1. Ein Ver­käu­fer (hier: ei­nes Ge­braucht­wa­gens), der gut­gläu­big fal­sche An­ga­ben macht, han­delt grund­sätz­lich auch dann nicht arg­lis­tig, wenn der gu­te Glau­be auf Fahr­läs­sig­keit oder Leicht­fer­tig­keit be­ruht. An­ders ist es, wenn der Ver­käu­fer fal­sche An­ga­ben oh­ne tat­säch­li­che Grund­la­ge – „ins Blaue hin­ein“ – macht, mit de­ren Un­rich­tig­keit er rech­net. Denn wer so han­delt, han­delt grund­sätz­lich mit be­ding­tem Vor­satz.
  2. Ein Kauf­in­ter­es­sent darf grund­sätz­lich da­von aus­ge­hen, dass ein Kfz-Händ­ler ein zum Ver­kauf ste­hen­des Fahr­zeug mit Blick auf mög­li­che Un­fall­schä­den zu­min­dest in ge­wis­sem Um­fang ei­ner Sicht­kon­trol­le un­ter­zo­gen und auf Nachla­ckie­run­gen und er­heb­li­che Spalt­ma­ß­un­ter­schie­de ge­prüft hat. Ein Kfz-Händ­ler han­delt da­her arg­lis­tig, wenn er ei­ne ein­fa­che Sicht­prü­fung – oh­ne den Käu­fer dar­auf hin­zu­wei­sen – un­ter­lässt, ob­wohl sie kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­nen Un­fall­scha­den er­ge­ben hät­te.

LG Ber­lin, Ur­teil vom 27.03.2018 – 57 S 196/13
(vor­an­ge­hend: AG Char­lot­ten­burg, Ur­teil vom 29.05.2013 – 221 C 243/12)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der be­klag­ten Kfz-Händ­le­rin ei­nen Pkw Opel Agi­la 1.3. In der Be­stel­lung des Klä­gers, die zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags führ­te, wur­de fest­ge­hal­ten, dass sich das Fahr­zeug in ei­nem man­gel­frei­en Zu­stand be­fin­de. Die Rech­nung, die dem Klä­ger bei der Über­ga­be des Pkw am 03.07.2010 aus­ge­hän­digt wur­de, ent­hält kei­ne An­ga­ben zum Zu­stand des Fahr­zeugs. Das dem Klä­ger eben­falls aus­ge­hän­dig­te Ser­vice­heft ent­hält un­ter der Über­schrift „Ka­ros­se­rie-Kon­trol­le“ fol­gen­de Er­klä­run­gen:

„Fahr­zeug in Ord­nung
ja ☒   nein ☐

Fahr­zeug nach­be­han­delt
ja ☐   nein ☒

Un­fall-/Ka­ros­se­rie­schä­den nach Opel-Werks­vor­schrift be­ho­ben
ja ☐   nein ☒“

Da sich bei ei­nem Rei­fen­wech­sel im Ok­to­ber 2011 An­halts­punk­te da­für er­ge­ben hat­ten, dass der Pkw ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten ha­ben könn­te, lei­te­te der Klä­ger ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein. Der in die­sem Ver­fah­ren be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge kam in sei­nem Gut­ach­ten vom 13.07.2011 zu dem Er­geb­nis, dass der Pkw des Klä­gers ei­nen nicht fach­ge­recht re­pa­rier­ten Un­fall­scha­den auf­wei­se. Die Kos­ten für ei­ne fach­ge­rech­te Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs be­zif­fer­te der Sach­ver­stän­di­ge mit 2.485,86 € brut­to (= 2.088,96 € net­to) und führ­te aus, dass nach ei­ner fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert von 400 € ver­blei­be. Nach­dem die Be­klag­te dies er­fah­ren hat­te, bot sie dem Klä­ger mehr­fach an, das Fahr­zeug fach­ge­recht zu re­pa­rie­ren.

Der Klä­ger wirft der Be­klag­ten ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung vor und macht gel­tend, als ge­werb­li­che Kfz-Händ­le­rin hät­te die Be­klag­te den nicht fach­ge­recht re­pa­rier­ten Un­fall­scha­den er­ken­nen kön­nen und ihn – den Klä­ger – dar­auf hin­wei­sen müs­sen.

Sei­ner auf Zah­lung von (2.088,96 € +400 € =) 2.488,96 € nebst Zin­sen ge­rich­te­ten Kla­ge hat das Amts­ge­richt ins­ge­samt statt­ge­ge­ben. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, der Zah­lungs­an­spruch des Klä­gers er­ge­be sich aus §§ 437 Nr. 2 Fall 2, 441 I, IV 1 BGB. Denn das Fahr­zeug des Klä­gers sei we­gen des (nicht fach­ge­recht re­pa­rier­ten) Un­fall­scha­dens man­gel­haft, weil die Par­tei­en i. S. von § 434 I 1 BGB ver­ein­bart hät­ten, dass der Klä­ger ein man­gel­frei­es Fahr­zeug er­hal­te. Es müs­se da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass „man­gel­frei“ hier auch „un­fall­frei“ ha­be be­deu­ten sol­len. Denn in dem dem Klä­ger über­ge­be­nen Ser­vice­heft sei aus­drück­lich er­wähnt, dass das Fahr­zeug nicht nach­be­han­delt wor­den sei und es kei­ne nach Opel-Werks­vor­schrift re­pa­rier­ten Un­fall- oder Ka­ros­se­rie­schä­den auf­wei­se. Die­se Er­klä­run­gen stamm­ten zwar nicht von der Be­klag­ten, son­dern von ei­ner Opel-Ver­trags­händ­le­rin. Die Be­klag­te als Ver­käu­fe­rin müs­se sich die Er­klä­run­gen je­doch zu­rech­nen las­sen.

Die Min­de­rung, die der Klä­ger we­gen des Man­gels mit Schrei­ben vom 24.11.2010 er­klärt ha­be, sei wirk­sam, oh­ne dass es dar­auf an­kom­me, ob die Be­klag­te den Klä­ger arg­lis­tig ge­täuscht ha­be. Der Klä­ger ha­be der Be­klag­ten näm­lich schon des­halb kei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung (§ 439 I BGB) set­zen müs­sen, weil ei­ne sol­che ins­ge­samt un­mög­lich sei. Ei­ne Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2) BGB schei­de aus und sei sei­tens der Be­klag­ten auch nicht an­ge­bo­ten wor­den. Die Be­klag­te ha­be le­dig­lich mehr­fach ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) an­ge­bo­ten, doch las­se sich da­durch nicht kor­ri­gie­ren, dass der Pkw ein Un­fall­wa­gen sei. Ei­ne Nach­bes­se­rung kön­ne nur zu ei­ner fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur des bis­lang un­ge­nü­gend re­pa­rier­ten Fahr­zeugs füh­ren. Auf ei­ne sol­che „Teil­nach­er­fül­lung“ müs­se sich der Klä­ger aber nicht ein­las­sen. Im Üb­ri­gen ha­be die Be­klag­te da­durch, dass sie die Kla­ge­for­de­rung in Hö­he von 400 € (= mer­kan­ti­ler Min­der­wert) an­er­kannt ha­be, fak­tisch auch an­er­kannt, dass das Fahr­zeug des Klä­gers auch nach ei­ner fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur noch man­gel­haft sei.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: B. … Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te über den von der Be­klag­ten an­er­kann­ten Teil­be­trag von 400 € hin­aus – ge­gen den sich die Be­klag­te mit der Be­ru­fung nicht wen­det – kein An­spruch in Hö­he wei­te­rer 2.088,96€ nebst Zin­sen zu.

Den An­spruch des Klä­gers auf den gel­tend ge­mach­ten mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs in Hö­he von 400 €, der ei­nen ir­re­pa­ra­blen Scha­den dar­stellt, hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 22.11.2012 an­er­kannt. Die­ser An­spruch ist nicht Ge­gen­stand der vor­lie­gen­den Be­ru­fung der Be­klag­ten.

Der in Hö­he von 2.088,96 € wei­ter­hin klä­ger­seits gel­tend ge­mach­te An­spruch, der sich auf den ei­ner Nach­bes­se­rung zu­gäng­li­chen Man­gel der nicht fach­ge­rech­ten Re­pa­ra­tur des fest­ge­stell­ten Un­fall­scha­dens be­zieht, ist zu ver­nei­nen.

1. Ein Män­gel­ge­währ­leis­tungs­an­spruch des Klä­gers auf Zah­lung von 2.088,96 € er­gibt sich we­der aus §§ 437 Nr. 3, 280 I und III, 281 I 1 BGB noch aus §§ 437 Nr. 2 Fall 2, 441 I 1 und IV 1 BGB.

a) Der nicht fach­ge­recht be­ho­be­ne Un­fall­scha­den stellt ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 1 BGB dar.

b) Der Klä­ger hat der Be­klag­ten je­doch kei­ne für die Gel­tend­ma­chung der Män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­te not­wen­di­ge Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung ge­setzt und auch sonst kein Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen ge­äu­ßert. Die Frist­set­zung war vor­lie­gend auch nicht ent­behr­lich.

aa) Der Klä­ger hat der Be­klag­ten kei­ne Ge­le­gen­heit zur Nach­er­fül­lung ge­ge­ben. Er zeig­te der Be­klag­ten die bei ei­nem Rei­fen­wech­sel zu­ta­ge ge­tre­te­nen Män­gel mit Schrei­ben vom 24.11.2010 erst­mals an und for­der­te sie gleich­zei­tig auf, „die Wert­min­de­rung in Hö­he von 2.500 €“ bis zum 03.12.2010 zu über­wei­sen, da sonst ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren durch­ge­führt wer­de. Die Be­klag­te wies mit Schrei­ben vom 29.11.2010 dar­auf hin, dass sie das Fahr­zeug fach­ge­recht über­prü­fen wol­le und im Rah­men der Nach­bes­se­rungs­pflicht be­reit sei, et­wai­ge Män­gel – so­fern die­se tat­säch­lich vor­lä­gen – un­ver­züg­lich zu be­he­ben. Mit Schrift­satz vom 28.01.2011 lei­te­te der Klä­ger das selbst­stän­di­ge Be­weis­ver­fah­ren … ein.

bb) Es liegt auch kein Aus­nah­me­fall vor, der ei­ne Frist­set­zung vor­lie­gend ent­behr­lich ge­macht hät­te.

(1) Nach der Art des Man­gels war ei­ne Nach­bes­se­rung durch fach­ge­rech­te Re­pa­ra­tur des Un­fall­scha­dens mög­lich und zu­mut­bar. Die Be­klag­te hat die Re­pa­ra­tur auch nicht ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert (§ 281 II Fall 1 bzw. § 323 II Nr. 1 BGB).

(2) Schließ­lich lie­gen auch kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor, die un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen die so­for­ti­ge Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz- bzw. Min­de­rungs­an­spruchs recht­fer­ti­gen wür­den (§ 281 II Fall 2 bzw. § 323 II Nr. 3 BGB).

Ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung der Be­klag­ten i. S. des § 123 I Fall 1 BGB über die Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs kann nicht fest­ge­stellt wer­den. Das Ge­richt ist un­ter Be­rück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lun­gen und des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me nach § 286 ZPO nicht da­von über­zeugt, dass die Be­klag­te (bzw. ihr Mit­ar­bei­ter) ei­nen Un­fall­scha­den hät­te er­ken­nen müs­sen, so­dass sie den Klä­ger über die Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft des Fahr­zeu­ges arg­lis­tig ge­täuscht hät­te.

Nach § 286 ZPO hat die Tatrich­te­rin oh­ne Bin­dung an Be­weis­re­geln und nur ih­rem Ge­wis­sen un­ter­wor­fen die Ent­schei­dung zu tref­fen, ob sie an sich mög­li­che Zwei­fel über­win­den und sich von ei­nem be­stimm­ten Sach­ver­halt als wahr über­zeu­gen kann, wo­bei das Ge­setz kei­ne von al­len Zwei­feln freie Über­zeu­gung vor­aus­setzt, son­dern viel­mehr ei­nen für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­ren Grad von Ge­wiss­heit, der ver­nünf­ti­gen Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 14.01.1993 – IX ZR 238/91, ju­ris Rn. 16).

Zu ei­ner sol­chen Über­zeu­gung ist das Ge­richt nicht ge­langt. Der in­so­fern be­weis­be­las­te­te Klä­ger ist da­mit be­weis­fäl­lig ge­blie­ben.

Zwar hat die Be­klag­te bei Ver­trags­schluss ver­schwie­gen, dass das Fahr­zeug ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten hat­te und da­mit man­gel­haft war. Der ob­jek­ti­ve Tat­be­stand der Arg­list war da­her zu be­ja­hen. Der sub­jek­ti­ve Tat­be­stand der Arg­list kann je­doch nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest­ge­stellt wer­den.

Für die Be­ja­hung der Arg­list ist er­for­der­lich, dass der Ver­käu­fer die den Man­gel aus­ma­chen­den Tat­sa­chen bei Ab­schluss des Ver­tra­ges ge­kannt oder we­nigs­tens für mög­lich ge­hal­ten hat (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 4271 ). Macht er gut­gläu­big fal­sche An­ga­ben, han­delt er grund­sätz­lich nicht arg­lis­tig, auch wenn der gu­te Glau­be auf Fahr­läs­sig­keit oder Leicht­fer­tig­keit be­ruht, so­fern er nicht fal­sche An­ga­ben oh­ne tat­säch­li­che Grund­la­ge „ins Blaue hin­ein“ macht, mit de­ren Un­rich­tig­keit er rech­net (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2015 – 1 BvR 3271/14, ju­ris Rn. 13).

Dass die Be­klag­te oh­ne hin­rei­chen­de Er­kennt­nis­grund­la­ge un­rich­ti­ge An­ga­ben „ins Blaue hin­ein“ (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, ju­ris Rn. 13) ge­macht hat, lässt sich nicht fest­stel­len. In der „Be­stel­lung für ein Kraft­fahr­zeug“ vom 19.06.2010 ist die Ei­gen­schaft „män­gel­frei­er Zu­stand“ an­ge­ge­ben, in dem über­ge­be­nen Ser­vice­heft fin­det sich un­ter dem Punkt „Ka­ros­se­rie-Kon­trol­le“ bei „Un­fall-/Ka­ros­se­rie­schä­den nach Opel-Werks­vor­schrift be­ho­ben“ die An­ga­be „nein“. Hier­aus lässt sich zwar das Ver­schwei­gen des Un­fall­scha­dens, je­doch nicht die Be­haup­tung der Un­fall­frei­heit oh­ne hin­rei­chen­de Er­kennt­nis­grund­la­ge fol­gern. Dass die Be­klag­te die ge­bo­te­ne Über­prü­fung auf Un­fall­schä­den un­ter­las­sen hat, kann nicht fest­ge­stellt wer­den. Der Klä­ger macht auch nicht gel­tend, dass die Be­klag­te ei­ne Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs un­ter­las­sen ha­be, son­dern le­dig­lich, dass bei der Be­klag­ten bei ei­ner Un­ter­su­chung die of­fen­sicht­li­chen Män­gel hät­ten auf­fal­len müs­sen.

Auch ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung durch Ver­schwei­gen des Un­fall­scha­dens bzw. ei­nes Un­fall­scha­den­ver­dachts, der sich der Be­klag­ten bei ord­nungs­ge­mä­ßer Durch­füh­rung der er­for­der­li­chen Sicht­prü­fung hät­te auf­drän­gen müs­sen, ist nicht fest­zu­stel­len.

Grund­sätz­lich darf ein Kauf­in­ter­es­sent da­von aus­ge­hen, dass ein Au­to­händ­ler mit Blick auf ei­nen mög­li­chen Un­fall­scha­den oder ei­nen Un­fall­ver­dacht das Fahr­zeug vor dem Ver­kauf zu­min­dest in ge­wis­sem Um­fang ei­ner Sicht­kon­trol­le un­ter­zo­gen und auf Nachla­ckie­run­gen und er­heb­li­che Un­ter­schie­de in den Spalt­ma­ßen ge­prüft hat. Ein Ver­käu­fer han­delt da­her arg­lis­tig, wenn er – oh­ne den Käu­fer hier­auf hin­ge­wie­sen zu ha­ben – ei­ne sol­che Sicht­prü­fung un­ter­lässt, ob­wohl die­se kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­nen Un­fall­scha­den er­ge­ben hät­te (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 25.10.2010 – 4 U 71/09, ju­ris Rn. 36).

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me durch Ein­ho­lung des Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens des Sach­ver­stän­di­gen S vom 14.12.2016 so­wie der Ver­neh­mung des sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen Z steht je­doch nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, dass bei ei­ner ord­nungs­ge­mä­ßen Sicht­prü­fung kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­nen Un­fall­scha­den er­sicht­lich ge­we­sen wä­ren, die den Ver­käu­fer zu ei­ner Of­fen­ba­rung sei­nes Un­fall­ver­dachts ver­pflich­tet hät­ten. Das Ge­richt ist nach dem Er­geb­nis sei­ner frei­en Be­weis­wür­di­gung ge­mäß § 286 ZPO nicht da­von über­zeugt, dass die fest­ge­stell­ten Un­fall­schä­den an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw Opel Agi­la für ei­nen Au­to­händ­ler mit blo­ßem Au­ge er­kenn­bar wa­ren, oh­ne dass hier­für das Fahr­zeug bzw. Tei­le des Fahr­zeugs hät­ten de­mon­tiert wer­den müs­sen.

Das durch den be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen S zu die­ser Be­weis­fra­ge er­stat­te­te Gut­ach­ten vom 14.12.2016 be­stä­tigt die Be­weis­fra­ge nicht. Es kommt zu dem Er­geb­nis, dass der fest­ge­stell­te Un­fall­scha­den bei ei­ner Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs zu ebe­ner Er­de oh­ne De­mon­ta­ge von Fahr­zeug­tei­len mit blo­ßem Au­ge nicht er­kenn­bar war.

Auch die Ver­neh­mung des sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen Z, der vor­mals mit der Sa­che be­fasst war, konn­te kei­ne Über­zeu­gung des Ge­richts von der Be­ja­hung der Be­weis­fra­ge be­grün­den. Der Sach­ver­stän­di­ge Z war aus Krank­heits­grün­den von der Be­gut­ach­tung ent­bun­den wor­den und kam in sei­nem ur­sprüng­lich er­stat­te­ten, durch das Ge­richt für er­gän­zungs­be­dürf­tig ge­hal­te­nen Gut­ach­ten vom 25.01.2015 zu dem Er­geb­nis, dass so­wohl die Lack­ne­bel als auch Spalt­ma­ß­un­re­gel­mä­ßig­kei­ten als In­di­zi­en für ei­nen Un­fall­scha­den bei ei­ner Un­ter­su­chung zu ebe­ner Er­de er­kenn­bar ge­we­sen wä­ren. Hier­für führ­te er in sei­nem Gut­ach­ten und in sei­ner Ver­neh­mung in der münd­li­chen Ver­hand­lung an, dass die Spalt­ma­ße sehr auf­fäl­lig ge­we­sen sei­en und er, zu­min­dest ho­ckend und mit dem Wis­sen um die Lack­ne­bel, die­se bei ei­ner Sicht­prü­fung ha­be er­ken­nen kön­nen.

Ei­ne Wür­di­gung die­ser Ein­schät­zun­gen führt das Ge­richt nicht zu der Über­zeu­gung, dass die fest­ge­stell­ten Un­fall­schä­den an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw Opel Agi­la für ei­nen Au­to­händ­ler mit blo­ßem Au­ge er­kenn­bar wa­ren.

Zwar gilt, dass im Rah­men von § 286 ZPO Un­klar­hei­ten, Zwei­feln und Wi­der­sprü­chen von Amts we­gen nach­zu­ge­hen ist, Ein­wen­dun­gen ei­ner Par­tei ge­gen das Gut­ach­ten ei­nes ge­richt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen zu be­rück­sich­ti­gen sind und das Ge­richt die Pflicht hat, sich bei Wi­der­sprü­chen zum Ge­richts­gut­ach­ten mit die­sen aus­ein­an­der­zu­set­zen und auf wei­te­re Auf­klä­rung des Sach­ver­halts hin­zu­wir­ken (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.2008 – VI ZR 259/06, ju­ris Rn. 25). Im Er­geb­nis ha­ben die Ver­neh­mung des sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen so­wie die An­hö­rung des Sach­ver­stän­di­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung je­doch er­ge­ben, dass kein be­acht­li­cher Wi­der­spruch zwi­schen den Aus­sa­gen be­steht.

Mit Blick auf die Spalt­ma­ße kom­men so­wohl der Sach­ver­stän­di­ge S als auch der sach­ver­stän­di­ge Zeu­ge Z da­zu, dass sicht­ba­re Un­ter­schie­de vor­han­den wa­ren. Le­dig­lich in ih­rer Wür­di­gung der Sicht­bar­keit kom­men sie zu un­ter­schied­li­chen Er­geb­nis­sen. Hier­bei konn­te je­doch der Sach­ver­stän­di­ge S im Rah­men der münd­li­chen Er­läu­te­rung sei­nes Gut­ach­tens über­zeu­gend er­läu­tern, dass die vor­zu­fin­den­den, durch­aus sicht­ba­ren Un­ter­schie­de als ge­ring­fü­gig ein­zu­stu­fen sei­en und nach sei­ner Er­fah­rung und sach­ver­stän­di­gen Ein­schät­zung bei dem vor­lie­gen­den Fahr­zeug­typ (im un­te­ren Preis­seg­ment) auch bei un­fall­frei­en Fahr­zeu­gen kei­nen un­üb­li­chen Zu­stand dar­stell­ten. Die­se Aus­füh­run­gen in sei­nem Gut­ach­ten er­ach­tet das Ge­richt für nach­voll­zieh­bar und be­grün­det. Die dem­ge­gen­über eher pau­scha­le Aus­sa­ge des Zeu­gen Z, die Spalt­ma­ße sei­en ein of­fen­sicht­li­ches In­diz für die Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaft ge­we­sen, ist vor die­sem Hin­ter­grund nicht ge­eig­net, ei­ne ge­gen­tei­li­ge Über­zeu­gung des Ge­richts zu be­grün­den, zu­mal der Zeu­ge nicht über­zeu­gend da­zu Stel­lung neh­men konn­te, wes­halb er auch bei Fahr­zeu­gen im un­te­ren Preis­seg­ment von die­ser An­nah­me aus­geht.

Hin­sicht­lich der Lack­ne­bel hat der Sach­ver­stän­di­ge S fest­ge­stellt, dass die­se erst nach ei­ner De­mon­ta­ge der Ver­klei­dung im hin­te­ren lin­ken Rad­haus sicht­bar wur­den. Dies er­läu­tert er in sei­nem Gut­ach­ten nach­voll­zieh­bar an­hand fo­to­gra­fi­scher Do­ku­men­ta­ti­on und weist dar­auf hin, dass auf den Fo­tos des Sach­ver­stän­di­gen Z hier­zu (Bild 17 bzw. Bild 8 des Gut­ach­tens vom 13.07.2011) die Ver­klei­dung de­mon­tiert wor­den sei. Dass der Zeu­ge Z die Lack­ne­bel bei ei­ner Be­sich­ti­gung zu ebe­ner Er­de in knien­dem Zu­stand mit dem Vor­wis­sen um die­se für er­kenn­bar hielt, steht hier­zu be­reits nicht in di­rek­tem Wi­der­spruch. Denn es ist be­reits un­klar, ob bei der da­ma­li­gen Be­gut­ach­tung zu ebe­ner Er­de durch den Zeu­gen Z, bei der die­ser die Lack­ne­bel er­kannt ha­ben will, die Ra­dab­de­ckung de­mon­tiert war, wor­an sich die­ser je­doch nicht mehr er­in­nern konn­te. Ob die Lack­ne­bel da­her tat­säch­lich oh­ne De­mon­ta­ge von Tei­len bei Be­sich­ti­gung zu ebe­ner Er­de fest­ge­stellt wer­den konn­ten, kann auf­grund der Aus­sa­ge des Zeu­gen Z und den An­ga­ben in sei­nem Gut­ach­ten nicht fest­ge­stellt wer­den. Die dies­be­züg­li­che Pas­sa­ge in sei­nem Gut­ach­ten vom 25.01.2015 ent­hält kei­ne wei­te­ren Er­läu­te­run­gen. Der Ver­weis auf Fo­to Nr. 8 des Gut­ach­tens vom 13.07.2011, wel­ches das Fahr­zeug  auf ei­ner He­be­büh­ne und oh­ne Rad­ver­klei­dung zeigt, ist zur Er­läu­te­rung nicht aus­rei­chend und so­gar in­so­fern als ir­re­füh­rend an­zu­se­hen, als die Er­kenn­bar­keit zu ebe­ner Er­de oh­ne De­mon­ta­ge von Fahr­zeug­tei­len zu be­ur­tei­len war.

2. Ein An­spruch er­gibt sich schließ­lich auch nicht aus ei­nem Ver­schul­den der Be­klag­ten bei Ver­trags­schluss (cul­pa in con­tra­hen­do) ge­mäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB. Nach Ge­fahr­über­gang ist grund­sätz­lich von ei­ner Sperr­wir­kung der §§ 434 ff. BGB aus­zu­ge­hen, die nur aus­nahms­wei­se bei arg­lis­ti­gem (vor­sätz­li­chem) Ver­hal­ten ei­nes Ver­käu­fers durch­bro­chen wird (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, ju­ris Rn. 19, 24), da in sol­chen Fäl­len der Ver­käu­fer nicht schutz­be­dürf­tig ist. Ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten konn­te je­doch nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest­ge­stellt wer­den (s. oben).

An­de­re An­spruchs­grund­la­gen für den klä­ger­seits gel­tend ge­mach­ten An­spruch kom­men nicht in Be­tracht.

3. Man­gels Be­ste­hens des Haupt­an­spruchs ist auch ein dies­be­züg­li­cher Zins­an­spruch zu ver­nei­nen.

C. I. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 91 I 1, 93 ZPO.

Die Kos­ten des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens stel­len ge­richt­li­che Kos­ten des nach­fol­gen­den Haupt­ver­fah­rens dar, da Par­tei und Streit­ge­gen­stand iden­tisch wa­ren (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2002 – VI­II ZB 97/02, ju­ris Rn. 6 ff.).

Hin­sicht­lich des Tei­la­n­er­kennt­nis­ses der Be­klag­ten lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des so­for­ti­gen An­er­kennt­nis­ses nach § 93 ZPO vor. Die Be­klag­te hat durch ihr Ver­hal­ten zur Er­he­bung der Kla­ge kei­ne Ver­an­las­sung ge­ge­ben. Sie hat dem Klä­ger nach Män­gel­an­zei­ge an­ge­bo­ten, das Fahr­zeug zu un­ter­su­chen, und hat nach Fest­stel­lung des Un­fall­scha­dens (vor Er­he­bung der Kla­ge durch den Klä­ger) an­ge­bo­ten, das Fahr­zeug im Rah­men ih­rer Nach­er­fül­lungs­pflicht zu re­pa­rie­ren und den Min­der­wert in Hö­he von 400 € zu tra­gen. Der Klä­ger durf­te da­her nicht an­neh­men, dass er oh­ne Kla­ge nicht zu sei­nem Recht kom­men wer­de (vgl. Zöl­ler/Her­get, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 93 Rn. 3). …

Hin­weis: Das Ur­teil des Land­ge­richts kann mei­nes Er­ach­tens nur über­zeu­gen, wenn man – wie das Land­ge­richt – den Man­gel des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw dar­in sieht, dass das Fahr­zeug ei­nen nicht fach­ge­recht re­pa­rier­ten Un­fall­scha­den auf­weist. Denn (nur) ein in die­sem Sin­ne man­gel­haf­tes Fahr­zeug lässt sich nach­bes­sern, in­dem man es fach­ge­recht in­stand setzt. Vom Stand­punkt des Land­ge­richts war es des­halb fol­ge­rich­tig, die Fra­ge auf­zu­wer­fen, ob der Klä­ger der be­klag­ten Kfz-Ver­käu­fe­rin Ge­le­gen­heit zur Nach­bes­se­rung hät­te ge­ben müs­sen oder ob er da­von aus­nahms­wei­se we­gen ei­ner vor­an­ge­gan­ge­nen arg­lis­ti­gen Täu­schung ab­se­hen durf­te. Die­se Fra­ge stellt sich aber nicht, wenn man – wie das Amts­ge­richt – das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug des­halb für man­gel­haft hält, weil es über­haupt ei­nen Un­fall­scha­den er­lit­ten hat. Denn das lässt sich durch ei­ne Nach­bes­se­rung na­tur­ge­mäß nicht kor­ri­gie­ren, und auch die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Ge­braucht­wa­gens schei­det re­gel­mä­ßig aus.

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