Zur recht­li­chen Ein­ord­nung ei­nes Ver­trags über die Lie­fe­rung und Mon­ta­ge ei­ner Kü­che.

BGH, Ur­teil vom 19.07.2018 – VII ZR 19/18

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz in Hö­he von ins­ge­samt 4.309 € we­gen Män­geln ei­ner Kü­che.

Mit Ver­trag vom 12.03.2014 be­stell­te die Klä­ge­rin für ih­re Woh­nung bei der Be­klag­ten ei­ne Kü­che ein­schließ­lich Lie­fe­rung und Mon­ta­ge zu ei­nem Ge­samt­preis von 10.020 €.

Am 28.04.2014 wur­de die Kü­che ge­lie­fert und mon­tiert. Im An­schluss dar­an un­ter­zeich­ne­te die Klä­ge­rin ein als „Über­ga­be­pro­to­koll Ein­bau­kü­che“ be­zeich­ne­tes For­mu­lar der Be­klag­ten. In dem For­mu­lar ist un­ter an­de­rem an­ge­kreuzt, dass die Ar­beits­plat­te in Ord­nung ist; fer­ner ent­hält es die hand­schrift­li­che Be­mer­kung „fal­sche Grif­fe?“.

Am 29.04.2014 setz­te sich die Klä­ge­rin mit der Be­klag­ten in Ver­bin­dung, wo­bei der In­halt des Ge­sprächs strei­tig ist. Im Mai und Ju­ni 2014 führ­te die Be­klag­te di­ver­se Man­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­men durch. Die Klä­ge­rin hat gel­tend ge­macht, die Be­klag­te ha­be ei­ne Ar­beits­plat­te und Grif­fe ge­lie­fert, die nicht den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen ent­sprä­chen. Sie hat un­ter Bei­fü­gung ei­nes An­ge­bots ei­nes Drit­t­un­ter­neh­mens Scha­dens­er­satz in Hö­he der vor­aus­sicht­li­chen Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten be­gehrt. Die Be­klag­te hat ei­ne feh­ler­haf­te Lie­fe­rung be­strit­ten und sich hin­sicht­lich der Ar­beits­plat­te zu­dem auf ei­ne vor­be­halt­lo­se Ab­nah­me durch die Klä­ge­rin be­ru­fen.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Be­ru­fung der Klä­ge­rin zu­rück­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on hin­sicht­lich des Scha­dens­er­satz­an­spruchs we­gen des Man­gels der Ar­beits­plat­te zu­ge­las­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ih­ren in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­stell­ten An­trag in vol­lem Um­fang wei­ter. Sie stellt klar, dass von der Kla­ge­sum­me (4.309 €) ein Be­trag in Hö­he von 3.800 € auf die Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten für die Ar­beits­plat­te ent­fällt. Das Rechts­mit­tel hat­te teil­wei­se Er­folg.

Aus den Grün­den: [7]    I. Die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin ist ge­mäß § 543 I ZPO un­zu­läs­sig, so­weit mit ihr das Ziel ver­folgt wird, Scha­dens­er­satz in Hö­he von 509 € nebst Zin­sen und an­tei­li­ger vor­ge­richt­li­cher Kos­ten we­gen der be­haup­te­ten feh­ler­haf­ten Lie­fe­rung der Grif­fe zu er­lan­gen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Re­vi­si­on aus­weis­lich des Te­nors und der Ur­teils­grün­de nur be­schränkt auf den Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen des be­haup­te­ten Man­gels der Ar­beits­plat­te zu­ge­las­sen. Die Be­schrän­kung der Re­vi­si­ons­zu­las­sung ist wirk­sam, da es sich in­so­weit um ei­nen recht­lich selbst­stän­di­gen und ab­trenn­ba­ren Teil des Ge­samt­streitstoffs han­delt, auf den die Klä­ge­rin selbst ih­re Re­vi­si­on hät­te be­gren­zen kön­nen (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 49/15, BGHZ 209, 128 Rn. 13; Urt. v. 27.09.2011 – II ZR 221/09, MDR 2011, 1494 Rn. 18; je­weils m. w. Nachw.).

[8]    Im Üb­ri­gen ist die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin zu­läs­sig und führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils im te­n­o­rier­ten Um­fang und in­so­weit zur Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt.

[9]    II. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung, Fol­gen­des aus­ge­führt:

[10]   Die Klä­ge­rin ha­be kei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz ge­mäß § 634 Nr. 4, §§ 280 I, III, 281 BGB we­gen der nach ih­rer Dar­stel­lung nicht ver­trags­ge­rech­ten Ar­beits­plat­te. Es kön­ne da­hin­ste­hen, ob die ge­lie­fer­te Ar­beits­plat­te tat­säch­lich aus dem sei­tens der Klä­ge­rin aus­ge­wähl­ten Stein be­ste­he. Selbst bei Un­ter­stel­lung des klä­ge­ri­schen Vor­trags sei der An­spruch nicht ge­ge­ben. Denn die Klä­ge­rin sei ge­mäß § 640 II BGB mit dem Scha­dens­er­satz­an­spruch aus­ge­schlos­sen, da sie die Kü­che in Kennt­nis des von ihr vor­ge­tra­ge­nen Man­gels ab­ge­nom­men ha­be. Das Be­ru­fungs­ge­richt schlie­ße sich der von dem Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Ober­lan­des­ge­richt (Urt. v. 18.12.2015 – 1 U 145/14) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung an, wo­nach dem Be­stel­ler, der ein man­gel­haf­tes Werk in Kennt­nis des Man­gels vor­be­halt­los ab­neh­me, kein An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Form der Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten zu­ste­he.

[11]   Der Klä­ge­rin sei der Um­stand, dass die Ar­beits­plat­te nicht durch­ge­hend schwarz-weiß-grau ge­we­sen sei, bei Ab­nah­me po­si­tiv be­kannt ge­we­sen. Dies er­ge­be sich aus den vor­ge­leg­ten Fo­tos. Es sei au­gen­fäl­lig, dass die das Er­schei­nungs­bild der Kü­che prä­gen­de Ar­beits­plat­te in nicht un­er­heb­li­chen Be­rei­chen ei­ne beige, ro­te und brau­ne Fär­bung auf­wei­se. Dies kön­ne der Klä­ge­rin auch bei künst­li­chem Licht nicht ver­bor­gen ge­blie­ben sein.

[12]   Aus dem Über­ga­be­pro­to­koll er­ge­be sich, dass die Klä­ge­rin die Leis­tung der Be­klag­ten ab­ge­nom­men ha­be. Das Über­ga­be­pro­to­koll ge­he über ei­ne blo­ße Quit­tie­rung der Über­ga­be hin­aus, da nach der Ord­nungs­ge­mäß­heit der auf­ge­führ­ten Tei­le ge­fragt wer­de. Hin­sicht­lich der Ar­beits­plat­te sei kein Man­gel ver­merkt.

[13]   III. Das hält der recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand.

[14]   1. Al­ler­dings ist die Kla­ge nach Klar­stel­lung der Klä­ge­rin, wie sich die Kla­ge­sum­me in Hö­he von ins­ge­samt 4.309 € auf den Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen des be­haup­te­ten Man­gels der Ar­beits­plat­te ei­ner­seits und des be­haup­te­ten Man­gels der Grif­fe an­de­rer­seits ver­teilt, hin­rei­chend be­stimmt i. S. des § 253 II Nr. 2 ZPO und da­mit zu­läs­sig.

[15]   Ein Kla­ge­an­trag, der auf meh­re­re selbst­stän­di­ge pro­zes­sua­le An­sprü­che (Streit­ge­gen­stän­de) ge­stützt wird, ge­nügt grund­sätz­lich nur dann den An­for­de­run­gen des § 253 II Nr. 2 ZPO, wenn die ein­zel­nen An­sprü­che hin­rei­chend von­ein­an­der ab­ge­grenzt sind. Da­zu ist er­for­der­lich, dass ein Klä­ger ent­we­der die Kla­ge­sum­me auf die ein­zel­nen An­sprü­che be­trags­mä­ßig auf­teilt oder die An­sprü­che in ei­ne be­stimm­te Rei­hen­fol­ge als Haupt- und Hilfs­an­trag bringt (vgl. BGH, Urt. v. 08.12.1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068 = ju­ris Rn. 16; Urt. v. 08.04.1981 – IVb ZR 559/80, NJW 1981, 2462 = ju­ris Rn. 5; Urt. v. 16.06.1959 – V ZR 156/58, MDR 1959, 743). Nach der Recht­spre­chung des Se­nats han­delt es sich bei Män­gel­an­sprü­chen we­gen ver­schie­de­ner Män­gel um ver­schie­de­ne selb­stän­di­ge pro­zes­sua­le An­sprü­che (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 12.04.2007 – VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 45; Urt. v. 03.12.1992 – VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329 = ju­ris Rn. 7; je­weils m. w. Nachw.), so­dass im Streit­fall ge­mäß § 253 II Nr. 2 ZPO ei­ne ent­spre­chen­de Auf­tei­lung auf die Män­gel be­tref­fend Ar­beits­plat­te und Grif­fe er­for­der­lich war.

[16]   Ist ei­ne Kla­ge nicht hin­rei­chend be­stimmt i. S. des § 253 II Nr. 2 ZPO, liegt ein Ver­fah­rens­man­gel vor, der in je­der La­ge des Rechts­streits von Amts we­gen zu be­ach­ten ist (vgl. BGH, Urt. v. 08.12.1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068 = ju­ris Rn. 17; Urt. v. 08.04.1981 – IVb ZR 559/80, NJW 1981, 2462 = ju­ris Rn. 6; Urt. v. 03.12.1953 – III ZR 66/52, BGHZ 11, 192 = ju­ris Rn. 3).

[17]   Die Klä­ge­rin hat auf An­re­gung des Se­nats ihr Kla­ge­be­geh­ren in­zwi­schen klar­ge­stellt und die Kla­ge­sum­me be­trags­mä­ßig auf die ein­zel­nen pro­zes­sua­len An­sprü­che ver­teilt. Ei­ne sol­che Klar­stel­lung ist auch im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch mög­lich (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1996 – VI­II ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441 = ju­ris Rn. 13; BGH, Urt. v. 08.12.1989 – V ZR 174/88, NJW 1990, 2068 = ju­ris Rn. 18; Urt. v. 08.04.1981 – IVb ZR 559/80, NJW 1981, 2462 = ju­ris Rn. 6).

[18]   2. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann die Kla­ge auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 3.800 € we­gen des be­haup­te­ten Man­gels der Ar­beits­plat­te nicht ab­ge­wie­sen wer­den. Auf der Grund­la­ge der vor­in­stanz­li­chen Fest­stel­lun­gen kann nicht be­ur­teilt wer­den, ob der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ver­trag über die Lie­fe­rung und Mon­ta­ge ei­ner Kü­che nach Kauf- oder nach Werk­ver­trags­recht zu be­ur­tei­len ist.

[19]   a) Ver­pflich­tet sich ein Un­ter­neh­mer zur Lie­fe­rung und Mon­ta­ge ei­ner Sa­che, kommt es nach der Recht­spre­chung des BGH für die recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­trags­ver­hält­nis­ses als Werk­ver­trag oder als Kauf­ver­trag mit Mon­ta­ge­ver­pflich­tung (§ 434 II BGB) dar­auf an, auf wel­cher der bei­den Leis­tun­gen bei der ge­bo­te­nen Ge­samt­be­trach­tung der Schwer­punkt liegt. Je mehr die mit dem Wa­ren­um­satz ver­bun­de­ne Über­tra­gung von Ei­gen­tum und Be­sitz der zu mon­tie­ren­den Sa­che auf den Ver­trags­part­ner im Vor­der­grund steht und je we­ni­ger des­sen in­di­vi­du­el­le An­for­de­run­gen und die ge­schul­de­te Mon­ta­ge- und Bau­leis­tung das Ge­samt­bild des Ver­trags­ver­hält­nis­ses prä­gen, des­to eher ist die An­nah­me ei­nes Kauf­ver­trags mit Mon­ta­ge­ver­pflich­tung ge­bo­ten. Liegt der Schwer­punkt da­ge­gen auf der Mon­ta­ge- und Bau­leis­tung, et­wa auf Ein­bau und Ein­pas­sung ei­ner Sa­che in die Räum­lich­keit, und dem da­mit ver­bun­de­nen in­di­vi­du­el­len Er­folg, liegt ein Werk­ver­trag vor (vgl. BGH, Urt. v. 02.06.2016 – VII ZR 348/13, BauR 2016, 1478 = NZ­Bau 2016, 558 Rn. 11; Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 162/12, BauR 2013, 946 = NZ­Bau 2013, 297 Rn. 18; Urt. v. 22.12.2005 – VII ZR 183/04, BGHZ 165, 325 = ju­ris Rn. 12; Urt. v. 03.03.2004 – VI­II ZR 76/03, BauR 2004, 995 = NZ­Bau 2004, 326 = ju­ris Rn. 10; je­weils m. w. Nachw.).

[20]   Die­se Grund­sät­ze zur recht­li­chen Ein­ord­nung von Ver­trä­gen über die Lie­fe­rung und Mon­ta­ge ei­ner Sa­che ste­hen im Ein­klang mit der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12), die im Streit­fall bei der Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts zu be­rück­sich­ti­gen ist, und mit der hier­zu er­gan­ge­nen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on. Da­nach liegt ein Kauf­ver­trag im Sin­ne der Richt­li­nie vor, wenn der Ver­trag die Dienst­leis­tung der Mon­ta­ge des ver­kauf­ten Gu­tes im Ver­bund mit dem Kauf­ab­schluss vor­sieht und die Dienst­leis­tung den Ver­kauf le­dig­lich er­gänzt, nicht je­doch wenn die Dienst­leis­tung als Haupt­ge­gen­stand des Ver­trags an­zu­se­hen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 07.09.2017 – C-247/16, NZ­Bau 2018, 283 Rn. 37, 38, 44 – Schot­te­li­us/Sei­fert).

[20]   b) Das Be­ru­fungs­ur­teil ent­hält kei­ne Fest­stel­lun­gen, die ei­ne recht­li­che Ein­ord­nung des zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ver­trags nach die­sen Maß­stä­ben er­mög­li­chen. Das Amts­ge­richt ist aus­weis­lich des Tat­be­stands von ei­nem Kauf­ver­trag zwi­schen den Par­tei­en aus­ge­gan­gen, der Lie­fe­rung und Mon­ta­ge der Kü­che be­inhal­te­te, wo­für viel spricht. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dem­ge­gen­über Werk­ver­trags­recht an­ge­wandt und sei­ne Ent­schei­dung hin­sicht­lich des be­an­stan­de­ten Man­gels der Ar­beits­plat­te auf die Vor­schrift des § 640 II BGB ge­stützt, die im Kauf­recht kei­ne Ent­spre­chung hat. Es hat je­doch we­der Aus­füh­run­gen zur recht­li­chen Ein­ord­nung des Ver­trags als Werk­ver­trag ge­macht noch die dies­be­züg­lich er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen.

[22]   IV. Die Sa­che ist da­her im te­n­o­rier­ten Um­fang zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, da­mit die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen wer­den kön­nen (§ 563 I 1 ZPO).

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