Die Ur­säch­lich­keit der Arg­list für den Kauf­ent­schluss ist im Rah­men von § 444 Fall 1 BGB un­er­heb­lich; das gilt auch dann, wenn sich das arg­lis­ti­ge Ver­schwei­gen auf ei­nen Rechts­man­gel be­zieht (im An­schluss an Se­nat, Urt. v. 15.07.2011 – V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 13).

BGH, Ur­teil vom 14.09.2018 – V ZR 165/17

Sach­ver­halt: Der Klä­ger gab ge­gen­über der Be­klag­ten ein no­ta­ri­el­les Kauf­an­ge­bot für ei­ne Woh­nung in H. ab, das die Be­klag­te am 05.08.2008 an­nahm. In dem Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem:

„An­sprü­che und Rech­te des Käu­fers we­gen ei­nes Sach­man­gels des Woh­nungs­ei­gen­tums sind aus­ge­schlos­sen. Dies gilt auch für al­le An­sprü­che auf Scha­dens­er­satz, es sei denn, der Ver­käu­fer han­delt vor­sätz­lich.“

Ge­stützt auf die Be­haup­tung, die Be­klag­te ha­be ihn nicht dar­über auf­ge­klärt, dass es sich bei der Woh­nung um öf­fent­lich ge­för­der­ten Wohn­raum han­de­le und Mie­ter ei­nen Be­rech­ti­gungs­schein be­nö­tig­ten, ver­langt der Klä­ger von der Be­klag­ten im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags so­wie die Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten. Zu­dem möch­te er fest­ge­stellt wis­sen, dass die Be­klag­te ihm zum Er­satz wei­te­rer Schä­den ver­pflich­tet ist. Die Be­klag­te er­hebt die Ein­re­de der Ver­jäh­rung.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; die Be­ru­fung des Klä­gers ist oh­ne Er­folg ge­blie­ben. Die Re­vi­si­on des Klä­gers, mit der er sei­ne Zah­lungs- und Fest­stel­lungs­an­trä­ge wei­ter­ver­folg­te, war er­folg­reich.

Aus den Grün­den: [2]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt meint, dem Klä­ger ste­he ge­gen die Be­klag­te we­gen der Miet­preis­bin­dung kein An­spruch auf Scha­dens­er­satz zu. Ob die­se als Man­gel der Woh­nung an­zu­se­hen sei und ob der Klä­ger von die­sem Man­gel erst 2012 oder be­reits bei Kauf­ab­schluss Kennt­nis er­langt ha­be, kön­ne eben­so of­fen­blei­ben wie die Fra­ge, ob die Be­klag­te ih­rer­seits im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses Kennt­nis von der Preis­bin­dung ge­habt ha­be. Denn der Klä­ger ha­be schon nicht dar­ge­legt, dass er bei Kennt­nis die­ses Um­stands den Ver­trag nicht ge­schlos­sen hät­te, mit­hin ei­ne Kau­sa­li­tät zwi­schen der be­haup­te­ten un­ter­las­se­nen Auf­klä­rung und sei­nem Kauf­ent­schluss – mit der Fol­ge des be­haup­te­ten Scha­den­s­ein­tritts – be­stan­den ha­be.

[3]    II. Das hält recht­li­cher Nach­prü­fung nicht stand. Mit der von dem Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung lässt sich ein An­spruch des Klä­gers ge­gen die Be­klag­te aus § 437 Nr. 3, §§ 280 I und III, 281 I 1 BGB auf Scha­dens­er­satz we­gen der für das Kauf­ob­jekt be­ste­hen­den So­zi­al­bin­dung nicht ver­nei­nen.

[4]    1. Die Woh­nung weist, was das Be­ru­fungs­ge­richt of­fen­ge­las­sen hat, ei­nen Man­gel i. S. von § 435 Satz 1 BGB auf. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Se­nats stellt die So­zi­al­bin­dung ei­ner mit öf­fent­li­chen Mit­teln ge­för­der­ten Woh­nung ei­nen Rechts­man­gel dar, weil sie den Ei­gen­tü­mer in sei­nen recht­li­chen Be­fug­nis­sen ein­schränkt, so­wohl was die Ei­gen­nut­zung (§ 6 Wo­BindG; § 27 VII WoFG) als auch was die Fremd­nut­zung (§§ 4 ff. Wo­BindG; §§ 26 ff. WoFG) an­geht (vgl. Se­nat, Urt. v. 21.01.2000 – V ZR 387/98, NJW 2000, 1256; Urt. v. 28.10.1983 – V ZR 235/82, WM 1984, 214; Urt. v. 09.07.1976 – V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135 f.). Hier­an hat sich durch die Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung nichts ge­än­dert.

[5]    2. An­sprü­che des Klä­gers we­gen die­ses Rechts­man­gels kön­nen nicht mit der Be­grün­dung ver­neint wer­den, der Klä­ger ha­be die Kau­sa­li­tät zwi­schen der be­haup­te­ten un­ter­las­se­nen Auf­klä­rung über die So­zi­al­bin­dung durch die Be­klag­te und sei­nem Kauf­ent­schluss nicht dar­ge­legt. Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob der ver­trag­li­che Haf­tungs­aus­schluss, zu des­sen Aus­le­gung sich das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nicht ver­hält, auch die Haf­tung für Rechts­män­gel um­fasst.

[6]    a) Soll­te die Haf­tung des Be­klag­ten für Rechts­män­gel nicht aus­ge­schlos­sen sein, kä­me es von vorn­her­ein nicht auf ein et­wai­ges arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen der So­zi­al­bin­dung und auf des­sen Kau­sa­li­tät für den Kauf­ent­schluss des Klä­gers an, weil die Be­klag­te für Rechts­män­gel oh­ne Wei­te­res nach § 433 I 2, § 435 Satz 1, § 437 BGB ein­zu­ste­hen hät­te.

[7]    b) Auf die Kau­sa­li­tät der un­ter­las­se­nen Auf­klä­rung für den Kauf­ent­schluss des Klä­gers kä­me es aber auch dann nicht an, wenn der ver­trag­li­che Haf­tungs­aus­schluss auch Rechts­män­gel er­fas­sen soll­te. Auf den Haf­tungs­aus­schluss kann sich die Be­klag­te näm­lich nach § 444 Fall 1 BGB nicht be­ru­fen, wenn sie dem Klä­ger den in der So­zi­al­bin­dung lie­gen­den Rechts­man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat, wo­von für die Re­vi­si­ons­in­stanz aus­zu­ge­hen ist, weil das Be­ru­fungs­ge­richt dies aus­drück­lich of­fen­ge­las­sen hat. Die­se Vor­schrift soll den Käu­fer al­lein vor ei­ner un­red­li­chen Frei­zei­ch­nung des Ver­käu­fers von der Män­gel­haf­tung schüt­zen. Ei­ne sol­che un­red­li­che Frei­zei­ch­nung ist ge­ge­ben, wenn der Ver­käu­fer arg­lis­tig han­delt. Wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen ent­hält die Vor­schrift nicht. Na­ment­lich die Ur­säch­lich­keit der Arg­list für den Kauf­ent­schluss ist im Rah­men von § 444 Fall 1 BGB un­er­heb­lich (vgl. Se­nat, Urt. v. 15.07.2011 – V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 13). Das gilt auch dann, wenn sich das arg­lis­ti­ge Ver­schwei­gen auf ei­nen Rechts­man­gel be­zieht.

[8]    III. Das Be­ru­fungs­ur­teil kann da­her kei­nen Be­stand ha­ben; es ist auf­zu­he­ben. Der Rechts­streit ist an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, da er nicht zur End­ent­schei­dung reif ist (§§ 562 I, 563 I 1, III ZPO).

[9]    1. Das Be­ru­fungs­ge­richt wird zu­nächst zu prü­fen ha­ben, ob die ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung über den Aus­schluss der Haf­tung der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz­an­sprü­che des Klä­gers we­gen Rechts­män­geln er­fasst. Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass Frei­zei­ch­nungs­klau­seln – als Aus­nah­me von der sich aus dem dis­po­si­ti­ven Recht er­ge­ben­den Haf­tung – grund­sätz­lich eng aus­zu­le­gen sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 02.04.2004 – V ZR 267/03, BGHZ 158, 354, 366; BGH, Urt. v. 26.04.2017 – VI­II ZR 233/15, NJW 2017, 3292 Rn. 24; je­weils m. w. Nachw.). Soll­te die Haf­tung der Be­klag­ten für Rechts­män­gel nicht aus­ge­schlos­sen sein, wä­re der klä­ge­ri­sche An­spruch dem Grun­de nach ge­ge­ben.

[10]   2. Soll­te der in Re­de ste­hen­de Scha­dens­er­satz­an­spruch ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen sein, wird das Be­ru­fungs­ge­richt Fest­stel­lun­gen zu der von dem Klä­ger be­haup­te­ten arg­lis­ti­gen Täu­schung durch die Be­klag­te zu tref­fen ha­ben.

[11]   a) Hier­zu weist der Se­nat dar­auf hin, dass der klä­ge­ri­sche Vor­trag, na­ment­lich das von dem Klä­ger als Be­leg für ei­ne Kennt­nis der Be­klag­ten von der So­zi­al­bin­dung vor Ver­trags­schluss an­ge­führ­te Schrei­ben der Stadt H. vom 15.07.2008, bis­lang nicht aus­rei­chend ge­wür­digt wur­de. In die­sem Schrei­ben heißt es aus­drück­lich, dass das Ob­jekt, in wel­chem sich die klä­ge­ri­sche Woh­nung be­fin­det, auf­grund der För­de­rung mit öf­fent­li­chen Mit­teln ei­ner zehn­jäh­ri­gen Nach­bin­dung nach dem Woh­nungs­bin­dungs­ge­setz un­ter­lie­ge, so­dass ins­be­son­de­re Kos­ten­miet­recht gel­te und Wohn­be­rech­ti­gungs­schei­ne er­for­der­lich sei­en. So­weit das Land­ge­richt hier­zu aus­führt, das Schrei­ben sei nicht an die Be­klag­te, son­dern an de­ren Rechts­vor­gän­ge­rin, die A, ge­rich­tet, trifft dies zwar zu. In dem Schrei­ben heißt es aber, dass die Be­klag­te ei­ne Durch­schrift er­hal­te. Auch der Um­stand, dass das Schrei­ben nach den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts An­lass für das am 05.08.2008 ge­führ­te Ge­spräch zwi­schen dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten und dem zu­stän­di­gen Sach­be­ar­bei­ter der Stadt ge­ge­ben hat, spricht für ei­nen Zu­gang des Schrei­bens bei der Be­klag­ten vor dem an die­sem Tag er­folg­ten Ver­trags­schluss.

[12]   b) Soll­te die Be­klag­te von der So­zi­al­bin­dung der Woh­nung bei Ver­trags­schluss Kennt­nis ge­habt ha­ben, so hat­te sie den Klä­ger hier­über auf­zu­klä­ren. Die­se Auf­klä­rungs­pflicht ist ent­ge­gen der An­sicht des Land­ge­richts, der sich das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­schlos­sen hat, nicht des­we­gen ent­fal­len, weil der Klä­ger die Woh­nung vor Ver­trags­schluss nicht be­sich­tigt hat. Rich­tig ist, dass für Män­gel, die ei­ner Be­sich­ti­gung zu­gäng­lich und da­mit oh­ne Wei­te­res er­kenn­bar sind, kei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht be­steht. Der Käu­fer kann in­so­weit ei­ne Auf­klä­rung nicht er­war­ten, weil er die­se Män­gel bei der im ei­ge­nen In­ter­es­se ge­bo­te­nen Sorg­falt selbst wahr­neh­men kann (Se­nat, Urt. v. 09.02.2018 – V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 24; Urt. v. 19.02.2016 – V ZR 216/14, NJW 2016, 2315 Rn. 11; Urt. v. 16.03.2012 – V ZR 18/11, NZM 2012, 469 Rn. 21 m. w. Nachw.). Dies gilt je­doch nicht für Rechts­män­gel wie die So­zi­al­bin­dung ei­ner Woh­nung, denn die recht­li­chen Ver­hält­nis­se ei­ner Woh­nung sind ei­ner Be­sich­ti­gung nicht zu­gäng­lich und für den Käu­fer nicht oh­ne Wei­te­res zu er­ken­nen. Der Ver­zicht auf ei­ne Be­sich­ti­gung kann da­her nicht da­zu füh­ren, dass der Käu­fer in Be­zug auf Rechts­män­gel des Kauf­ob­jekts als nicht auf­klä­rungs­be­dürf­tig an­ge­se­hen wird.

[13]   3. Soll­te die Be­klag­te da­nach dem Klä­ger die So­zi­al­bin­dung arg­lis­tig ver­schwie­gen ha­ben, wä­ren er­gän­zen­de Fest­stel­lun­gen zur Fra­ge der Ver­jäh­rung zu tref­fen. Denn dann ver­jähr­te der klä­ge­ri­sche An­spruch nach § 438 III 1 BGB in der re­gel­mä­ßi­gen Ver­jäh­rungs­frist, je­doch nicht vor Ab­lauf von fünf Jah­ren ab Über­ga­be der Woh­nung (§ 438 III 2 i. V. mit I Nr. 2 lit. a, II BGB). Die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist be­trägt nach § 195 BGB drei Jah­re und be­ginnt nach § 199 I BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist und der Gläu­bi­ger von den den An­spruch be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners er­langt hat oder oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit hät­te er­lan­gen müs­sen, wo­bei hier ei­ne Höchst­frist des §199 III 1 Nr. 1 BGB von zehn Jah­ren gäl­te. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aus­drück­lich of­fen­ge­las­sen, ob der Klä­ger erst im Jah­re 2012 oder be­reits bei Ver­trags­schluss oder je­den­falls mit sei­nem Bei­tritt zum Miet­pool im Jah­re 2009 von der öf­fent­li­chen För­de­rung der Woh­nung er­fah­ren hat. Hier­auf kä­me es aber ent­schei­dend an, da die Kla­ge nach den Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts der Be­klag­ten im Jah­re 2015 zu­ge­stellt wur­de, so­dass die Ver­jäh­rung bei ei­ner Kennt­nis­er­lan­gung des Klä­gers im Jah­re 2012 nach § 204 I Nr. 1 BGB ge­hemmt, bei ei­ner Kennt­nis vor 2012 aber vor Kla­ge­er­he­bung ein­ge­tre­ten wä­re.

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