Nach einem Verkehrsunfall scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs aus, wenn ein Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert dieses Fahrzeugs deshalb nicht ermitteln könnte, weil infolge einer „Tachomanipulation“ völlig unklar ist, welche Laufleistung das Fahrzeug aufweist.

AG Bochum, Urteil vom 14.08.2015 – 47 C 55/15

Sachverhalt: Nach einem Verkehrsunfall, der sich am 11.10.2014 ereignet hat und bei dem das Fahrzeug des Klägers – ein Mercedes-Benz E 220 CDI – beschädigt wurde, begehrt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.009,07 €. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist nicht im Streit.

Hinsichtlich der Reparaturkosten (1.997,39 € netto) und der Wertminderung (350 €) stützt der Kläger seine Ansprüche auf das Gutachten des Dipl.-Ing. R vom 15.10.2014. Darin wurde aufgrund eines Übertragungsfehlers die Laufleistung des beschädigten Fahrzeugs zunächst mit 125.916 km angegeben. Dies wurde unter dem 13.05.2015 dahin korrigiert, dass aufgrund der Angaben des Klägers tatsächlich eine Laufleistung von 155.916 km angenommen worden sei.

Bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall hatte D, ein Vorbesitzer des Mercedes-Benz E 220 CDI, den Kläger darüber informiert, dass die Kilometeranzeige des Fahrzeugs manipuliert worden sei. D hatte deshalb „seinen“ Verkäufer gerichtlich auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen. In dem seinerzeit vor dem LG Münster geführten Verfahren war ein – von den Parteien des jetzigen Rechtsstreits nicht angegriffenes – Sachverständigengutachten eingeholt worden. Darin heißt es, dass in das streitgegenständliche Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 59.315 ein CAN-Filter eingebaut worden und so die Kommunikation zwischen Kombiinstrument und elektronischem Zündschloss gestört worden sei. Daraus habe sich ein im Steuergerät hinterlegter Kilometerstand von gleichbleibend 59.315 ergeben und sich der im elektronischen Zündschloss hinterlegte Kilometerstand nicht mehr erhöhen können. Der angezeigte Kilometerstand des Kombiinstruments habe hingegen auf einen beliebigen Wert zurückgedreht werden können, wobei bei einem nur einmaligen Zurückdrehen die angezeigte Laufleistung um etwa 60.000 km hinter der tatsächlichen Laufleistung zurückbleibe.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.10.2014 forderte der Kläger die Beklagte zu 3) zur Zahlung von 3.009,07€ auf. Hierfür wurden dem Kläger 413,64€ in Rechnung gestellt. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Betrages wird auf die Berechnung, Bl. 3 d.A., Bezug genommen.

Der Kläger macht geltend, die Gesamtlaufleistung seines Fahrzeugs sei im Gutachten des Dipl.-Ing. R zutreffend mit rund 156.000 km zutreffend angegeben worden, und auch im Übrigen sei das Gutachten nicht zu beanstanden. Die Beklagten behaupten demgegenüber, die Laufleistung des Fahrzeugs des Klägers sei deutlich höher als vom Kläger angegeben; wie hoch sie tatsächlich sei, könne nicht festgestellt werden. Daher ließen sich weder ein Wiederbeschaffungswert noch eine Wertminderung ermitteln. Insofern sei das Gutachten des Dipl.-Ing. R erkennbar unbrauchbar, sodass der Kläger die dafür aufgewendeten Kosten nicht mit Erfolg ersetzt verlangen könne. und nicht erstattungsfähig.

Die auf Zahlung von 3.009,07 € nebst Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (413,64 €) gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegen die Beklagten aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 11.10.2014 kein Schadensersatzanspruch zu.

Ein Schadensersatzanspruch scheidet aus, weil ein Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert des an dem Unfall beteiligten Fahrzeugs aufgrund der völlig unklaren Laufleistung des Fahrzeugs nicht verlässlich ermitteln könnte. Nach den zwischen den Parteien unstreitigen Feststellungen in dem schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S vom 24.06.2011 kann eine Ermittlung der tatsächlichen Laufleistung nicht erfolgen. Hiernach steht lediglich fest, dass bei einer Laufleistung von 59.315 km eine Manipulation erfolgt ist, deren Höhe allerdings nicht bestimmt werden kann. Soweit der Kläger behauptet, die tatsächliche Laufleistung liege tatsächlich (lediglich) um 30.000 km über der angezeigten Laufleistung, ist dieser Vortrag schon unsubstanziiert und damit unbeachtlich. Anknüpfungstatsachen für diese Vermutung werden nicht mitgeteilt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die vorstehend dargelegte unklare tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs hat der Kläger im laufenden Rechtsstreit nicht im Ansatz nachvollziehbar aufgeklärt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs bzw. zu dessen Laufleistung kam deshalb nicht in Betracht.

Wenn aber – wie hier – der Wiederbeschaffungswert nicht ermittelt werden kann, muss die Frage auch offenbleiben, ob überhaupt ein reparaturwürdiger Schaden am klägerischen Fahrzeug entstanden ist. Gleiches gilt für die Ermittlung einer etwaigen merkantilen Wertminderung.

Das von dem Kläger eingeholte Schadensgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. R ist vor diesem Hintergrund ebenfalls unbrauchbar, und dessen Kosten sind von den Beklagten nicht zu erstatten. Der Kläger wäre vorliegend verpflichtet gewesen, den Sachverständigen Dipl.-Ing. R über die unklare Laufleistung, welche dem Kläger unstreitig bekannt war, in Kenntnis zu setzten. Selbst eine Mitteilung des Klägers an den Sachverständigen Dipl.-Ing. R, dass die tatsächliche Laufleistung um 30.000km höher als die angezeigte Laufleistung liege, würde an der für den Kläger erkennbaren Unbrauchbarkeit des Gutachtens nichts ändern. Umstände, die zu einer solchen Einschätzung des Klägers (berechtigterweise) hätten führen können, sind – wie bereits dargestellt – nicht mitgeteilt. Dem Kläger hätte daher bewusst sein müssen, dass das Gutachten aufgrund des Fehlens einer belastbaren Laufleistung seines Fahrzeugs objektiv unbrauchbar für die Schadensregulierung sein würde.

Die weiteren Nebenforderungen in Form der Unfallpauschale und der vorgerichtlichen Anwaltskosten teilen das Schicksal der Hauptforderung. …

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