seits war bei der Ent­schei­dung über die Hö­he des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs die kon­kre­te Scha­dens­ab­rech­nung durch die Klä­ge­rin zu be­rück­sich­ti­gen. Sie hat ih­re Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis auf ei­ne Wei­se aus­ge­übt, die ihr auch bei der Er­satz­be­schaf­fung den Ra­batt ge­si­chert hat.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sich nicht da­von zu über­zeu­gen ver­mocht, dass be­son­de­re Wer­tungs­ge­sichts­punk­te es gleich­wohl er­for­der­lich ma­chen, der Klä­ge­rin in Hö­he des von ihr er­lang­ten Ra­batts ei­ne wei­te­re Ent­schä­di­gung zu­zu­spre­chen. Da­bei hat das Be­ru­fungs­ge­richt be­rück­sich­tigt, dass der Ra­batt auf­grund be­son­de­rer, un­güns­ti­ger ge­sund­heit­li­cher Um­stän­de der Klä­ge­rin per­sön­lich ge­währt wur­de. Es han­delt sich um die Leis­tung ei­nes Drit­ten, die die­ser Men­schen mit Be­hin­de­run­gen frei­wil­lig und nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen er­bringt. Die Min­de­rung der Er­werbs­fä­hig­keit muss min­des­tens 50 % be­tra­gen, der Ra­batt kann nur im Neu­wa­gen­ge­schäft be­an­sprucht wer­den, die Klä­ge­rin muss das Fahr­zeug nach der Zu­las­sung min­des­tens sechs Mo­na­te sel­ber hal­ten und kann im Ka­len­der­jahr nur zwei Fahr­zeu­ge mit die­sem Ra­batt erwerben.​Damit hängt die Ra­bat­tie­rung von be­son­de­ren per­sön­li­chen Merk­ma­len bei der Ge­schä­dig­ten ab; sie schränkt ih­re Dis­po­si­ti­ons­frei­heit ein, weil sie nur im Neu­wa­gen­ge­schäft und nicht von al­len Her­stel­lern ge­währt wird, und die Ra­bat­tie­rung durch den Au­to­her­stel­ler dient nicht da­zu, den Schä­di­ger zu ent­las­ten.

Der Se­nat hat al­ler­dings auch nicht fest­zu­stel­len ver­mocht, dass der Ra­batt vor­ran­gig ei­ne so­zia­le Funk­ti­on hat oder ei­ne frei­ge­bi­ge Leis­tung ist. Es fällt zwar auf, dass le­dig­lich zwei gro­ße deut­sche Au­to­her­stel­ler Men­schen mit Be­hin­de­run­gen bei Nach­weis der Vor­aus­set­zun­gen auch oh­ne Ver­hand­lungs­ge­schick ei­nen fest vor­ein­ge­stell­ten Ra­batt ge­wäh­ren. Auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Leis­tungs­be­schrei­bung durch die Volks­wa­gen AG, die An­halts­punk­te für ei­ne so­zia­le Kom­po­nen­te bie­tet, ver­mag das Be­ru­fungs­ge­richt dar­in kei­ne frei­ge­bi­ge Leis­tung ei­nes Drit­ten zu er­ken­nen. Sol­che sind dem ge­werb­li­chen Wa­ren­ver­kehr re­gel­mä­ßig we­sens­fremd. Eben­so na­he­lie­gend ist, dass es sich um ein von ei­ner so­zia­len Kom­po­nen­te mit­be­stimm­tes Ele­ment der Ab­satz­för­de­rung und der Kun­den­bin­dung han­delt.

Das Be­ru­fungs­ge­richt ord­net den der Klä­ge­rin ge­währ­ten Ra­batt für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen da­her recht­s­ähn­lich dem Werks­an­ge­hö­ri­gen­ra­batt ein, weil die Klä­ge­rin den Ra­batt bei Fort­be­stand ih­rer ge­sund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen bei ei­ner Er­satz­be­schaf­fung ei­nes neu­en Fahr­zeugs – wie vor­lie­gend – und bei ei­ner Be­schrän­kung auf zwei nam­haf­te deut­sche Au­to­her­stel­ler oh­ne wei­te­re An­stren­gun­gen er­neut er­zie­len kann, so­lan­ge sie nicht mehr als zwei Fahr­zeu­ge im Jahr neu an­schafft und die­se je­weils min­des­tens sechs Mo­na­te hält.

c) Der An­spruch auf die Zin­sen und auf die vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten teilt das Schick­sal der Haupt­for­de­rung.

2. Kos­ten­ent­schei­dung

Die Kos­ten­ent­schei­dung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils war auf die zu­läs­si­ge Be­ru­fung von Amts we­gen ab­zu­än­dern.

So­weit die Klä­ge­rin mit ih­rem Ra­batt­an­spruch end­gül­tig un­ter­le­gen ist, hat sie die dar­auf ent­fal­len­den Kos­ten ge­mäß § 92 I ZPO an­tei­lig zu tra­gen.

Hin­sicht­lich des über­ein­stim­mend für er­le­digt er­klär­ten Teils sind die Kos­ten ge­mäß der §§ 91a, 93 ZPO ana­log von den Be­klag­ten zu tra­gen, weil sie Ver­an­las­sung zur Kla­ge ge­ge­ben ha­ben. Denn der be­klag­te Ver­si­che­rer hat auf das Un­fall­er­eig­nis vom 15.11.2017 und die Scha­den­s­an­mel­dung vom 23.11.2017 und wie­der­hol­te Zah­lungs­auf­for­de­run­gen durch die Klä­ge­rin erst­mals am 15.02. und zu­letzt am 14.03.2018 Zah­lun­gen ge­leis­tet. Zu die­sem Zeit­punkt be­stand Ver­zug. Zwar war die bis zum 12.12.2017 zu­nächst ge­setz­te Zah­lungs­frist zu kurz be­mes­sen. Die zu kur­ze Frist ver­län­ger­te sich auf die an­ge­mes­se­ne Frist. Für die Scha­dens­be­rech­nung be­durf­te es kei­ner Vor­la­ge ei­ner Rech­nung über die Er­satz­be­schaf­fung, son­dern die Be­klag­te konn­te be­reits an­hand der ver­bind­li­chen Be­stel­lung für das neue Fahr­zeug vom 22.11.2017 – die ei­nen Kauf im Sin­ne der Ent­schei­dung BGHZ 181, 242 (BGH, Urt. v. 09.06.2009 – VI ZR 110/08) dar­stellt – und aus dem Gut­ach­ten des TÜV die not­wen­di­gen Da­ten ent­neh­men. Dem­ge­gen­über hat der Ver­si­che­rer die Re­gu­lie­rung durch nicht ge­bo­te­ne Rück­fra­gen zu den Rech­nun­gen und den Er­mitt­lungs­ak­ten vor­werf­bar ver­zö­gert. Je­den­falls wa­ren die Be­klag­ten da­her beim Ein­rei­chen der Kla­ge­schrift am 26.01.2018 mit der Re­gu­lie­rung im Ver­zug und ha­ben die Kos­ten des er­le­dig­ten Teils des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Kos­ten der in der Haupt­sa­che er­folg­lo­sen Be­ru­fung hat die Klä­ge­rin ge­mäß § 97 I ZPO zu tra­gen

3. Ne­ben­ent­schei­dun­gen

Die Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil war ge­mäß § 543 II ZPO zu­zu­las­sen. Die Fra­ge, ob der Ra­batt für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen bei der Ab­rech­nung von Un­fall­er­eig­nis­sen dem Schä­di­ger zu­gu­te­kom­men soll oder eben­falls zu ent­schä­di­gen ist, ist ei­ne in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung bis­her nicht er­sicht­lich ent­schie­de­ne Rechts­fra­ge, die sich in zahl­rei­chen wei­te­ren Fäl­len stel­len kann. …

Hin­weis: Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin hat der BGH mit Ur­teil vom 14.07.2020 – VI ZR 268/19 zu­rück­ge­wie­sen.

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