Einem gewerblichen Kfz-Händler ist es nach § 475 I 1 BGB a.F. (= § 476 I 1 BGB n.F.) auch bei einem Verbrauchsgüterkauf gestattet, mit dem Käufer im Anschluss an eine Nachbesserung zu vereinbaren, dass sämtliche Gewährleistungsansprüche des Käufers wegen der dem Verkäufer bis zu diesem Zeitpunkt mitgeteilten – und vermeintlich beseitigten – Mängel ausgeschlossen sind. Aus einen solchen nachträglichen Gewährleistungsausschluss darf sich der Verkäufer gemäß § 444 Fall 1 BGB aber nicht berufen, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung weiß oder wissen muss, dass die Mängel tatsächlich nicht beseitigt wurden.
LG Berlin, Urteil vom 01.06.2018 – 96a O 3/17
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.
Sie kaufte von dem Beklagten, einem gewerblichen Kfz-Händler, mit Vertrag vom 13.06.2015 zum Preis von 16.410 € einen am 03.11.2006 erstzugelassenen Pkw Mercedes-Benz ML 350 mit einer Laufleistung von 161.679 km. Dieses Fahrzeug wurde der Klägerin am 17.06.2015 übergeben.
In der Folgezeit beseitigte der Beklagte verschiedene von der Klägerin gerügte Mängel des Fahrzeugs.
Mit Schreiben vom 25.07.2015 rügte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass der Motor beim Starten stottere und unrund laufe. Danach leuchte die gelbe Motorkontrollleuchte auf und erlösche nicht mehr. Am 03.08.2015 nahm der Beklagte das Fahrzeug zur Mängelbeseitigung in Empfang. Er gab es der Klägerin am 18.08.2015 mit der Erklärung zurück, dass eine vollständige Mangelbeseitigung erfolgt sei. Bei der Rückgabe des Pkw unterzeichnete die Klägerin ein Schriftstück, in dem es unter anderem heißt:
„Das Fahrzeug wurde nach einer gemeinsamen Probefahrt am 18.08.2015 fehlerfrei an Sie übergeben. Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Kaufvertrag abgegolten.“
Nachdem die Klägerin dem Beklagten Ende August 2015 erneut angezeigt hatte, dass bei dem Mercedes-Benz ML 350 die Motorkontrollleuchte aufleuchte, erklärte sich der Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2015 bereit, sich den Pkw in seinem Betrieb „anzugucken“. In der Folgezeit – am 14.09., am 28.09. und erneut am 02.10.2015 – übergab die Klägerin ihr Fahrzeug dem Beklagten. Dieser ließ den Pkw am 07.10.2015 von einem Mercedes-Benz-Vertragspartner überprüfen. Bei dieser Überprüfung konnten keine Fehler im Motorsteuergerät feststellen werden.
Mit Schreiben vom 13.10.2015 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sie forderte den Beklagten auf, ihr bis zum 28.10.2015 Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw den Kaufpreis zurückzuzahlen. Außerdem verlangte die Klägerin den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin hat behauptet, seit ihrer Mängelanzeige vom 25.07.2015 stottere nach dem Starten der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die Motorkontrollleuchte leuchte auf. Dies sei ausweislich eines Privatgutachtens vom 29.09.2016 auf eine sporadische Fehlstellung der Nockenwelle zurückzuführen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, dass der Mercedes-Benz ML 350 bei der Übergabe an die Klägerin mangelfrei gewesen sei. Hätte zu diesem Zeitpunkt bereits die Motorkontrollleuchte aufgeleuchtet, dann wäre dem Fahrzeug bei der Hauptuntersuchung keine Prüfplakette zugeteilt worden. Die von der Klägerin monierten Erscheinungen seien Verschleißerscheinungen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Ein Anspruch aus §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1 BGB auf Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 13.06.2015 steht der Klägerin nicht zu.
Allerdings sprechen die Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 20 seines Gutachtens vom 06.11.2017 dafür, dass das Fahrzeug einen Fehler im Bereich des Steuerkettenantriebs des Motors aufweist, der keine übliche Abnutzung darstellt und somit als Sachmangel anzusehen wäre. Auch ist nach § 476 BGB a.F. zu vermuten, dass dieser Fehler bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an die Beklagte vorlag.
Etwaige Gewährleistungsansprüche der Klägerin sind jedoch aufgrund der Vereinbarung vom 18.08.2015 ausgeschlossen.
Diese Vereinbarung ist nach dem objektivierten Empfängerhorizont so zu verstehen, dass sämtliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin, insbesondere wegen der von ihr bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemachten Mängel, ausgeschlossen sein sollten. Die Echtheit ihrer Unterschrift unter der Vereinbarung hat die Klägerin nicht bestritten, sodass die Echtheit der Vereinbarung gemäß § 440 II ZPO vermutet wird.
Der Haftungsausschluss ist nicht nach § 444 Fall 1 BGB wegen Arglist ausgeschlossen. Denn die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Vereinbarung davon Kenntnis gehabt hat, dass der Mangel tatsächlich nicht beseitigt war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beklagten das Fortbestehen eines Mangels hätte bekannt sein müssen. Dagegen spricht insbesondere, dass bei einer mehrstündigen Probefahrt über eine Strecke von rund 150 km am 29.06.2015 keinerlei Auffälligkeiten auftraten und auch die Motorkontrolllampe nicht aufleuchtete.
Der Beklagte ist auch nicht nach § 475 I BGB a.F. daran gehindert, sich auf die Vereinbarung vom 18.08.2015 zu berufen. Denn der hier von der Klägerin geltend gemachte Mangel war zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 18.08.2015 bereits ausdrücklich gerügt worden. In einem solchen Fall ist eine von § 475 I BGB a.F. abweichende Vereinbarung zulässig (jurisPK-BGB/Ball, 8. Aufl., § 475 Rn. 8; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 475 Rn. 41).
Im Anschluss an einen nach Erlass des Beweisbeschlusses vom 13.12.2016 erfolgten Richterwechsel hat das Gericht die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2018 darauf hingewiesen, dass etwaige Gewährleistungsansprüche der Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 18.08.2015 ausgeschlossen sein dürften, und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises steht der Klägerin auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) nicht zu. Die von ihr erklärte Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung greift nicht durch, da ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht festgestellt werden kann. Insoweit wird auf die oben stehenden Ausführungen zu § 444 Fall 1 BGB verwiesen. …